Genom-editierte Pflanzen: Dialog zum Update der EU-Regulierung

Genom-editierte Pflanzen: Dialog zum Update der EU-Regulierung

Sollten genom-editierte Pflanzen anders reguliert werden als durch klassische Gentechnik erzeugte? Das prüft der europäische Gesetzgeber gerade. Eine Veranstaltung im Haus der Bundespressekonferenz beleuchtete den aktuellen Stand der Debatte.

Diskussionsrunde VBIO zu Genome Editing
Auf dem Podium von links: Holger Puchta (KIT, Karlsruhe), Stephan Clemens (Universität Bayreuth), Jana Streubel (Universität Hannover) und Tobias Brügmann (Institut für Forstgenetik, Thünen Institut), Moderatorin Gabi Krczal (RLP Agroscience)

Debatten darüber, welche Chancen und Risiken neue genomische Techniken wie CRISPR-Cas9 für die Landwirtschaft haben und wie man sie regulieren sollte, halten seit Jahren an. Einschneidend war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Sommer 2018. Auch bioökonomie.de berichtet seit Jahren über Dialogveranstaltungen und Positionspapiere zum Thema. Nachdem, neben anderen Gremien, der Bioökonomierat 2018 seine Empfehlung an die Politik veröffentlicht hatte, sind noch zahlreiche Stellungnahmen aus Wissenschaft und Politikberatung hinzugekommen.

Alle empfehlen mit leichten Abwandlungen mehr oder weniger dasselbe: Pflanzen, die mit CRISPR-Cas9 gezüchtet wurden und keine artfremde DNA enthalten, sollten so reguliert werden, wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Oder zumindest nicht so streng, wie es das Gesetz bisher vorsieht. Denn wissenschaftlich gesehen, so diese Stellungnahmen unisono, sei die Anwendung des aktuellen Gentechnikrechts auf solche neuen Sorten nicht gerechtfertigt, da sie kein inhärent erhöhtes Risiko bergen.

EU-Kommission will neuen Rechtsrahmen schaffen

Die EU-Kommission hat diese vielen Stimmen aus der Wissenschaft zum Anlass genommen, eine eigene Studie in Auftrag zu geben. Die Ergebnisse dieser Studie wiederum führten zu einem mehrstufigen Konsultationsprozess, der 2023 schließlich in die Gestaltung eines neuen Rechtsrahmens münden soll.

Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) hat gemeinsam mit dem Wissenschaftskreis Genomik und Gentechnik e.V. (WGG) die momentane Situation zum Anlass genommen, um am 29. November zu einer Dialogveranstaltung zu laden. Primäres Ziel der Veranstaltung im Haus der Bundespressekonferenz war es, Stimmen aus der Wissenschaft zum Thema Regulierung von neuen genomischen Techniken zu Wort kommen zu lassen und ein Forum für Fragen an die Anwesenden Vertreterinnen und Vertreter aus der Forschung zu bieten. Die Veranstalter richteten sich mit dem Format vor allem an Politik und Medien, im Publikum saßen mehrere Bundestagsabgeordnete und Vertreter verschiedener Tages- und Wochenzeitungen.

Keine erhöhten Nebeneffekte

Einer der Podiumsgäste war Professor Holger Puchta, der als einer der Pioniere im Bereich Genom-Editierung an Pflanzen gilt und mit seiner Arbeitsgruppe am Karlsruher Institut für Technologie Spitzenforschung leistet. Von Johannes Schätzl, der für die SPD im Bundestag sitzt, nach der Häufigkeit sogenannten Off-Target-Effekte gefragt, antwortete Puchta, dass seine umfangreiche Forschung keine erhöhten Nebeneffekte der neuen Methode im Vergleich zu früheren gezeigt habe. Im Gegenteil sei die „Genschere“ hochpräzise und ermögliche es, viel weniger ungewollte Mutationen als früher zu erzeugen.

Wissenschaft fürchtet um Zukunft

Mit Jana Streubel vom Institut für Pflanzengenetik an der Universität Hannover und Tobias Brügmann, der am Institut für Forstgenetik des Thünen Instituts mit seiner Arbeitsgruppe an Bäumen forscht und arbeitet, saßen gleich zwei Jungwissenschaftler auf dem Podium. Beide äußerten sich besorgt über die Zukunft ihrer Disziplinen, sollte sich die Gesetzgebung nicht bald ändern. Streubel, die mit ihrer Arbeitsgruppe daran forscht, Pflanzen resistenter gegen Schädlinge zu machen, berichtet von einem „brain drain“ und sieht darin mittelfristig eine Gefahr für die Qualität deutscher Forschung in diesem Bereich. Tobias Brügmann beschreibt leidenschaftlich, wie er hofft, mit den Erkenntnissen aus seinen Arbeiten zum Erhalt der Wälder beitragen zu können. Doch dafür brauche Forschung Verlässlichkeit, vor allem auch von Seiten der Politik.

Zwischen Wissenschaft und Politik: der Weg zu einer neuen Regulierung

Als vierter Gast im Podium sprach sich Professor Stefan Clemens von der Universität Bielefeld dafür aus, bei einer zukünftigen Regulierung unbedingt auch Nachhaltigkeitsaspekte im Blick zu haben. Entscheiden sei, ob eine neue Sorte zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitrage, so Clemens, egal ob sie mit neuen oder alten Methoden gezüchtet worden sei.

Professor Klaus-Dieter Jany, Vorsitzender des WGG, stimmte Clemens aus dem Publikum heraus zu. Konkret ginge es nun darum, dass ein politischer Kompromiss zustande komme, der sowohl den wissenschaftlichen Konsens als auch die vorhandenen gesellschaftlichen Sorgen gegenüber der neuen Technologie in Einklang bringe.

Auf Nachfrage von Christiane Grefe, Redakteurin bei der ZEIT und langjährige Bioökonomie-Beobachterin, was er sich von einer neuen Regulierung erhoffe, antwortete Jany: „Ich erhoffe mir eine handhabbare, praktikable Lösung, die sich am Stand der Wissenschaft orientiert und auch kleinen und mittelgroßen Züchtern die Möglichkeit gibt, diese Technologie zu nutzen. Womöglich wird es für Pflanzen, die mit Genome Editing gezüchtet wurden, ein Register geben, um eine Nachverfolgung zu ermöglichen.“

mr