Der Grünlandtransformierer
Korbinian Kätzl
Beruf:
Umweltingenieur & Siedlungswasserwirtschaftler
Biopionier für:
Herstellung von Aktivkohle und Plattformchemikalien aus Restbiomassen
Korbinian Kätzl forscht am Fachgebiet Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe, sowie am Kompetenzzentrums für Klimaschutz und Klimaanpassung (CliMA) der Universität Kassel. An der Außenstelle Witzenhausen leitet er die BMBF-Nachwuchsgruppe Bio4Act - Biogene Aktivkohlen und Plattformchemikalien aus Restbiomassen zur Implementierung einer nachhaltigen zirkulären Bioökonomie. Eine der Anwendungen ist es, damit Spurenstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Transkript:
Ich bin studierter Umweltingenieur, hier an der Universität Kassel als wiss. Mitarbeiter tätig. Der Standort Witzenhausen ist historisch bedingt sehr international geprägt. Aufgrund einer langen Vorgeschichte in der Kolonialzeit bestehen hier sehr enge Auslands-beziehungen, gerade mit Ländern des globalen Südens und der Sub-Sahara Afrika Region.
Wir beschäftigen uns damit, wie wir aus Grünland Aktivkohle machen können. Ich habe in München Umweltingenieurwesen studiert, an der TU München und bin dort zum Abwasser gekommen. Nach meinem Studium habe ich dann an der Ruhr-Universität Bochum promoviert mit einem Projekt in Westafrika, wo wir versucht haben, das unbehandelte Abwasser aufzubereiten und daraus Bewässerungswasser für Äcker zu machen. Und so bin ich ein Stück weit in die Landwirtschaft hineingekommen.
Korbinian Kätzl im Video
Um von Restbiomassen des Grünlands zur Aktivkohle zu kommen, müssen wir sehr viel ausprobieren. Und das zieht sich eigentlich wie ein roter Faden durch mein bisheriges Leben. So hatte ich schon in der Schule beispielsweise Mathe und Kunst als LK. Jetzt auch nicht gerade die übliche Kombination. Ja, und dieses Ausprobieren, was Neues entdecken wollen, das ist so das Element, das sich durch mein Leben zieht. – Der Entdecker, sozusagen.
Die Region hier ist sehr divers von ihren Strukturen. Wir haben viel Grünland, viel Flora Fauna und Habitat-Gebiete, auch nahe an den bergigen Regionen hier am Hohen Meißner. Also eine sehr vielfältige Landschaft, die für uns auch sehr spannend ist, weil uns dadurch sehr viele unterschiedliche Biomassen zur Verfügung stehen, wo wir Zusammenhänge identifizieren und auch herausfinden können.
Wir sind hier im ländlichen Hinterland von Nordhessen, auf dem Versuchshof des Fachbereichs für Ökologische Agrarwissenschaften. Die Bioaktivkohle, die wir herstellen, wird später in Kläranlagen zur Entfernung von sogenannten Spurenstoffen, also Arzneimittelrückständen, unter anderem eingesetzt. Ich habe hier ein ganz tolles Team mit Leuten aus Pakistan, aus Indien, hier aus der Region, die gemeinsam mit mir an diesem Projekt arbeiten.
Tatsächlich ist es so, dass wir im sehr viel im Naturschutzbereich arbeiten oder auch im Bereich von Verkehrsflächen. Wir haben dazu ein paar spezielle Maschinen, auch zusammen mit Projektpartnern, die sich genau darauf spezialisiert haben, unter schwierigen Bedingungen Grünland Insekten schonend zu mähen.
Unser Ziel ist, über das ganze Jahr eine möglichst gleichmäßige Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen. Und deshalb wird bei uns die Biomasse nach der Mahd siliert, in Form von Silage-Ballen konserviert und damit für einen längeren Zeitraum für uns technisch nutzbar gemacht.
Nach der Silierung wird die Biomasse mit warmem Wasser gemischt und anschließend über eine Presse entwässert. Durch den Druck und das Zerreiben platzen die Zellen auf und die Mineralstoffe, die in der Biomasse vorhanden sind, werden herausgedrückt in eine Flüssigphase, die wir aktuell noch zu Biogas verarbeiten. Perspektivisch wollen wir daraus Plattformchemikalien erzeugen, insbesondere Milchsäure und Bernsteinsäure, aus denen man später biogene Kunststoffe machen kann.
Die feste Phase wiederum ist jetzt Mineralstoff ärmer, Asche ärmer und hat damit Eigenschaften, die wir brauchen, um diese Biomasse später zu Aktivkohle zu verarbeiten. Nach dem Abpressen wird die feste Biomasse, der sogenannte Presskuchen, getrocknet, zerkleinert und dann pelletieren wir das Ganze. Dadurch ist es homogen und einfacher weiter zu verarbeiten.
Die Biomasse-Pellets kommen bei uns in einen sogenannten Pyrolyse-Reaktor. Das heißt, die Pellets werden erhitzt auf 900 Grad ohne Luftsauerstoff. Sie können nicht verbrennen, aber es entsteht ein Gas und dieses Gas wird anschließend verbrannt und damit der ganze Prozess geheizt. Das heißt, der ganze Prozess ist Energie autark.
Um jetzt allerdings eine Aktivkohle zu machen, geben wir in diesen Prozess noch Wasserdampf hinzu. Der Sauerstoff aus dem Wasserdampf reagiert mit dem Kohlenstoff in den Pellets und es entsteht eine poröse Kohle mit einer sehr, sehr großen Oberfläche von bis zu 1000 Quadratmeter pro Gramm. Und diese Kohle ist sehr gut geeignet, um eben Stoffe aus Wasser oder Abwasser zu absorbieren.
Wenn die Aktivkohle im Abwasser eingesetzt wurde, und sie komplett beladen ist mit Spurenstoffen, wird diese beladene Aktivkohle zusammen mit dem Klärschlamm verbrannt. Damit werden alle organischen Verunreinigungen, alle Schadstoffe neutralisiert und somit auch unschädlich gemacht.
Aktivkohle wird bereits eingesetzt, basiert aber zu großen Teilen auf fossiler Kohle. Wir haben eine Ökobilanz gerechnet und damit konnten wir zeigen, dass biogene Aktivkohle bei der gleichen Reinigungsleistung um den Faktor zehn niedriger sind bezüglich der Treibhausgasemissionen, verglichen mit der konventionellen Aktivkohle.
Meine Vision ist, dass wir Restbiomasse aus dem Grünland nehmen, daraus eine Aktivkohle herstellen im industriellen Maßstab, diese Aktivkohle dann in Kläranlagen verwenden, und damit einerseits die Ökosystemleistungen von Landschaften erhalten und andererseits die aquatische Umwelt schützen.