Die Lederrevolteure
Lucas Fuhrmann & Montgomery Wagner
Beruf:
Gründer & Geschäftsführer von Revoltech
Biopioniere für:
Biomaterialien als Textil- und Lederersatz


Das 2021 in Darmstadt gegründete Startup Revoltech betreibt die Entwicklung neuartiger Oberflächenmaterialien mit lederähnlichem Charakter. Die Basis für die Materialinnovationen stellen nachwachsende Roh- und Reststoffe dar, allen voran regionale Hanffasern aus Deutschland. Die beiden Gründer kenn sich schon seit der Schulzeit. Montgomery Wagner verantwortet die Bereiche Finanzierung und Administration. Lucas Fuhrmann ist für die Geschäftsentwicklung und das Marketing verantwortlich. Revoltech beschäftigt zu Zeit zwölf Mitarbeiter.


Wir haben auf der einen Seite das Problem im Textilbereich, dass Textilien eigentlich nicht nachhaltig hergestellt werden und die Mode- und Textilindustrie einer der größten Umweltverschmutzer des Planeten ist. Auf der anderen Seite haben wir Agrarrohstoffe, die kaum genutzt werden. Und unsere Unternehmensidee entstand aus der Frage: Wie kann man irgendwie eine Brücke zwischen diesen beiden Phänomenen schlagen. L.F.

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt mich schon lange, auch politisch. Da ist es natürlich schön, dass man seinen Beruf, mit dem man ohnehin sehr viel Zeit verbringt, auch noch mit so einem Herzensthema verbinden kann, das einem auch das Gefühl gibt, Sinn zu stiften. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir komplett mit pflanzlichen Rohstoffen arbeiten, und diese dann so modifizieren, dass sie am Ende auch wieder biologisch abbaubar sind. M.W.

Die Geschichte hinter dem Produkt fängt ziemlich früh an, gegen 2014/15. Unsere erste Idee war bestand darin, die Baumwollfaser, die sehr viel Wasser benötigt, durch die Bananenfaser zu ersetzen. Und irgendwann wurde aus der Bananenfaser die Hanffaser, weil sie eben hier in Europa verfügbar ist, wo es auch die industrielle Infrastruktur gibt, um daraus Produkte weiterzuentwickeln. Und aus dem Hanfgarn oder gewebten Hanftextil wurde irgendwann dieses Flächentextil. M.W.

Wir sind offiziell ein Spin-off der Technischen Universität Darmstadt. Wir hatten wahnsinniges Glück, dass wir hier mit offenen Armen empfangen wurden. Ein „Exist“-Stipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hat es uns ermöglicht, die ersten Schritte ins Unternehmertum zu gehen. L.F.

Bestandteil des Stipendiums ist auch die Unterstützung durch einen universitären Fachbereich. In unserem Fall die „Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik“ von Prof. Samuel Schabel, dessen Laborressourcen wir nutzen können und dessen Expertise wir sehr schätzen. All das braucht es, um aus einer Idee auch ein wirkliches Produkt zu entwickeln. L.F.
Unser Ausgangsmaterial stammt aus der Koppelnutzung, d.h. wir benutzen Hanffasern, die bei der Ölgewinnung für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie übrigbleiben und bringen diese dann zusammen mit biobasierten Additiven, um daraus unser Flächentextil LOVR herzustellen. LOVR steht als Akronym für lederähnlich, ölfrei, vegan und reststoffbasiert, leitet sich aber auch aus dem Englischen „leftover“ ab, als Hinweis auf die Verwertung von Abfallstoffen. Aus dem Material LOVR können wir Bahnen herstellen mit einer Bahnbreite von bis zu zwei Metern in einem Endlosverfahren und auf Rollen. Für die Industrie können wir dann auch die passenden Maße in Masse herstellen. M.W.


Hauptbestandteil der Rezeptur ist wie gesagt die Hanffaser. Die bringen wir dann zusammen mit einem natürlichen Binder, um in das Material Flexibilität hineinzubekommen. Für die Oberflächengestaltung arbeiten wir mit naturbasierten mineralischen Füllstoffen. Das Geheimnis der Produktion liegt in der Rezeptur und wie man die Stoffe so zusammenbringt, dass man daraus das Produkt in einem kontinuierlichen Verfahren herstellen kann. M.W.

Das zweite Baby, das wir hier bei uns großziehen, ist ein algenbasiertes Material, das auch 100 % biobasiert und auch wieder biologisch abbaubar ist. Mit MATTR bleiben wir unserer Grundphilosophie komplett treu. Das Material hat grundsätzlich ein paar andere Eigenschaften, ist deutlich flexibler und bringt ein paar andere optische und haptische Qualitäten mit. L.F.
Revoltech im Video

Die Revoltech-Mission
Unser Anspruch ist, mit allen Materialien, die wir künftig entwickeln, alles Mögliche abzudecken, wo bislang Kunst- und Echtleder verarbeitet wird. Und das ist natürlich ein Riesenmarkt, ein Riesenbereich, der auch diverse Branchen umfasst. L.F.
biobasiert & biologisch abbaubar
Das, was wir versprechen, gibt es in dieser Form nicht. Und das Bedürfnis nach biobasierten Materialien, die auch wieder biologisch abbaubar sind, ist sehr groß, weil da kein Plastik mehr mit drin ist.
Diese Mission, weniger nachhaltige Materialien aus der Textilindustrie zu verdrängen, begeistert uns alle und motiviert uns tagtäglich. Wir haben auch ein sehr interdisziplinäres und vielfältiges Team. Um ehrlich sein, muss ich mich ab und zu mal kneifen, dass wir so viele talentierte und motivierte Leute hier versammeln können, die auch an diese Idee glauben. Das ist ja nicht selbstverständlich. M.W. & L.F.

Wir sind jetzt an dem Punkt, wo die ersten Produkte tatsächlich in den Markt kommen, was ein total schönes Gefühl ist. Deshalb arbeiten wir auch schon mit Unternehmen aus der Möbelindustrie und dem Schuhbereich zusammen. Wir haben jetzt ein, zwei Uhrenmarken, die das Material für Uhrenarmbänder einsetzen. Ansonsten sind wir in vielen Entwicklungsprojekten drin, vor allem auch im Automobilbereich, um das Material auch wirklich zu einem großen Scale und Impact zu bekommen.

Wir haben hier mit dem Biologischen Institut der TU-Darmstadt eine enge Kooperation, wo wir einen für uns reservierten Grünschnittkompost betreiben. Dort können wir unsere Materialproben unterbringen und dann über den Lauf der Zeit schauen, wie genau sich das Material zersetzt.
Es ist auch klar, dass es eine Art Zielkonflikt gibt. Auf der einen Seite wollen wir auch im Sinne der Nachhaltigkeit langlebige, performante Materialien entwickeln. Auf der anderen Seite sollen sie sich auch wieder abbauen. Wenn Temperatur, Feuchtigkeit und Mikroorganismen nicht so zusammenspielen wie beim Kompost, dann passiert dem Material auch nichts. Also in der Anwendung gibt es keine Probleme, dass sich das Material irgendwie zersetzen würde. L.F./M.W.

Für die Zukunft wünsche ich mir, wenn ich Autos sehe, dass unser Material im Innenraum verbaut ist, wenn ich ins Schuhgeschäft gehe, dass dort viele Schuhe mit unserem Obermaterial geschustert sind. Und wenn ich ins Möbelgeschäft gehe, dass ich Sofas und Sessel sehe, die aus unseren Materialien hergestellt werden. - Ich glaube, das würde sich richtig gut anfühlen! L.F.
Die Lederrevolteure - Lucas Fuhrmann & Montgomery Wagner
Lucas und Montgomery haben viel zu erzählen, nicht nur weil sie bereits gemeinsam die Schulbank gedrückt haben. Die Gründung ihres Start-up Revoltech ist eine Geschichte vom Suchen und Finden. Sie führt über die Bananenfaser bis zum Hanf aus regionalem Anbau, bzw. den großen Mengen an Pflanzenfasern, die nach der Ölgewinnung übrig bleiben. Die Mission: Agrarreststoffe sollen als Basis für die Herstellung von textil- und lederähnlichen Materialien dienen. Und jetzt, bereits nach 4 Jahren, werden sie im industriellen Maßstab produziert. Spannend, wie die beiden das angestellt haben. - Unbedingt reinhören!