Digitalisierung der Landwirtschaft voranbringen

Digitalisierung der Landwirtschaft voranbringen

Bei der "Digital Transformation Week" des IT-Verbands Bitkom lag ein Schwerpunkt auf den Entwicklungen in Ackerbau und Viehzucht.

Logo der Digital Transformation Week
Die Digital Transformation Week widmete einen ganzen Tag der Landwirtschaft.

Die Bundesregierung ist sehr aktiv und erfolgreich darin, die Digitalisierung der Landwirtschaft zu unterstützen. So könnte man die Botschaft von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zusammenfassen, die diese auf der „Digital Transformation Week“ des IT-Verbands Bitkom am Donnerstag, 26. November 2020, verkündete. Bei diesem Thema sei Deutschland „führend in der EU, auch global führend – andere schauen, was wir in Deutschland machen“, sagte die Ministerin. Dabei verwies Klöckner auf ein mit 50 Mio. Euro finanziertes „digitales Experimentierfeld“, in dem digitale Techniken vor Ort erprobt werden, auf das Bundesprogramm zur Künstlichen Intelligenz in Landwirtschaft und Ernährung, das mit 45 Mio. Euro ausgestattet ist, sowie auf die „Bauernmilliarde“, ein Investitions- und Zukunftsprogramm, „damit sich Landwirte dem Systemwechsel stellen können, nachhaltiger werden“, aber weiterhin in der Lage seien, unsere Nahrungsmittel zu produzieren – „in guter Kombination mit Umwelt- und Klimaschutz“.

Mittels Digitalisierung Zielkonflikte auflösen

Klöckner riss außerdem die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zu einer staatlichen Datenplattform für die Landwirtschaft an. Daraus werde erkennbar, dass die Betriebe sich weniger Bürokratie wünschen, die Hoheit über ihre Daten behalten und staatliche Informationen einfacher finden möchten. Außerdem würden maschinenlesbare Schnittstellen für den Datenaustausch benötigt. Seitens der Behörden werde eine stärke Vernetzung staatlicher Stellen gewünscht. Für die Bundesministerin stellt die Digitalisierung der Landwirtschaft zudem eine Chance dar, Zielkonflikte aufzulösen, beispielsweise zwischen der Notwendigkeit des Pflanzenschutzes und dem ökologischen Anspruch, weniger chemische Pflanzenschutzmittel einzusetzen.

In den nachfolgenden Impulsvorträgen und Debatten ging es um eine Bestandsaufnahme, wie weit die Digitalisierung in der Landwirtschaft bereits vorangekommen ist, welche Ideen und Lösungen auf ihre Umsetzung warten und welche Herausforderungen noch gemeistert werden müssen. So verwies Klaus Josef Lutz von der BayWa AG darauf, dass die Daten des europäischen Fernerkundungssystems Copernicus bereits intensiv in der Landwirtschaft genutzt werden, oftmals auch von Start-ups. Landwirtin Marlene Biß schilderte ihre Erfahrung mit dem „Klimacheck“ der Genossenschaft Arla, bei dem der CO2-Fußabdruck des eigenen Hofs berechnet werden kann, wonach eine externe Beratung individuelle Verbesserungsvorschläge einbringt. Biolandwirt Jan Plagge betonte, dass gerade ökologisch wirtschaftende Betriebe auf technische Innovationen angewiesen seien, um ohne Herbizide und Pestizide zu arbeiten – beispielsweise kamerageführte Systeme, die Unkraut mechanisch entfernen. „Wir müssen vielleicht auch mit weniger Erträgen rechnen. Darum brauchen Landwirte finanzielle Anreize für nachhaltige Praktiken, aber auch mehr Beratung, um die Hintergründe zu verstehen“, forderte Plagge.

Nachhaltiges Wirtschaften als Zusatzeinkommen

Georg Goeres von der Indigo AG präsentierte einen Ansatz, den CO2-Eintrag in den Boden in Form der Humusbildung zu erfassen und zu zertifizieren und über diese Zertifikate ein Zusatzeinkommen aus dem nachhaltigen Wirtschaften zu generieren. Ökonomin Julia Köhn von der Pielers GmbH stellte eine Art internetbasierten „Peer-to-peer-Lebensmittelmarkt“ zur Direktvermarktung vor. Dort sei auch mehr Raum als auf Verpackungen, um die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen zu präsentieren und so neben der Imagearbeit die Akzeptanz für höhere Preise zu schaffen, ohne Marge an den Handel abzugeben. Die meisten Betriebe seien dafür offen, hätten aber Angst vor „digitalen Dingen“ wie digitalen Bezahlmethoden oder der Bedienung einer Website.

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht verwies auf die Bedeutung der Forschungsförderung, beispielsweise um durch veränderte Fütterung die Treibhausgasemissionen von Rindern zu verringern. Zentral sei für ihn, CO2-Emissionen auch in der Landwirtschaft ein Preisschild zu verpassen, „sodass die, die sparsam wirtschaften, davon auch profitieren“. Norbert Lins, Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, betonte, dass von Innovationen nicht nur große Betriebe profitieren dürften, sondern dass es auch Lösungen brauche „für Betriebe wie in der süddeutschen Landwirtschaft“. Dabei dürften Kooperationen wie „Maschinenringe“ künftig eine große Rolle spielen. Die EU sehe er gefordert bei der Standardisierung von Schnittstellen und der Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Basisdaten. „Mit unseren hohen Datenschutzanforderungen stehen wir uns auch selbst etwas im Weg“, befand der Abgeordnete.

Bremsender Datenschutz und fehlendes Risikokapital

Auch Unternehmerin Köhn mahnte einen ausgewogenen Umgang mit dem Datenschutz an: „Wir versäumen es in Europa, unsere Daten monetarisierbar zu machen.“ Die Datenerhebung würde die Landwirtschaft effizienter machen, Betriebe könnten rückvergütet werden für die Dateneinstellung, und Politik und Wissenschaft könnten diese für positive externe Effekte nutzen. „Das passiert in den USA, Israel und auch China schon, aber dann in geschlossenen Plattformen, die nicht der Allgemeinheit dienen.“ Sie wünschte sich zudem: „Wir brauchen mehr risikobereites Kapital in Europa“ – Ideen und Technologien sowie die Bereitschaft der Landwirtschaft seien da, „aber nicht die Mittel, das auszurollen“.

bl