Der Fleischlosmacher
Tim Fronzek
Beruf:
CEO & Mitgründer von Nosh.Bio
Biopionier für:
Pilzzucht als Fleischersatz für die Lebensmittelindustrie


Tim Fronzek ist CEO des Start-up Nosh.Bio, das er gemeinsam mit dem Biotechnologen Felipe Lino in Berlin gegründet hat. Die Firma züchtet einen bestimmten Fadenpilz, dessen Biomasse als wertvoller Nahrungszusatz für die Lebensmittelindustrie und als Fleischersatzprodukt verwendet wird. Tim hat BWL studiert und zuvor eine Lehre als Industriekaufmann absolviert. Seine erste erfolgreiche Unternehmensgründung war das Start-up Rebuy, eine Handelsplattform für Gebrauchtwaren im Internet.


Ich bin Tim Fronzek, einer der Gründer der Firma Nosh.Bio, und arbeite hier als Geschäftsführer. In Berlin-Adlershof betreiben wir knapp 300 m² Büro- und 300 m² Laborflächen, wo wir unsere Lebensmittel entwickeln. Das sind Zutaten, die hoffentlich sehr bald dabei helfen, dass tierfreie Produkte günstig und auch qualitativ konkurrenzfähig zu tierbasierten Produkten werden.

Mein Mitgründer Felipe Lino ist studierter Mikrobiologe. Er hat eigentlich die Idee hier eingebracht. Ich selbst bin gelernter Betriebswirt, habe also im Grunde von der Technologie, die wir einsetzen, von Biomassen, Fermentation in der Mikrobiologie, wenig Ahnung, sondern begleite das Ganze kaufmännisch.

Das Ziel, das wir verfolgen, ist, der Nahrungsmittelindustrie dabei zu helfen, den CO2-Fußabdruck signifikant zu verbessern. Und je nachdem, wie man die Treibhausgasemissionen rechnet, kann man schon sagen, dass die Nahrungsmittelindustrie insgesamt über 30 % aller globalen Treibhausgasemissionen verursacht.
Wir arbeiten mit dem Koji-Pilz.
Das ist ein Fadenpilz, der vor allen Dingen in der japanischen Küche zum Einsatz kommt.
Dort wird er primär für die Fermentation von Lebensmitteln verwendet. Das Neue bei uns ist, dass wir den Pilz und seine Biomasse als solches nutzen, um daraus Lebensmittel herzustellen. Insofern sind wir nicht wie andere Start-ups aus einer Innovation hervorgegangen, sondern aus der Idee für eine alternative Verwendung eines bestehenden Lebensmittels.


Wir setzen den Pilz im Grunde in ein Wasserbad ein, geben eine Kohlenstoffquelle in dieses Wasserbad und dann wächst der Pilz in dieser Flüssigkeit. Im Ernteprozess filtern wir im Grunde einfach nur den Pilz heraus, entwässern ihn ein bisschen, säubern ihn; dann ist der Prozess auch schon fertig.

Unser Pilz hat einen sehr neutralen, ganz leichten Umami-Geschmack. Das ist ein Riesenvorteil. Der zweite Vorteil ist, dass unser Pilz ein kollagenähnliches Protein produzieren kann. Kollagen ist ein tierisches Protein, was eben sehr starke Funktionalitäten in Lebensmittelanwendungen ausprägt, also etwa Gelbildung, Verdickung, das Binden von Wasser und Ölen, Schaumstabilisatoren. All das macht Kollagen. Unser Pilz macht das auch, weil er eben dieses kollagenartige Protein enthält.

Dann kommt ein dritter Vorteil dazu, gerade im Bereich von Fleischersatzprodukten. Unser Pilz wächst in einer sehr langen, faserigen Struktur. Die Fasern unseres Pilzes können mehrere Zentimeter lang werden. Das gibt uns die Möglichkeit, Fleisch sogar in Stückform herzustellen, ohne dass wir dafür aufwendige zusätzliche Prozesse anwenden müssen. Und es gibt noch einen Grund, warum wir unseren Pilz gewählt haben: Er ist in Europa schon als Lebensmittel zugelassen.
Tim Fronzek im Video
Wir können das gleiche Material, was wir in Fleischersatzprodukten anwenden, trocknen und zu einem Pulver vermahlen. Das ermöglicht uns, es in einer Vielzahl von Lebensmittelprodukten einzusetzen. Wir können in vielen Applikationen, in Soßen, in Backanwendungen, auch in frischen Produkten, wie beispielsweise einem Pesto, chemische Zusatzstoffe ersetzen, d.h. ungeliebte Nummern vom Ingredienzlabel entfernen. Das Pulver kann in Schokolade oder Eiscreme zum Einsatz kommen. - Der Fantasie sind im Grunde keine Grenzen gesetzt!


Es gibt noch eine weitere Innovation, an der wir derzeit intensiv arbeiten. Wir haben damit angefangen, in Lebensmittelprodukten, die auf Fleisch basieren, Teile des Fleisches durch unser Produkt zu ersetzen. Mittlerweile haben wir verschiedene Testings durchgeführt, wo Probanden Produkte im Vergleich probiert haben: ein Produkt aus hundert Prozent Fleisch und ein Produkt, in dem nur noch ein kleinerer Anteil Fleisch enthalten ist.

Sowohl Geschmack als auch Textur und Optik sind in dem Produkt, wo wir einen deutlichen Teil des Fleisches ersetzen, als besser bewertet worden im Vergleich zum reinen Fleischprodukt. Perspektivisch können wir in diesem gigantischen Fleischmarkt bestehende Volumen einfach durch nachhaltige Ingredienzen ersetzen.

Damit kreieren wir ein Produkt, das besser schmeckt, sich besser anfühlt, gesünder ist, weil wir auch Fettgehalt und Cholesterin signifikant reduzieren, Ballaststoffe zum Produkt hinzufügen, die vorher nicht da waren. Zudem reduzieren wir die Kosten für die Herstellung des Produkts signifikant, weil unsere Ingredienz deutlich günstiger herzustellen ist als einige Fleischsorten.
Wir können in Adlershof nur im Labormaßstab produzieren. Wir haben hier diese kleinen Tisch-Fermenter. Aber natürlich reicht das nicht aus, um unsere Geschäftskunden mit dem Produkt zu bedienen. Wir produzieren aktuell an zwei Standorten. Einmal mit einem klassischen Lohnhersteller, der für uns im Auftrag produziert. Zudem haben wir ein Produktionskonzept entwickelt, dass es uns erlaubt, unseren Fermentations- und Produktionsprozess in Brauereien abzubilden. Dafür haben wir eine stillgelegte Brauerei in der Nähe von Dresden angemietet. Da haben wir so knapp eine halbe Million Liter Fermentationskapazität.


In einem Start-up zu arbeiten, ist schon etwas Besonderes. Das ist anders als in größeren Unternehmen. Man arbeitet jetzt nicht nur für den Gehaltscheck, sondern eben für einen höheren Wert. So eine Woche sieht immer so aus: Montags stehen wir kurz vor der Insolvenz und freitags erobern wir wieder die Welt. So ändern sich die Dinge teilweise mehrfach am Tag. Und dafür muss man natürlich auch - ich sage mal in Anführungszeichen - „gemacht sein“.

Wenn wir einen Impact bringen wollen, dann geht es ja auch darum, dass wir eben nicht nur in Deutschland aktiv sind, sondern wir müssen daran arbeiten, dass Nosh.Bio eine Firma mit einem globalen Fußabdruck wird. Wir wollen unsere Lösung in vielen Bereichen etablieren, nicht nur in der Fleischindustrie, sondern in vielen Lebensmittelproduktionen.
Der bessere CO2-Fußabdruck
Ich bin einfach überzeugt davon, dass wir Innovationen brauchen, welche die bestehenden Verhaltensweisen der Menschen mit einem besseren CO2-Fußabdruck ausstatten, anstatt den Menschen neue Verhaltensweisen anzutrainieren, auch wenn diese weniger CO2-Ausstoß mit sich bringen.
Tim Fronzek
Tim Fronzek - Der Fleischlosmacher
Tim Fronzek ist ein Mann, der Klartext redet. Darüber, dass die Nahrungsmittelindustrie insges. über 30 % aller globalen Treibhausgasemissionen verursacht, - allen voran die Fleischproduktion - oder darüber, dass die eigene Ernährung unseren CO2-Fußabdruck am stärksten beeinflusst. Es gilt, dem Fleisch Kokurrenz zu machen mit alternativen und nachhaltigen Proteinen. Tim Fronzek gewinnt sie mit seinem Start-up Nosh.Bio aus Pilzgewebe über Fermentation, naturbelassen, ohne Gentechnik. Konsumierbar als Chunks, Burger, aber vor allem auch als Zusatz in Pulverform für die Lebensmittelproduktion. - Unerhört spannend, unbedingt reinhören!