Biotechnologie 2020+: Designer-Zellen in Serienproduktion
Die in der BMBF-Initiative „Biotechnologie 2020+“ beteiligten Forscher trafen sich in Berlin zur Jahrestagung und zogen Projekt-Bilanz. Präsentiert wurde ein Mix an Zukunftstechnologien – von der Mikrofluidik bis zur zellfreien Bioproduktion.
Membrantropfen wie am Fließband beladen, Bio-Strukturen ausdrucken, zellfrei Moleküle produzieren: Der Jahrestreff der Forscher in der Initiative „Biotechnologie 2020+“ am 23. September bot einen Vorgeschmack auf technologische Zukunftstrends in den Life Sciences. Seit 2010 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Projekte in den vier großen Forschungsorganisationen und an Hochschulen, die sich mit der nächsten Generation biotechnologischer Verfahren beschäftigen. Diesmal fungierte die Max-Planck-Gesellschaft als Gastgeber der Jahrestagung, und hatte rund 100 Wissenschaftler ins frisch sanierte Harnack-Haus in Berlin-Dahlem geladen.
Die Vorträge im Hörsaal des Harnack-Hauses waren dem Schwerpunkt „Design von Biosystemen – vom fundamentalen Verständnis zu neuen Anwendungen“ gewidmet. Joachim Spatz, Direktor am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Stuttgart, stellte in Berlin erste Ergebnisse aus dem Forschungsnetzwerk MaxSynBio vor. Forscher aus neun Max-Planck-Instituten haben sich hier zusammengeschlossen, um wichtige Lebensprozesse – zumindest in Teilen – im Labor nachzustellen. In Berlin zeigte sich, dass die Forscher auf dem Weg dahin bereits eindrucksvolle Fortschritte vorweisen können. Eine Schlüsseltechnologie in MaxSynBio ist die Mikrofluidik: Hierbei werden Tropfen oder Membranbläschen in Reih und Glied durch winzige Kanälen geführt und bearbeitet.
Mit Injektionstechnik Vesikel beladen
Spatz stellte die sogenannte „Pico-Injektion“ vor, eine Technik, mit der sich Membranvesikel wie am Fließband mit verschiedenen Biomolekülen beladen lassen. Die Max-Planck-Forscher aus Stuttgart haben auf diese Weise einen Mix aus Actin und Myosin in die Vesikel gespritzt. Das sind Proteine, die beide bei der Zellanhaftung und für Bewegungen wichtig sind. Und tatsächlich: Die derart bestückten Bläschen begannen, eine gewisse Dynamik zu entwickeln und sich um sich selbst zu drehen. Wolfgang Wiechert vom Forschungszentrum Jülich ist der Projektkoordinator des Konsortiums „Molecular Interaction Engineering (MIE)“, an dem Forscher aus drei Helmholtzzentren in Jülich, Karlsruhe und Geestach/Teltow beteiligt sind. „Unsere Vision ist die einer druckbaren Biologie“, sagte Wiechert. Die Idee: Ähnlich wie bei der Fertigung elektrischer Schaltkreise wollen die Forscher „biologische Schaltkreise“ auf Oberflächen aufbringen. „Unsere Transformatoren sind Enzyme und die von ihnen vermittelten Reaktionen sind die Drähte“, erläuterte Wiechert. Auch die Helmholtz-Forscher setzen neben der Mikrofluidik insbesondere auf Drucktechnologien. Damit könnten einmal kleine Biochips gefertigt werden, die sich für Testzwecke einsetzen ließen.
Mikorporenchips für die Pharmaindustrie
Stefan Kubick, Abteilungsleiter am Fraunhofer IZI in Potsdam-Golm, zog Bilanz des Großprojekts „Biomoleküle vom Band“. Hier haben die Forscher die zellfreie Produktion von Eiweißmolekülen soweit perfektioniert, dass sich Proteine nun schnell und in wirtschaftlich interessanten Mengen herstellen lassen. Das gilt besonders für Membranproteine. Mit diesen wollen die Forscher nun Mikroporenchips herstellen, die künftig der Pharmaindustrie als Screeningsysteme eingesetzt werden können. Am „Leibniz Research Cluster“ sind Forscher aus fünf Leibniz-Instituten beteiligt. Auch hier geht es darum, das System „Zelle“ soweit biotechnologisch zu imitieren, damit Wirkstoffe schneller gefunden und optimiert werden können. Vito Valiante leitet eine neue Nachwuchsgruppe am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. In Berlin erläuterte er, warum die Leibniz-Forscher den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus als Ausgangspunkt der Forschung gewählt haben.
„Aus dem Pilz werden wir interessante Faktoren isolieren, und wir versuchen, diese künstlich zu produzieren“.Harald Gröger von der Universität Bielefeld entwickelt neue, effiziente und nachhaltige organische Synthesen mit Biokatalysatoren und baut sie in Kombination mit chemokatalytischen Verfahren zu Mehrstufen-Eintopf-Verfahren aus. Diese sind für industrielle Anwendungen sehr attraktiv. Synthesen werden effizienter und es entstehen weniger Lösungsmittelabfälle, da aufwendige Trennungs- und Reinigungsschritte entfallen. Im Berlin stellte Gröger unter anderem ein Industrieprojekt mit dem Generika-Hersteller Sandoz vor, in dem es um die chemoenzymatische Herstellung von „Rosuvastatin“ geht, ein wichtiges Herzkreislauf-Medikament.