Großinventur: Mikrobiom der Ackerschmalwand vermessen
Forscher haben die erste umfassende Sammlung von Bakterienstämmen der Ackerschmalwand angelegt. Dank dieses Werkzeugs kann im Labor nun der Einfluss von Bakterien auf das Wachstum und die Gesundheit der Pflanzen nachgestellt und untersucht werden.
Auf Blättern und Wurzeln von Pflanzen siedeln unzählige Bakterienstämme, die vermutlich auch das Wachstum beeinflussen. Welche Rolle die Mikroorganismen dabei konkret spielen ist bislang nicht erforscht. Ein neuer Werkzeugkasten könnte das bald ändern. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und der ETH Zürich haben dafür erstmals einen Großteil der auf der Ackerschmalwand lebenden Mikroorganismen isoliert und kultiviert. Bei ihren Untersuchungen stellten sie fest, dass viele der Wurzel- und Blattbakterien vom Boden aus mit Mikroorganismen besiedelt werden und daher viele Gemeinsamkeiten haben. Damit liefern die Forscher erstmals ein Werkzeug, um im Labor gezielt den Einfluss von Bakterien auf das Wachstum und die Gesundheit der Pflanzen nachzustellen und zu untersuchen. Im Fachjournal Nature (2015, Online-Veröffentlichung) stellte das Team die Ergebnisse vor.
Ob im Darm oder auf der Haut - Milliarden von Mikroorganismen besiedeln den menschlichen Körper und sind für unsere Gesundheit von enormer Bedeutung. Auch bei Pflanzen – so vermuten Forscher - sollen die unsichtbaren Winzlinge Wachstum und Gesundheit beeinflussen. Um diese Frage konkret zu beantworten, fehlte es bislang an einer Inventur der auf Pflanzen lebenden Bakterienstämme. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und der ETH Zürich sind hier einen Schritt weiter gekommen. Wie das Team um Paul Schulze-Lefert und Julia Vorholt im Fachjournal Nature berichtet, nahmen sie dafür die Modellpflanze Arabidopsis thaliana genauer ins Visier.
10.000 Bakterienstämme isoliert
Mithilfe ausgefeilter Sequenziertechniken gelang es ihnen – entgegen langjähriger Annahme– nicht nur ein Prozent, sondern die Hälfte aller Bakterienarten, die natürlicherweise auf der Pflanze leben, zu erfassen und zu kultivieren und somit die umfassendste Sammlung von Bakterienstämmen der Ackerschmalwand anzulegen. „Die Sammlung ist zwar nicht perfekt, aber ein sehr guter Ausgangspunkt für Rekonstruktionsexperimente“, erklärt Max-Planck-Forscher Paul Schulze-Lefert. Konkret haben die Forscher fast 10.000 Bakterienstämme isoliert und daraus 432 für ihre weiterführenden Studien ausgewählt. „Damit liegen nicht nur Reinkulturen für die Rekonstitutionsexperimente vor, sondern wir kennen auch das komplette Erbgut jedes einzelnen Isolats in unserer Stammkollektion“, sagt Schulze-Lefert.
Mikrobiom von Blatt und Wurzel ähneln sich
Bei ihren Untersuchungen stellten sie große Ähnlichkeiten zwischen den mikrobiellen Lebensgemeinschaften auf den Blättern und den Wurzeln der Pflanze fest. „Fast die Hälfte der Arten sind identisch“, erklärt Schulze-Lefert. Die Ähnlichkeiten überraschten selbst die Forscher. Denn die Proben für das Mikrobiom von Wurzel und Blatt wurden an verschiedenen Orten in der Schweiz und Deutschland gesammelt. „Den Großteil der vorkommenden Arten haben wir an allen Standorten gefunden. Vieles spricht dafür, dass es konservierte Mechanismen gibt, die dafür sorgen, dass gewisse Bakterien auf Pflanzen wachsen können und andere nicht“, erklärt die schweizer Mikrobiologin Julia Vorholt.
Boden als Bakterienquelle
Das Team geht davon aus, dass die Mikrobiome trotz ihrer verschiedenen natürlichen Umgebung sehr robust sind. Wegen dieser Ähnlichkeit und einer hohen funktionalen Überlappung der Genome vermuten sie, dass ein Großteil der Blatt- und Wurzelbakterien ihren Ursprung in den Boden-Mikrobiom haben. Die Blätter einer Pflanze werden also nicht primär über Aerosole in der Luft oder Insekten-assoziierte Mikroorganismen besiedelt, sondern vom Boden aus über die Wurzel als Zwischenstation. „Obwohl das System sehr artifiziell ist, sind die Lebensgemeinschaften, die sich an den Blättern und Wurzeln ansiedeln, den natürlichen Lebensgemeinschaften sehr ähnlich“, sagt Schulze-Lefert.
Werkzeug für kontrollierte ökologische Forschung
Mithilfe dieser neuer einmaligen Bakteriensammlung ist erstmals eine kontrollierte ökologische Forschung möglich. Der Werkzeugkasten bietet die Möglichkeit, die Vorgänge in der Natur im Labor nachbauen und dabei gezielt zu untersuchen, welchen Einfluss Bakterienstämme auf das Wachstum und die Gesundheit von Pflanzen haben. Erste Experimente waren bereits erfolgreich. So fanden die Forscher Hinweise darauf, dass bei bestimmten Mikroorganismen Pflanzen mehr Nährstoffe aufnehmen und somit schneller wachsen oder Krankheitskeime besser blockiert werden. "Die Experimente waren reproduzierbar. Das heißt, dass unsere Bakterienkulturen und unser Ansatz für diese Art von Experimenten geeignet sind“, so Vorholt.