Mit bionischem Filter Mikroplastik aussieben

Mit bionischem Filter Mikroplastik aussieben

Leandra Hamann

Beruf:
Biologin

Position:
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

Leandra Hamann
Vorname
Leandra
Nachname
Hamann

Beruf:
Biologin

Position:
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

Leandra Hamann

Leandra Hamann nahm die Natur zum Vorbild, um einen bionischen Filter zu entwickeln, der in Waschmaschinen verhindert, dass Mikroplastik-Partikel ins Abwasser gelangen und die Umwelt belasten.

Bioniker schauen sich Strukturen von der Natur ab und entwickeln daraus technische Lösungen. Für Leandra Hamann waren im Wasser lebende Organismen die Vorlage für einen Mikroplastik-Filter. In Rahmen ihrer Masterarbeit hat die Biologin erfolgreich nach einer Lösung gesucht, um die Abwasserbelastung durch Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 Millimeter sind, mit Filtern zu reduzieren. Dafür wurde die Forscherin kürzlich mit den Alfred-Kärcher-Förderpreis ausgezeichnet.

Frage

Welche Meerestiere waren Vorbild bei der Entwicklung des bionischen Filters und mit welchen Eigenschaften überzeugten sie?

Antwort

Insgesamt wurden 24 Organismen oder Organismengruppen ausgewählt, die sich von partikulärer Nahrung wie Phytoplankton, Zooplankton und Detritus ernähren und über spezielle Strukturen und Mechanismen verfügen, um die Nahrung vom umgebenden Wasser zu trennen. Man nennt sie Filtrierer oder Suspensionsfresser. Sie kommen prinzipiell als Vorbilder infrage. Jedes ausgewählte Tier repräsentiert dabei eine einzigartige „biologische Erfindung“ und wurde mithilfe eines eigens entwickelten Datenblatts analysiert. Die Auswahl beinhaltet sowohl bekannte Filtrierer wie Schwämme, Muscheln, Krebse, Fische und Wal, als auch eher unbekannte wie Moostierchen, Seescheide oder Seegurke. Dabei konnten interessante Materialien, Techniken, Formen und Strukturen und Verhaltensweisen identifiziert werden, die interessant für die Anwendung auf einen bionischen Filter sind.

Frage

Welche natürlichen Eigenschaften wurden in dem Waschmaschinen-Filter technisch umgesetzt?

Antwort

Das Fallbeispiel der Waschmaschine wurde ausgewählt, da sich bei jedem Waschgang synthetische Fasern, also Mikroplastik, aus der Kleidung ablösen und mit dem Abwasser in die Umwelt gelangen können. Der passende bionische Filter muss sowohl die Fasern und Schmutzpartikel zurückhalten, als auch mit den wechselnden Strömungsverhältnissen im Waschmaschinenablauf klarkommen. Deswegen wurde die Köcherfliegenlarve aus passendes Vorbild systematisch ausgewählt.

Frage

Wie ist dieser Filter aufgebaut und wie funktioniert die Partikeltrennung?

Antwort

Die Köcherfliegenlarve baut Netze aus einem seidigen Material, ähnlich der Spinnenseide, zwischen Steinen und Stöcken in Fließgewässern. Das Wasser durchströmt das Netz und die Nahrungspartikel bleiben hängen, die die Köcherfliegenlarve danach abfrisst. Der bionische Filter orientiert sich stark an dem Material und der Struktur des Netzes. In ersten theoretischen Berechnungen konnte gezeigt werden, dass das Material und der Aufbau die Mikroplastikfasern abfangen würden und den Strömungsverhältnissen standhält. Bis zur Entwicklungen eines Prototypens sind noch weitere Berechnungen und Modelle nötig und es müssen offene Fragen geklärt werden.

Frage

Wo könnte die neuartige Filtermethode noch angewandt werden?

Antwort

Die Bionik ist eine spannende Methode, um die „Erfindungen“ der Natur zu nutzen und technische Analogien zu entwickeln. Das gilt auch für innovative Filter und neuartige Lösungsideen für die Mikroplastikproblematik. Die Analyse der 24 Organismen zeigt eine große Vielfalt an verschiedenen Verfahren, Materialien und Strukturen, von denen viele noch nie in einem technischen Kontext betrachtet wurden. Meiner Meinung nach besteht ein hohes Potenzial technische Filter in unterschiedlichsten Anwendungen zu verbessern oder innovative Technologien neu zu entwickeln. So könnten zum Beispiel Kläranlagen, industrielle Filter und Reinigungsanlagen in den Meeren von den biologischen Vorbildern profitieren.

 

Frage

Wie geht es mit der Entwicklung weiter? Und gibt es bereits Unternehmen, die sich dafür interessieren?

Antwort

Neben verschiedenen Projekten, die sich allgemein mit der Mikroplastikproblematik beschäftigen, läuft zur Zeit bei Fraunhofer UMSICHT auch ein zweijähriges Projekt zur Entwicklung eines Waschmaschinenfilters, um Mikroplastikfasern zurückzuhalten. Verschiedene Erkenntnisse aus der Masterarbeit sollen darin auch einfließen. Dabei geht es vor allem um Formen, Strukturen und biologische Materialien. Die Unternehmen sind sich der Umweltproblematik rund um Mikroplastik bewusst und interessieren sich sehr für die bionische Lösungsidee.

Interview: Beatrix Boldt