„Wir machen Baumaterialien zu Kohlenstoffsenken“
Julia RothBeruf:
Betriebswirtin
Position:
Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups Carbon Instead UG
Beruf:
Betriebswirtin
Position:
Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups Carbon Instead UG
Das Berliner Start-up Carbon Instead will Biokohle für den Einsatz in Baustoffen maßschneidern, um damit den CO₂-Fußabdruck der Bauindustrie senken.
Die Bauwirtschaft ist mit 38 % für einen Großteil der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nachhaltige Baustoffe sind daher dringend gefragt, um Umwelt und Klima nicht weiter zu belasten. Das Berliner Start-up Carbon Instead hat eine Technologie parat, um Baustoffe wie Dämmmaterialien zu Kohlenstoffsenken zu machen. Das Team um Geschäftsführerin Julia Roth setzt dabei auf den Einsatz von Biokohle, die für den industriellen Einsatz im Bausektor maßgeschneidert wird.
Welches Ziel verfolgt Ihr Unternehmen?
Carbon Instead hat sich auf Lösungen zur Dekarbonisierung der Industrie, vorwiegend im Bereich der Baustoffe durch sogenannte Negative Emission Technology (NET) spezialisiert. Hierfür verwenden wir Biochar Carbon Removal (BCR) – eine Technologie, bei der mithilfe von Biokohle Kohlendioxid aus der Atmosphäre eingefangen und gespeichert wird. Diese Lösungen wurden von uns in Kooperation mit Industrie- und Forschungspartnern entwickelt und werden nach Sicherung des geistigen Eigentums (IP) über verschiedene Modelle zur Nutzung an Industriepartner lizenziert.
Unser Schwerpunkt liegt auf der Anpassung der BCR-Kohlenstoffe, um deren optimalen Einsatz in den Zielanwendungen zu gewährleisten. Dabei stehen sowohl die Verarbeitung als auch die Materialeigenschaften im Fokus. Unser Ziel ist es, eine wirtschaftliche, ressourceneffiziente und qualitativ hochwertige Verwertung zu erreichen sowie lokale Stoffkreisläufe effizient zu schließen – ein fundamentales Prinzip der Bioökonomie. Darüber hinaus sollen die entwickelten Lösungen neue Stoffströme als Kohlenstoffsenken erschließen und in der Industrie als Ersatz für ressourcenintensiv hergestellte Materialien eingesetzt werden können.
Wie wird Biokohle hergestellt, und welche Rohstoffe nutzt Carbon Instead dafür?
Biokohle, auch bekannt als Pflanzenkohle oder BCR-Kohlenstoffe, sind technisch gesehen Karbonisate, die durch die Pyrolyse von biogenen (Rest-)Stoffen entstehen. Die Pyrolyse ist ein thermischer Prozess, der unter sauerstoffarmen oder -freien Bedingungen abläuft. Dabei werden die organischen Bestandteile, hauptsächlich Kohlenwasserstoffe, umgewandelt. Im Prozess entstehen meist Nebenprodukte wie verwertbare Gas- und Ölfraktionen, aber auch Kohlenstoff in fester Form. So wird ein Teil des von den Pflanzen durch Photosynthese aus der Atmosphäre aufgenommenen CO₂ dauerhaft als Feststoff in Form von Kohlenstoff fixiert. Wenn dieser Kohlenstoff nicht verbrannt, sondern in ein Langzeitdepot wie beispielsweise Baustoffe eingebracht wird, entsteht eine Kohlenstoffsenke. Die Negativ-Emissions-Technologie ist im Unterschied zu anderen Technologien aktuell schon großflächig einsetzbar und skalierbar. Ziel ist es, Kohlenstoffe aus ganz unterschiedlichen Ausgangsstoffen – insbesondere bisher ungenutzten biogenen Reststoffströmen, die nicht in Konkurrenz zu anderen Verwendungen stehen –herzustellen und gezielt in Anwendungen einzusetzen.
Der Einsatz von Biokohle in der Landwirtschaft gilt seit langem als vielversprechende Möglichkeit, das Pflanzenwachstum ohne Einsatz von Pestiziden zu fördern. Carbon Instead will Biokohle in Baustoffe einbetten und für Industrieanwendungen maßschneidern.
Was heißt das konkret und auf welche Baustoffe sind sie fokussiert?
Die Kohlenstoffe haben in der Landwirtschaft vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Nutzungskaskaden, wie etwa in der Zufütterung und bei der Bodenverbesserung. Unser Ziel ist es, eine industrielle Einsatzmöglichkeit für Kohlenstoffe zu finden, die nicht unbedingt in der Landwirtschaft liegen. Damit wollen wir unseren Teil dazu beitragen, dass die Möglichkeit zur Dekarbonisierung durch ein größeres Anwendungsspektrum schneller skaliert und einen signifikanten Impact erzeugt.
Wir fokussieren uns primär auf die Einbringung in Baumaterialien, welche auf mineralischen Bindersystemen basieren und einen signifikanten Stoffstrom repräsentieren, wie Beton und Mörtel.
Wie viel Biokohle steckt in den Baustoffen und welchen Einfluss hat das auf die Materialeigenschaften und den CO₂-Fußabdruck der Baustoffe?
Wie viel Kohlenstoff in einem bestimmten Baustoff Sinn ergibt, bestimmt immer die Endanwendung. Für uns ist immer die Maßgabe, dass der Kohlenstoff, so wie er eingebracht wird, einen funktionalen Mehrwert leistet und beispielsweise im Handling keinen Nachteil mit sich bringt. So kann die Lösung relativ schnell und unkompliziert in bestehende Fertigungssysteme integriert werden. Der Kohlenstoff kann den CO₂-Fußabdruck des Endprodukts deutlich senken, wenn dieser beispielsweise ressourcenintensiv gewonnenes Material ersetzt und gleichzeitig selbst einen „CO₂-negativen“ Fußabdruck mitbringt.
Wie weit ist die Entwicklung Ihrer Technologie vorangeschritten? Wie reagiert die Baubranche auf ihre Innovation?
Wir haben mit unseren Partnern in den vergangenen Jahren viel Energie in die Forschung, IP-Entwicklung sowie in die Optimierung des Handlings der Kohlenstoffe gesteckt. Unsere erste Produktgeneration ist bereits größer als 200 Tonnen in der Anwendung, bei den weiteren Entwicklungen sind wir derzeit noch in der Skalierung. Wir haben die große Freude, mit vielen unserer Industriepartner wie beispielsweise der AHE Holding sehr gut und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. So haben wir in diesem Jahr gemeinsam mit der Concrete Innovation GmbH die c-ton-Technologie auf den Markt gebracht. Diese umfasst Pflastersteine und Betonprodukte, die alle Treibhausgasemissionen aus Produktion und Betoneinsatzstoffen vollständig ausgleichen und allen Normen entsprechen. Damit sind wir jetzt Finalist des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2025, ein toller Ansporn für uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Darüber hinaus arbeitet Carbon Instead im Projekt „SchüttLiBI“ mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft an weiteren Innovationen für die Baubranche.
Woran wird konkret geforscht und wie ist der aktuelle Entwicklungsstand?
Dämmstoffe sind ein immanenter Bestandteil der Bauwirtschaft und nehmen somit bei der geforderten CO₂-Emissionseinsparung eine Schlüsselposition ein. Die Themen Nachhaltigkeit und vollständiger Stoffkreislauf stehen bei deren Weiterentwicklung stark im Fokus. Wir arbeiten mit Baufritz und Fraunhofer IBP daran, die Holz-Schüttdämmung von Bau-Fritz in ihren technischen Eigenschaften wie Wärmedämmfähigkeit und Dauerhaftigkeit weiter zu optimieren und gleichzeitig die Negativ-Emissions-Technologie in das System zu integrieren. Die Kohlenstoffe müssen für den Anwendungsfall optimiert, die Rezyklierfähigkeit sichergestellt und das System entwickelt und fertigungstechnisch skaliert werden. Gerade sind wir dabei, eine Fertigungs- und Anlagentechnik zu planen, die die Materialien in der benötigten Qualität bereitstellt und in das neue klimaneutrale Energiekonzept von Bau-Fritz passt.
Interview: Beatrix Boldt