Nachhaltige Landwirtschaft – aber wie?

Nachhaltige Landwirtschaft – aber wie?

Wie kann eine Landwirtschaft effizient, aber zugleich nachhaltig sein? Darüber haben mehr als 200 Gäste beim vierten Zukunftsdialog für Agrar & Ernährung in Berlin diskutiert. 

Zukunftsdialog Agrar&Ernährung in Berlin
Beim vierten Zukunftsdialog Agrar & Ernährung wurde über die Zukunft der Branche diskutiert.

Steht die konventionelle Landwirtschaft vor dem Aus? Was erwartet die Gesellschaft von der Branche? Über diese und weitere Fragen wurde auf dem vierten Zukunftsdialog "Agrar & Ernährung" am 30. Mai in der Kalkscheune in Berlin diskutiert. Mehr als 200 Gäste aus Landwirtschaft, Politik, Nichtregierungsorganisationen und Forschung waren der Einladung von „Agrarzeitung“ und „Die Zeit“ gefolgt.

Was kann konventioneller Landbau von Ökologen lernen?

Das Treffen machte deutlich, wie notwenig ein Dialog ist. Die Branche steht als einer der größten CO2-Treiber seit langem in der Kritik. Vor allem im konventionellen Landbau ging es in der Vergangenheit vor allem um Ertragssteigerung, weniger um Umweltschutz. Der ökologische Landbau zeigt jedoch, dass beide Parameter durchaus vereinbar sein können. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt stellte beim Kongress klar: „Wir brauchen einen Pakt Umwelt und Landwirtschaft. Die Umweltpolitik ist ein Teil der Landwirtschaft.“ In Punkto Tierwohl will Schmidt schon bald mit neuen Regeln für Klarheit bei Landwirten sorgen. „In den nächsten beiden Wochen werden wir die Nutztierstrategie vorlegen“, kündigte er an.  Die Notwendigkeit von Umweltschutz in der Landwirtschaft unterstich auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in ihrer Rede. „Die Landwirtschaft hat Zukunft. Aber sie muss nachhaltiger werden“, so der Appell der Ministerin.  Sie warnte davor „Strukturen zu konservieren, die nicht mehr passen.“

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Gespräch mit Angela Werner von der "Agrarzeitung" (links) und Andreas Sentker von "Die ZEIT" (rechts)

Veränderungen ja, aber welche?

Damit die Landwirtschaft den wachsenden Herausforderungen, die Klimawandel und Bevölkerungswachstum stellen, auch zukünftig gewachsen ist, scheint ein Wandel unverzichtbar. Einig waren sich die Gesprächspartner darin, dass Veränderungen unumgänglich sind. „Die Landwirtschaft braucht Systemlösungen“, hieß es wiederholt, um ganzheitlich neue Strukturen zu schaffen. Deutlich wurde aber auch: Ertragseinbußen zum Schutz der Umwelt wollen Landwirte nicht so einfach hinnehmen. „Ein Verzicht auf Ertrag ist nicht verantwortbar “, betonte beispielsweise Johannes Röhring, Präsident vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. Er verlangte, dass die Vorlagen der Politik „konstant bleiben“ müssten, um verlässliche Rahmenbedingungen für die Bauern zu schaffen.

Potenzial digitale Landwirtschaft

Martin Hofstetter von Greenpeace sprach sich klar für eine ökologisch effiziente Landwirtschaft und gegen Monokulturen sowie zu enge Fruchtfolgen aus. Rainer Spiering vom Ernährungs- und Landwirtschaftsausschuss hob in der Diskussion hervor, dass hierbei neuer Technologien und Big Data eine entscheidende Rolle spielen können. „Noch werden die Technologien aber nicht so genutzt werden, wie man sie nutzen könnte“, betonte Spiering.  Gerade die digitale Landwirtschaft berge ein großes Potenzial – für Effizienz, aber auch für den Umweltschutz. Allerdings können noch nicht alle von solchen Innovationen profitieren. Ein Grund: Der Netzausbau im ländlichen Raum hinkt noch hinterher.

Perspektive Pflanzenzucht

Vor allem der Einsatz von Düngermittel und Pestiziden kann mithilfe der Digitalisierung gezielt gesteuert und so die Biodiversität der Böden verbessert werden, hieß es. Auch BASF-Vorstandsmitglied Saori Dubourg appelierte: „Der Schlüssel zur Ernährungssicherheit ist Ressourcenschonung. Deshalb ist weniger mehr.“ In der Diskussion zeigte sich auch, dass die Pflanzenzüchtung ebenfalls ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigen und effizienten Landwirtschaft ist. Stephanie Franck, Vorstandsvorsitzende vom Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter, räumte ein: „Es muss Einiges aus dem Ruder gelaufen sein, wenn Fungizide und Herbizide versagen.“ Gleichwohl sprach sie sich gegen „Denkblockaden“ bei der Pflanzenzüchtung und für ein „Innovationssystem aus, das Pathogene erforscht, so dass Pflanzenzüchter früh reagieren können.“ Die Experten forderten mit Blick auf neue Züchtungsmethoden eine langfristige Perspektive. Neuartige molekulargenetische Werkzeuge wie die Genschere CHRISPR/Cas9 wurden als vielversprechende Innovationen begrüßt.

Laborfleisch statt Massentierhaltung?

Die Landwirtschaft steht aber nicht nur beim Ackerbau unter Druck. Auch an die Tierhaltung werden immer höhere Anforderungen gestellt. Noch am Vormittag hatten Greenpeace-Mitglieder vor der Kalkscheune für bessere Haltungsbedingungen bei Schweinen, Rindern und Geflügel protestiert. Als Lösungsansatz wurde bei der Veranstaltung unter anderem eine neue Transparenz gefordert. Offene Ställe könnten dabei eine Möglichkeit sein, mit dem Landwirte das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen können, berichtete Landwirtin Kathrin Seeger aus eigener Erfahrung.

Der Schriftsteller Richard David Precht provozierte in seinem Vortrag wiederum mit der Vision, dass es dank des Fortschritts im Labor in 20 Jahren womöglich gar keine Massentierhaltung mehr geben wird. Der Buchautor  von „Tiere denken. Dem Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen“ ist überzeugt, dass dann mithilfe der Gentechnik Fleisch in Laboren gezüchtet werden kann – eine Vision, die kaum einer der Anwesenden in dieser Radikalität teilte. 

Sieger des Ideenwettbewerbs Agrar & Ernährung 2017

Die Gründerinnen des Startup TenoTrio: (v.l.n.r.) Sabrina Jaap, Dr. Ina Henkel und Katrin Kühn

TenoTrio-Preisträger des Ideenwettbewerbs beim 4. Zukunftsdialog Agrarund Ernährung

Ideenwettbewerb: Insektenprotein als Hundefutter

Wie Zukunft auf dem Feld der Tierernährung aussehen könnte, zeigte das Startup TenoTrio aus Potsdam, das als Sieger des ersten vom Zukunfsdialog initiierten Ideenwettbewerb hervorging. Das Dreier-Gründerteam – drei Forscherinnen von der Universität Potsdam – hat einen alternativen Hundesnack aus Mehlwürmern entwickelt, der nicht nur reich an Proteinen, sondern im Vergleich zu konventionellem, fleischbasierten Hundefutter in der Zucht nur ein Minimum an Ressourcen verbraucht. Für die Aufzucht der Insekten konnte das Frauen-Trio das Potsdamer Institut für Getreideverarbeitung (IGV GmbH) gewinnen.

bb