Der Pflanzenflüsterer
David Spencer
Beruf:
Pflanzenforscher & Wissensvermittler
Biopionier für:
Grüne Gentechnik & Wissenschaftskommunikation
Und die Wissenschaftskommunikation kann helfen, um das zu übersetzen, was aus der Forschung kommt, damit auch die Öffentlichkeit versteht, was wir tun."
Den Pflanzen auf der Spur ...
In seinem Heimatort, dem belgischen Raeren, knapp 20 Minuten mit dem Bus von Aachen-Zentrum entfernt, findet David die Natur im Wald um die Ecke oder in der Felderlandschaft des Umlandes. Ganz nah kommt er den Pflanzen aber vor allem im großen Garten hinterm Haus. Hier hat er sich ein kleines Paradies geschaffen, in dem er seiner Leidenschaft nachgehen und Gemüse wie Kräutern beim Wachsen zusehen kann. Mit einem Gewächshaus voller Tomatenpflanzen, einem kleinen Acker mit Erdbeeren, Bohnen oder Mais und Erbsen, die am Maschendrahtzaun emporwachsen, versucht sich David zumindest teilweise selbstzuversorgen.
"Wir lassen uns eben als Forschende dauerhaft inspirieren von den Wildpflanzen da draußen, von ihren Superkräften, die sie haben, von ihrer Widerstandsfähigkeit, um das wirklich für die Forschung nutzbar zu machen".
Für David sind Pflanzen – insbesondere die wilden – Meisterinnen der Anpassung. Trotz oder gerade wegen ihrer Standortgebundenheit haben sie Mechanismen entwickelt, um sich etwa mit Abwehrstoffen gegen Schädlinge zu wehren und ihre Blätter mit einem natürlichen Sonnenschutz gegen UV-Strahlung zu schützen. Ihre Samen schicken sie mit dem Wind oder in Fell und Gefieder der Tiere, um sich neue Gebiete zu erschließen.
"Die sind schon sehr intelligent in ihrer Evolution.", findet David. Und trotzdem haben sie vor allem in jüngerer Zeit zu kämpfen. "Mit den sich sehr schnell verändernden Umweltbedingungen kommen selbst die Pflanzen nicht mehr hinterher und haben zunehmend ein Problem damit, sich gegen Krankheiten, Trockenheit und solche Dinge zu wehren."
Das gilt im Besonderen für die Nutzpflanzen, die auf unseren Feldern stehen. Und das nicht ganz ohne Grund, weiß David zu erklären: "Schon seit der neolithischen Revolution vor über 10.000 Jahren haben die Menschen Pflanzen durch Selektion und Kreuzung verändert, um neue Sorten nach ihren Wünschen zu züchten. Das Ergebnis zeigt sich heute in der Vielfalt von Obst und Gemüse im Supermarkt. Doch die Züchtung zielt vor allem auf hohe Erträge ab. Und das hat seinen Preis!".
Bestimmte Abwehrmechanismen blieben dabei auf der Strecke, die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nun wieder ausgeglichen werden müssen. In der modernen Pflanzenforschung sieht David eine große Chance, Nutzpflanzen wieder widerstandsfähiger zu machen.
"Wenn man es nämlich geschafft hat, eine Pflanze so zu züchten, dass sie vielleicht diese tollen Eigenschaften der wilden Verwandten auch hat, dann kann sie sich wieder selber verteidigen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir weniger Pflanzenschutzmittel anwenden müssen".
Für David ist die Pflanzenforschung damit ein wichtiger Baustein auf dem Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit, indem sie den Einfluss der Landwirtschaft auf Ökosysteme, auf das Artensterben und auf den Klimawandel zu minimieren versucht.
Mit klassischer Züchtung, wie etwa Kreuzungen, kann es jedoch Jahrzehnte dauern, bis eine neue Sorte entwickelt ist. Bei den rasant fortschreitenden Veränderungen unserer Zeit, bleibt kaum so viel Zeit – und die Bedingungen könnten sich bis dahin schon wieder verändert haben.
Eine Hoffnung sieht David in den neuen Züchtungsmethoden: Für seinen Doktor der Biologie hat er an der RWTH Aachen daran geforscht Sojabohnen mit Hilfe von Gentechnik widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten zu machen – um genau zu sein: gegenüber dem in Süd- und Nordamerika weit verbreiteten Sojabohnenrost. Dafür hat er in der Sojabohne selbst aber auch in anderen Pflanzen, wie etwa der Sonnenblume, nach Genen gesucht, die für eine Immunität gegen den Pilz sorgen, um diese dann in seine Forschungspflanzen zu übertragen.
Dabei ist ihm schnell aufgefallen, dass er mit seiner Forschung und dem Thema Gentechnik bei vielen auf große Skepsis stößt. Doch für David gibt es keinen Anhaltspunkt, keine wissenschaftlichen Hinweise, dass neue Methoden wie CRISPR/Cas in irgendeiner Weise risikobehafteter wären als bisherige Züchtungsmethoden.
"Die neue Gentechnik ist eigentlich nicht wirklich was anderes. Sie ist halt nur schneller und genauer und wir kommen zu einem Ergebnis, das wir viel schneller testen können. Und so ermöglichen diese Verfahren, in kürzerer Zeit Klimaangepasste Sorten zu entwickeln."
Die Kritik an gentechnischen Veränderungen von Pflanzen bleibt dennoch hartnäckig. "Viele denken ja, dass so was wie Gentechnik und solche technischen Innovationen nicht zu so einem ökologischen, nachhaltigen, bewussten Lebensstil passen würden. Aber meiner Meinung nach passt das hervorragend zusammen, weil eben diese neuen Technologien uns sehr stark dabei helfen können, wenn wir uns nachhaltiger und bewusster ernähren wollen oder auch generell im Leben unseren ökologischen Fußabdruck minimieren wollen."
Oft erwächst die Skepsis aus Unwissenheit. Daher sieht David seine Aufgabe als Wissenschaftler nicht nur in der Erforschung der Pflanzen. Wichtig ist für ihn auch, diese Forschung für die Öffentlichkeit verständlich zu machen.
Dafür hat David inzwischen die Seiten gewechselt, das Labor als Forscher vorerst verlassen und arbeitet nun hauptberuflich als Wissensvermittler. So möchte er mögliche Bedenken oder gar Angst in Faszination umwandeln und insgesamt die Pflanzenforschung populärer machen.
Mit seinem Podcast „Krautnah“ – ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt – hat er im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020/21 zur „Bioökonomie“ in 20 Episoden über Pflanzen gesprochen und wie man diese mit Hilfe der Forschung „zähmen“ kann. Mit „Alles bio – logisch?!“ folgte sein Buch zu dem Thema. Inzwischen häufen sich die Anfragen für Interviews, Vorträge oder Artikel.
Davids neuestes Projekt: Seit April dieses Jahres hat er Youtube für sich entdeckt und berichtet auf seinem Kanal, wieder unter dem Pseudonym „Krautnah“. Die Hauptrolle spielen natürlich auch hier die Pflanzen ...
... und zwar vorwiegend die aus dem eigenen Garten: mit seiner Kamera hält David das Wachsen und Gedeihen von Tomaten, Gurken, Bohnen und Co fest. In seinen Videos gibt es dann Tipps zum Anbau, immer gespickt mit spannenden wissenschaftlichen Fakten.
Entscheidend ist für David dabei aber, dass die Kommunikation nicht einseitig bleibt: "Ich versuche eigentlich immer, Formate zu finden, wo man auch so eine Art Feedback hat, dass mir auch Leute Fragen schicken können, dass sie auch kritische Feedbacks geben können und ich darauf eingehen kann. Weil, gerade was kontroverse Themen angeht: oft liegt die Wahrheit irgendwo in den Nuancen. Und deswegen ist mir der Austausch mit den Leuten sehr wichtig."
David Spencer im Video
Sehr direkt kann dieser Austausch stattfinden, wenn David auf der Bühne steht, Auge in Auge mit seinem Publikum: Schon als Student hat er sein Forschungsprojekt bei einem Science Slam vorgestellt – für ihn war es damals die erste Berührung mit der Wissenschaftskommunikation.
Bis heute tritt David regelmäßig im ganzen Bundesgebiet an, um sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft zu messen. So auch beim 10. Leopoldina-Science-Slam zur Nacht der Wissenschaften 2023 in Halle.
"Das Charmante beim Science Slam ist ja eigentlich, dass man wirklich dem Publikum in die Augen schauen kann und die direkte Reaktion merkt, man sieht die Aha-Momente, man sieht die kontroversen, kritischen Momente und das ist für mich total interessant".
Auch nach den Vorträgen sprechen Leute aus dem Publikum den Slammer an und fragen, was genau denn im Labor gemacht wird und wie das denn jetzt mit der Gentechnik aussieht. Und echte Fans holen sich natürlich auch ein Autogramm ab.
Tatsächlich könnte sich David auch vorstellen, irgendwann zurück in die Wissenschaft zu gehen und im Labor wieder an der Züchtung resistenter Pflanzen zu arbeiten: seine Faszination für die Forschung bleibt ungebrochen. Aufhören über das zu reden, was er macht, und die Öffentlichkeit daran teilzuhaben, würde er dann aber dennoch nicht.
"Das sind zwei Dinge, die man nicht mehr trennen kann: die Forschung und die Menschen für die diese Forschung gemacht wird," findet David. Und so will er auch weiterhin dafür sorgen, dass die Wissenschaft die Bühne bekommt, die ihr gebührt!
David Spencer - Der Pflanzenflüsterer
Wissenschaft und Kommunikation? Für David Spencer sind es zwei Seiten einer Medaille, untrennbar vereint. Als promovierter Pflanzenbiologe schlägt sein Herz für die Forschung und gleichzeitig liegt es ihm an selbigem, die Öffentlichkeit an seinen Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Vorerst macht er sich derzeit also einen Namen in der Wissenschaftskommunikation – vom Laboranten zum Laberanten, wie er so schön sagt. Was ihm dabei wichtig ist, hört ihr in unserem Podcast.