Potenziale der Lebensmittelbiotechnologie nutzen
Mit Blick auf die Ernährungssicherung fordert die Fachgesellschaft DECHEMA, den Einsatz gentechnischer Verfahren in der Lebensmittelproduktion nicht länger zu blockieren.
Die Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie mit großem Innovationspotenzial für viele Branchen. Welche Chancen moderne biotechnologische Verfahren für die Lebensmittelproduktion bieten, beleuchtet das aktuelle Positionspapier der Fachgesellschaft DECHEMA. Darin beschreibt das Autorenteam, wie sich dank dieser Methoden mit Enzymen und Mikroorganismen neue Proteinquellen erschließen und die Verarbeitung von Lebensmitteln verbessern lassen. Gerade zur nachhaltigen Sicherung der Welternährung könnte die Lebensmittelbiotechnologie demnach deutlich mehr beitragen als bisher, heißt es.
Werkzeugkasten zur Herstellung neuer, nachhaltiger Lebensmittel
Im Fokus stehen Verfahren wie die traditionelle Fermentation, aber auch Zellkulturtechniken und gentechnische Verfahren, die es heute schon ermöglichen, bekömmliche, gesunde und nachhaltige Lebensmittel aus Hülsenfrüchten, Algen oder tierischen Proteinen herzustellen. So seien Enzyme in der Lebensmittelbiotechnologie biochemische Werkzeuge, die Lebensmitteln bestimmte Eigenschaften geben können – etwa, indem sie Stärke und Fette modifizieren, Schäume und Gele stabilisieren, Reifeprozesse steuern, Bitterstoffe entfernen oder helfen, Aromen und Fruchtauszüge zu gewinnen.
Neben maßgeschneiderten Enzymen wird auf das Potenzial von kultiviertem Fleisch verwiesen, das aus Muskelstammzellen von Huhn oder Rind in der Petrischale erzeugt wird, ohne ein Tier zu töten. Auch tierfreie Milchprodukte können dank Präzisionsfermentation im Bioreaktor hergestellt werden. Das Berliner Start-up Formo produziert beispielsweise in Mikroorganismen Milchproteine für die alternative Käseproduktion. „Die Präzisionsfermentation kann gewünschte Zielproteine mit dem Ziel niedriger Kosten in großen Mengen herstellen, unabhängig von Klima, Bodenbeschaffenheit und Jahreszeit", heißt es in dem Positionspapier. Auf diese Weise würden Nährstoffe bis zu zwanzigmal effizienter genutzt, als es in der Tierhaltung möglich sei.
DECHEMA-Positionspapier „Biotechnologie als Chance für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion“
Gesetzgebung blockiert Innovationspotenzial
Das Autorenteam ist überzeugt, dass moderne lebensmittelbiotechnologische Verfahren geeignet sind, „die aufziehende Krise durch die Klimaveränderung zu mindern sowie den Ernährungsstatus der Bevölkerung zu verbessern“, und „gleichzeitig enorme Landflächen freigeben, die zurzeit zum Anbau von Tierfutter verbraucht werden“. Doch dieses enorme Innovationspotenzial der modernen Produktionsmethoden werde derzeit von einer Gesetzgebung blockiert, die dessen Nutzung nicht nur behindere, sondern in Teilen unmöglich mache. „Das gilt besonders für neue genomische Techniken“, heißt es in dem Positionspapier.
Gentechnikgesetz der EU anpassen
Mit dem Positionspapier will die DECHEMA der Politik Argumente für eine Änderung der bestehenden Gesetzgebung liefern. Das Autorenteam fordert, dass „Organismen, bei denen keine artfremde DNA eingebaut wurde und die gleichermaßen durch natürliche Mutationen entstanden sein könnten, von der bestehenden EU-Gentechnikgesetzgebung ausgenommen werden“. Nur so könnten durch Forschung und Entwicklung neue Lebensmittelquellen erschlossen werden, die sowohl den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch dem Streben nach Nachhaltigkeit und den Zielen der „Farm to Fork“-Stategie der EU gerecht würden.
Die Lebensmittelproduktion leide unter dem Klimawandel und sei gleichzeitig für mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, heißt es. Um das zu ändern, seien disruptive Innovationen dringend notwendig.
bb