Bioplastik: Abbau dauert sehr lange

Bioplastik: Abbau dauert sehr lange

Ein Gutachten des Umweltbundesamtes mit Beteiligung von Fraunhofer-Forschern belegt: Auch biologisch abbaubare Kunststoffe verbleiben über Monate in der Umwelt.

Der Verbrauch von und die Verschmutzung durch Kunststoffverpackungen wird immer mehr zur Gefahr für die Umwelt.

Die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll ist derzeit in aller Munde – ob Müllinseln in den Weltmeeren oder Mikroplastik auf den Äckern. Da nicht überall auf Kunststoffverpackungen verzichtet werden kann, werden inzwischen immer mehr biologisch abbaubare Kunststoffe hergestellt, die die Umwelt weniger belasten sollen. Doch auch ihr Einsatz wird kontrovers diskutiert: Zwar hilft die biologische Abbaubarkeit im Kampf gegen die langfristige Vermüllung der Umwelt, doch könnte sie zugleich auch zu einem noch sorgloseren Umgang mit Verpackungsmüll und achtlosem Wegwerfverhalten führen, was die Umwelt noch stärker belasten würde.

Das Umweltbundesamt hat daher ein Gutachten in Auftrag gegeben, in welchem Materialien, Produkte und Standards der biologischen Abbaubarkeit beschrieben und die Verwertung betreffender Abfälle in fünf Mitgliedsstaaten der EU vergleichend dargestellt werden. Außerdem wurden wissenschaftliche Publikationen zu dem Thema ausgewertet. Das Ergebnis: Auch biologisch abbaubare Materialien bleiben mehrere Monate bis Jahre in der Umwelt. Das 150 Seiten umfassende Manuskript wurde von drei Forschern des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen zusammen mit drei Experten der BiPRO GmbH in München erstellt und steht online als kostenfreier Download bereit.

Mikroorganismen zersetzen Kunststoff

Dem Gutachten zufolge liegt der Anteil von Biokunststoffen in der globalen Kunststoffproduktion mittlerweile bei 1,3% – Tendenz steigend. Laut Definition ist ein Kunststoff dann biologisch abbaubar, wenn er durch Mikroorganismen unter Sauerstoffzufuhr in Kohlenstoffdioxid, Wasser, mineralische Salze und Biomasse zersetzt wird oder wenn er ohne Sauerstoffzufuhr in Kohlenstoffdioxid, Methan, mineralische Salze und Biomasse umgewandelt werden kann. Dabei gilt zu beachten, dass nicht alle biobasierten Kunststoffe biologisch abbaubar sind und zugleich nicht alle biologisch abbaubaren Kunststoffe biobasiert sind.

Abbau kann bis zu zwei Jahre dauern

Der biologische Abbau bei Polymeren erfolgt in zwei Etappen: Der erste, geschwindigkeitslimitierende Schritt ist eine Hydrolyse der Polymerketten in kleinere Fragmente. Diese sind meist wasserlöslich und können von Zellen aufgenommen und weiter abgebaut werden. Wie das Gutachten zeigt, benötigen die Polymere, abhängig von den Temperaturen, der Sauerstoffzufuhr und ob sie im Boden oder in Süß- oder Meerwasser abgebaut werden, mindestens sechs Wochen bis zu fast zwei Jahren für ihren Abbau.

Die Grafik verdeutlicht: Nicht alle biobasierten Kunststoffe sind biologisch abbaubar und nicht alle biologisch abbaubaren Kunststoffe sind biobasiert.

Unterschiedliche Ansätze in der EU

Europaweit gibt es unterschiedliche Ansichten und Ansätze bezüglich biologisch abbaubarer Kunststoffe und ihrer Entsorgung. Das Gutachten hat daher auch die verschiedenen Strategien und Entsorgungskonzepte identifiziert und miteinander verglichen. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Ländern Deutschland, Italien, Frankreich, Niederlande und Schweden. Die in Deutschland besonders relevanten Produktgruppen sind danach Mulchfolien, Bioabfallbeutel und Kunststoffverpackungen. Hierfür werden vor allem biologisch abbaubare Stärke, Polylactid (PLA), Polybutylensuccinat (PBS), Polybutylenadipat-Terephthalat (PBAT) und Polyhydroxyalkanoate (PHA) verwendet.

Finanzielle Anreize fördern 

Wie die Autoren berichten, sind in Italien und Frankreich Regulierungen vorhanden, die den Einsatz von biologisch abbaubaren Kunststoffen begünstigen. So ist in Frankreich vorgeschrieben, dass Obst- und Gemüsebeutel kompostierbar und biobasiert sein müssen. Und in Italien müssen Einweg-Kunststofftüten und -beutel industriell kompostierbar und biobasiert sein. Obwohl auch in den Niederlanden der Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe durch finanzielle Anreize gefördert wird, gibt es dazu keine klare Position. Ähnlich ist es in Deutschland und Schweden. Den Autoren zufolge fehlt es auch hier an finanziellen Anreizen. 

Gesetzgeber in der Pflicht

Der biologische Abbau von Kunststoffen ist laut Gutachten erst dann vorteilhaft, wenn dadurch ein Zusatznutzen besteht. Andernfalls sei eine Kreislaufnutzung per Recycling ökonomisch und ökologisch wertvoller. Basierend auf ihren Analysen formulierten die Autoren deshalb folgende Empfehlungen für Deutschland: „Das Belassen biologisch abbaubarer Mulchfolien im Boden kann im begrenzten Umfang toleriert werden.“ Da solche Folien bisher nur in geringen Mengen verwendet werden, sei zunächst das Recycling der herkömmlichen Folien anzustreben.

Biologisch abbaubare Sammelbeutel hingegen könnten den Autoren zufolge die „Bioabfallsammlung in jedem Fall sinnvoll unterstützen“. Für eine gelungene Umstellung auf biologisch abbaubare Kunststoffbeutel sei allerdings eine klare Kennzeichnung sowie eine umfängliche Information der Bevölkerung wichtig. Nicht zuletzt sehen die Autoren auch den Gesetzgeber in der Pflicht, für mehr und besser gekennzeichnete biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien zu sorgen: „Da für Verpackungen die erweiterte Herstellerverantwortung gilt, muss in Deutschland eine Verwertung entsprechend der Verpackungsverordnung und zukünftig entsprechend des Verpackungsgesetzes erfolgen.“

jmr