Fremde Väter für Hybridpflanzen
Bremer Molekularbiologen haben ein Verfahren für eine „Drei-Eltern-Kreuzung“ entwickelt, mit dem sich die natürliche Verwandtschaftsprüfung umgehen lässt.
2017 wurde sie entdeckt, inzwischen ist sie in Europa, Asien und den USA zum Patent angemeldet: die „Drei-Eltern-Kreuzung“. Sie ermöglicht die Züchtung von Pflanzen, die eine Mutter und zwei Väter und somit drei Chromosomensätze haben. Nachgewiesen hat den Mechanismus der sogenannten Polyspermie die Arbeitsgruppe der Molekularbiologin Rita Groß-Hardt von der Universität Bremen. Ihr Team berichtet im Fachjournal „eLife“, dass sich die Methode eignet, um die Verwandtschaftskontrolle vor der Befruchtung zu umgehen.
Ohne Verwandtschaft stirbt der Same ab
„In der Pflanze wird an verschiedenen Stellen überprüft, ob die Gene des Vaters verwandt genug mit denen der Mutter sind“, erklärt Groß-Hardt. „Diese Barrieren liegen nicht nur in der Eizelle. Viel kritischer ist, dass das Erbgut auch durch das umgebende Nährgewebe muss. Dieses führt eine regelrechte Qualitätskontrolle durch und prüft die DNA hinsichtlich Chromosomenzahl und Verwandtschaftsgrad. Wenn die DNA des Vaters dieser Prüfung nicht standhält, stirbt der Same ab.“
Zweiter Vater umgeht die Kontrolle
Nun zeigte Groß-Hardts Arbeitsgruppe, dass diese Qualitätskontrolle im Fall der Polyspermie teilweise umgangen werden kann. „Was unser Team – allen voran Yanbo Mao – nun herausgefunden hat: Während die DNA des ersten Vaters durch die Qualitätskontrolle des Nährgewebes muss, kann das Erbgut des zweiten Vaters an diesem Kontrollpunkt vorbeigeschleust werden.“ Das Erbgut des zweiten Vaters müsse somit nicht zwingend eng mit dem der anderen beiden Eltern verwandt sein, was es ermöglicht, väterliches Erbgut in die nächste Generation zu „schmuggeln“.
Die guten Eigenschaften von zwei verschiedenen Pflanzen durch Kreuzung zu vereinen, ist ein Ziel der Pflanzenzüchtung. Die sogenannte Hybridisierung hat jedoch auch Grenzen. Wenn die beiden Pflanzen nur entfernt miteinander verwandt seien, funktioniert die Kreuzung oftmals nicht, so die Forscherin.
Potenzial für Hybridzüchtung
Die Erkenntnisse des Teams tragen im Wesentlichen zu einem besseren Verständnis der Fortpflanzung der Pflanzen bei. Sie können aber auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. „Die konventionelle Pflanzenzucht kommt mit den starken Veränderungen durch den Klimawandel nicht hinterher“, erläutert die Forscherin.
„Wir benötigen dringend Pflanzen mit einer erhöhten Widerstandsfähigkeit beispielsweise gegen Trockenheit und Hitze. Wenn wir jetzt durch unsere Forschungsergebnisse einige Hybridisierungsbarrieren umgehen und dadurch auch die positiven Eigenschaften von weiter entfernten Arten nutzbar machen können, wäre das ein Beitrag für die landwirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft“, so Groß-Hardt. Den Weg in die züchterische Praxis hat die Entdeckung bereits gefunden: Das Saatgutunternehmen KWS hat mit der Bremer Forschungsgruppe eine Kooperation begonnen.
bl/ml