Die Zukunft der Lebensmittel

Die Zukunft der Lebensmittel

Der Global Food Summit 2021 widmete sich den Innovationen für eine nachhaltige und gesunde Ernährung.

Moderation beim Global Food Summit
Die Konferenz Foodtropolis wurde vom Team des Global Food Summit organisiert. (im Bild: Stephan Becker-Sonnenschein, Leiter GFS)

Foodtropolis – unter diesem Namen fand vom 28. bis 29. April 2021 eine digitale Konferenz zur Zukunft der Lebensmittel statt, organisiert vom Global Food Summit. Unterstützung gab es vom Deutschen Institut für Lebensmittelforschung, Innovate Osnabrück und dem Bavarian Food Cluster. Neben der Diskussion über Herausforderungen wurden auf der Veranstaltung vor allem innovative Lösungen für eine nachhaltigere Nahrungsmittelproduktion vorgestellt.

Unterschiedliche Probleme, unterschiedliche Lösungsansätze

Herausforderungen und passende Lösungsansätze präsentierten unter anderem der Biotechnologie-Professor S M Abdul-Awal aus Bangladesch und Lim Chuan Poh von der Lebensmittelbehörde Singapurs. Angesichts der Herausforderungen der Klimakrise seien die Menschen in der Landwirtschaft in Bangladesch sehr interessiert an modernen Methoden, berichtete Abdul-Awal. Angepasste und leistungsfähigere Sorten würden ebenso benötigt wie verlässliche Methoden, das Wetter vorherzusagen, um beispielsweise den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln günstig zu wählen. Anders ist der Rahmen in Singapur. Dort steht nur 1% der Landfläche für Landwirtschaft zur Verfügung – entsprechend treibt die Regierung die urbane Landwirtschaft mit vertikalen und hydroponischen Anbausystemen voran. „Aquakulturen können 15-mal mehr Nahrung pro Fläche erzeugen als traditionelle Anbausysteme“, sagte Poh. In mehrgeschossigen kreislaufgeführten Systemen sei sogar das Hundertfache möglich. Außerdem habe Singapur im Dezember 2020 für Produkte aus Zellkulturfleisch die Vermarktung freigeben.

Schlaue Software gegen Lebensmittelabfälle

Technische Lösungen präsentierten auch Jakob Breuninger von Delicious Data und Hannah Brown von Organifarms. „30% der Nahrung werden entlang der Produktionskette verschwendet“, kritisierte Breuninger. Lebensmittelabfälle seien für 8% aller Treibhausgase verantwortlich. Delicious Data entwickelt daher Software mit selbstlernenden Algorithmen, die für individuelle Produkte die Umsätze prognostiziert, damit der Einkauf und die Produktion angepasst werden können. Berücksichtigt werden unter anderem das Wetter, Ferienzeiten, Veranstaltungen, Ernährungstrends und die Angebotsvielfalt. Organifarms entwickelt Farmroboter für vertikale Anbausysteme. Brown wies dabei auf ein grundsätzliches Problem hin: Trotz der viel größeren Nachhaltigkeit können Produkte aus vertikalen Farmen oft nicht als „bio“ zertifiziert werden, da die Produktion meist aquaponisch und nicht in Erde erfolgt.

Pflanzliche Proteine statt Fleisch

Beeindruckend war die Vielfalt neuartiger Nahrungsmittel, die die Referenten vorstellten. Friedrich Büse von amidori war da schon fast ein moderner Klassiker mit Fleischersatzprodukten, die ursprünglich auf Erbsenprotein, inzwischen aber auch auf weiteren Landpflanzen, Algen und Insekten basieren. Büse betonte die Bedeutung, die gesamte Wertschöpfungskette pflanzlicher Proteine zu kennen, denn nur so lasse sich Nachhaltigkeit gewähren und optimieren. Er forderte zudem mehr klinische Studien, denn „pflanzliche Proteine verhalten sich anders“. Außerdem berichtete der ehemalige Metzger von viel Überzeugungsarbeit, die er habe leisten müssen, damit Landwirte sich auf die Produktion pflanzlicher Proteine einließen.

Tigergarnelen frisch aus München

Deniz Ficicioglu von betterfish bietet eine algenbasierte Tunfischalternative. „Sieht aus wie Tunfisch, schmeckt wie Tunfisch, aber hat ein besseres Nährwertprofil ohne ein Vermögen zu kosten“, warb er. Zudem konkurriere der Europäische Seetang nicht mit anderen Nahrungsquellen. Fischereibetriebe hätten die Kompetenz, auf den nachhaltigen Anbau von Tang umzuschwenken. „Und es gibt noch tausende Arten, die wir bislang nicht nutzen“, sah Ficicioglu ein enormes Potenzial. Meeresfrüchte waren auch das Thema von Fabian Riedel von CrustaNova. Im Münchner Umland erzeugt das Start-up hochwertige Tigergarnelen in Stahltanks – „hochwertiges tierisches Protein aus nachhaltiger Produktion“, so Riedel. Während Wildfang nicht nachhaltig sei und konventionelle Aquakulturen oft aus ökologischen Gründen kritisiert würden, sei die rezirkulierende Lösung in München rückverfolgbar, erzeuge durch kontrollierte Bedingungen das ganze Jahr hindurch gleichbleibend hohe Qualität und die Garnelen könnten über Nacht frisch innerhalb Deutschlands und nach Österreich geliefert werden.

Proteine aus Luft und Licht

Raffael Wohlgensinger von Formo erläuterte die Vorzüge von Milchproteinen auf Hefefermentation. „Wir benötigen weniger Land, weniger Wasser, weniger Energie, erzeugen weniger Treibhausgase, aber den gleichen Käse.“ Künftig ließen sich nicht nur Milchproteine auf diese Weise herstellen, betonte er. In die Diskussion um Insekten als Proteinquelle brachte Max Kultscher von Bug Foundation den Hinweis ein, dass unterschiedliche Insekten auch sehr unterschiedliche Geschmacksrichtungen haben. Auch das israelische Aleph Farms entwickelt Zellkulturfleisch. Noch in diesem Jahr soll eine Pilotanlage für Rindersteaks aus In-vitro-Fleisch entstehen. Noch einen Schritt weiter geht die finnische Solar Foods: Das Start-up erzeugt aus Kohlendioxid und Sonnenenergie das Proteinpulver „Solein“, zunächst als Nahrungsergänzungsmittel. Die benötigte Energie sei nur ein Zehntel dessen, was pflanzliche Proteine benötigen und ein Hundertstel der tierischen Alternative. Noch in diesem Jahr soll die Zulassung in der EU beantragt werden. „Aber in anderen Märkten könnten wir schneller sein, weil die Behörden dort schneller sind – trotz gleicher Produkte und Anforderungen“, kritisierte Pasi Vainikka.

Neben messbaren Zielen ging es außerdem um den Blick ins Detail. So präsentierte Michael Binder von Evonik die Erwägungen, die hinter der von den Essenern entwickelten proteinarmen Ernährung für Nutztiere wie Geflügel und Schweine liegt. Durch die optimierte Kombination der Proteine und deren Qualität ließen sich Treibhausgase, Eutrophierung, Versauerung und Landnutzung verringern, so das Ergebnis der Lebenszyklusanalysen. Die Produktqualität hingegen würde steigen.

bl