Überflutete Blätter: Forscher entschlüsseln Wachstumstrick
Potsdamer Pflanzenforscher haben bei der Ackerschmalwand ein Gen entdeckt, das dem Gewächs bei Überschwemmungen das Überleben sichert.
Ob Trockenperioden oder Überschwemmungen – extreme Witterungen und veränderte Umweltbedingungen setzen Nutzpflanzen stark zu und lassen Landwirte um ihre Ernte bangen. Bei Überschwemmungen haben Pflanzen ganz eigene Strategien entwickelt, um dem Zuviel an Wasser zu entgehen und an die rettende Luft zu streben. Potsdamer Wissenschaftler haben nun bei der Ackerschmalwand ein Gen dingfest gemacht, das das Wachstum der Blattstiele nach Überschwemmungen ankurbelt. Die Folge: Die Blätter werden emporgelupft. Das Genprodukt namens SHYG koordiniert die Synthese des gasförmigen Pflanzenhormons Ethylen. In der Fachzeitschrift The Plant Cell (2013, Online-Vorabveröffentlichung) stellen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse vor.
Im Gegensatz zu Tieren sind Pflanzen mit ihrem Standort fest verwurzelt und können bei anhaltenden Dürre- oder Regenperioden nicht ausweichen. Im Laufe der Evolution haben sie daher eine Strategie entwickelt, die sie zeitweise auch bei widrigsten Umweltbedingungen überleben lässt. Diesen Grundgedanken haben Wissenschaftler der Universität Potsdam und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie zum Ansatz ihrer Untersuchungen gemacht.
Überlebenstrick rettet Pflanzen
Wie gut junge Pflanzen nach starkem Regen und bei Überflutungen wachsen, hängt gleich von mehreren zellulären Prozessen ab. Rosettenpflanzen wie die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wenden beispielsweise einen besonderen Überlebenstrick an. Bei einer Überflutung lässt das Gewächs seine Blätter aus dem feuchten Boden herauswachsen, wenn es den Wurzeln bei ansteigendem Wasserpegel zu nass wird. Dieser Schritt ist für die Pflanzen überlebenswichtig, da über ihre Blätter die Photosynthese und damit die Energiegewinnung stattfindet. Die aufwärts gerichtete Blattbewegung geht nach Erkenntnissen der Potsdamer Forscher auf eine lokale Verlängerung von Zellen auf der Unterseite des Blattstiels zurück. Dieses Phänomen wird durch den Wasserstress der Wurzeln auf einem bisher wenig verstandenem Weg eingeleitet.Eine wichtige Rolle spielt das Pflanzenhormon Ethylen. Dieser gasförmige Wuchsstoff regt die lokale Streckungsreaktion von Zellen an. Das Team um Salma Balazadeh und Bernd Müller-Röber hat nun einen molekularer Schalter für die Synthese des Pflanzenhormons aufgespürt, es ist das Eiweißmolekül SHYG. Wird das entsprechende Gen inaktiviert, hat das für die Pflanze Konsequenzen: „Wir waren begeistert, als wir sahen, dass die von uns untersuchten Pflanzen ihre Fähigkeit zur stressinduzierten Blattbewegung verloren hatten. Wir konnten die pflanzliche Reaktion durch Aktivierung von SHYG aber auch verstärken“, erklärt Pflanzenforscherin Mamoona Rauf.
Neue Strategien bei Pflanzenzucht möglich
Die Erkenntnis, dass das Gen SHYG die Blattbewegung steuert, ist daher für ein besseres Grundverständnis wichtiger biologischer Prozesse aber auch für die Pflanzenzucht bedeutsam. Das Wissen um den neuen Kontrollmechanismus ermöglicht den Forschern nun, weitere umweltbedingte Wachstumsprozesse detailliert zu untersuchen und für neue Strategien in der Pflanzenzüchtung zu nutzen.