„Der ökologische Fußabdruck muss alle Klimafaktoren berücksichtigen“

„Der ökologische Fußabdruck muss alle Klimafaktoren berücksichtigen“

Nadine Mengis

Beruf:
Klima-Physikerin und Biogeochemikerin

Position:
Leiterin der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe FOOTPRINTS am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) Kiel

Nadin Mengis
Vorname
Nadine
Nachname
Mengis

Beruf:
Klima-Physikerin und Biogeochemikerin

Position:
Leiterin der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe FOOTPRINTS am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) Kiel

Nadin Mengis

Im Projekt FOOTPRINTS untersucht ein Team um Nachwuchsforscherin Nadine Mengis wie sich CO2-Emissionen entwickeln müssen, um die globalen Temperaturen zu stabilisieren und damit die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Der Ausstoß des Treibhausgases CO2 ist für das Gros der Erderwärmung verantwortlich. Land und Ozeane nehmen derzeit aber nur etwa die Hälfte dieser Emissionen auf. Mit sogenannten CO2-Entnahme-Maßnahmen wie Renaturierung der Moore, Kohleausstieg, energetische Gebäudesanierung und klimafreundliche Mobilität soll der globalen Erderwärmung entgegengewirkt werden. Doch reichen diese Maßnahmen tatsächlich aus, um Kohlenstoffquellen und -senken wieder ins Gleichgewicht zu bringen? Nein – sagt Nadine Mengis. Für die Kieler Nachwuchsforscherin steht fest, dass noch andere Treibhausgase wie Methan oder Lachgas die globalen Temperaturen beeinflussen – bei der Berechnung des ökologischen Fußabdruckes aber kaum berücksichtigt werden. Im Projekt FOOTPRINTS nimmt die Forscherin nunmehr alle klimarelevanten Emissionen bei der Bewertung von Maßnahmen zur CO2-Entnahme unter die Lupe.

Frage

Worum geht es im Projekt FOOTPRINTS?

Antwort

Das Projekt FOOTPRINTS untersucht, wie das Erdsystem reagieren wird, wenn wir unsere Emissionsziele erreichen. Das Zusammenspiel von Kohlenstoff-Kreislauf und Wärmehaushalt der Erde wird bestimmen, wie sich der Temperaturverlauf entwickeln wird. Deren Zustand ist wiederum abhängig davon, wie viel CO2 wir bis dahin noch ausstoßen und wie wir unsere Klimaziele erreichen. Wird sich das Klima auch dann stabilisieren, wenn wir für das Erreichen unserer Ziele groß angelegte Maßnahmen zur Beseitigung von CO2 einsetzen? Welchen Einfluss auf das Klima haben diese Maßnahmen über die CO2-Entnahme hinaus?

Frage

Welches Ziel verfolgt das Projekt?

Antwort

Am Ende des Projekts soll eine umfassende Analyse verschiedener Einflussfaktoren in Temperatur-Stabilisierungs-Szenarien erfolgt sein, um zu verstehen, welcher dieser Faktoren, auf welchen Zeitskalen dominiert. Ein Beispiel für relevante sozio-ökonomische Faktoren sind das verbrauchte CO2-Emissionsbudget, also auch wie stark der Klimawandel fortgeschritten ist, der Umfang von CO2-Entnahme-Maßnahmen und die Milderung weiterer klimarelevanter Wirkungsfaktoren wie Treibhausgase oder Aerosole. Im Erdsystem werden Faktoren, wie der Zustand der meridionalen Umwälzzirkulation des Ozeans, die natürliche CO2-Aufnahme-Kapazitäten an Land (reguliert durch Vegetation) sowie zu Wasser eine wichtige Rolle spielen. Diese Erkenntnisse werden zum einen zukünftige Forschungsprioritäten für das Verständnis der Temperaturentwicklung unter netto-null aufzeigen und zum anderen erste Indikatoren dafür geben, wie unsere CO2-Emissionen aussehen müssen, um die globale Temperatur zu stabilisieren.

Frage

Welche Maßnahmen zur CO2-Entnahme werden analysiert?

Antwort

Teil des Projektes wird es sein, Klimawirksamkeits-FOOTPRINTS, also Fußabdrücke, von CO2-Entnahme-Maßnahmen zu berechnen. Bisher wurden diese Maßnahmen hauptsächlich hinsichtlich ihrer technologischen und ökonomischen Effektivität untersucht. Wenn wir allerdings den gesamten Prozess zur Produktion von negativen CO2-Emissionen betrachten, haben diese Methoden weitere klimarelevante Wirkungen, zum Beispiel durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie Methan und Lachgas, aber auch Aerosole, oder Veränderungen in der Landoberfläche. Das FOOTPRINTS-Projekt wird zunächst CO2-Entnahme-Maßnahmen mit hohem Technologie-Bereitschaftsgrad untersuchen, was momentan hauptsachlich Maßnahmen an Land bedeutet. Hierzu gehören zum Beispiel Bioenergie-Anlagen kombiniert mit CO2-Filteranlagen und geologischer Speicherung von CO2, die beschleunigte Verwitterung an Land oder auch die direkte CO2-Entnahme aus der Luft. Später werden wir dann auch marine Ansätze zur CO2-Entnahme untersuchen, wie zum Beispiel die elektrochemische Verwitterung oder die Makroalgen-Aufzucht kombiniert mit Biomassen-Versenkung.

 

Frage

Der ökologische Fußabdruck wird in der Regel auf CO2-Emissionen reduziert. Welche Rolle spielen andere Treibhausgase wie Methan bei der Bewertung des ökologischen Fußabdrucks?

Antwort

CO2-Entnahme-Maßnahmen sowie fast alle anderen menschlichen Aktivitäten mit Einfluss auf unsere CO2-Emissionen haben weitere klimarelevante Wirkungen. So werden beim Transport an Land beispielsweise neben dem Treibhausgas CO2 auch wärmere Rußpartikel (Aerosole) und kühlende Aerosole wie Schwefeldioxid ausgestoßen. Die Landwirtschaft hingegen verursacht große Mengen an Methan und Lachgas, welche das Klima aufwärmen, sowie Ammoniak, welches eine kühlende Klimawirkung hat. Besonders für die kurzfristigen Klimaauswirkungen unserer Aktivitäten, also auf einer Zeitskale von etwa zehn Jahren, ist es wichtig, die Auswirkungen dieser klimawirksamen Faktoren mit einzubeziehen. Wichtig ist aber auch zu verstehen, dass CO2 das bei weitem langlebigste menschgemachte Treibhausgas ist und wir vor lauter weiteren Faktoren nicht vergessen dürfen, dass wir unsere CO2-Emissionen auf null bekommen müssen.

Frage

Deutschland will bis 2045 CO2-neutral sein, so steht es im Klimaschutzgesetz. Reichen Maßnahmen wie Renaturierung der Moore, Kohleausstieg, energetische Gebäudesanierung und klimafreundliche Mobilität nicht aus?

Antwort

Im Rahmen der Helmholtz Klima Initiative haben wir uns mit genau dieser Frage in den vergangenen zwei Jahren befasst – und unsere Antwort lautet: Nein. Sonja Simon und ihr Team haben anhand eines Energie-System-Modells für Deutschland ein Transformationsszenario entwickelt, dem ein 1,5º C-CO2-Emissionsbudget zugrunde liegt. In diesem Szenario werden der Kohleausstieg, energetische Gebäudesanierung und klimafreundliche Mobilität berücksichtigt sowie Maßnahmen, um CO2-Emissionen in der Industrie weiter zu senken. Alles zusammengenommen, lagen die verbleibenden Emissionen in Deutschland bei ca. 60 Mt CO2 pro Jahr. Diese gilt es auszugleichen, um auf netto-null CO2 zu kommen. Zusätzlich dazu haben Experten für Bodenkunde in der Landwirtschaft, Seegräser und Moore die CO2-Entnahme Potenziale verschiedenster Methoden für Deutschland berechnet. Selbst in ersten, teilweise optimistischen Berechnungen, konnten diese Maßnahmen zusammengenommen nur ungefähr 25% dieser verbleibenden CO2-Emissionen ausgleichen. Das bedeutet, dass wir entweder unsere verbleibenden Emissionen durch gesellschaftsumgreifende Verhaltensveränderungen weiter verringern müssen oder technologische CO2-Entnahme-Maßnahmen kombiniert mit geologischer CO2-Speicherung einsetzten müssen, um CO2-Neutralität zu erreichen.

Interview: Beatrix Boldt