Mit künstlicher Enzymtasche Terpene erzeugen
Ein neues Verfahren imitiert die Wirkung von Enzymen, um die bislang schwierig zu gewinnende Stoffklasse herzustellen.
Ob Kiefernnadeln, Bier oder Orangenlimo: Sie alle bekommen ihren jeweiligen Duft von Terpenen. Viele Lebewesen nutzen Terpene als Signalmoleküle, und auch im menschlichen Stoffwechsel spielen sie eine Rolle. Damit endet die Vielfalt dieser Naturstoffklasse jedoch nicht. Die Industrie nutzt Terpene für Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, für Parfüms und Medikamente. Doch die Gewinnung von Terpenen ist problematisch.
Bisherige Optionen sind ineffektiv und umweltschädlich
Bislang gibt es zwei Wege: Terpene können aus ihren natürlichen Quellen extrahiert werden. Das ist jedoch weder effektiv noch naturfreundlich: „Man kann nicht alle pazifischen Eiben fällen, um Taxol für ein Krebsmedikament zu isolieren“, sagt Tanja Gulder, Chemikerin an der Universität Leipzig. „Man würde für ein Gramm des Wirkstoffes die Rinde von zwölf ausgewachsenen Bäumen dieser wenig verbreiteten Baumart benötigen.“ Die Alternative besteht darin, Terpene unter extremen Bedingungen zu synthetisieren. Das erfordert sehr saure Bedingungen und tiefe Temperaturen – was ebenfalls weder effektiv noch umweltfreundlich ist.
Das Team um Gulder hat daher geschaut, wie die Enzyme in der Natur Terpene produzieren. Die sogenannten Terpencyclasen pressen dazu Kohlenstoffketten in ihrem aktiven Zentrum in Form und entlassen das fertige Molekül, um mit dem nächsten fortzufahren. „Das kann man sich vorstellen wie eine rasante molekulare Fertigungsmaschine“, schildert Gulder. Allerdings gibt es Terpene, deren Art und Anzahl der Atomverbindungen identisch sind, deren räumliche Struktur sich jedoch unterscheidet. „Solche atomaren Unterschiede entscheiden im einfachen Falle, ob etwas nach Kümmel oder Orange schmeckt“, erläutert Gulder. Im schlimmsten Fall machen sie aus, ob ein Terpen als Medikament wirkt oder schadet.
Enzymähnliche Umgebung chemisch nachgebaut
Ihr Team schaffte es dennoch, aus leicht verfügbaren Substanzen eine enzymähnliche Umgebung zu bauen, um passgenau Terpene zu synthetisieren. „Im Grunde haben wir eine künstliche Enzymtasche in Form einer strukturierten Lösung nachgebaut, in welcher sich unser jeweiliges Startmaterial hineinfalten kann“, schildert die Chemikerin. „Wie auch in der Natur bleiben die Formen nach der Reaktion bestehen.“ Der Schlüssel dazu war fluorierter Alkohol: „Wir hatten festgestellt, dass, wenn man Wasserstoffatome in Alkoholen mit Fluor-Atomen ersetzt, der so entstandene fluorierte Alkohol extreme Bindungskräfte aufweist: Moleküle bilden in solchen Lösungen Helices oder Ringe, die sich zu Röhren stapeln.“ Computersimulationen halfen dabei, die richtigen Zusätze zu identifizieren, die zu den gewünschten Formen führten.
Das neue Verfahren benötigt weder Schwer- oder Edelmetalle noch extreme Reaktionsbedingungen. „Damit ist es breit anwendbar und nachhaltiger als bisherige Methoden“, resümiert Gulder. Chemielabore sollten es mit der bestehenden Ausrüstung leicht in die industrielle Fertigung überführen können. Details des Verfahrens hat das Forschungsteam im Fachjournal „Nature Communications“ publiziert.
bl