Fischereiforscher und Angler in einem Boot
Gemeinsam forschen und voneinander lernen: Das zeigt ein mehrjähriges Fischereiexperiment von Forschern und Anglern, in dem der Fischbesatz zur Bestanderhaltung infrage gestellt wurde.
Angeln ist eine Leidenschaft, die von Jung und Alt geteilt wird. Die Bedeutung der sogenannten Petrifischer für das Ökosystem wurde allerdings lange unterschätzt. Denn neben dem Fischfang wird gezielt für Nachschub an Karpfen und Co. gesorgt. Angelvereine sind hierzulande per Gesetz zur Hege und Pflege der Gewässer verpflichtet. Daher werden traditionell Fische ausgesetzt, um die Bestände zu erhalten. Kritiker halten dagegen, dass das Aussetzen von Fischen oft wirkungslos und zudem das Ökosystem durch Krankheitsausbrüche oder Verlust lokal angepasster Populationen Schaden nimmt. Im Projekt „Besatzfisch“ haben nun Forscher und Angler gemeinsam diese Maßnahme zur Bestandsicherung genauer hinterfragt. Sie wollten wissen, ob ihr Engagement nachhaltig ist.
Forscher holen Angler ins Boot
An dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über fünf Jahre geförderten sozial-ökonomischen Fischereiexperiments waren Forscher vom Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), sowie Biologiedidaktiker der Universität Tübingen sowie Anglervereinen aus Niedersachen beteiligt. Zentrale Frage war, ob und wie sich die eingesetzten Fische in ihrer neuen Umgebung einleben. Dafür wurden Karpfen und Hecht in 24 von Anglern bewirtschafteten Baggerseen ausgesetzt. Zusätzlich wurde eine von drei am Projekt beteiligten Anglergruppe von Sozialwissenschaftlern umweltpädagogisch begleitet und in Workshops zu Themen des nachhaltigen Fischereimanagements über Fischbesatz ausgebildet. Eine weitere Gruppe erhielt nur ein halbtägiges Seminar, wurde aber in Freilandexperimente der Forscher einbezogen.
Mitmachen fördert nachhaltiges Handeln
Im Fachjournal „Science Advance“ berichten die Forscher über den Ausgang des Fischereiexperiments. „Unsere Studie belegt, dass aktive Teilnahme an Experimenten in der Natur einen höheren Bildungserfolg erzielt als passives Zuhören“, fast Christoph Randler von der Universität Tübingen zusammen. Der größte umweltpädagogische Effekt zeigte sich danach bei jenen Anglern, die sowohl geschult als auch mitmachen durften. Diese erinnerten sich noch zehn Monaten später an das im Projekt Gelernte. Aber nicht nur das. Auch persönliche Normen und ökologische Grundüberzeugungen hatten sich verändert. Das zeigte sich vor allem in Bereitschaft, alternative Bewirtschaftungsformen zum Fischbesatz zu zulassen, die geringere ökologische Risiken haben wie etwa die Verbesserung der Lebensräume oder die Verschärfung von Fangbeschränkungen.
Umweltpraxis und Forschung fördern
Studienleiter Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut kommt zu dem Schluss, dass sich die neue Form der sogenannten partizipativen Forschung nicht nur lohnt, sondern auch dringend weiterverfolgt werden sollte. „Die Schnittstellen zwischen Umweltpraxis und Forschung müssen unbedingt gefördert werden, so dass transdisziplinäre Forschung auf der Grundlage gut evaluierter Freilandexperimente großflächig zum Einsatz kommen kann“, betont Studienleiter Robert Arlinghaus.
bb