Seidenproduktion nach Florfliegen-Art
Florfliegen hängen ihre Eier an einem seidenen Stiel auf. Das zugfeste Material hat es Bayreuther Biochemikern angetan. Mithilfe von Bakterien haben sie das besondere Seidenprotein im Labor erfolgreich nachgebaut.
Wissenschaftler des Lehrstuhls Biomaterialien der Universität Bayreuth haben ein neues, in der Natur von Florfliegen abgesondertes Seidenprotein erfolgreich im Labor hergestellt. Felix Bauer und Thomas Scheibel waren zunächst von den Eigenschaften dieses Naturproduktes fasziniert: Das Proteinsekret wird von den Fliegen nach dem Absondern in die Länge gezogen. Anders als bei den von Spinnen hergestellten, dehnbaren Fasern, entsteht nach dem Aushärten ein zugfester und biegesteifer Stab. Die im Labor erzeugte Kopie einer solchen Struktur erreichte 90 Prozent der Stabilität des Vorbilds aus der Natur, berichten die beiden Forscher in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie.
Gemeine oder auch Grüne Florfliegen haben eine besondere Strategie entwickelt, um ihre Eier vor Fressfeinden zu schützen. Statt sie zu verstecken, werden sie sichtbar unter einem Blatt an einem Stiel hängend präsentiert. Der ausgehärtete Seidenstiel hat einen Durchmesser von nur zehn Mikrometern. Er ist so starr, dass er das Ei auch dann noch hält, wenn man das Blatt um 180 Grad wendet. Dabei wird der Stiel durch das Gewicht des Eis weder gekrümmt noch zusammengepresst. Die Eier sind durch ihren langen Stiel zwar deutlich sichtbar – Länge und Robustheit des Seidenstängels sorgen aber dafür, dass sie für Fressfeinde trotzdem kaum erreichbar sind.
Thomas Scheibel und Felix Bauer von der Universität Bayreuth ist es jetzt gelungen, einen solchen Stiel im Labor zu synthetisieren. Die nötigen Seidenproteine dafür ließen die Materialwissenschaftler das Laborbakterium Escherichia coli herstellen. Dafür versorgten sie es zunächst mit dem DNA-Bauplan eines bestimmten Seidenproteins. Nach der Zugabe eines speziellen Zuckers begannen die Bakterien dann mit deren Herstellung. Der zentrale Baustein der künstlich hergestellten Seidenproteine besteht aus 48 Aminosäuren. Ähnlich den Gliedern einer Kette wiederholt sich dieser Baustein achtmal. Außerdem befinden sich – wie bei allen natürlichen Seidenproteinen – an Anfang und Ende dieser Kette spezielle Stücke, die die Eigenschaften des Seidenmoleküls maßgeblich bestimmen. Die Forscher erreichten mit ihrem Stab aus „Kunst-Seide“ stolze 90 Prozent der Stabilität des tierischen Vorbilds.
Geschäftsmodell Spinnenseide
Thomas Scheibel beschäftigt sich schon länger mit tierischen Seidenproteinen. Seide kann nur von Gliederfüßern (Arthropoden) hergestellt werden. Dazu zählen neben den Insekten, zu denen Florfliege und Seidenspinner gehören, auch Krebstiere, Spinnentiere und Tausendfüßer. Scheibel ist der Erfinder der Spinnenseidentechnologie, auf welcher der Erfolg des Martinsrieder Unternehmens Amsilk beruht. Die Firma stellt Biopolymere wie zum Beispiel Spinnenseide in großtechnischem Maßstab her. Angefangen hat alles mit Scheibels Erfolg 2007 beim BMBF-Ideenwettbewerb „Bionik – Innovationen aus der Natur“ (mehr...). Über die momentan in der Entwicklung befindlichen Produkte (mehr...) sprach Amsilk-Chef Axel Leimer auf der „International Industrial Convention on Biomimetics“ vergangenes Jahr in Berlin.
Rechts ein Florfliegen-Ei an der Spitze eines natürlichen Eierstiels, den das Ei trotz seines Gewichts nicht zusammendrückt. Links ein künstlicher Eierstiel mit einem Stück Aluminiumfolie an der Spitze.
Zahlreiche Anwendungsbiete
Anders als zum Beispiel bei der Seide der Honigbienen bilden die Seidenproteine der Florfliege gekreuzte β-Faltblatt-Strukturen. Dabei weisen sie aber eine Besonderheit auf, erklärt Thomas Scheibel: „Die gebildeten Faltblätter sind nicht entlang der Faserachse, sondern quer dazu orientiert.“ Diese Eigenart ist für die hohe Zugfestigkeit und Biegesteifigkeit verantwortlich. Die Biochemiker hoffen nun, dass sich ihre rekombinante Fliegenseide als Faser bewährt. Darüber hinaus könnten dieses Seidenproteine auch als hauchdünne Beschichtungen für andere Fasern, Implantate und technische Oberflächen oder als winzige Kapseln zum Beispiel in der Kosmetikindustrie, der Medizintechnik oder der pharmazeutischen Industrie zum Einsatz kommen.
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