Prägende Erfahrung: Wie Pflanzen auf Hitzestress reagieren

Prägende Erfahrung: Wie Pflanzen auf Hitzestress reagieren

Das für das Wachstum wichtige Meristemgewebe in der Sprossspitze entwickelt bei Pflanzen ein Gedächtnis für Hitzestress, das beim Überleben hilft. Das haben Potsdamer Forschende beobachtet.

Arabidopsis-Pflanzen mit und ohne Hitzeprägung
Arabidopsis-Keimlinge mit Prägung (links im Bild) entwickeln sich bei moderaten Temperaturen und folgendem Hitzestress viel besser als Keimlinge mit Hitzestress ohne Prägung (rechts im Bild).

Stress ist ungesund – für Mensch wie für Pflanze. Anders als Mensch oder Tier können Pflanzen Stress jedoch nicht ausweichen, können beispielsweise nicht vor Hitze in den Schatten oder in kühlere Gebiete fliehen. Deshalb besitzen pflanzliche Zellen eine Reihe von Anpassungsmechanismen. Jetzt konnten Forschende zeigen, dass diese Mechanismen gegen Hitzestress im Sprossmeristem besonders gut greifen, wenn die Pflanze schon einmal Hitze überlebt hat. Dieser für das Wachstum so wichtige Gewebetyp entwickelt demnach auf epigenetischer Ebene ein „Stressgedächtnis“, wie das Forschungsteam im Fachjournal „Molecular Plant“ berichtet.

Gewebespezifischer Mechanismus

„In der Regel sind die einzelnen Zellen in der Lage, auf einen akuten Stress zu reagieren. Dies geschieht auf unterschiedlichen Ebenen“, erläutert Justyna Jadwiga Olas vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie. So könne zum Beispiel der Stoffwechsel verändert oder entsprechende Gene könnten an- oder abgeschaltet werden, um mehr oder weniger Kopien bestimmter Proteine in der Zelle zu erzeugen. Die Zellen des Sprossscheitelmeristems verfügen jedoch über einen weiteren Mechanismus. „Im Vergleich zu anderen Organen, wie den Blättern, konnten wir zeigen, dass im Meristem eine unabhängige, gewebespezifische Regulation vorliegt“, berichtet Olas. „Sowohl die Komponenten, als auch die Geschwindigkeiten der einzelnen Reaktionen unterscheiden sich stark von den Reaktionen in anderen Organen.“

Vier Gene beteiligt

Analysen, welche Gene speziell in diesem Gewebetyp bei Hitze vermehrt oder vermindert in Proteine übersetzt wurden, halfen den Fachleuten, das „Stressgedächtnis“ auf molekularer Ebene zu identifizieren. Dabei handelt es sich um vier Gene: Eines der Gene kodiert für eine Aldolase – ein Enzym des Kohlenhydratstoffwechsels, das für die Energiezufuhr verantwortlich ist –, eines für ein Hitzeschockprotein, das andere Proteine vor der Zerstörung unter Hitze schützt, und die anderen beiden für zwei Stammzellregulatoren.

Potenzial für die Pflanzenzüchtung

Allerdings besitzt die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, an der die Studien durchgeführt wurden, diese Eigenschaft erst, nachdem sie eine milde Hitzephase überstanden hat. Eine zweite, größere Hitzewelle überlebt das Meristem danach und ermöglicht der Pflanze, nach der Hitze weiterzuwachsen und sogar verstorbene Organe zu ersetze. Pflanzen ohne diese Prägung leiden stark durch eine erste Hitze oder sterben ab. Dabei fiel auf, dass hitzegeprägte Pflanzen erst mit Abklingen der Hitze weiterwachsen. „Eine Wachstumshemmung während einer Hitzeperiode ist absolut sinnvoll und überlebensnotwendig, da dadurch auch die Blütenbildung während dieser Zeit verhindert und somit einem möglichen Ertragsverlust entgegengewirkt wird“, erklärt Bernd Müller-Röber vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie. Das bessere Verständnis des Hitzegedächtnisses soll nun mittelfristig der Pflanzenzüchtung helfen, neue Sorten resistenter gegen die Folgen der Klimakrise zu machen.

bl