Saatgut mit Elektronen desinfizieren

Saatgut mit Elektronen desinfizieren

André Weidauer

Beruf:

Diplom-Ingenieur für Chemieingenieurwesen
 
Position:

Projektleiter "Elektronische Saatgutveredelung" am Fraunhofer-Institut für organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP

Andre Weidauer, Fraunhofer FEP, Saatgutveredelung mit Elektronen
Vorname
André
Nachname
Weidauer

Beruf:

Diplom-Ingenieur für Chemieingenieurwesen
 
Position:

Projektleiter "Elektronische Saatgutveredelung" am Fraunhofer-Institut für organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP

Andre Weidauer, Fraunhofer FEP, Saatgutveredelung mit Elektronen

Der Fraunhofer-Forscher André Weidauer hat eine mobile Anlage entwickelt, mit der Saatgut vor Ort mittels Elektronen auf schonende Weise behandelt und so vor Krankheitserregern geschützt werden kann.

Wie kann Saatgut nachhaltig vor Krankheitserregern geschützt werden? Die Antwort darauf fand André Weidauer vom Fraunhofer Institut FEP in Dresden in der zu DDR-Zeiten von dem Physiker Manfred von Ardenne entwickelten Elektronenkanone. Hierbei werden mithilfe von Elektronenstrahlen Krankheitserreger auf schonende Weise und zuverlässig abgetötet. Der Fraunhofer-Forscher hat diese bewährte Methode der Elektronenstrahlbehandlung so weiterentwickelt, dass sie in einen Transporter passt und somit auch kleinere Mengen Saatgut direkt vor Ort und kostengünstig desinfiziert werden können.

Frage

Saatgut mit Elektronen desinfizieren -wie funktioniert das?

Antwort

Elektronen töten Krankheitserreger, wie Pilze, Bakterien und Viren effektiv ab. Diese Eigenschaft ist schon seit fast einem Jahrhundert bekannt. Sie wird seit vielen Jahrzehnten beispielweise bei der Sterilisation von Implantaten und chirurgischen Instrumenten genutzt. Außerdem wissen wir, dass der Wirkbereich von Elektronen bei niedriger Elektronenenergie aufgrund geringer Eindringtiefe sehr begrenzt ist. Am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP werden zum Abtöten von Pathogenen vorwiegend Elektronen mit geringer Energie genutzt, bei denen sich die Eindringtiefe exakt einstellen lässt. Bei der Saatgutbehandlung wirken die Elektronen zum Beispiel nur dort, wo die bei der Saatgutproduktion relevanten Schaderreger siedeln, auf und in der Samenschale. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass diese Schaderreger effektiv abgetötet werden, ohne dass dabei Endosperm oder Embryo im Inneren des Samens beeinflusst werden. Das Produkt der Behandlung ist gesundes Saatgut, frei von samenbürtigen Schaderregern und frei von chemischen Beizmitteln.

Frage

Was ist das Besondere an der neuen mobilen Anlage und für welche Anwendungen ist sie geeignet?

Antwort

Die Elektronenbehandlung wird seit einigen Jahren an Anlagen mit einem Durchsatz von bis zu 30 Tonnen Getreide pro Stunde von 2 Saatgutproduzenten in Deutschland eingesetzt. Bisher ist das Verfahren jedoch aufgrund der Anlagengröße und der damit verbundenen Investitionskosten nur bei großen Durchsätzen wirtschaftlich. Am FEP wurde das Verfahren in einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gefördertem Projekt weiterentwickelt, um auch bei niedrigeren Durchsätzen kosteneffizient Saatgut behandeln zu können. Der Schlüssel zu dieser ressourceneffizienten und wirtschaftlichen Technologie besteht in der Verwendung einer ringförmigen Elektronenquelle. Dadurch wird die pro Elektronenquelle erforderliche Anlagenperipherie gegenüber bestehenden Konzepten halbiert, was sich positiv auf Größe, Servicebedarf, Wartungskosten und Investitionshöhe auswirkt.

Frage

Welche Vorteile bietet die Elektronenbehandlung des Saatgutes im Vergleich zur herkömmlichen Desinfektionsmethode mittels chemischer Beizmittel?

Antwort

Die Elektronenbehandlung weist eine Vielzahl bedeutender Vorteile auf. Landwirte und Verbraucher schätzen vor allem den Verzicht auf chemische Wirkstoffe, die auf dem Saatgut verbleiben und die später als Beizstaub zum Anwender oder als Abbauprodukt in Boden und Grundwasser gelangen. Saatgutproduzenten profitieren vor allem von der Wirtschaftlichkeit und dem hohen Automatisierungsgrad sowie von geringen Betriebs- und Wartungskosten. Für uns als Entwickler ist es vor allem die Nachhaltigkeit, die wir schätzen. Als rein physikalisches Verfahren kann die Bildung resistenter Pathogene anders als bei konventionellen chemischen Beizungen vollständig ausgeschlossen werden.

Frage

Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Einführung der Technologie?

Antwort

Landwirtschaft und Saatgutproduktion erfordern Vertrauen. Ein neues Verfahren, wie die Elektronenbehandlung, muss daher über viele Jahre nachweisen, dass Erträge und Feldaufgang mit etablierten, konventionellen Behandlungsverfahren mithalten können. Hierfür arbeiteten wir über Jahre mit der ehemaligen Biologischen Bundesanstalt, dem heutigen Julius Kühn-Institut zusammen. Neben technologischen Herausforderungen sind es auch wirtschaftliche Bedingungen die den Durchbruch einer Technologie ermöglichen oder verhindern. Hohe Investitionskosten, bei sehr niedrigen Behandlungskosten erfordern Partner mit starker Überzeugung, dass Elektronen-behandeltes Saatgut auch in einigen Jahren noch gefragt ist.

Frage

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Antwort

In den vergangenen Jahren entwickelten Mitarbeiter am FEP das Hochdurchsatzkonzept weiter und konzipierten die mobile Ringquelle für Durchsätze zwischen 5 und 15 Tonnen Getreide pro Stunde. Unser Ziel ist es nun, beide Technologien gemeinsam mit Saatgutproduzenten und Maschinenbauern in den Markt zu überführen und den Anteil von Elektronen-behandeltem Saatgut auf den Feldern deutlich zu erhöhen. Durch weltweite Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen und Saatgutproduzenten möchten wir diese Innovation darüber hinaus auch in anderen Ländern zugänglich machen.

Interview: Beatrix Boldt