Startschuss für Start-ups zur grünen Chemie
Die TU Berlin hat ein Start-up-Zentrum für innovative Ideen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ins Leben gerufen. Im Beirat sitzen hochrangige Vertreter aus Forschung und Industrie.
Nachhaltigkeit ist ein aktuelles und großes Thema für Industrie und Wirtschaft. Das Werkzeug für eine nachhaltigere Wirtschaft liefert die sogenannte grüne Chemie. Hier wird beispielsweise die Aktivität von Enzymen so modifiziert, dass sie in biotechnologischen Anlagen zur Vergärung von Reststoffen oder zur Produktion biobasierter Materialien eingesetzt werden können. Für den zugrunde liegenden Mechanismus für die zielgerichtete Modifikationen der Enzymaktivität wurden die Enzymforscherin Frances H. Arnold und die Molekularbiologen George P. Smith und Sir Gregory P. Winter kürzlich mit dem Chemie-Nobelpreis 2018 ausgezeichnet.
TU Berlin plant Vorgründungszentrum
Ganz im Sinne der grünen Chemie und einer nachhaltigen Wirtschaft plant die Technische Universität Berlin ein Vorgründungszentrum, die sogenannte Chemical Invention Factory – John Warner Center for start-ups in green chemistry (CIF). Das CIF wird Ausgründungen rund um das Thema grüne Chemie eine professionelle Labor-Infrastruktur zur Verfügung stellen, außerdem unterstützt die Universität durch Beratung mit internen und externen Experten.
Nobel- und Turingpreisträger im Beirat
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50jährigen Jubiläum der Nachhaltigkeitsorganisation Club of Rome, kamen am 02.10. erstmals alle Mitglieder des CIF-Beirates im Lichthof der Technischen Universität Berlin zusammen. Der Beirat ist mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie hochkarätig besetzt, darunter Chemienobelpreisträger Ben Feringa, Namensgeber des CIF, John Warner, Turing-Preisträger Vinton Cerf sowie Sonja Jost, Gründerin der DexLeChem GmbH, selbst eine Ausgründung der TU Berlin.
Berlin bietet perfekte Bedingungen
Zu Beginn der Veranstaltung überreichte Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin, gemeinsam mit dem Präsidenten der TU Berlin, Christian Thomsen, den frisch gekürten Beiratsmitgliedern eine Urkunde als Anerkennung ihrer Mitgliedschaft. Krach betonte das gute Timing der Veranstalter, wurde doch erst wenige Tage zuvor die Vergabe der Exzellenzcluster mit Bezug zur Bioökonomie, unter anderem auch an die TU Berlin, bekanntgegeben. „Wir haben nicht nur den perfekten Zeitpunkt zur Gründung der Chemical Invention Factory gewählt, sondern mit Berlin und seiner lebendigen Start-up-Szene auch den perfekten Ort“, so Krach.
Anschließend hielten Vizepräsident des Club of Rome Anders Wijkman und Namensgeber des CIF, John Warner vor etwa 150 Teilnehmern elektrisierende Vorträge zur Dringlichkeit einer neuen, nachhaltigen Industrie sowie den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, die die grüne Chemie bietet.
Schluss mit Einwegprodukten
Wijkman stellte in seinem Vortrag Thesen aus seinem neuen Buch „Come on!“ vor. Das Buch, in der deutschen Fassung „Wir sind dran“ betitelt, hat Wijkman zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, ebenfalls Vizepräsident des Club of Rome, verfasst. Die Kernaussage: Industrie und Wirtschaft arbeiten noch immer viel zu sehr mit relativ kurzlebigen Einwegprodukten. Um die Ressourcen trotz wachsender Weltbevölkerung zu schonen, bedarf es einer Kreislaufwirtschaft. „Die UN-Nachhaltigkeitsziele sind ein guter Ansatz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Aber es kann nur funktionieren, wenn alle Ziele als Gesamtpaket angegangen werden“, so Wijkman.
Neue Lösungen durch neue Blickwinkel
John Warner wurde bereits im September 2017 von der Bundeswirtschafts- und Energieministerin Brigitte Zypries, Staatssekretär Steffen Krach sowie TU Berlin-Chemieprofessor Matthias Driess mit der symbolischen Übergabe eines Schlüssels zum Namensgeber der CIF gekürt.
Schon zehn Jahre zuvor gründete Warner zusammen mit Jim Babcock das „Warner-Babcock Institut für grüne Chemie“, das seit dem etliche (patentierte) Innovationen für eine nachhaltigere Wirtschaft hervorgebracht hat. Außerdem hatte Warner die zwölf Prinzipien für eine nachhaltigere Chemie entwickelt. Besonders wichtig ist ihm jedoch die Ausbildung und das Training der Studenten: „Studenten sind die Inkubatoren und Entwickler von morgen. Wir müssen ihnen die richtigen Techniken an die Hand geben!“ Dazu gehöre auch, so Warner weiter, die Studenten zu ermutigen, neue Blickwinkel und Lösungsansätze auszuprobieren.
Mutter Natur als Vorbild
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Nobelpreisträger Ben Feringa, dass in der Natur eigentlich alle Vorraussetzungen für neue, nachhaltige Lösungen vorhanden seien. Das Reinheitsprinzip der modernen Chemie sei überholt, stimmte auch Peter Schuhmacher von der BASF zu: „In der Natur liegen alle Substanzen in Mischungen vor, kaum etwas existiert in Reinheit!" Die Studenten müssten nun angesichts dieser Erkenntnisse lernen, in neuen Bahnen zu denken, um so die Lösungen von morgen zu erarbeiten, schloss TU-Präsident Thomsen die Veranstaltung ab.
jmr