Chinaschilf als klimafreundliche Bioethanol-Quelle
Das Riesengras Miscanthus soll auf marginalen Böden zum Rohstoff für nachhaltige Kraftstoffalternativen werden.
Bioethanol ist als Kraftstoff oder Kraftstoffbeimischung eine biobasierte Alternative zu erdölbasierten Kraftstoffen. Ein europäischer Forschungsverbund unter Beteiligung der Universität Hohenheim hat ein Versuchsprojekt entwickelt, dessen Prozess sogar klimafreundlicher als bloß klimaneutral sein soll. Im Mittelpunkt stehen das Riesengras Miscanthus × gigantheus und die Speicherung von Kohlendioxid (CO2).
CO2-Reduktionspotenzial größer als 100 %
„Wenn man die Produktion von Bioethanol mit Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung kombiniert, könnte man dazu beitragen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen“, zeigt sich Projektkoordinator Andreas Kiesel von der Universität Hohenheim überzeugt. „Je nach Bilanzierungsansatz für die biologische Kohlenstoffspeicherung ist ein Reduktionspotenzial von mehr als 100 % gegenüber dem EU-Vergleichswert für fossile Kraftstoffe wahrscheinlich“, rechnet sein Kollege Jan Lask vor.
Entstehen soll die Pilotanlage im kroatischen Sisak, angegliedert an eine Ölraffinerie. Deren ehemalige Ölfelder sollen das bei der Herstellung des Bioethanols entstehende CO2 aufnehmen: „Zum einen liegt die Raffinerie in unmittelbarer Nähe zu ausgebeuteten Erdöllagerstätten, die für die CO2-Speicherung eingesetzt werden können und laut Expertenmeinung für die nächsten 1.000 Jahre und auch darüber hinaus langfristig stabil sind“, erläutert Kiesel. Zum anderen gibt es im Umfeld der Anlage rund 60.000 Hektar ehemalige Ackerflächen, die während des Jugoslawien-Kriegs in den 1990er-Jahren aufgegeben worden sind.
Anbau auf marginalen Böden
Denn – das stand im Verbundprojekt „Growing Advanced industrial Crops on Marginal Lands for Biorefineries” (GRACE) von Beginn an fest – die Rohstoffe für das Bioethanol sollen nicht mit der Produktion von Lebens- und Futtermitteln konkurrieren. Deshalb fiel der Blick auf Miscanthus, ein bis zu drei Meter hohes Gras, das auf marginalen Flächen wächst – dort, wo andere Kulturpflanzen nicht gedeihen. „So kann ungenutztes Land wieder bewirtschaftet werden, ohne dabei in Konkurrenz mit Nahrungs- und Futterpflanzen oder anderweitigen Produkten zu treten“, erklärt Lask.
Außerdem bietet Miscanthus einige weitere Vorteile: Als mehrjährige Pflanze stabilisiert das Gras den Boden und verhindert dessen Erosion. Einmal etabliert, verdrängt es zudem Unkräuter, was am Projektstandort besonders vielversprechend ist. Denn dort breitet sich die invasive Pflanze Bastard-Indigo aus. „Der großflächige Anbau von Miscanthus könnte eine Option sein, um die Ausbreitung dieser Art zu verringern“, sagt Lask. Abgerundet wird das Forschungsprojekt durch Untersuchungen, in welchem Ausmaß der Miscanthus-Anbau nachhaltig sein kann.
Laufzeit noch bis Ende 2022
GRACE startete am 1. Juni 2017 und läuft noch bis 31. Dezember 2022. Finanziert wird das Projekt mit 12,3 Mio. Euro durch die privat-öffentliche Forschungskooperation „Bio-based Industries Joint Undertaking“ zwischen der Europäischen Union und dem Bio-based Industries Consortium, einem Zusammenschluss aus Großunternehmen der Bioökonomie. Weitere 2,7 Mio. Euro bringen private Projektpartner ein.
bl