Gerade in der Zeit des Corona-Lockdowns im Frühjahr haben viele Menschen die Welt der Spiele neu oder wieder für sich entdeckt – ob als Brettspiel oder in digitaler Form. Spiele machen nicht nur Spaß, sondern sind auch hervorragend geeignet, einen Zugang zu komplexen Themen wie der Bioökonomie zu erlangen.
Spielemacher und -designer haben inzwischen vielfach Themen wie die Landwirtschaft, grüne Wirtschaft oder Biodiversität für sich entdeckt. Damit machen sie die Bioökonomie auf eine ganz neue Weise erlebbar.
In diesem Dossier stellt Martin Reich aus dem Team von bioökonomie.de – selbst passionierter Spieler – eine Auswahl von Bioökonomie-Spielen vor.
Bioökonomie ist eine Wirtschaftsstrategie, die auf eine vermehrte Nutzung biologischer Ressourcen und des Wissens darüber abzielt. Gleichzeitig ist Bioökonomie ein System mit vielfältigen Aspekten und Facetten, in dem eine große Zahl unterschiedlicher Akteure und Wissenschafts- und Wirtschaftssektoren zusammenwirken.
Komplexe Themen wie die Bioökonomie benötigen geeignete Medien, um deren Inhalte und Konzepte in die Öffentlichkeit zu transportieren und vermitteln. Ein ideales Mittel dafür sind beispielsweise Spiele. Von der Kindheit an hilft die spielerische Auseinandersetzung, die Welt begreifbar zu machen.
Zum Gendern in diesem Dossier
Wenn wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in diesem Dossier einheitlich Spieler schreiben, meinen wir damit selbstverständlich Spielerinnen und Spieler gleichermaßen.
Spagat zwischen Spielspaß und Vermittlung
Es gibt mehrere wichtige Merkmale, die ein Spiel auszeichnen. Ein gutes Spiel ist unterhaltsam und macht Spaß. Spiele haben Ziele und Regeln, sie können gewonnen oder verloren werden, man spielt gegeneinander oder kooperativ. Die Spieler werden vor eine Herausforderung gestellt. Meist geht es darum, innerhalb der gesetzten Grenzen und Handlungsoptionen ein Problem zu lösen. In der Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie spielen Randbedingungen, Handlungsoptionen und Ziele zentrale Rollen. Begrenzte Ressourcen und planetare Grenzen bilden die Randbedingungen, unterschiedliche Ansätze, Technologien und Innovation eröffnen Handlungsoptionen und die Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sind der erwünschte Ausgang.
Aus dem Blickwinkel eines Spieleentwicklers besonders attraktiv ist, dass Spiele geschlossene formale Systeme sind. Sie bestehen aus Elementen, die zueinander in Beziehung stehen. „Die Qualität von Spielen liegt darin, dass sie Systeme und Systematiken abbilden können. Das kann so kein anderes Medium“, sagte die Wissenschaftlerin und Game-Designerin Katharina Tillmans der Zeitung Politik & Kultur.
Spiele machen Systematiken zugänglich und Kausalitäten erlebbar, so Tillmans. Allerdings sind die Zusammenhänge in der Bioökonomie erstens sehr komplex und zweitens ist oft noch nicht abschließend geklärt, welche Ansätze sich wie auf die Nachhaltigkeit auswirken. Bei der Vermittlung von Fakten und Zusammenhängen sollten Spielemacher also ausreichend Spielraum einräumen, um zum Beispiel unterschiedliche Pfade und alternative Ausgänge zuzulassen.
Bioökonomie als biobasiertes, nachhaltiges Wirtschaftssystem der Zukunft hat hier zahlreiche spannende Themenkomplexe zu bieten. Unter anderen zählen dazu ressourceneffizientes Wirtschaften, Klima- und Umweltschutz oder Kreislaufwirtschaft. Das Zusammenspiel verschiedenen Akteure in Bioökonomien schafft ein Spannungsfeld, in dem Zielkonflikte entstehen und gelöst werden müssen. Das alles bietet eine Inspirationsquelle für neue Spielideen.
Ein boomendes Segment in der Welt der Spiele und geradezu für Bioökonomie-Themen prädestiniert sind die sogenannten Serious Games. Serious Games sind Spiele, die nicht nur zum Spaß da sind. Sie haben mindestens ein weiteres Ziel: beispielsweise einen Lerneffekt, eine Verhaltensänderung oder eine Aufklärungsfunktion. Sie eigen sich für die Vermittlung von Wissen sowie für Bildung und Training in Anwendungsbereichen wie Gesundheit, Ernährung, Mobilitätsverhalten, Sicherheit, Klima oder auch Energie und vielem mehr. Serious Games haben immer auch einen starken Bezug zur realen Welt.
Mehr Infos zu Serious Games
Einen Überblick zu Serious Games aus verschiedenen Bereichen bietet das Serious Games Information Center
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Ein Thema kann spielerisch vermittelt werden und andersherum kann ein Spiel von einem interessanten Thema profitieren. Eine perfekte Verbindung wird daraus jedoch nur, wenn die richtige Balance zwischen einem zugänglichen, unterhaltsamen Spielmechanismus, der korrekten Wiedergabe eines Themas und der Menge an Information gefunden wird.
Für alle Spiele gilt: machen sie keinen Spaß, werden sie nicht gespielt. Wenn das passiert wird schlussendlich auch das Thema nicht vermittelt. Macht das Spiel andererseits „nur“ Spaß, tritt das Thema schnell in den Hintergrund und wird zur Nebensache. Das geschieht vor allem dann, wenn der dem Spiel zugrundeliegende Mechanismus nichts oder nur wenig mit dem zu vermittelnden Thema zu tun hat. Der Königsweg ist es, Spielmechanismen zu wählen, die themenimmanente Mechanismen abbilden.
Quiz
Die einfachste Form eines Spiels, das Wissen vermittelt, ist das Quiz. Besucher des Infoportals bioökonomie.de können sich beispielsweise durch 40 Fragen zu biobasierten Produkten klicken und ihr Wissen über den ökologischen Fußabdruck konventioneller und biobasierter Produkte testen. Bei BIOCHALLENGE, kreiert von der EU-geförderten Kommunikationsplattform BIOWAYS, beantwortet der Spieler ebenfalls Fragen zur Bioökonomie und bekommt anschließend die richtigen Antworten angezeigt. Ähnlich funktioniert ein weiteres Quiz von BIOWAYS, das BIOES game. Hier ist die Beantwortung der Fragen allerdings abwechslungsreich gestaltet. Mal werden passende Antworten aus einem Korb gezogen oder bunte Icons angewählt.
Merkspiele
Beim Gedächtnisspiel „Hidden Heroes“ vom Wissenschaftsjahr 2020/21 – Bioökonomie können Besucher der Seite ihr Wissen über die Bioökonomie nach dem Memory-Prinzip erweitern und testen. Wie beim Klassiker aus Pappe dreht man virtuelle Kärtchen um. Doch statt einfach nur gleiche Bilder zu sammeln, suchen die Spieler nach dem passenden Paar aus biobasierter Ressource und daraus hergestelltem Produkt. Also zum Beispiel nach Mais und einer aus Maisstärke hergestellten Windel. Gespielt wird allein oder zu zweit.
Quartett
Auch ein klassisches Quartett kann Inhalte der Bioökonomie vermitteln. So haben die Macher der Plattform Pflanzenforschung.de ein digitales Quartett entworfen, bei dem vier gleiche Karten gesammelt werden müssen. Beim Grünen Duell treten die Spieler gegen eine künstliche Intelligenz an, indem sie jeweils eine Eigenschaft eines „Superstars der Pflanzenforschung“ zum Vergleich wählen. Der höhere Wert gewinnt. Es tritt also zum Beispiel die Strand-Kiefer gegen die Hirse an und verliert haushoch in der Kategorie Anbaufläche. Das Spiel ist gut illustriert und vermittelt spielerisch Daten und Fakten über Ertrag, Genomgröße, Anzahl der Publikationen und sogar den Genussfaktor verschiedenster Pflanzenarten.
Jump’n’Run
Im Rahmen des EU-Projekts BIOWAYS wurde ein Onlinespiel im Stil eines klassischen Jump’n’Runs mit einem Quiz kombiniert: BIO...What? The bioeconomy game . Der Spieler steuert eine kleine Figur mit rotem Kapuzenpulli und grüner Schirmmütze über einen zweidimensionalen Parcours. Begleitet von lustiger Musik, findet der Spieler biobasierte Rohstoffe und muss erraten, welche Produkte aus diesen hergestellt werden können. Das Spiel gibt es in mehreren Sprachen, leider aber nicht auf Deutsch. Die Rohstoffe den Produkten zuzuordnen, funktioniert jedoch auch hervorragend anhand der Bilder.
Serious Game LandYOUs
Um eine Wirtschaftssimulation handelt es sich bei dem Serious Game LandYOUs. In diesem didaktischen Online-Spiel, dessen Entwicklung vom Bundesforschungsministerium gefördert wurde, gilt es, das zur Verfügung stehende Gesamtbudget in Naturschutz, Bildung, Stadtentwicklung, Agrarförderung und Aufforstung zu investieren. Der Verteilung des Budgets auf die einzelnen Posten entsprechend verändern sich in jeder Runde Parameter wie Umweltqualität, Produktivität und Konsum. Natürlich ist nie genug Geld da, um in alles maximal zu investieren und so lernen die Spieler etwas über Zielkonflikte und die Komplexität einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik. Das Spiel wurde federführend am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) für den Einsatz in Schulen und Hochschulen entwickelt und ist für Spieler ab 16 Jahren geeignet.
Escape Room Adventure
Zusätzlich zu ihrem realen Bioökonomie Escape Room (siehe weiter unten) haben das Haus der Wissenschaft Braunschweig und Wissenschaft im Dialog ein Online-Escape-Spiel entworfen. In BioEconomy Now! klicken sich die Spieler durch ein klassisches Adventurespiel, treffen Entscheidungen und unterhalten sich mit einem Chat-Bot, der sie durch die Geschichte führt. In einem futuristischen Setting müssen die Spieler der Bioökonomie auf fernen Planeten auf die Sprünge helfen.
Der rasanten Ausbreitung digitaler Spiele für zahlreiche Endgeräte (PC, Konsole und Smartphone) und Altersgruppen zum Trotz erfuhren Brettspiele während der letzten zehn Jahre eine Renaissance. Zusammen am Tisch sitzen, ganz analog, liegt im Trend. Vielleicht ist es die Entschleunigung, das soziale Beisammensein oder auch die haptische Erfahrung, die den Reiz von Brettspielen gegenüber digitalen Games ausmachen. Womöglich auch die Tatsache, dass immer mehr Berufe und sogar der Schulalltag größtenteils vor einem Bildschirm stattfinden. Auch weil unsere private Kommunikation zu einem großen Teil digital geworden ist, sind Brettspiele ein attraktiver Gegenentwurf.
Das Bioeconomy Game
Derzeit existiert erst ein dezidiertes Bioökonomie-Brettspiel: Das Bioeconomy Game von Focus Games. Bisher gibt es das Spiel leider nur auf Englisch. In Bioeconomy Game schlüpfen die Spieler in die Rolle von Gemeinden, die ihre Reststoffe möglichst nachhaltig verwerten wollen, anstatt sie auf Deponien zu lagern – dafür gibt es am Ende nämlich Minuspunkte. In jedem Zug werden „Challenges“ (Herausforderungen) und „Opportunities“ (Chancen) in Form von Karten gezogen. Außerdem gibt es Karten mit Infrastruktur, welche die Spieler erwerben können. Diese helfen einem dabei, den Abfall seiner Gemeinde bioökonomisch zu nutzen und so Punkte zu sammeln. Da gibt es zum Beispiel eine Bioraffinerie, eine Brauerei oder auch Ausbildungsprogramme. Der Spielmechanismus ist relativ simpel, die Texte auf den Karten sind das Hauptelement: Man lernt viel darüber, wie die bioökonomische Infrastruktur eine Gemeinde aufwerten kann und welche Herausforderungen sie zu lösen hilft.
Bioökonomie in anderen Brettspielen
Das Spannende an der Bioökonomie ist: Auch wenn die wenigsten den Begriff kennen, begegnen sie ihr ständig. Auch in zahlreichen Brettspielen kommen bioökonomische Aspekte vor – wahrscheinlich ohne, dass selbst die Spieleautoren den Begriff kennen. Das nachhaltige, biobasierte Wirtschaften mithilfe von biologischen Konzepten, Prozessen und Produkten erweist sich als reizvolles Thema.
Biologische Ressourcen
Brettspielautoren verwenden schon länger ökonomische Mechanismen. Ressourcen werden gesammelt, getauscht, umgewandelt und verbraucht. Man denke nur an den Klassiker Die Siedler von Catan. Biologische Ressourcen spielen dabei ebenfalls schon immer eine Rolle, allen voran Holz und Getreide. Später kamen landwirtschaftliche Spiele wie Agricola, in denen jeder Spieler einen Bauernhof verwaltet. Bei Viticulture, einem sehr beliebten Brettspiel bei fortgeschrittenen Spielern, geht es stattdessen um den Weinbau. In dem federführend vom Leipziger UFZ entwickelten Brettspiel NomadSed geht es um die nachhaltige Landnutzung in Trockengebieten. Bis zu sechs Spieler schlüpfen in die Rolle von Hirtennomaden mit dem Ziel, ihr Kapital in Form von Schafen zu vergrößern.
Klima und nachhaltige Wirtschaft
Auch makroökonomische Konzepte fließen in Spielemechanismen ein. Jeder kennt Monopoly. Inzwischen gibt es sehr ausgefeilte Wirtschaftsbrettspiele. Eines mit einem bioökonomienahen Thema ist Green Deal. Im Jahre 2050 steuern die Spieler Konzerne, die nicht nur auf PR und Effizienz, sondern auch auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz achten müssen. Bei CO2 – Second Chance geht es um die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Wieder spielt jeder Spieler einen Konzern, doch diesmal in einer alternativen Vergangenheit: in den 1970ern bekommen wir eine zweite Chance, den Klimawandel wirksam aufzuhalten. In einer komplexen Wirtschaftssimulation werden global CO2-Zertifikate gehandelt, Forschungsprojekte durchgeführt und umweltfreundliche Kraftwerke gebaut.
Biodiversität und Ökologie
Der Schutz der Artenvielfalt ist in der Bioökonomie ebenso wichtig, wie ihre Erforschung und nachhaltige Nutzung als Quelle biologischer Inspiration. Ökosysteme und die Vielfalt der Arten sowie deren Funktion zu kennen, sind wichtiges biologisches Wissen. Viele Brettspiele haben Biodiversität zum Thema, darunter das „Kennerspiel des Jahres 2019“, Flügelschlag. Während im Grundspiel 170 unterschiedliche Vogelarten Nordamerikas zu finden sind, kommen durch die „Europa-Erweiterung“ noch 81 einheimische hinzu. Auch bei Planet spielt Biodiversität eine Rolle. Denn dort hat jeder Spieler zu Anfang einen leeren, zwölfseitigen Planeten und bestückt diesen im Laufe des Spiels mit magnetischen Plättchen, auf denen verschiedene Landschaften abgebildet sind. In die so entstehenden Ökosysteme lassen die Spieler dann Tierarten einziehen, um die sie wetteifern: Nur in das am besten passende Ökosystem zieht die Tierart auch ein. Ein eigenes Ökosystem baut man sich auch bei Ecogon zusammen, indem man Tiere und Pflanzen in einem Nahrungsnetz möglichst perfekt zusammenlegt. Das vermittelt ein Verständnis für die Zusammenhänge in der Umwelt und auch die Einflüsse des Menschen auf diese.
Bioökonomie im Weltraum
Immer mehr Brettspiele beschäftigen sich mit der Besiedlung neuer Planeten. Dabei sind, wie auch in vielen modernen Science-Fiction-Romanen, biologische Kreisläufe und Technologien ein wichtiges Thema. Bei Terraforming Mars spielt bei der gemeinsamen Urbarmachung des roten Planeten auch Biotechnologie eine Rolle. Im Science-Fiction-Brettspiel Die Zirkadianer – Erstes Licht sind hingegen Algen eine wichtige Ressource für die Weltraumreisenden.
Natürlich kann die Bioökonomie nicht nur von zu Hause aus spielerisch entdeckt werden. Moderne Ausstellungskonzepte, beinhalten in der Regel interaktive und spielerische Elemente. Eine solche kann auf der MS Wissenschaft, dem Ausstellungsschiff zum Wissenschaftsjahr 2020/21, derzeit deutschlandweit an den jeweiligen Landestellen angesehen werden. So können Besucher zum Beispiel mittels eines Tablets eine zuvor zweidimensionale Landschaft zu dreidimensionalem Leben erwecken. Augmented Reality („erweiterte Realität“) heißt diese Technologie, die das Kamerabild mit 3D-Elementen kombiniert. Beim Exponat auf der MS Wissenschaft erscheint eine dreidimensionale Stadt und eine Figur, die der Spieler von Feld zu Feld steuert. Es erwarten ihn dort verschiedene Spiele zur Bioökonomie: Ein Quiz, ein Puzzle und andere Spiele, bei denen Wissen abgefragt und vermittelt wird.
Seit einigen Jahren werden Escape Rooms immer beliebter. Auch in vielen deutschen Städten gibt es inzwischen diese Räume, aus denen die Spieler nur durch das Lösen von Rätseln gemeinsam entkommen können. Dabei werden die unterschiedlichsten Themen als Hintergrundgeschichte verwendet und in der Ausstattung der Räume entsprechend abgebildet: von Klassikern, wie einem Gefängnis oder einem Spukhaus, bis hin zu immer ausgefalleneren Themen wie einer Weltraumstation oder einer Zauberschule. Im Rahmen des Wissenschaftsjahres gibt es nun den ersten Bioökonomie-Escape Room. Mit ihrem Konzept eines Educational Escape Games wollen das Haus der Wissenschaft Braunschweig und Wissenschaft im Dialog mit BioEconomy Now! das populäre Format nutzen, um spielerisch Fakten und Zusammenhänge der Bioökonomie zu vermitteln. Die Spieler haben 45 Minuten Zeit, um auf einem fiktiven Planeten eine nachhaltige Bioökonomie einzuführen.
Mit dem Begriff Gamification wird die Verwendung spielerischer Elemente in einem nicht-spielerischen Kontext bezeichnet. Ziel ist es, ein Problem zu lösen, Nutzer oder Mitarbeiter eines Unternehmens zu binden oder sie für eine bestimmte Handlung zu motivieren. Beispiele sind die Serious Games Merchants, in dem man seine Fähigkeiten zum Verhandeln und zur Konfiktlösung trainieren kann und Triskelion, ein Zeitmanagement-Simulator.
Gamification als Anwendung in der Wirtschaft ist nicht unumstritten, etwa wenn es darum geht, Arbeitnehmer durch spielerische Elemente sowie Belohnungen oder Ranglisten zu motivieren und ihre Leistung zu optimieren. Das spielerische Problemlösen birgt im wissenschaftlichen Kontext jedoch großes Potenzial, um neues biologisches Wissen zu generieren und die Digitalisierung der Bioökonomie-Forschung mitzugestalten.
Mit Foldit die Protein-Forschung unterstützen
Ein gutes Beispiel ist die molekularbiologische Forschung und die Strukturbiologie, die die räumliche Gestalt von Biomolekülen analysiert. Sie sind die Grundlage von Bioprozessen, die in der industriellen Biotechnologie von entscheidender Bedeutung sind. Unzählige biologische Mechanismen basieren auf der Faltung von Proteinen. Das ist der zelluläre Prozess, bei dem Proteine in ihre korrekte Endform gebracht werden. Diese ist wiederum vor allem davon abhängig, wie die hunderten bis tausenden Aminosäuren, aus denen ein Protein bestehen kann, zusammengesetzt sind.
Die astronomisch hohe Zahl möglicher Kombinationen von Aminosäuren macht die Erforschung der 3D-Struktur zu einem gewaltigen Puzzlespiel. Der Vorgang ist selbst mit moderner Computertechnik sehr zeitaufwendig. Eine mögliche Lösung: die Bevölkerung samt Rechenpower daheim über Gamification einbeziehen. Das frei verfügbare Online-Spiel Foldit baut auf dieser Idee auf.
Die Macher von Foldit stellen den Spielern wöchentliche Aufgaben in Form von „Science Puzzels“. Jeder kann spielerisch mithelfen, die Faltung von Proteinen einer Kombination von Aminosäuren zuzuordnen, und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Forschung leisten. 2011 konnte die Gemeinschaft der Foldit-Spieler einen großen Erfolg feiern: Sie klärten die Struktur eines Proteins auf, das darin involviert ist, in Affen eine tödliche Immunschwäche hervorzurufen. 2020 war die Foldit-Community daran beteiligt, Proteine zu designen, die an ein Oberflächenprotein des pandemischen Coronavirus SARS-CoV-2 andocken können.
Noch gibt es zahlreiche Arten von Computerspielen, die nicht für diese Art der Mobilisierung der Massen für die Forschung genutzt werden. Experten sehen darin eine weitgehend noch unerschlossene Quelle für wissenschaftlichen Fortschritt mittels Citizen Science.
Noch mehr Bioökonomie-Spiele?
Sie vermissen in diesem Dossier noch weitere Spiele zum Thema Bioökonomie? Dann schreiben Sie uns: info@biooekonomie.de. Wir vervollständigen unsern Überblick gerne!
Autor: Martin Reich; Redaktion: Philipp Graf