Erstes Reallabor für nachhaltigen Gemüseanbau

Erstes Reallabor für nachhaltigen Gemüseanbau

Das neu entwickelte HypoWave-System zum hydroponischen Gemüseanbau mit recyceltem Abwasser wird fortan im Großversuch in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Landkreis Gifhorn eingesetzt.

Blick ins hydroponische Gewächshaus im niedersächsischen Landkreis Gifhorn
Tomatenanbau im hydroponischen Gewächshaus im niedersächsischen Landkreis Gifhorn

Wasser ist ein kostbares Gut und sorgt nicht selten für Nutzungskonflikte. Schon heute kommt es aufgrund von Hitze und Dürre auch in einigen Regionen Deutschland zu Wasserknappheit. Die Landwirtschaft als Haupternährungsproduzent verursacht Fachleuten zufolge allein 70 % des globalen Wasserverbrauchs und ist damit besonders auf Anbaumethoden angewiesen, die mit wenig Wasser auch künftig die Ernährung sichern. Im Rahmen des Projektes „HypoWave+“ haben Partner aus Forschung und Wirtschaft in den vergangenen Jahren ein besonders wasserschonendes Verfahren für den hydroponischen Gemüseanbau entwickelt. Zur Bewässerung und Nährstoffversorgung der Pflanzen wird hier recyceltes Abwasser aus Kläranlagen verwendet.

Praxistest für hydroponischen Gemüseanbau

Nun kommt diese effiziente Anbaumethode erstmals in einem landwirtschaftlichen Betrieb im niedersächsischen Landkreis Gifhorn unter realen Bedingungen zum Einsatz. Die erste großtechnische Umsetzung des HypoWave-Systems erfolgt in einem 1.600 Quadratmeter großen Gewächshaus der IseBauern GmbH & Co. KG in Wahrenholz, das sich in unmittelbarer Nähe zu einem Klärteich des Wasserverbands Gifhorn befindet. Das Abwasser wird den Forschenden zufolge in einem mehrstufigen Verfahren mit Mikrosieb, neuartigem Aktivkohlebiofilter, Sandfilter und einem UV-Reaktor qualitativ hochwertig aufbereitet, wobei das überschüssige und gereinigte Wasser wieder in die Klärteiche zurückfließt.

Chance für die Forschung

„Die Inbetriebnahme des bislang größten Reallabors dieser Art durch die IseBauern und die Kooperation mit dem kommunalen Wasserverband Gifhorn ist für die Forschung eine außerordentliche Chance“, sagt Projektkoordinatorin Martina Winker vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). „Wir können die Entwicklung des HypoWave-Systems mit all seinen wissenschaftlich-technischen wie auch sozialen Innovationen vom Pilotprojekt bis zur Marktreife wissenschaftlich begleiten und uns intensiv mit Fragen des Qualitätsmanagements, der Vermarktung sowie der Kooperation der beteiligten Akteure beschäftigen.“

Hochwertiges und nährstoffreiches Wasser

Das HypoWave-System ist eine Alternative zur herkömmlichen Bewässerung mit Trink- und Grundwasser, da kommunales Abwasser aufbereitet und zur Bewässerung genutzt wird. Gleichzeitig werden die Pflanzen auch optimal mit Nährstoffen versorgt. „Den Pflanzen werden wichtige Stoffe wie Stickstoff und Phosphor direkt aus dem aufbereiteten Wasser zugeführt. Die Wasserqualität ist besonders hochwertig, da sie nährstoffreich und frei von Schadstoffen und pathogenen Keimen ist“, erklärt HypoWave+-Projektleiter Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig.

Derzeit nutzt die IseBauern GmbH das HypoWave-System zum Anbau von Tomaten. Im ersten Jahr wird das aufbereitete Klärwasser demnach bei nur zwei der insgesamt 15 Anbaulinien eingesetzt. Den Forschenden zufolge kann künftig aber auch das gesamte Gewächshaus mit dem HypoWave-Wasser versorgt werden. Dann könnten jährlich bis zu 11.000 Kilogramm Tomaten geerntet werden.

Investition in die Zukunft

„Wir verstehen den Anbauversuch als Investition in die Zukunft und als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel“, sagt Stefan Pieper von der IseBauern GmbH. „Wir können uns durch das HypoWave-System von saisonaler Wasserknappheit unabhängig machen und die Ernten vor Wetterextremen sichern.“

Von dem HypoWave-System können den Forschenden zufolge nicht nur landwirtschaftliche Betriebe profitieren. Auch für kommunale Betreiber von Anlagen zur Abwasserbehandlung, die ihre Klärteiche für die Wasserwiederverwendung zur Verfügung stellen wollen, sei das eine zukunftsfähige Methode. „Die Anbauweise in einem Gewächshaus mit gereinigtem Abwasser in Nachbarschaft zu unseren Teichen ist völlig neu für uns, erweist sich aber schon jetzt als Win-Win-Situation für Landwirtschaft und kommunale Wasserunternehmen“, sagt Christian Lampe, Geschäftsführer des Wasserverbandes Gifhorn. „Wir erhoffen uns auch Impulse für die verstärkte Nutzung in der konventionellen Beregnung.“

Das Verbundprojekt „HypoWave+ – Implementierung eines hydroponischen Systems als nachhaltige Innovation zur ressourceneffizienten landwirtschaftlichen Wasserwiederverwendung“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Wassertechnologien: Wasserwiederverwendung“ innerhalb des Bundesprogramms „Wasser: N“ mit 2,8 Mio. Euro gefördert. Wasser: N ist Teil der BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA).

bb