Mit Mikroben nach Seltenen Erden schürfen
Zwei deutsche Unternehmen haben ihre Biobergbau-Partnerschaft erweitert: In Sachsen soll eine Pilotanlage zur Extraktion von Seltenen Erden aus Bergbauwässern entstehen.
Erste Erfolgsmeldung aus der vom Bundesforschungsministerium geförderten strategischen Allianz ZeroCarb FP: Das Biotech-Unternehmen Brain AG und die Seltenerden Storkwitz AG (SES) vertiefen ihre Kooperation zur biotechnologischen Gewinnung von Seltenen Erden. Während Brain die entsprechenden Mikroorganismen zur Verfügung stellt, liefert der Bergwerksbetreiber SES die im Bergbau anfallenden metallhaltigen Wässer. Außerdem hat Brain Anteile an dem sächsischen Partnerunternehmen erworben.
Insgesamt 17 Elemente gehören zu den Seltenen Erden. Doch so selten sind die in Hightech-Elektronik steckenden Metalle gar nicht. Allerdings gibt es kaum Lagerstätten, in denen sie wirtschaftlich abbaubar sind. Klarer Marktführer ist China. Die beiden deutschen Unternehmen Brain und SES wollen das ändern und setzen dabei auf Mikroben als Mikrokumpel. „Wir waren überrascht, wie selektiv viele Bakterien bestimmte Metalle an sich binden oder in sich aufnehmen können“, erzählt Guido Meurer im Gespräch mit biotechnologie.de. Der Leiter der Einheit für mikrobiologische Produktionstechnologie bei der Brain AG aus dem hessischen Zwingenberg vergleicht die Oberflächen mancher Bakterien mit Eierkartons: „In den Vertiefungen lagern sich die entsprechenden Metalle ab.“ Brain verfügt über eine Bibliothek von mehr als 30.000 Bakterienstämmen. Laut Meurer hat man alle auf ihre Fähigkeit getestet, Metalle anzureichern.
Sehr effiziente Anreicherung
Mit Erfolg: „Im Zuge der Kooperation haben wir eine Vielzahl von Mikroorganismen identifiziert, die Seltene Erden direkt aus einer im klassischen Bergbauprozess anfallenden wässrigen Lösung anreichern können“, so Meurer. Die Ausgangskonzentration der Metalle sei dabei sehr niedrig gewesen und trotzdem habe man sie in wirtschaftlich relevanter Qualität anreichern können.
In der Kooperation soll nun unter anderem eine Anlage im Pilotmaßstab entwickelt werden. Das Geld dafür kommt zum Teil vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). In der strategischen Biotech-Allianz ZeroCarb FP (Zero Carbon Footprint) arbeiten insgesamt rund 22 Partner aus verschiedenen Industriebranchen an dem Ziel, kohlenstoffhaltige, industrielle Abfallströme unter . Ehemals unter der Führung der RWE AG leiten mittlerweile die Abwasseraufbereiter Emschergenossenschaft und Lippeverband die Allianz. Das BMBF steuert die Hälfte zum Gesamtbudget von 46 Mio. Euro bei. Insgesamt werden aus diesem Topf fünf relativ ähnlich dimensionierte industriegeführte Vorhaben über eine Laufzeit von 9 Jahren gefördert.
Chromatographie mit Bakterien
Bakterien in der Metallgewinnung sind eigentlich ein alter Hut. Bei der sogenannten Biolaugung werden die Bakterien wieder und wieder mit dem Gestein in Verbindung gebracht – entweder auf Halden oder direkt unter der Erde. Die Winzlinge lösen dabei die Metalle Stück für Stück heraus. Für Kupfer, Gold und Nickel wird die Biolaugung schon seit langem genutzt.
Auch die Forscher bei Brain waren zuerst auf Edelmetalle wie Gold und Silber fixiert, erst später hat man die Seltenen Erden für sich entdeckt. Statt Biolaugung steht hier aber die Rückgewinnung der Metalle aus einer Lösung im Zentrum der Forschungsanstrengungen. Die Laugung des Gesteins selbst erfolgt gänzlich ohne Bakterien – also klassisch auf chemischen Wege. Die Mikroben übernehmen vielmehr das „Schürfen“ der Seltenen Erden aus der Lösung. „Das Prinzip ähnelt einer Chromatographie-Säule“, erklärt Meurer und beschreibt den Prozess so: „Die Bakterien werden fixiert, dann lässt man die Lösung darüber rieseln und am Ende werden die mit Metall beladenen Bakterien geerntet.“ Die Herstellung der Bakterien erfolgt übrigens in Bioreaktoren. In getrockneter Form kann diese Biomasse dann an den Einsatzort gebracht werden, wo die Bakterien aufgeweckt und dann auf die Chromatographie-Säulen geladen werden.
Schatztruhe in Sachsen
Die Partnerschaft zwischen Brain und der im sächsischen Chemnitz angesiedelten Seltenerden Storkwitz AG kam über die Mutterfirma der SES zustande, die Deutsche Rohstoff AG (DRAG). Deren Vertreter schlugen dem Brain-Team vor, einmal das Gespräch mit SES zu suchen. Die SES wurde Ende 2011 aus der DRAG ausgegründet. Seitdem erkundet und entwickelt die Firma das einzige anerkannte Seltene Erden-Vorkommen Mitteleuropas. Die Lagerstätte im sächsischen Storkwitz nördlich von Leipzig wurde in den 1970er Jahren bei Explorationstätigkeiten auf Uran entdeckt - nie zuvor gab es bislang in Deutschland vergleichbare Seltene Erden-Vorkommen. Der Erzkörper beinhaltet leichte Seltene Erden-Elemente (SEE) wie Cer, Lanthan, Europium, Praseodym und Neodym, aber auch nennenswerte Anteile an schweren SEE wie Yttrium und Dysprosium. Seit Januar 2013 gibt es auch eine weltweit anerkannte Ressourcenschätzung nach dem australischen JORC-Standard (Joint Ore Reserves Committee), die von bis zu 40.000 Tonnen ausgeht.
Mit Scandium in den Startlöchern
Bei der klassischen Gewinnung von Seltenen Erden kommt viel Chemie zum Einsatz und es entstehen viele Neben- und Abfallprodukte. Der biotechnologische Weg ist laut Meurer "deutlich nachhaltiger". Dass dieser Ansatz Vorteile bringen kann, davon ist offenbar auch SES überzeugt. „Die Zusammenarbeit mit Brain hat aus unserer Sicht ein besonders hohes Innovationspotenzial“, erklärt SES-Vorstand Jörg Reichert. So sei auch ein Einsatz der Technologie abseits der Metallgewinnung im Bergbau vorstellbar. Reichert führt hier die Rückgewinnung von SEE aus Industrieabfällen an. „Auch Bergbauunternehmen, die eigentlich auf ganz andere Metalle fokussiert sind, könnten unsere Bakterien zur Gewinnung von SEE aus den Haldenabwässern nutzen – quasi als Bonus“, so Reichert. Die exklusiven Nutzungsrechte der Erkenntnisse aus der Kooperation sollen dann aber bei SES liegen. Unter den vielen gemeinsamen Projekten ist die Scandium-Gewinnung am weitesten fortgeschritten. Da die Deutsche Rohstoff AG diese Seltene Erde nicht explizit als besonders häufig in der Storkwitzer Lagerstätte erwähnt, wollen die beiden Partner dieses Projekt vor allem über die Vergabe von Lizenzen an Dritte weiter vorantreiben.
Brain-Chef Holger Zinke sieht in SES einen strategischen Partner für die Zukunft: „Das hat uns dazu bewogen, auch eine Beteiligung an dem Bergbauunternehmen einzugehen.“ Der Aufbau einer Pilotanlage für die Gewinnung von Scandium könnte demnach erst der Anfang sein. „In unserer Pipeline stecken noch einige andere Bakterien für andere Metalle“, verrät Meurer.