Frisches Körnerbrot oder leckere Nudelgerichte gehören für viele Menschen wie selbstverständlich bei Mahlzeiten dazu. Bei 250 Millionen Menschen weltweit verursacht solche Kost jedoch gravierende Gesundheitsprobleme. Der Grund: sie leiden unter Zöliakie – einer Unverträglichkeit des in vielen Getreidearten vorkommenden Klebereiweißes Gluten. Eine Therapie für die durch Gluten ausgelöste Darmentzündung gibt es nicht. Betroffene müssen daher strikt auf eine glutenfreie Ernährung achten. Doch die derzeit verfügbaren Tests zum Nachweis der toxischen Getreidebestandteile in Lebensmitteln sind sehr zeitaufwändig und weisen nur einen Teil des Glutens spezifisch nach. Der Forschungsverbund GLUTEVIS hat es sich daher zum Ziel gesetzt, ein optisches Messgerät zu entwickeln, das auch geringste Spuren von Klebereiweiß in Lebensmitteln zügig aufspüren kann. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis ins Jahr 2016 mit 2,5 Millionen Euro gefördert.
Zwischen 150.000 und 400.000 Menschen leiden in Deutschland an Zöliakie. Dabei handelt es sich um eine Unverträglichkeit von verschiedenen Getreidespeicherproteinen, die als Gluten bezeichnet werden und beispielsweise in Weizen, Roggen und Gerste vorkommen. Bei Betroffenen reagiert der Körper mit einer Abwehrreaktion auf das aufgenommene Gluten. Die Folge ist eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut, was wiederum die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt. Symptome für eine Glutenunverträglichkeit sind unter anderem Durchfall, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust oder Müdigkeit. Eine glutenfreie Ernährung ist daher für Menschen, die an Zöliakie erkrankt sind, das A und O. Die Lebensmittelindustrie hat auch bereits eine Reihe von Produkten auf den Markt gebracht, die als „glutenfrei“ gekennzeichnet sind. Doch das Verfahren, um Gluten vollständig aus Getreideprodukten herauszulösen, ist schwierig und technisch sehr aufwändig. Zudem sind die bisher verfügbaren immunchemischen Analysemethoden nicht in der Lage, sämtliche Glutenkomponenten nachzuweisen und liefern daher nicht immer korrekte Ergebnisse.
Mehr Infos zur Verordnung der EU zur Lebensmittelkennzeichnung für Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit: hier klicken
EU-Verordnung fordert korrekte Kennzeichnung
Eine seit 2012 gültige EU-Verordnung (41/2009) erfordert jedoch in Sachen Gluten genaue Inhaltsangaben und eine korrekte Kennzeichnung der Produkte: Als „glutenfrei“ dürfen danach Lebensmittel deklariert werden, wenn ihr Glutengehalt höchstens 20 Milligramm pro Kilogramm beträgt. Rohstoffe wie Weizenstärke, die als Zutaten für verarbeitete Lebensmittel verwendet werden, dürfen bis zu einem Glutengehalt von 100 Milligramm pro Kilogramm die Bezeichnung „sehr geringer Glutengehalt“ tragen. Daraus wird deutlich, dass Analysenmethoden zur genauen Bestimmung des Glutengehaltes benötigt werden.
Menschen, die unter einer Glutenunverträglichkeit leiden, müssen strickt auf eine glutenfreie Ernährung achten.
Neuer Forschungsverbund
Der Forschungsverbund GLUTEVIS will bis 2016 nun einen optischen Schnell-Nachweis entwickeln, mit dem sich auch Spuren von Gluten zuverlässig aufspüren lassen. Das Messgerät soll zweifelsfrei auch geringste Glutenmengen in Lebensmitteln detektieren. Koordiniert wird das Konsortium vom Forschungszentrum Borstel. Das Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften in Schleswig-Holstein wird für das Testsystem benötigte glutenspezifische Nachweisreagenzien entwickeln. „Mit diesem neuartigen Testsystem kann der lebensmittelverarbeitenden Industrie ein Werkzeug in die Hand gegeben werden, das die Analytik im Bereich glutenfreier Lebensmittel deutlich verbessert und somit die Sicherheit für den Verbraucher entscheidend erhöht“, erläutert Projektkoordinator Andreas Frey, der sich in Borstel mit Immunreaktionen und deren Diagnostik an Schleimhäuten beschäftigt.
Messgerät liefert Glutennachweis in 30 Minuten
Im Vergleich zu den bisher üblichen Schnelltests, bei denen sich farbige Streifen auf einem Teststäbchen wie bei einem Schwangerschaftstest abzeichnen, setzen die Forscher hier auf ein empfindliches optisches Messverfahren. „Das Testsystem besteht aus einem tragbaren Messgerät in Kombination mit kleinen Einweg-Messkammern, welche die für den Glutennachweis benötigten Reagenzien enthalten“, erklärt Frey. „Sind in einer zugegebenen Testsubstanz Glutenkomponenten enthalten, wird durch die fluoreszierenden Reagenzien Licht ausgestrahlt, das im Messgerät detektiert wird“. An der Leuchtintensität lässt sich die genaue Menge der Gluten-Komponenten ablesen. Einer der Vorzüge des Systems ist die Geschwindigkeit: innerhalb einer halben Stunde ist ein zuverlässiges Ergebnis da.
Qualitätskontrolle für Lebensmittelindustrie
Anders als herkömmliche Analysen soll dieses Verfahren alle glutenhaltigen Getreidearten verlässlich erkennen können – sowohl in Rohstoffen, Fertiggerichten als auch in Backwaren. Bisherige Glutentests hingegen sind auf den Nachweis von Gliadin, dem alkohollöslichen Anteil im Weizenklebereiweiß, ausgelegt. Daraus wird der Gesamtglutengehalt durch Multiplikation mit dem Faktor zwei hochgerechnet – eine Annäherung, die der Realität nicht immer gerecht wird. Außerdem werden durch die bisher verfügbaren Tests Klebereiweiße aus anderen Getreidearten wie Roggen oder Gerste teilweise sehr unpräzise nachgewiesen. Anwender des neu entwickelten Schnelltests, der diese Nachteile ausräumt, soll in erster Linie die Nahrungsmittelindustrie sein. Vor allem Herstellern von glutenfreien Spezialprodukten soll das Lesegerät die Qualitätskontrolle erleichtern.
Partner aus Akademie und Industrie
Zum Forschungsverbund gehören neben dem Forschungszentrum Borstel die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in Freising als akademischer Partner sowie drei Unternehmen aus der Industrie. Dabei ergänzen sich die Partner im Verbund in idealer Weise, um rasch zu einem funktionierenden Gluten-Schnelltest zu gelangen. Außer dem Forschungszentrum Borstel wird der Diagnostika-Hersteller R-Biopharm (Darmstadt) weitere für das neue Verfahren benötigte Reagenzien und Methoden entwickeln. Die erforderlichen standardisierten Referenzsubstanzen und methoden stellt die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie bereit. Der Mikrofluidik-Spezialist GeSiM (Großerkmannsdorf) ist für die Entwicklung der Hardware einschließlich Messkammer und Lesegerät verantwortlich, und der Stärke-Produzent Kröner-Stärke (Ibbenbüren) wird den notwendigen „Anwender-Feedback“ liefern und Praxistests des neuen Systems durchführen. Die Laufzeit des Forschungsvorhabens beträgt drei Jahre. „Danach soll das Testsystem aufgebaut sein und ein Demonstrator zur Verfügung stehen“, erklärt Frey. Bis der Schnelltest in der Industrie zum Einsatz kommt, wird aber noch etwas Zeit vergehen. „Mit einer Markteinführung kann frühestens nach Ablauf dieser Projektlaufzeit im Jahr 2016 gerechnet werden“, sagt Projektkoordinator Andreas Frey.
Autorin: Beatrix Boldt