DNA als Datenspeicher: So funktioniert die Grundgesetz-Tinte

DNA als Datenspeicher: So funktioniert die Grundgesetz-Tinte

Im Biotech-Kunstprojekt „DNA unserer Demokratie“ haben Forschende anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes den Verfassungstext in synthetischer DNA gespeichert und daraus eine Tinte hergestellt. Wie funktioniert das?

Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger signiert mit DNA-Tinte.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger signiert mit einer Spezialtinte, die in DNA abgespeicherte Versionen des Grundgesetzes enthält, die Titelseite einer Süddeutschen Zeitung. Diese wurde ebenfalls mit der DNA-Tinte gedruckt.

Am 23. Mai 1949 besiegelte Konrad Adenauer mit Stift und Tinte das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – und legte so vor 75 Jahren die DNA unserer Demokratie fest. Das Kunstprojekt „DNA of Democracy“ greift diesen symbolischen Akt auf und hat mit Biotechnologie den Gesetzestext in eine DNA-Sequenz übertragen und darin abgespeichert. Die Sequenz wurde dann milliardenfach kopiert und in einer Tinte gelöst. „Jeder Tropfen der Tinte trägt das Grundgesetz vollständig in sich“, heißt es auf der Projekt-Webseite.

Seit dem Verfassungsgeburtstag werden nun Amtsträgerinnen und Amtsträger eingeladen, mit der DNA-Tinte zu schreiben und ein starkes Zeichen für unsere Verfassung zu setzen. Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger nahm vergangene Woche begeistert einen Füllfederhalter mit der Spezialtinte entgegen und signierte eine Sonderausgabe der Süddeutschen Zeitung. Die Titelseite der SZ-Wochenendausgabe zu Pfingsten war mit der DNA-Tinte gedruckt worden.

„DNA of Democracy“ wird ehrenamtlich vom Informatiker Reinhard Heckel von der TU München, dem Chemiker Robert Grass von der ETH Zürich, dem Künstler Solimán López und Mit-Initiator Daniel Koller organisiert, der die Kosten trägt. Partner wie Burda Verlag, ProSiebenSat.1-Gruppe und die Süddeutsche Zeitung unterstützen das Projekt pro bono.

Wie DNA zum digitalen Speichermedium wird

Der technologische Ansatz hinter dem Projekt ist das sogenannte DNA Data Storage-Verfahren, bei dem Desoxyribonukleinsäure – also DNA, die bei Lebewesen die Erbinformation trägt – als Medium zum Speichern von Daten genutzt wird.

DNA ist ein Biomolekül, das aus vier chemischen Bausteinen besteht: den Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T). Die Abfolge der vier Nukleotide kodiert die genetische Information. Computer speichern Daten jedoch in binären Codes, also in einer Sequenz von Nullen und Einsen – so auch die digitale Version des Grundgesetzes. Die rund 21.000 Wörter des Verfassungstextes wurden also zunächst in einen Binärcode übertragen.

Mithilfe eines Algorithmus können die digitalen Computer-Daten in DNA-Code, also eine Abfolge aus den vier Grundbausteinen übersetzt werden.

Beispielsweise wird 00 zu Adenin (00 – A), 11 zu Thymin (11– T), 01 zu Guanin (01 –G), 10 zu Cytosin (10 – C).

Im biotechnologischen Labor werden dann aus dem erstellten Code kurze DNA-Sequenzen gebaut und diese werden vervielfältigt. Die Buchstabenfolge der DNA kann später jederzeit mit Sequenzierern ausgelesen werden, um die gespeicherten Informationen abzurufen.

Robert Grass und Reinhard Heckel haben ein spezielles Verfahren entwickelt, das die synthetische DNA sowohl physisch als auch virtuell schützt. Für eine bessere Haltbarkeit wird die DNA in sehr kleine Silicatpartikel eingeschlossen, also mit einer dünnen Glasschicht umkapselt. So ist sie vor Wasser und Sauerstoff geschützt, die sie angreifen können. Zusätzlich werden die Informationen mit sogenannten fehlerkorrigierenden Codes geschützt, damit keine Informationen verloren gehen und die Daten fehlerfrei wieder ausgelesen werden können.

Lange Haltbarkeit und große Informationsdichte

Zwei große Pluspunkte machen die DNA zum Speichermedium der Zukunft: DNA ist sehr lange haltbar und zudem noch sehr klein. Experimentelle Studien haben eine DNA-Halbwertszeit von 521 Jahren ermittelt. Hier können kommerzielle Festplatten nicht mithalten. Daten können auf DNA auch in einer erstaunlich großen Informationsdichte gespeichert werden. „In einem Kilogramm DNA, oder einem Liter, lassen sich alle Internet-Daten der Welt speichern“, sagt Tolganay Kabdullayeva, die am Zentrum für Synthetische Mikrobiologie SYNMIKRO an der Universität Marburg DNA als Speichermedium erforscht.

Klar ist: Die DNA-Speicher werden die aktuellen Festplatten erstmal nicht ablösen. Ein Grund: Das Verfahren ist noch sehr teuer und sehr langsam im Vergleich zu den etablierten Technologien. Dennoch eröffnet DNA als Biomaterial faszinierende Optionen für eine langfristige und nachhaltige Datenspeicherung der Zukunft.

Philipp Graf