DFG: EU-Regulierungsvorschlag für Neue Züchtungstechniken unterstützen

DFG: EU-Regulierungsvorschlag für Neue Züchtungstechniken unterstützen

In der Debatte zum Umgang mit Neuen Züchtungstechniken hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an die Bundesregierung appelliert, dem Regulierungsentwurf der Europäischen Kommission zuzustimmen.

Weizen-Sprösslinge
Genom-editierte Weizenpflanzen, die im Rahmen der Forschungsallianz PILTON erzeugt wurden (siehe Themendossier: Genom-editierte Nutzpflanzen).

Die EU-Kommission möchte die Gentechnik-Gesetzgebung reformieren und die bis dato strengen Auflagen für den Umgang mit genom-editierten Nutzpflanzen lockern. Ihr im Juli dieses Jahres vorgestellter Regulierungsentwurf sieht die Deregulierung von bestimmten Pflanzen vor, die mit Neuen Züchtungstechniken – den sogenannten new genomic techniques (NGT) – hergestellt wurden.

Der Regulierungsvorschlag nimmt NGT-Pflanzensorten aus der bestehenden strengen Zulassung für gentechnisch veränderte Pflanzen heraus, sofern diese keine artfremden Erbanlagen enthalten und zudem als substanziell gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen eingestuft werden können. Eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten wird bis Ende des Jahres unter der spanischen EU-Ratspräsidentschaft angestrebt. Auch die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Position zu der Gesetzesvorlage. Im Idealfall könnte der Verordnungsentwurf der EU-Kommission noch vor der Europawahl am 9. Juni 2024 verabschiedet werden.

Debatte um EU-Regulierungsentwurf

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte bereits im Oktober mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer gemeinsamen Stellungnahme ihre Unterstützung für den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Verordnungsentwurf bekräftigt.

Mitte November kamen nun in der Berliner Vertretung der Europäischen Kommission rund 80 Fachleute aus Wissenschaft und Politik bei einem Parlamentarischen Abend zusammen, um Vetreterinnen und Vertretern der Regierungsfraktionen den wissenschaftlichen Standpunkt zum EU-Vorschlag zu erläutern. Das Thema der Veranstaltung: „Neue Züchtungstechniken als Beitrag zur Bewältigung multipler Krisen des 21. Jahrhunderts“.

Zustimmung der Bundesregierung gefordert

Im Rahmen der Veranstaltung erging der dringende Appell an die Bundesregierung, dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Entwurf zum Umgang mit neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzucht zuzustimmen. „Es wäre ein falsches Signal an Wissenschaft und Forschung, sollte die Entscheidung über eine Neuregulierung des Gentechnikrechts weiter aufgeschoben werden", sagte DFG-Präsidentin Katja Becker am Rande der Veranstaltung.

"Für eine zukunftsgerichtete und innovative Pflanzenforschung in Deutschland und Europa ist eine Erleichterung des Zugangs zu Feldversuchen mit Pflanzen, die mit diesen neuen Technologien entwickelt wurden, unabdingbar. Nur in Freilandversuchen kann geklärt werden, inwieweit Forschungsergebnisse aus dem Labor und dem Gewächshaus auf reale Kulturbedingungen übertragbar sind." Dies sei sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die Anwendung essenziell. Becker nannte als Beispiel das Verständnis der genetischen Grundlagen von Salz-, Dürre- und Hitzetoleranz, "die uns helfen, die Pflanzen an ein sich wandelndes Klima anzupassen".

Patentrechtliche Fragen entkoppeln

Auch über patentrechtliche Fragen wurde bei dem Treffen diskutiert. Hinsichtlich der wichtigen Fragen zum Schutz des geistigen Eigentums in Bezug auf NGT-Pflanzen, gebe es nachvollziehbare Bedenken seitens der Pflanzenzüchterinnen und -züchter. Eine öfter geäußerte Sorge: Patente auf NGT-Pflanzen könnten den Zugang zu biologischem Material für die weitere Züchtungsarbeit einschränken und damit den Züchtungsfortschritt in der Zukunft gefährden.

Dazu hieß es in Berlin, rechtliche Fragen rund um den Patent- und Sortenschutz für alle Beteiligten zufriedenstellend zu lösen, bedürfe weiterer sorgfältiger Überlegungen. Es gebe allerdings keinen unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang zwischen dem europäischen Gentechnikrecht einerseits und dem Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) andererseits, wie es in der politischen Debatte oft dargestellt werde. Aus diesem Grund dränge man darauf, die Diskussionen um das Patent- und Sortenschutzrecht vom Regulierungsvorschlag der EU-Kommission abzukoppeln, heißt es in einer DFG-Pressemitteilung.

Gesetzgebungsprozess dauert mehrere Jahre

Der Passauer Rechtswissenschaftler Hans-Georg Dederer betonte: „Der Wissenschaft rennt die Zeit davon. Selbst wenn der Rat der EU und das Europäische Parlament im nächsten Jahr dem Verordnungsentwurf der Kommission zustimmen, würde es nach diesem Vorschlag immer noch zwei Jahre ab Inkrafttreten der Verordnung dauern, bis deren Regelungen anwendbar sind. Bis dahin profitieren europäische Forscherinnen und Forscher weiterhin nicht von erleichterten regulatorischen Bedingungen für Arbeiten mit NGT-Pflanzen, anders als viele ihrer außereuropäischen Kolleginnen und Kollegen“, so Dederer, der wissenschaftliches Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung ist.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht in den Neuen Züchtungstechniken eine "riesige Chance, Pflanzen effizient, zielgerichtet und sicher zu züchten". Sie sieht ihre Position im Einklang mit der Position der Wissenschaft. Um die Züchtung klimaangepasster und leistungsstarker Nutzpflanzen voranzutreiben, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Oktober eine neue Fördermaßnahme zur Pflanzenzüchtungsforschung gestartet. Gefördert werden Verbünde und Nachwuchsgruppen, die das gesamte Spektrum moderner Züchtungstechniken einsetzen – inklusive Genom-Editierung.

bb/pg