Der Biotechscout
Max Mundt
Beruf:
Molekularbiologe & Technologiescout
Biopionier für:
Prozess- und Geschäftsentwicklung in der Biotechnologie
Berlin Mitte. Unweit der Gedenkstätte Berliner Mauer prunkt ein neues kompaktes Gebäude, kompromisslos modern, lichtdurchflutet: Der AI Campus ist Innovations-Hub und Coworking Space für Start-ups und Investoren, die künstliche Intelligenz für ihre Unternehmung nutzen. Wir sind hier, um Max Mundt zu treffen, Business Developer bei der Firma Insempra, ein Biotech-Unternehmen. Als wir ankommen, wird gerade eine Ladung Designermöbel in Pastellfarben angeliefert. Drinnen hat die Zukunft der digitalen Optimierung einen grünen Anstrich bekommen.
Ein überbordendes Pflanzenensemble markiert das Zentrum eines weitläufigen Etagendecks. In den botanischen Rundungen sind Arbeitsplätze inselartig wie Vogelnester in Baumkronen versteckt. Kommunikation geschieht im Campus erlesen verteilt oder situativ in Grüppchen. Zum durchdesignten Ambiente passen auch die Akteure der selbstbestimmten Arbeit. Hier erinnert nichts mehr an IT-Nerds oder klassische BWLer.
Die neuen Produktdesigner*innen zeigen sich stilbewusst und allzeit geschäftig. Wer hier sein darf, ist schon wer, oder wird es ganz sicher werden. - Doch was macht Max auf dem AI-Campus als Biotechnologe? Zunächst sticht seine orangepinke Haarfarbe ins Auge, die einen spannenden Kontrast zum satten Grün des Bürodschungels bildet. Max antwortet konzentriert und freundlich, während per Knopfdruck zwei Roboterarme hinter Glas ein Pasta-Menü kredenzen.
Ich bin in der Firma die Brücke zwischen Technologie und kommerzieller Anwendung. Ich rede viel mit Wissenschaftlern, viel mit frühphasigen Start-ups, Spin-offs und suche nach spannenden Technologien, um nachhaltige Produkte zu entwickeln. Dafür nutzen wir künstliche Intelligenz und alle möglichen digitalen Lösungen, um in der Biotechnologie weiterzukommen und unsere Produktentwicklung zu beschleunigen.
An diesem Abend trifft sich Berlins Biotech-Szene zu einem „metabolischen Networking“. Dr. Max Mundt ist Panelist und Mit-Initiator. Selbstbewusst diskutiert man über Gründerideen, Stolpersteine für Jungunternehmen und Fördergelder. Für die grüne Revolution müssen Wissenschaft und Business zusammenwachsen, müssen aus Forschenden Unternehmende werden. Max‘ Firma Insempra, ursprünglich unter dem Namen „Origin.Bio“ gegründet, gibt sich dabei nicht mit einer einfachen Produktentwicklung zufrieden. Sie will eine breitere Basis für biotechnologische Entwicklungen schaffen und ihnen zum Erfolg verhelfen. Und die finden sich überall: im Textilbereich, genauso wie im Food- oder Kosmetik-Sektor.
Klarerweise sucht Insempra nicht im Verzicht die Lösung der Probleme, sondern in einer Kreislaufwirtschaft biokapitalistischen Zuschnitts. Das Zauberwort für alle Startups der Biotech-Szene ist die Skalierung. So lautet die Mission auf der Firmen-Homepage:
"Wir müssen mit biobasierten Produktionsprozessen zukünftig auf die gleichen Volumina kommen wie die chemische Industrie jetzt mit den Erdöl-basierten Prozessen, was alles ausbeuterische Prozesse sind. Sowohl Erdöl als auch Pflanzenextraktion sind intrinsisch nicht unbedingt nachhaltig." Dr. Max Mundt
Max Mundt im Video
Doch wie können Biotech-Produktionen größer, voluminöser werden?
Zwei Monate später besuchen wir Max am Stammsitz des Unternehmens in München. Wieder ein Campus, nicht ganz so Hipster-like wie in Berlin aber dafür umso futuristischer in der Anmutung. Als architektonischer Höhepunkt grüßt ein weißer Hotelturm mit organisch-fließender Fassade. Über 60 Start-ups aus dem Life Science-Bereich sind hier im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie angesiedelt.
Max trifft seinen Chef Jens Klein zur Strategieplanung. Auf dem großen Monitor im Besprechungsraum läuft eine Animation mit zerfließenden Blumen und Blättern. Fast schon lieblich und zart assoziiert die Kollage den natürlich-organischen Auftrag des Unternehmens. Auch dafür hat Max eine firmenphilosophische Deutung:
Wir gehen ein bisschen von dem Bio-Engineering weg, mehr zu etwas hin, das wir Nature Code Design nennen. Ich glaube, der Unterschied ist, dass wir die Biologie nicht komplett programmieren wollen oder ihr unseren Willen aufzwingen. Sondern die Natur ist bei uns ein gleichwertiger Partner, weil es einfach eine interne Kraft gibt, die wir sowieso nicht überwinden können. Und das ist die Evolution.
Die beschworene Anlehnung an die Natur soll Insempra zum ganz großen Geschäft verhelfen. 2021 konnte das Unternehmen richtungsweisende 15 Millionen Dollar über den Risikokapitalgeber EQT Venture einwerben. Das Vertrauen kommt nicht von ungefähr, an das Insempra schon im Namen (frei nach „In semper fidelis / immerzu treu“) erinnert.
Gründer Jens Klein hatte bereits in führenden Positionen im Health Care und Life Science Sektor sowie als Risiko-Kapitalgeber für Biotech-Firmen gearbeitet, bevor er Geschäftsführer des Vorzeigeunternehmens AMSilk wurde. Der dort biotechnologisch erzeugten Spinnenseide verhalf er in zahlreichen Produkten zum globalen Durchbruch. Beflügelt vom kommerziellen Erfolg beschloss der Serial Entrepreneur ein eigenes Unternehmen zu gründen, bei dem Max von Anfang an beratend zur Seite stand,
um just zum ersten Angestellten des Startups zu werden. Nun beraten sich hier zwei echte Biopioniere, die sich vollauf verstehen und doch nicht unterschiedlicher sein könnten. – Das Besondere bei Insempra: Eine Produktentwicklung orientiert sich zuallererst am Bedarf des Marktes. Die Forschung stellt sich in ihren Dienst und ist gewissermaßen nachgeordnet. Max’s Aufgabe ist dabei, für vielversprechende Substanzen die besten biotechnologischen Produktionsprozesse zu finden:
Ich glaube, der große Trick ist tatsächlich mit dem Kunden zu starten. Wir wollen nur entwickeln, was am Ende wirklich einen Mehrwert liefert. Das ist auf der einen Seite der nachhaltige Aspekt. Aber wir können noch viel, viel mehr aus dem Arsenal der Biologie rausholen, um bessere Produkte zu machen, die besser sind als das, was die chemische Industrie herstellen kann.
Max führt uns den Gang hinunter in eines der neu ausgestatteten Insempra-Labore. Ein paar Reagenzflaschen sind hier über viele Kabel und Schläuche mit handlichen Bioreaktoren verbunden, gefüllt mit einer um sich selbst kreisenden, bräunlich-trüben Flüssigkeit. Darin verbergen sich Hefeöle, die zum wertvollen Bestandteil einer Hautcreme werden.
Shashwat Vaipevi leitet die Entwicklung für Lipidprodukte. Er hält Max ein Döschen mit einer Probe vor die Nase. Wie duftet die neue Creme? Wie fühlt sie sich an? Wie schnell zieht sie in die Haut ein? Max scheint überzeugt. Vielleicht wird die unscheinbare Creme ja zur Vorbotin der ersehnten Wende werden.
Wir arbeiten unermüdlich daran, tatsächlich diese biologische Revolution jetzt anzustoßen und diese nachhaltigen Produkte auch auf den Markt zu bringen. Aber wir sind immer noch am Anfang und ich glaube, es ist auch eine große Verantwortung gegenüber der Natur, gegenüber der Gesellschaft, auch gegenüber unseren Investoren. Max Mundt & Luisa Gronenberg, Head of R&D for Functional Ingredients
Längst ist viel Geld im Spiel um die nachhaltige Entwicklung. Doch inwiefern ist grünes Wachstum überhaupt sinnvoll? Fünfzig Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“ hat der Club of Rome 2022 mit „Earth for all“ einen neuen Report vorgelegt, Krisenanalyse und zugleich Aufruf zum Handeln für unsere Zukunft.
Demnach soll die Wirtschaft über den Wachstumsgedanken hinausgehen, sich vom Bruttoinlandsprodukt als alleinigen Wohlstandsindikator verabschieden und stattdessen soziale Faktoren und Umweltdimensionen stärker bemessen. Es gilt die Energiekehrtwende voranzutreiben, die fossilen Brennstoffsysteme abzubauen und neue energieeffiziente Verfahren, wie sie die Biotechnologie bietet und Firmen wie Insempra zur Anwendung bringen, aufzubauen.
Aber auch ein grünes Wirtschaftswachstum kann es auf Dauer nicht geben, weil dafür mehr Ressourcen verbraucht als Energien eingespart werden. Das besagte scaling to the power of biology ist also nachhaltig, wo es das Wachstum in den Dienst des industriellen Umbaus stellt und das caring for the good of our planet zu seiner natürlichen Grenze wird.
Max Mundt - Der Biotechscout
Was erlebt man als studierter Biotechnologe in der Startup-Szene? Dr. Max Mundt ist Vize President of Business Development bei der Firma Insempra mit Sitz im IZB in München. Im Gespräch mit Oliver Päßler erzählt Max, wie es dazu kam und was ihn antreibt. - Ein spannender Einblick in ein Berufsleben zwischen Biotech und Investorenwelt, Pragmatismus und Idealismus.