Essen der Zukunft: von Erbsen-Tofu bis Insektenfutter
Beim Zukunftsdialog Agrar & Ernährung nahmen Experten in Berlin die Nahrungsmittelproduktion von morgen ins Visier.
Beim Zukunftsdialog „Agrar & Ernährung“ ging es am 11. Mai in Berlin neben Themen wie Digitale Landwirtschaft und Bioökonomie auch um das Essen der Zukunft. Zu dem Austausch mit 25 Agrarexperten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik eingeladen hatte die Wochenzeitung Die Zeit und die Agrarzeitung. In der Kalkscheune beleuchteten Experten die wichtigsten Ernährungstrends und damit verbundene Zielkonflikte. Ein Fazit: Fleischalternativen aus Soja und Erbse gewinnen an Bedeutung, werden den Fleischkonsum jedoch nie ganz ersetzen können. Die Experten auf dem Podium brachen eine Lanze für die Kuh und andere Wiederkäuer als Fleischlieferanten, deuteten aber auch auf problematische Entwicklungen der Initiative Tierwohl hin.
„Beim Essen wird für den Verbraucher auch in Zukunft der Genuss im Vordergrund stehen, nicht die Nachhaltigkeit“, sagte Stefan Töpfl vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück einem Impulsvortrag zum Essen der Zukunft. Der Lebensmitteltechniker betonte: „Wenn wir in Sachen Nachhaltigkeit etwas bewegen wollen, müssen wir an den Fleischverbrauch ran.“ Vor diesem Hintergrund würden Fleischalternativen aus pflanzlichen Proteinen wie Soja , Lupinen und Erbsen künftig an Bedeutung gewinnen. Töpfl stellte eine Entwicklung aus dem eigenen Hause vor, ein Produkt, das mittels Extrusion von Soja oder Erbsen gewonnen wird. Den DIL-Forschern ist es gelungen, auf diese Weise ein Produkt mit einer besonders faserigen Struktur zu entwickeln, die dem Fleisch sehr nahe kommt. Töpfl schränkte allerdings ein: „Einen vollständigen Fleischersatz wird es aber auch in Zukunft nicht geben“
Kobe-Rind mit mieser Klimabilanz
Ulrike Weiler vom Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität Hohenheim ist Spezialistin für Schweinemast. In Zeiten der effizienten „Ganztierverwertung“ beim Schwein und mit Blick auf die Klimabilanz könne man theoretisch die CO2-Belastung in der Schweinemast deutlich senken, wenn man Schweine in sehr großen Strukturen halte und ihnen Wachstumshormone gebe. „Aber das steht im Widerspruch zu gesellschaftlichen Wünschen an mehr Tierwohl“, so Weiler bei einer Diskussionsrunde auf dem Podium. Sie machte sich für Rinder als Fleischlieferanten stark: „Wiederkäuer sorgen zwar für eine schlechte CO2-Bilanz, sind aber wichtige Verwerter“, sagte sie.
Franz-Theo Gottwald, Vorsitzender der Schweisfurth-Stiftung, wies auf die Bedeutung der Wiederkäuer als Landschaftsgestalter hin. Er unterstütze den Trend der Züchtung von Mehrfunktionsrassen. Weiler räumte mit manchem Irrglauben auf: „In das marmorierte Fleisch eines Kobe-Rinds wird sehr viel Energie gesteckt. Das führt in der Bilanz zu einer dreifach höheren CO2-Belastung als bei einem normalen Hochleistungsrind.“
Verzicht auf Kastration bei Ebern kritisch
Zudem wies sie auf eine mögliche Fehlentwicklung in der Initiative Tierwohl hin: Der Verzicht der Kastration von Ebern führe dazu, dass sich die männlichen Tiere im Stall schlimme Verletzungen zufügten. „Was eigentlich als Maßnahme für den Tierschutz geplant ist, hat in der Folge nicht mehr viel damit zu tun“, so Weiler. Hier seien Erkenntnisse aus der Forschung ignoriert worden. Eine mögliche Lösung dieses Problems sieht die Nutztierexpertin in der nicht-invasiven Eberkastration per Impfung. Die sei aber noch Zukunftsmusik.
Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz sieht seine Aufgabe darin, unsere tägliche Nahrung bis in ihre molekularen Details zu durchleuchten. Großes Potenzial sieht der Mainzer Chemiker in Insekten als Proteinlieferanten der Zukunft. Für die Hohenheimer Forscherin Weiler hingegen wird sich der Einsatz von Insekten auf das Segment Tierfutter – also für Nutz- und Haustiere – beschränken. „Auf meinem Teller möchte ich aber bitte keine Insekten haben“, sagte die Hohenheimer Forscherin. Zu Insekten als Eiweißquelle sagte Gottwald, es sei noch unklar, ob die Welt bereit sei für eine solche neue Proteinstrategie.
Vielfalt der Anbausysteme
Für den Agrarexperten Gottwald sind geschlossene Produktions- und Wertschöpfungsketten in Regionen eine Möglichkeit, Landwirtschaft in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Er denke hier an Stichworte wie "ökologische Intensivierung" oder "regenerative Landwirtschaft". Mit Blick auf neue molekularbiologische Werkzeuge wie die Genschere CRISPR-Cas äußerten sich die Experten auf dem Podium zuversichtlich: „Wir haben es hier mit der konsequenten Fortsetzung der Arbeit von Züchtern zu tun“, so Weiler. Eine Verteufelungsstrategie dieser Technologien helfe hier nicht weiter. Vilgis machte sich für einen breiten, wissensbasierten Dialog zum Thema Gene Editing stark. Gottwald sagte, die Biotechnologien seien derzeit dabei, die Züchtung neu zu definieren. Ihm sei wichtig, dass diese neuesten Entwicklungen ordnungsrechtlich entsprechend „eingefangen“ würden und man rational mit den Risiken umgehe. Von zentraler Bedeutung sei, dass andere Anbausysteme weiter co-existieren könnten.
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