Wurzelaktionen im Boden sichtbar machen

Wurzelaktionen im Boden sichtbar machen

Die Wurzel ist für Pflanzen essenziell, um Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Bonner Geophysikern ist es erstmals gelungen, diese versteckten Vorgänge in den Wurzeln sichtbar zu machen.

Rhizotron, Wurzelsystem
Eine neue Bildgebungstechnik zeigt an, ob Wurzeln ausreichend Wasser und Nährstoffe aufnehmen können.

Wenn Pflanzen die Blätter hängen lassen oder gar zu einem kargen Geäst verkümmern, fehlt es oft an Wasser und Nährstoffen. Das A und O ist jedoch die Wurzelaktivität. Denn - ob eine Pflanze gedeiht oder verkümmert, hängt im Wesentlichen davon ab,  ob ihre Wurzeln in der Lage sind, die überlebenswichtigen Stoffe überhaupt aufzunehmen. Mit dem bloßen Auge ist das meist nicht erkennbar. Geophysikern der Universität Bonn ist es nun erstmals gelungen, diese ansonsten versteckten Vorgänge sichtbar zu machen.

Wie das Team um Andreas Kemna im Fachjournal Biogeosciences berichtet, nutzten sie dafür ein neuartiges Bildgebungsverfahren, das bereits in der Medizin Anwendung findet: Die elektrische Impedanz-Tomografie. Sie basiert auf Messungen der elektrischen Leitfähigkeit der in Gewebe und Organen befindlichen freien Ionen.  Auch im Wurzelsystem einer Pflanze sind die freien Ionen das Zünglein an der Wage, um die verborgenen Aktivitäten zu erkennen. „Die Ionen haben Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften der Wurzeln, was es uns ermöglicht, Wurzeln bei der Nährstoffaufnahme auf eine neuartige Art und Weise sichtbar zu machen“, erklärt Andreas Kemna.

Wurzeln im Boden durchleuchten

Die Bonner Forscher durchleuchteten mit dieser Methode die Wurzeln lebender Nutzpflanzen, die in einer durchsichtigen, mit Nährlösung gefüllten Plexiglasbox eingebettet waren. An das Wurzelsystem, das sogenannte Rhizotron, legten die Forscher ein elektrisches Wechselfeld an. „Doch anders als Ärzte messen wir nicht nur die elektrische Leitfähigkeit, sondern zusätzlich die durch die Nährstoffaufnahme an der Pflanzenwurzel beeinflusste elektrische Polarisierbarkeit“, erläutert Geophysiker Kemna.

Rückschlüsse auf die Nährstoffdynamik

Die durch das Anlegen eines elektrischen Wechselfeldes hervorgerufenen elektrischen Polarisationsprozesse variieren dabei mit der Ionenaufnahme der Wurzeln. Zahlreiche Messsensoren am Rhizotron erfassen die Polarisationssignale, die mit Hilfe von speziellen numerischen Algorithmen in tomographische Bilder umgewandelt werden.

Die Forscher arbeiteten hierbei mit unterschiedlichen Messfrequenzen, so dass verschiedene frequenzabhängige Tomogramme entstanden, die sich am Computer in wolkenähnlichen Gebilden farbig darstellen ließen, ohne die Wurzeln im einzelnen abzubilden. „Die Auflösung reicht jedoch aus, um Rückschlüsse auf die Nährstoffdynamik des Wurzelsystems einer Pflanze zu ziehen“, betont Projektmitarbeiter Maximilian Weigand.

Maximilian Weigand (links) und Andreas Kemna präsentieren die Wurzelaktivität der Pflanze am Computer. (Bildmitte)

Maximilian Weigand (links) und Andreas Kemna visualisieren mit Hilfe der elektrischen Impedanz-Tomografie die Wurzelaktivität von Pflanzen.

Im Rahmen der Studie konnten die Bonner Forscher die Machbarkeit der neuen Bildgebungstechnik bei Pflanzenwurzeln beweisen. Hatte die Pflanze tagsüber viel Licht oder ausreichend Wasser und Nährstoffe, so zeigten sich entsprechend starke Änderungen der Polarisationssignale an den Wurzeln. Bei Stresssituationen wie Dürre oder Nährstoffmangel verschwand hingegen die Polarisierbarkeit auf dem Tomografiebild zusehends oder war gar nicht mehr sichtbar.

Nährstoffaufnahme optimieren

Die Möglichkeit, Wurzeln im Boden zu durchleuchten, ist ein wesentlicher Schritt, um mit Forschungsergebnissen dazu beizutragen, langfristig die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen. „Wird die Nährstoffaufnahme optimiert, kann absehbar besser auf Dürrerisiken durch den Klimawandel reagiert und möglicherweise der Ertrag von Kulturpflanzen weiter gesteigert werden“, betont Kemna. Die Bonner Forscher wollen daher ihr System weiterentwickeln und auch im Freiland testen. Zusammen mit dem Forschungszentrum Jülich läuft hierzu im Rahmen des Transregionalen Sonderforschungsbereichs „Patterns in Soil-Vegetation-Atmosphere Systems – Monitoring, Modelling and Data Assimilation“ am Versuchsstandort Selhausen ein Versuch mit Winterweizen.

Das Forschungszentrum Jülich hatte kürzlich eine Kooperation mit der Bayer AG verkündet, um gemeinsam Nutzpflanzen mit starken Wurzeln zu entwickeln (mehr...).

bb