Erster Börsengang eines Bioökonomie-Spezialisten in Frankfurt

Erster Börsengang eines Bioökonomie-Spezialisten in Frankfurt

Die auf industrielle Biotechnologie spezialisierte Brain AG will sich 2016 aufs Börsenparkett wagen - und wäre damit der erste Bioökonomie-Börsengang am Finanzplatz Frankfurt.

Seit Sommer 2015 ist Jürgen Eck Geschäftsführer der Brain AG. Mit dem Börsengang strebt die Firma weiteres Wachstum an.
Seit Sommer 2015 ist Jürgen Eck Geschäftsführer der Brain AG. Mit dem Börsengang strebt die Firma weiteres Wachstum an.

Seit 22 Jahren gehört das hessische Zwingenberg zu den Zentren der deutschen industriellen Biotechnologie. Angefangen als Technologie-Startup ist die Brain AG heute auf eine Unternehmensgruppe mit 6 Firmen und 240 Mitarbeitern angewachsen. Nun soll das weitere Wachstum über die Börse finanziert werden. Schon lange hat der Bioökonomie-Pionier in Zwingenberg über etwaige Börsenpläne spekuliert. Nun wird es konkret: Die Brain AG kündigte am 5. Januar offiziell ihren Börsengang an und will sich im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Biotech-Firmen auf das Parkett in Frankfurt wagen. Damit könnte in den nächsten Monaten der erste Biotech-Börsengang an der Deutschen Börse seit 2007 vonstatten gehen. "Wir sehen uns als Eisbrecher für die Bioökonomie am Finanzplatz Frankfurt", betont Geschäftsführer Jürgen Eck gegenüber bioökonomie.de. Bisher gibt es 19 deutsche börsennotierte Biotech-Firmen, davon sind 15 in Frankfurt notiert. Die meisten konzentrieren sich auf die Entwicklung neuer Therapien oder Diagnostika.

Zuletzt hatten sich vier deutsche Biotech-Firmen aufs Börsenparkett gewagt, allerdings alle im Ausland:  Der Diagnostik-Spezialist Curetis hatte sich 2015 ebenso für die Euronext entschieden wie die Hallenser Probiodrug im Jahr zuvor. Die Therapieentwickler Affimed und Pieris schlugen 2014 sogar den Weg über den Atlantik an die US-Börse NASDAQ ein, die laut einer im Herbst vorgestellten Kapitalmarktstudie der BIOCOM AG für immer mehr europäische Biotech-Firmen eine ernstzunehmende Alternative darstellt. Insgesamt erlebten europäische Biotech-Firmen an der Börse im Jahr 2015 einen Aufschwung, vor allem die Standorte Paris und London sind für Biotech-Firmen attraktiv. Der letzte Biotech-Börsengang in Frankfurt fand 2007 durch den Biobank-Spezialisten vita34 statt, 2006 wagte der Therapieentwickler Wilex den Sprung an die Deutsche Börse. Seitdem machten Biotech-Firmen einen Bogen um Frankfurt, mit der Brain AG könnte dieses Eis nun gebrochen werden. "Die Zeit ist reif für einen Bioökonomie-Börsengang in Deutschland. Wir halten den Finanzplatz Frankfurt für kräftig und stark genug. Wir sehen keinen Grund, warum die Bioökonomie hier nicht bespielt werden könnte", sagt Jürgen Eck gegenüber bioökonomie.de. Schon lange versucht die Deutsche Börse, wieder attraktiver zu werden. Zuletzt wurde das Deutsche Börse Venture Network ins Leben gerufen, um Wachstumsfinanzierungen zu erleichtern .Die USA sei für die Brain AG explizit nicht in Frage gekommen. "Der Ziel unseres Börsenganges ist eine signifikante Kapitalerhöhung, um unser weiteres Wachstum zu finanzieren. Wir streben keinen bewertungsoptimierten Exit-IPO an", so Eck.

Börsendebüt für industrielle Biotechnologie in Deutschland

Nach Informationen des Handelsblattes soll der Börsengang der Brain AG bereits im Februar stattfinden. Begleitet von der ODDO Seydler Bank AG als Sole Global Coordinator und Sole Bookrunner sowie Blättchen Financial Advisory GmbH als IPO-Berater will sich die Firma institutionellen Anlegern sowie weiteren privaten Investoren öffnen. „Wir sind nun soweit, dass wir uns auch finanziell auf eine breite Basis stellen wollen, um von dem Rückenwind, den wir in der Industrie verspüren, umfassend zu profitieren. Der geplante Börsengang stellt für den Ausbau des Unternehmens einen wichtigen Schritt dar“, betont Jürgen Eck, Vorstandsvorsitzender der Brain AG, in einer Pressemitteilung. Die Erlöse aus dem Börsengang - es wird eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe erwartet - sollen sowohl in den weiteren Ausbau der Forschungskooperationen als auch in die Weiterentwicklung der eigenen Produkte über den deutschsprachigen Raum und Europa hinaus auf globaler Ebene gesteckt werden. Derzeit werden nach Firmenangaben 51% des Aktienkapitals der Brain AG vom Family Office der MP Beteiligungs GmbH gehalten, rund 20% von MIG, einer Gruppe von Venture Capital Fonds, und die verbleibenden 29% liegen in den Händen der Gründer und des leitenden Managements. Diese „Altaktionäre“ sollen laut Firmenangaben auch nach dem geplanten Börsengang noch signifikant am Unternehmen beteiligt bleiben, das inzwischen zu einer Firmengruppe aus sechs Firmen mit insgesamt 240 Mitarbeitern angewachsen ist. Das Angebot wird aus erstmaligen öffentlichen Angeboten in Deutschland und Österreich sowie Privatplatzierungen in bestimmten Rechtsordnungen außerhalb dieser Länder sowie außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika bestehen. 10% der angebotenen Aktien sollen für Privatanleger reserviert werden. Hierfür ist geplant, eigene Zeichnungszugänge, auch über die Gesellschaft, bereitzustellen. Insgesamt werden mit dem Börsengang Erlöse im zweistelligen Millionenbereich erweitet, heißt es aus Firmenkreisen. Es wäre der erste Börsengang einer Biotech-Firma, die keine Medikamente entwickelt, sondern biobasierte industrielle Lösungen für eine Vielzahl von Branchen entwickelt. Laut Jürgen Eck stehen demnächst mehrere Markteinführungen neuer Produkte an, etwa ein Naturstoff als Salzersatz. "Dieser befindet sich derzeit in fortgeschrittenen Verbrauchertestungen", so Eck.

Brain AG ist Pionier der Bioökonomie

Die Brain AG ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen in Sachen Bioökonomie. Die Spezialität der Hessen: Zusammen mit strategischen Partnern werden bislang unerschlossene, leistungsfähige Enzyme, Mikroben oder Naturstoffe entwickelt, um sie industriell nutzbar zu machen. Ob Kosmetik-Industrie, Biobergbau oder Naturstoffchemie, das damit verfolgte Ziel ist jeweils das gleiche. Auf der Basis des hauseigenen Mikroben-Archivs sollen entweder klassisch-chemische Prozesse durch ressourcenschonende biobasierte Verfahren ersetzt oder durch einen Griff in den Werkzeugkasten der Natur gleich gänzlich neue Produkte mit überlegenen Eigenschaften geschaffen werden. Nach Firmenangaben lag die wirtschaftliche Gesamtleistung der Firma im Geschäftsjahr 2014/15 bei insgesamt 25,7 Mio Euro. Mit 53% trägt der Geschäftsbereich "Bioindustrial", der sich auf die Entwicklung und den Vertrieb eigener Produkte konzentriert, mehr als die Hälfte zur Gesamtleistung der Unternehmensgruppe bei. Hinzukommen die Erlöse aus dem Geschäftsbereich "Bioscience".

Brain: Vom Forschungspartner zur Firmengruppe

Denn mit dem Wissen um die mikrobielle Vielfalt hat sich Brain in den vergangenen Jahren als strategischer Forschungspartner für die Industrie etabliert und arbeitet inzwischen mit mehr als 100 Unternehmen zusammen, darunter viele Industriegrößen wie Evonik, BASF, DSM oder Symrise. Die Zwingenberger sind hier in einer ganzen Bandbreite von Branchen unterwegs: Angefangen über Chemie, Ernährung über Kosmetik bis hin zum Bergbau. Für Schlagzeilen sorgte unter anderem die mit mehreren Millionen Euro dotierte Forschungssallianz . Biobasierte Inhaltsstoffe für Lebensmittel - etwa spezielle Enzyme zur Herstellung laktosefreier Milchprodukte - sind auch ein Forschungsfeld

Mit Mehrheitsbeteiligungen auf Wachstumskurs

In den vergangenen Jahren hat sich die Brain darüber hinaus durch fünf Mehrheits- sowie zwei Minderheitsbeteiligungen in der Wertschöpfungskette immer breiter aufgestellt und von der Produktion bis hin zum Vertrieb Kompetenzen zugekauft. Zuletzt haben die Zwingenberger 51% an der Weissbiotech GmbH im münsterländischen Ascheberg und der Weissbiotech France Sarl in Chanteloup-en-Brie nahe Paris übernommen, um gemeinsam den Markt für Industrieenzyme aufzurollen. Mitte 2014 wurde der Potsdamer Naturstoffspezialist Analyticon in die Firmengruppe geholt. 2012 hatte sich Brain ein Portfolio an Kosmetik-Unternehmen zugelegt, um eigene Produkte nicht zu entwickeln, sondern sie auch herzustellen und in den Markt zu bringen. Ähnliches soll nun auch in der Ernährung – etwa bei natürlichen Lebensmittelinhaltsstoffen – oder in der Medizintechnik gelingen. „Künftig wollen wir uns zum Beispiel im Bereich Wundpflege engagieren und uns hier den Marktzugang eröffnen“, betonte Eck im Sommer, als sich die  Mit dem geplanten Börsengang wurde eine weitere Personalie verkündet: Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 wurde zusätzlich das bisherige Aufsichtsratsmitglied Georg Kellinghusen als CFO in den Vorstand berufen.