Raps nach dem Prinzip der Bioraffinerie verwerten

Raps nach dem Prinzip der Bioraffinerie verwerten

In einer Pilotanlage gewinnen Forschende aus Rapssaat hochwertiges Öl, Proteine, sekundäre Pflanzenstoffe und Schalen.

Dunkle Rapssamen neben gelben Rapskernen neben dunklen Rapsschalen
In der Schälanlage wird die Rapssaat (links) zunächst aufgebrochen und die leichteren Schalen (rechts) werden von den schwereren Kernen (Mitte) getrennt.

Raps kann mehr: Davon waren die Beteiligten am Forschungsprojekt EthaNa von Anfang an überzeugt. Jetzt haben sie einen Prozess vorgestellt, der die Rapssaat nach dem Prinzip einer Bioraffinerie möglichst vollständig und schonend nutzt. Dabei entsteht neben dem hochwertigen Öl auch ein proteinreiches Konzentrat in hoher Qualität. Außerdem gewinnen die Forschenden sekundäre Pflanzenstoffe und die Rapsschalen als weitere Produkte. Insgesamt steigt so die Wertschöpfung, die Ölmühlen erzielen könnten.

Bisherige Prozess schädigt Proteine und beinhaltet Bitterstoffe

Bislang extrahieren Ölmühlen Rapsöl mittels Heißpressung. Der hohe Druck und die hohen Temperaturen schädigen jedoch die Qualität der Proteine im Öl und im verbleibenden Rapsschrot. Letzterer dient meist der Tierfütterung. Auch für die Nutzung als Lebensmittel hat das Standardverfahren Nachteile: Aus den mitgepressten Schalen gelangen Bitterstoffe in den Extraktionsschrot.

Gefördert vom Bundeslandwirtschaftsministerium haben sich daher elf Partner aus Forschung und Industrie zusammengeschlossen und am Standort des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna eine Pilotanlage entwickelt, die diese Probleme umgeht. Im vergangenen Jahr ging sie erstmals in Betrieb und wurde am 3. Mai 2023 nun offiziell eingeweiht.

Prozessschritte zur ganzheitlichen Rapsnutzung entwickelt

„Wir haben im Projekt untersucht, wie und mit welchen Apparaten und Bauteilen wir die verschiedenen Prozessschritte zur ganzheitlichen Nutzung von Raps in einer technischen Anlage realisieren können und wie die Gesamtanlage ausgelegt werden muss“, erläutert Robert Hartmann, Gruppenleiter Biomassefraktionierung am Fraunhofer CBP, das Vorgehen.

Ein Mensch in grünblauem Overall steht vor einer großen Maschine aus Stahl
In einer modifizierten Schneckenpresse wird die flüssige Ethanol-Öl-Fraktion von der proteinreichen festen Fraktion getrennt.

Zunächst entwickelte das Team eine Schälanlage, die die Samen aufbricht und mittels eines Luftstroms Schalen und schwere Kerne trennt. So können in der Pilotanlage 100 Kilo Rapssamen pro Stunde geschält werden. Die Schalen können beispielsweise genutzt werden, um biobasierte Dämmstoffe herzustellen. Vor allem aber lässt sich der Kern nun ohne Bitterstoffe weiterverarbeiten.

Extraktion des Rapsöls unter milden Bedingungen

In einer sogenannten Verdrängungsextraktion zieht die Anlage dann durch Ethanol bei milden 70 Grad Celsius das Rapsöl aus den Kernen. „Diese aufgeschlossene, zerkleinerte Biomasse behandeln wir in einer modifizierten Schneckenpresse und in einem Dekanter, um die flüssige Phase, die Ethanol-Öl-Fraktion, von der proteinreichen festen Fraktion zu trennen“, schildert Fabian Steffler, der das Projekt am Fraunhofer CBP geleitet hat, die Verarbeitung.

ein Häufchen aus beigefarbenem Pulver
Das in der EthaNa®-Pilotanlage gewonnene Rapskernkonzentrat enthält über 40 Prozent hochwertige Proteine.

Anschließend werden Öl und Ethanol getrennt. Da sich wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe im Ethanol lösen – darunter Sinapinsäure, Tocopherole und Polyphenole – können sie daraus gezielt extrahiert werden. Die bioaktiven Stoffe dienen kosmetischen oder pharmazeutischen Anwendungen. Das Öl selbst ist nahezu frei von Fettsäuren und Phosphatiden, was die Weiterverarbeitung erleichtert: „Das Öl muss nicht mehr aufwendig aufgereinigt werden, sondern erreicht durch die Ethanolextraktion schon Vor- oder Halbraffinat-Qualität“, erläutert Steffler. So könne es direkt in die bestehenden Produktionslinien integriert und weiterverarbeitet werden.

Hochwertiges Rapskernkonzentrat

Das entölte Rapskernkonzentrat wird noch weiter entölt und unter Rückgewinnung der Ethanolrückstände getrocknet. „Unser Rapskernkonzentrat ist frei von Schalen und sekundären Pflanzenstoffen und enthält daher nur äußerst geringe Mengen unerwünschter Gerb- und Bitterstoffe“, betont Steffler die hohe Qualität. Der hohe Proteingehalt von 42 bis 43 % entspricht in etwa dem kaltgepresster, teilgeschälter Rapskernkuchen dezentraler Ölmühlen. Dank der milden Prozessbedingungen ließen sich die Proteine zudem gut extrahieren und als pflanzliche Proteine für die Lebensmittelindustrie, beispielsweise in Fleischersatzprodukten, verwenden. Das Rapskernkuchen wäre mit seinen Proteinen aber auch ein hochwertiges Futtermittel.

Künftig wollen die Projektbeteiligten den Prozess noch weiter optimieren und unter anderem für das Ethanol einen Kreislaufprozess etablieren. Außerdem soll das Verfahren für weitere Saaten wie Sonnenblumenkerne oder Bucheckern erforscht werden. Aber schon jetzt zeigt sich Hartmann überzeugt: „Mit dem an hochwertigen Proteinen reichen Rapskernkonzentrat eröffnet sich Ölmühlen eine neue Einnahmequelle.“

bl