Sachsen-Anhalt hat die Bioökonomie politisch vor allem in zwei Kontexte eingebunden. Eine wichtige Stellung räumt man ihr zum einen in dem Strukturentwicklungsprogramm – Mitteldeutsches Revier Sachsen-Anhalt von 2020 ein, das darauf abzielt, die einstige Kohleregion an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen und dort ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu institutionalisieren. Eine Reihe von Akteuren und Vorhaben zur Bioökonomie, wie die Pilotanlage einer Lignocellulose-Bioraffinerie am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP, gibt es in der Region bereits. Die Vernetzung von Wissenschaft und Industrie sowie der Aufbau neuer biobasierter Wertschöpfungsketten stehen im Zentrum der weiteren Bemühungen. Hierfür will man insbesondere die Ansiedlung von industriellen Verarbeitern von Biomasse sowie KMU stärken, die bereits im Sektor energieeffiziente Gewinnung von chemischen Produkten aus erneuerbaren Rohstoffen tätig sind.
Ebenfalls von 2021 stammt das Strategiepapier der Landesregierung zur Etablierung einer Bioökonomie-Modellregion im Mitteldeutschen Revier mit dem Titel Bioökonomie als Treiber für Wertschöpfung und Innovation. In der Analyse des Ist-Zustands werden unter anderem die Stärke der Sektoren Holzwirtschaft, Zuckerindustrie, chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Produktion von Biokraftstoffen und die Algenbiotechnologie hervorgehoben. Großes Entwicklungspotenzial, das gefördert werden sollte, sehen die Autoren in den Bereichen Grüne Gase, Pflanzenforschung und Pflanzenbiochemie sowie Umwelt- und Biodiversitätsforschung.
Kooperationspartner der Veröffentlichung ist das mitteldeutsche Cluster BioEconomy e.V. Die Vereinigung nimmt in der Region Sachsen und Sachsen-Anhalt mit ihren namhaften Mitgliedern aus Wissenschaft und Wirtschaft eine wichtige Vernetzungsfunktion wahr und ist maßgeblich am Aufbau der Modellregion Bioökonomie beteiligt. Mit Errichtung des Clusters wurde auch das Forschungsgebiet Bioökonomie im Land gestärkt. Dies wird etwa mit Blick auf die Themenschwerpunkte des Fraunhofer-Zentrums CBP, des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Halle (Saale), der Martin-Luther-Universität (MLU), des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) deutlich.
Zwei Universitäten, vier Fachhochschulen und eine Vielzahl außeruniversitärer Forschungseinrichtungen befinden sich in Sachsen-Anhalt. Um deren Potenzial auszuschöpfen, wird auch auf Verbundforschung gesetzt. Aus bestehenden Kooperationen der MLU und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind bereits Zentren wie der Wissenschaftscampus für pflanzenbasierte Bioökonomie, das Interdisziplinäre Zentrum für Nutzpflanzenforschung oder das länderübergreifende Biodiversitätsforschungszentrum (iDiv) hervorgegangen.
Die Förder- und Innovationslandschaft zur Bioökonomie konzentriert sich in Sachsen-Anhalt seit einigen Jahren vor allem auf den Aufbau der Bioökonomie-Modellregion in Mitteldeutschland. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt man finanziell den BioEconomy Cluster, zunächst bis zum Jahr 2026. In Kooperation mit dem CBP errichtet der Cluster einen BioEconomy HUB Industriestandort Leuna. Das neue Technologie- und Dienstleistungszentrum soll vor allem junge Unternehmen im Bereich der Bioökonomie auf ihrem Weg von der Idee hin zum marktreifen Produkt unterstützen. Von der Innovationskraft des BioEconomy HUB versprechen sich die Initiatoren langfristige Effekte für verschiedenste Wirtschaftszweige in Sachsen-Anhalt wie etwa für die Zucker-, Stärke-, Holzwerkstoff- oder Zellstoffindustrie, aber auch für den gesamten Standort Mitteldeutschland. Die universitäre Forschung soll von der Nähe des Technologiezentrums ebenfalls profitieren.
Leuna gilt bereits seit einigen Jahren als Standort für nachhaltige Chemie. Seit 2012 betreibt das Fraunhofer CBP dort ein Bioraffinerie-Forschungszentrum. Ende 2024 soll hier zudem die weltweit erste großindustrielle Bioraffinerie zur chemischen Verarbeitung von Buchenholz in Betrieb gehen. Das finnische Unternehmen UPM, ein weltweit führender Hersteller von Papier-, Zellstoff- und Holzprodukten, investiert dafür 550 Mio. Euro.
Im Jahr 2024 startete das Projekt DiP Sachsen-Anhalt. Der DiP-Verbund etabliert im südlichen Sachsen-Anhalt eine Modellregion für eine digitalisierte, klimaneutrale und wettbewerbsfähige Bioökonomie, welche sich durch wissenschaftliche Exzellenz, innovative Industrien und attraktive Arbeitsplätze auszeichnet. Über 40 Partner aus Wissenschaft und Industrie arbeiten an Themen wie nachhaltigem Anbau, Ressourcennutzung und der Entwicklung neuer Produkte aus biobasierten Rohstoffen. Das Projekt wird bis 2028 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.