Aktuelle Veranstaltungen

Der Mensch braucht Aminosäuren für den Proteinaufbau, für Körperfunktionen und zur Gewebeerhaltung. Einige der insgesamt 20 Aminosäuren kann der menschliche Organismus jedoch nicht selbst herstellen, sondern er muss sie über die Nahrung aufnehmen. Das sind die sogenannten essenziellen Aminosäuren. Pflanzen hingegen sind in der Lage, alle eigenständig zu produzieren, und stellen somit eine wichtige Quelle für die menschliche Aminosäureversorgung dar. Unklar war bisher allerdings, wie Pflanzen die essenziellen Aminosäuren in ihrem Organismus verteilen. Die Forschungsgruppe um Andreas P. M. Weber vom Institut für Biochemie der Pflanzen an der Heinrich-Heine-Universität (HHU) hat den Mechanismus nun entschlüsselt. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie kürzlich in Nature Plants.

Das Rätsel um RE1

Pflanzen produzieren die insgesamt neun essenziellen Aminosäuren ausschließlich in spezialisierten Zellorganellen, den Plastiden. Zu diesen gehören auch die Chloroplasten, in denen die Photosynthese stattfindet. Das Forschungsteam fand heraus, dass Proteine der RETICULATA1-Familie (RE1) Aminosäuren wie Arginin, Citrullin, Ornithin und Lysin durch die Hüllmembran von Chloroplasten transportieren. Damit regeln sie den Aminosäureaustausch innerhalb der Pflanze. „Die molekulare Funktion von RE1 war jahrzehntelang ein Rätsel“, so Weber. Pflanzen ohne das Transportprotein RE1 zeigen demnach nicht nur veränderte Blattformen, sondern auch stark reduzierte Aminosäuregehalte. Erstautorin Franziska Kuhnert erklärt: „Fehlt RE1 und sein engster Verwandter RER1 vollständig, ist dies für die Pflanze sogar tödlich.“ RE-Proteine sind ausschließlich in Organismen mit Plastiden zu finden und stammen vermutlich aus der Zeit der Endosymbiose – der Entstehung der Chloroplasten in frühen Pflanzenzellen.

Neue Perspektiven für die Pflanzenzüchtung

„Unsere Ergebnisse liefern entscheidende Einblicke in die komplexe Verbindung zwischen dem Transport von Aminosäuren in die Plastiden und der Blattentwicklung sowie der Nährstoffverteilung in Pflanzen“, erklärt Weber. Den Forschenden zufolge ergeben sich daraus neue Ansätze für die Züchtung von Nutzpflanzen mit einem höheren Gehalt an essenziellen Aminosäuren und somit besonders vielen Nährwerten. Das könne wiederum langfristig zur Verbesserung der Ernährungssicherheit beitragen, heißt es. 

Die Forschungsarbeiten fanden im Rahmen des Exzellenzclusters CEPLAS sowie der DFG-geförderten Sonderforschungsbereiche SFB 1208/2 und 1535/1 statt, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

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Humans need amino acids for protein synthesis, bodily functions and tissue maintenance. However, the human organism cannot produce some of the 20 amino acids itself, but must obtain them from food. These are the so-called essential amino acids. Plants, on the other hand, are able to produce all of them independently and are therefore an important source of amino acids for humans. Until now, however, it was unclear how plants distribute essential amino acids within their organisms. The research group led by Andreas P. M. Weber from the Institute of Plant Biochemistry at Heinrich Heine University (HHU) has now deciphered the mechanism. They recently published their findings in Nature Plants.

The mystery of RE1

Plants produce all nine essential amino acids exclusively in specialised cell organelles called plastids. These include chloroplasts, where photosynthesis takes place. The research team discovered that proteins of the RETICULATA1 family (RE1) transport amino acids such as arginine, citrulline, ornithine and lysine through the envelope membrane of chloroplasts. In this way, they regulate amino acid exchange within the plant. ‘The molecular function of RE1 has been a mystery for decades,’ says Weber. Plants without the transport protein RE1 not only show altered leaf shapes, but also greatly reduced amino acid content. Lead author Franziska Kuhnert explains: ‘If RE1 and its closest relative RER1 are completely absent, this is in fact fatal for the plant.’ RE proteins are found exclusively in organisms with plastids and probably date back to the time of endosymbiosis – the formation of chloroplasts in early plant cells.

New perspectives for plant breeding

‘Our findings provide crucial insights into the complex relationship between the transport of amino acids into plastids and leaf development as well as nutrient distribution in plants,’ explains Weber. According to the researchers, this opens up new approaches for breeding crops with a higher content of essential amino acids and thus particularly high nutritional value. In turn, this could contribute to improving food security in the long term, they say. 

The research was conducted as part of the CEPLAS Cluster of Excellence and the DFG-funded Collaborative Research Centres SFB 1208/2 and 1535/1, funded by the German Research Foundation.

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Künstliche Intelligenz und Robotik sollen im östlichen Mecklenburg-Vorpommern die Landwirtschaft zukunftsfähig machen. Im Rahmen des Förderprogramms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ unterstützt das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) seit 2019 das Bundesland, um zur „Musterregion der Bioökonomie“ zu werden. Dazu zählt auch das Bündnis „ArtIFARM“, das mithilfe künstlicher Intelligenz digitale Lösungen entwickelt, um die Ressourceneffizienz in der Landwirtschaft zu steigern und zugleich die CO₂-Bilanzen der Betriebe zu verbessern.

Meilenstein für Umsetzung neuer innovativer Ideen 

Für die Umsetzung entsprechender Projekte wird das Konsortium nun erneut vom BMFTR mit einer Förderung in Höhe von 5,6 Mio. Euro unterstützt. Nach Angaben der Forschenden ist damit „die Finanzierung für die zweite Umsetzungsphase des Verbundes gesichert“. Die erneute Förderung sei ein wichtiger Meilenstein, um geplante innovative Ideen im Bereich Digitalisierung der Landwirtschaft und Smart Farming umzusetzen und um weitere Teilprojekte anzugehen, heißt es.

KI und Robotik für Bodenanalyse und Entscheidungshilfe

Geplant sind demnach Projekte zur autonomen Bodenanalyse, ein KI-basierter Chatbot für Landwirte, ein System, das Landwirtinnen und Landwirten bei Entscheidungen wie dem Einsatz von Düngemitteln oder einer klimaangepassten Bewirtschaftung hilft sowie bei Gründungen im Bereich Smart Farming.

Das Bündnis „ArtIFARM - Artificial Intelligence in Farming“ wird von der Hochschule Stralsund, der Hochschule Neubrandenburg und der Universität Greifswald geleitet. Es vereint über 60 Partner aus den Landkreisen Vorpommern-Rügen, Vorpommern-Greifswald und Mecklenburgische Seenplatte. Dazu zählen Forschungseinrichtungen, Landwirtschaftsbetriebe, Verbände, Vereine, Unternehmen und Start-ups. 

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Innovative Lösungen, die in der landwirtschaftlichen Praxis Anwendung finden, werden von der Europäischen Union über das Programm Europäische Innovationspartnerschaft für Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft – kurz EIP-Agri – seit Jahren gefördert. In der nunmehr dritten Förderrunde konnte sich die Technische Hochschule Bingen gleich mit zwei Vorhaben durchsetzen und eine Förderung in Höhe von insgesamt 1,5 Mio. Euro einfahren.

Von digitaler Bewässerung und Hühnerfutter aus Insekten

Rund 1 Mio. Euro stehen dem Projekt DigiBob zur Verfügung. Darin wollen Forschende eine Open-Source-Plattform entwickeln, mit deren Hilfe die Bewässerung im Gemüseanbau digital gesteuert werden kann. Weitere 527.000 Euro erhält das Team vom Projekt LARF-Pick. Hier wollen Forschende Insektenlarven als regionales Futtermittel für Hühner etablieren und dabei insbesondere regionale Kreisläufe berücksichtigen.

Praxistaugliche Lösungen für die Landwirtschaft

„Mit EIP-Agri bringen wir Praxis, Forschung und Beratung zusammen, um gemeinsam nachhaltige und praxistaugliche Lösungen für unsere Landwirtschaft zu entwickeln“, sagt Daniela Schmitt, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz. „Die Vorhaben zeigen, wie vielfältig die Wege hin zu einer wettbewerbsfähigen und ressourcenschonenden Landwirtschaft und in diesem Aufruf auch verstärkt digitalen Landwirtschaft sein können.“

Die Europäische Innovationspartnerschaft für Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zielt darauf ab, Anreize für eine projektbezogene Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, innovationsbereiten Unternehmen in der Landwirtschaft sowie anderen Innovationsakteuren zu setzen. Neben der Entwicklung praxisnaher Lösungen sollen Innovationsprozesse durch den Wissensaustausch beschleunigt werden.

EIP-Agri ist Teil des nationalen Strategieplans der Bundesregierung zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Das Programm wird mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie nationalen Kofinanzierungen umgesetzt. Für die aktuelle Förderperiode von 2023 bis 2027 stehen allein dem Bundesland Rheinland-Pfalz rund 15 Mio. Euro zur Verfügung. 

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Innovative solutions that are used in agricultural practice have been promoted by the European Union for years through the European Innovation Partnership for Agricultural Productivity and Sustainability programme, or EIP-Agri for short. In what is now the third round of funding, Bingen University of Applied Sciences has succeeded with two projects and secured funding totalling 1.5 million euros.

From digital irrigation to chicken feed made from insects

Around €1 million has been allocated to the DigiBob project. Researchers want to use this funding to develop an open-source platform that can be used to digitally control irrigation in vegetable cultivation. The team behind the LARF-Pick project will receive a further €527,000. Here, researchers want to establish insect larvae as a regional feed for chickens, with a particular focus on regional cycles.

Practical solutions for agriculture

‘With EIP-Agri, we are bringing together practice, research and consulting to jointly develop sustainable and practical solutions for our agriculture,’ says Daniela Schmitt, Minister of Agriculture in Rhineland-Palatinate. ‘The projects show how diverse the paths to competitive and resource-efficient agriculture can be, and in this call, digital agriculture is also increasingly being emphasised.’

The European Innovation Partnership for Agricultural Productivity and Sustainability aims to create incentives for project-based collaboration between science, innovation-ready companies in agriculture and other innovation actors. In addition to developing practical solutions, the aim is to accelerate innovation processes through knowledge exchange.

EIP-Agri is part of the German government's national strategic plan for implementing the EU's Common Agricultural Policy (CAP). The programme is implemented with funds from the European Agricultural Fund for Rural Development (EAFRD) and national co-financing. For the current funding period from 2023 to 2027, the federal state of Rhineland-Palatinate alone has around €15 million at its disposal.

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Drei Nachwuchsgruppen setzten sich im Wettbewerb „Kreativer Nachwuchs forscht für die Bioökonomie“ in der vierten Runde durch und beginnen nun ihre vielversprechenden Forschungsprojekte. Dabei geht es um natürliche Pestizide, nachhaltigen Bio-Kunststoff und mechanische Reibung, die weniger Energie erfordert. Die Förderinitiative ist Teil der Bioökonomie-Förderung des BMFTR.

Die drei Projekte haben allesamt das Potenzial, die Bioökonomie noch effizienter zu machen. Um die Projektideen zu realisieren, erhalten die Nachwuchsgruppen vom Bundesforschungsministerium die erforderlichen Mittel für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Hier die ausgewählten Nachwuchsgruppen und ihre spannenden Projekte:

Hundertprozentiger Bio-Kunststoff PBS wird wirtschaftlich 

Die jährlichen Produktionsmengen von fossilem Polypropylen oder Polyethylen betragen rund 100 Millionen Tonnen und finden in den Bereichen für medizinische Produkte, Bauteile von Autos, Isolierungen und Verpackungen ihre Anwendung. Melanie Walther an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg möchte mit dem Projekt „EcoPBS“ eine Alternative zu den fossilen Kunststoffen entwickeln. Ihr Team stellt aus organischen Abfällen den Bio-Kunststoff Polybutylensuccinat (PBS) her.

Mithilfe eines neu entwickelten Fermentationsprozesses entsteht kosten- und energieeffizient das erste vollständig biobasierte Polybutylensuccinat (BioPBS.) Dabei werden die Aceton-Butanol-Ethanol-Fermentation und die Bernsteinsäure-Fermentation mit den Hauptprodukten n-Butanol und Bernsteinsäure angewendet. Obwohl man bereits Bernsteinsäure und 1,4-Butandiol mittels Fermentation herstellen kann, wird PBS bislang nicht vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen wirtschaftlich produziert. Vor allem die geringe Produktionsrate von Fermentationsprozessen sowie die energie- und kostenintensive Aufreinigung konnte die Forschung bislang nicht verbessern.

Die bioökonomische Innovation des Forschungsprojektes „EcoPBS“ liegt insbesondere auf dem neuartigen Fermentations- und Downstreaming-Prozess inklusive der zum Patent angemeldeten Aufreinigungstechnologie zur Produktion des ersten hundertprozentigen BioPBS. Ein wettbewerbsfähiger Produktionsprozess von PBS soll in seiner Gänze vom biologischen Substrat hin zum finalen BioPBS erforscht und skaliert werden. Das Projekt kann BioPBS mit einem Energieüberschuss produzieren und Trennprobleme von Fermentationen umgehen. Zudem kann es den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere CO₂, senken. Mögliche Anwendungen werden mithilfe von ersten Prototypen als Material für zum Beispiel medizinische Produkte oder Konstruktionsteilen untersucht. Ausgestattet mit rund 2,7 Mio. Euro Fördergeld von Seiten des BMFTR kann das Projekt einen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen sowie zum Wandel hin zu einer Bioökonomie leisten. 

Der Kohleausstieg ist beschlossen. Für Regionen wie das Rheinland heißt es umdenken und neue Perspektiven schaffen. Doch wie kann der Strukturwandel weg von der Braunkohle hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Zukunft gelingen? Mit dieser Frage befasst sich das Begleitforschungsprojekt „Bioökonomie Verstehen. Verbinden. Unterstützen“ im Rheinischen Revier. In dem vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Vorhaben geht es vor allem um strukturelle und ökonomische Aspekte, die für die Transformation der Region hin zu einer Modellregion Bioökonomie entscheidend sind. Ziel ist es, die Auswirkungen bioökonomischer Innovationen auf die Region frühzeitig zu erkennen sowie strukturelle Schwächen und mögliche Hindernisse zu identifizieren.

 Strukturwandelregionen im Austausch

Doch nicht nur das Rheinland, auch andere Regionen in Deutschland wie die Lausitz, stehen vor der Herausforderung, zukunftsfähige Konzepte für ein nachhaltiges Wirtschaften zu realisieren. Mit einem interaktiven Workshop will das Begleitforschungsprojekt „Bioökonomie Verstehen. Verbinden. Unterstützen“ daher den Austausch zwischen diesen Regionen fördern.

Die Veranstaltung „Mission Transfer: Interaktiver Workshop für den Austausch zwischen Regionen im Wandel“ findet am 16. September 2025 in Neuss statt. In Workshops und Paneldiskussionen werden wichtige Fragen rund um den Strukturwandel beleuchtet und diskutiert. Unter anderem geht es darum, wie Forschung dazu beitragen kann, Veränderungen vor Ort wirksam zu gestalten, wie sie sich verständlich und zielgruppengerecht in die Gesellschaft tragen lässt und wie neue Technologien aus der Forschung in die Anwendung kommen.

Stechmücken der Gattung Aedes und Schaben stellen weltweit ein bedeutendes Gesundheitsrisiko dar. Ihre chemische Bekämpfung ist jedoch problematisch, sei es aufgrund von Umweltfolgen, Resistenzbildung, dem Rückgang der Biodiversität oder der Nähe ihres Habitats zum Menschen, wodurch der Einsatz von Insektiziden eingeschränkt ist. Das Projekt „Fungi 4 VectorControl“ zielte daher darauf ab, auf Basis insektenpathogener Pilze wirksame biologische Alternativen zu entwickeln. Im Rahmen des Projekts sollten Genetik, Biotests und Fermentationstechnologien kombiniert werden, um neue Ansätze zur Bekämpfung von Stechmücken und Schaben zu erarbeiten – mit Fortschritten sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Entwicklung erster Prototypen. Der Fokus lag auf der Situation in Argentinien.

Das Projekt „Fungi 4 VectorControl“ wurde von 2021 bis Ende 2024 im Rahmen der Förderinitiative „Bioökonomie International 2020“ vom Bundesforschungsministerium mit 340.000 Euro gefördert.

Bekämpfungssituation in Argentinien

Bisher gibt es nur wenige Ansätze, Stechmücken biologisch zu bekämpfen, so Andreas Leclerque, Mikrobiologe und Forschungsgruppenleiter an der Technischen Universität Darmstadt. In einem gemeinsamen Projekt mit argentinischen Forschungsteams, die seit über 20 Jahren auf diesem Gebiet tätig sind, wurde daher an Pilzen wie Metarhizium und Leptolegnia aus dem lokalen Ökosystem geforscht. „Die Argentinier untersuchen diese Pilze seit langem. Im Augenblick ist das die vielversprechendste Möglichkeit, biologisch Stechmücken und Moskitos zu bekämpfen“, sagt Leclerque. In vorherigen Forschungen wurden in den beiden genannten Pilzgattungen Stechmücken- und Schabenpathogene gefunden, Krankheitserreger, die gezielt Insekten befallen und töten. Dies bestätigte sich im Projektverlauf.

Das deutsche Team brachte in das Projekt vor allem sein genetisches und biologisches Know-how ein, um durch die Kombination verschiedener Methoden, wie Genetik und Biotests, geeignete Pilzstämme zu identifizieren. Insbesondere wurden von den Darmstädter Forschenden genetische Diagnoseverfahren entwickelt, mit denen die genannten Pilze schnell und exakt in Umweltproben identifiziert werden können. Dies ist wichtig, um neue Pilzstämme aus der Umwelt zu isolieren beziehungsweise den Verbleib oder die Verbreitung ausgebrachter Biozide im Ökosystem zu verfolgen.

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Biozid

Um ein Biozid aus einem Pilzstamm zu entwickeln, sind laut Leclerque drei Faktoren ausschlaggebend: Zum einen die hohe Virulenz für den Zielschädling, also dass der Pilz die Stechmückenlarven und Schaben effizient infiziert und tötet. Wichtig ist dann, dass die Wirkung spezifisch ist, sodass andere Insekten – beispielsweise Nützlinge wie Bienen - nicht infiziert werden. Und der dritte Faktor ist eine Vielzahl von Merkmalen, die die technische Entwicklung des Biozids ermöglichen. Dazu zählen Vermehrung, Wachstum, Sporenbildung, Sporenkeimung, Lebensdauer der Sporen, Handhabbarkeit und Lagerfähigkeit. Die Pilzstämme Metarhizium und Leptolegnia weisen diese drei Faktoren auf.

Mosquitoes of the genus Aedes and cockroaches pose a significant health risk worldwide. However, controlling them with chemicals is problematic due to environmental consequences, the development of resistance, the decline in biodiversity, and the proximity of their habitat to humans, which limits the use of insecticides. The ‘Fungi 4 VectorControl’ project therefore aimed to develop effective biological alternatives based on insect-pathogenic fungi. The project sought to combine genetics, biotests and fermentation technologies to develop new approaches to controlling mosquitoes and cockroaches, with advances in both basic research and the development of initial prototypes. The focus was on the situation in Argentina.

The ‘Fungi 4 VectorControl’ project was funded by the Federal Ministry of Education and Research with €340,000 from 2021 to the end of 2024 as part of the ‘Bioeconomy International 2020’ funding initiative.

Control situation in Argentina

According to Andreas Leclerque, microbiologist and research group leader at Darmstadt Technical University, there have been few attempts to control mosquitoes biologically to date. In a joint project with Argentine research teams that have been working in this field for over 20 years, fungi such as Metarhizium and Leptolegnia from the local ecosystem were therefore investigated. ‘The Argentines have been studying these fungi for a long time. At the moment, this is the most promising option for controlling mosquitoes biologically,’ says Leclerque. In previous research, mosquito and cockroach pathogens, i.e. pathogens that specifically attack and kill insects, were found in the two aforementioned fungal genera. This was confirmed in the course of the project.

The German team contributed its genetic and biological expertise to the project in order to identify suitable fungal strains by combining various methods, such as genetics and biotests. In particular, the Darmstadt researchers developed genetic diagnostic methods that can be used to quickly and accurately identify the fungi mentioned above in environmental samples. This is important for isolating new fungal strains from the environment and tracking the whereabouts or spread of biocides released into the ecosystem.

Requirements for a successful biocide

According to Leclerque, three factors are crucial for developing a biocide from a fungal strain: Firstly, high virulence for the target pest, i.e. the fungus must efficiently infect and kill mosquito larvae and cockroaches. It is also important that the effect is specific so that other insects – such as beneficial insects like bees – are not infected. And the third factor is a variety of characteristics that enable the technical development of the biocide. These include reproduction, growth, spore formation, spore germination, spore lifespan, manageability and storability. The fungal strains Metarhizium and Leptolegnia exhibit these three factors.

Für die Realisierung der modernen Bioökonomie ist Forschung essenziell, die einen Weg in die Anwendung findet. Daher beschränkt sich die Förderung nicht nur auf Forschung in Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Auch die Forschung in Industrie und Wirtschaft ist explizit angesprochen.

Die Förderung des wissenschaftlichen sowie unternehmerischen Nachwuchses wird durch das BMFTR-Konzept „Nachwuchsförderung für eine nachhaltige Bioökonomie“ mit der Nachhaltigkeitsagenda verbunden, die in der nationalen Bioökonomiestrategie verankert ist. Damit macht das BMFTR den Nachhaltigkeitsbezug zu einem zentralen Kriterium seiner Nachwuchsförderung in der Bioökonomie. Nun ist die sechste Auswahlrunde der Förderinitiative „Kreativer Nachwuchs forscht für die Bioökonomie“ für kreative Vorschläge offen.

Innovation und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand

Innovative Anwendungen für die Bioökonomie sollen von wissenschaftlichen Nachwuchskräften identifiziert und bis zu fünf Jahre lang intensiv erforscht werden. Dabei zielt die Förderinitiative darauf ab, dass die Nachhaltigkeit von Beginn an stringent mitbedacht wird. Die von den Teams aufgezeigten Lösungsansätze zur Weiterentwicklung der Bioökonomie müssen die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) aufgreifen und über-zeugend integrieren.

Zielgruppe: Natur- und Ingenieurswissenschaften sowie Informationstechnologie

Gefördert werden neue und risikoreiche Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsvorhaben von Nachwuchsgruppen aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften sowie der Informationstechnologie an Hochschulen, weiteren Forschungseinrichtungen sowie in Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Die Zusammensetzung der Nachwuchsgruppen ergibt sich aus der jeweiligen Themenstellung, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit auch über die genannten Disziplinen hinaus kann bei Bedarf umgesetzt werden.

Nachtschattengewächse wie Tomaten verfügen über ein ausgeklügeltes System, um sich vor Fressfeinden und Krankheiten zu schützen. Die Abwehrreaktionen in den Pflanzenzellen werden dabei zentral vom Signalmolekül Systemin gesteuert. Bei einem Angriff produziert es Substanzen, die die Verdauung ihrer Fressfeinde stören, sodass Nährstoffe nicht verwertet werden können. Forschende der Universitäten Tübingen und Hohenheim haben nun einen bisher unbekannten Gegenspieler von Systemin entdeckt: das Peptid AntiSys.

AntiSys verhindert unkontrollierte Aktivierung des Immunsystems

Wie das Team in der Fachzeitschrift Cell schreibt, ähnelt dieses kurzkettige Protein in seiner Struktur zwar dem Systemin, wirkt aber als Hemmstoff für den hochempfindlichen Systemin-Rezeptor SYR1. „AntiSys bindet zwar an den gleichen Rezeptor wie Systemin, aber ohne ihn zu aktivieren. Da AntiSys in gesunden Pflanzen überwiegt, besetzt es den Rezeptor und stellt so sicher, dass das Immunsystem inaktiv bleibt“, erklärt Andreas Schaller von der Universität Hohenheim.

Wie wichtig dieser Gegenspieler ist, war anhand von Pflanzen erkennbar, denen dieses Peptid fehlte. Mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 erzeugten die Forschenden demnach Mutanten, die kein AntiSys bildeten. Die Folge: Diese Pflanzen wuchsen schlechter, bildeten weniger Früchte und zeigten teils drastische Fehlbildungen. Ohne den Antagonisten kommt es den Forschenden zufolge zu einer unkontrollierten Aktivierung des Immunsystems. „Fehlt AntiSys als Gegenspieler, dann reichen schon kleinste Mengen an Systemin aus, um den Rezeptor zu aktivieren und die Abwehrreaktionen auszulösen. Wenn wir diese Rezeptoren jedoch ebenfalls entfernen, bleiben die Pflanzen trotz fehlendem AntiSys gesund“, erklärt Georg Felix vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen und Leiter der Studie.

Balance bei Abwehr und gesundes Wachstum 

Darüber hinaus stellte das Team fest, dass es neben dem Gen für Systemin ein ganzes Gencluster in der Tomate gibt, das die Immunreaktionen auslöst. „Doch nur AntiSys unterdrückt die Immunreaktionen“, sagt Lei Wang, Doktorand aus der Forschungsgruppe um Felix. In Tomaten sorgt AntiSys also dafür, dass Abwehr und gesundes Wachstum ausgeglichen sind. Mithilfe des Antagonisten ist die Pflanze demnach in der Lage, zwischen einem harmlosen und einem bedrohlichen Angriff von Fressfeinden zu unterscheiden und so die Immunantwort angemessen zu steuern. Auch in anderen Nachtschattengewächsen wie Aubergine, Kartoffel oder Paprika konnten die Forschenden AntiSys aufspüren. 

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2021 wurde die erste europäische Bioökonomiestrategie veröffentlicht, 2018 überarbeitet und nun soll sie bis Ende des Jahres erneut weiterentwickelt werden. Dabei unterstützen möchte das Projekt ShapingBio, koordiniert vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). In einem Policy Brief hat das Team Forderungen und Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Diese basieren auf Umfragen, Befragungen und Veranstaltungen mit fast 2.000 Bioökonomie-Akteuren aus der Politik, Forschung und Zivilgesellschaft.

Finanzierung stärken und Marktbedingungen verbessern

In dem Brief zeigen die Forschenden auf, wo Handlungsbedarf besteht und liefern zugleich praktische Empfehlungen. Demnach sollte zur Ausschöpfung des vollen Bioökonomiepotenzials in der EU eine stärkere strategische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen angestrebt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei eine verbesserte horizontale und vertikale Koordination sowie ein intensiverer Austausch zwischen relevanten Akteuren aus Bildung, Wirtschaft, Umwelt, Zivilgesellschaft und Politik. 

Zudem wird empfohlen, den Zugang zu Finanzmitteln entlang der gesamten Innovationskette zu verbessern, um die Umsetzung von Forschungsergebnissen in industrielle Anwendungen zu erleichtern. Dabei ist vorgesehen, die Finanzierungsbedingungen stärker an den Bedürfnissen von innovativen Unternehmen auszurichten, gezielt Instrumente für Vorhaben mit hohem Technologiereifegrad bereitzustellen und öffentlich-private Partnerschaften weiter auszubauen. Ergänzend dazu sollen einheitliche Marktbedingungen und gezielte Maßnahmen zur Förderung der Nachfrage die Einführung biobasierter Produkte am Markt beschleunigen.

Auf die Gemeinschaftlichkeit kommt es an

„Europa hat klare Stärken in der Bioökonomie – von vielfältigen Biomasse-Ressourcen bis hin zu führender Forschung und Innovation. Aber fragmentierte Strategien und die ungleiche Verteilung der Innovationskapazitäten bremsen uns aus", betont Sven Wydra, Leiter des Geschäftsfelds Bioökonomie und Lebenswissenschaften am Fraunhofer ISI und Koordinator des Projekts ShapingBio. Um dem entgegenzuwirken, brauche es laut Wydra ein gemeinschaftliches Vorgehen: eine kohärente Politik, die Zusammenarbeit, gezielte Finanzierung und Europas Führungsrolle in der Bioökonomie stärkt.

ShapingBio hat das Ziel, Innovationen im Bereich der Bioökonomie und die Umsetzung neuer Erkenntnisse in der EU und ihren Mitgliedstaaten zu unterstützen und beschleunigen. Der aktuelle Policy Brief ist Teil einer Reihe von Publikationen im Rahmen von ShapingBio. Laut ISI haben die Verantwortlichen in der Europäischen Kommission, die derzeit die neue EU-Strategie für Bioökonomie ausarbeiten, die Empfehlungen positiv aufgenommen.

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The first European bioeconomy strategy was published in 2021, revised in 2018, and is now set to be further developed by the end of the year. The ShapingBio project, coordinated by the Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research (ISI), aims to support this process. The team has published a policy brief setting out its demands and recommendations for action. These are based on surveys, interviews and events involving almost 2,000 bioeconomy stakeholders from politics, research and civil society.

Strengthening funding and improving market conditions

In the brief, the researchers highlight areas where action is needed and provide practical recommendations. According to the brief, in order to exploit the full potential of the bioeconomy in the EU, greater strategic cooperation between Member States and regions should be sought. The focus is on improved horizontal and vertical coordination and more intensive exchange between relevant stakeholders from education, business, the environment, civil society and politics.
It is also recommended that access to finance be improved along the entire innovation chain in order to facilitate the translation of research results into industrial applications. The aim is to tailor financing conditions more closely to the needs of innovative companies, to provide targeted instruments for projects with a high degree of technological maturity, and to further expand public-private partnerships. In addition, uniform market conditions and targeted measures to promote demand are intended to accelerate the introduction of bio-based products on the market.

It's all about community

‘Europe has clear strengths in the bioeconomy – from diverse biomass resources to leading research and innovation. But fragmented strategies and the uneven distribution of innovation capacities are slowing us down,’ emphasises Sven Wydra, head of the Bioeconomy and Life Sciences business unit at Fraunhofer ISI and coordinator of the ShapingBio project. According to Wydra, a collaborative approach is needed to counteract this: a coherent policy that strengthens cooperation, targeted funding and Europe's leadership role in the bioeconomy.

ShapingBio aims to support and accelerate innovation in the bioeconomy and the implementation of new findings in the EU and its member states. The current policy brief is part of a series of publications within the framework of ShapingBio. According to ISI, those responsible at the European Commission, who are currently drafting the new EU strategy for the bioeconomy, have responded positively to the recommendations.

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Mehr als 9.000 öffentliche Kläranlagen sorgen in Deutschland dafür, dass Abwässer biologisch gereinigt werden und heimische Gewässer nicht verunreinigen können. Dabei gehen jedoch auch wichtige Rohstoffe wie Stickstoff verloren. Im Projekt „KoalAplan“ ist es Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB gemeinsam mit Partnern gelungen, hochwertige Produkte aus dem Abwasser der Kläranlage zu gewinnen. Gleichzeitig zeigen die Forschenden auf, welches Potenzial im Recycling der Abwässer steckt.

Mithilfe chemischer, biologischer und physikalischer Verfahren konnten demnach Ammonium, Wasserstoff und Polyhydroxyalkanoate (PHA) aus dem Abwasser gewonnen werden. Das Ammonium kann als Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden, der Wasserstoff als Energieträger dienen und das Biopolymer PHA als Rohstoff zur Erzeugung biobasierter, bioabbaubarer Kunststoffe genutzt werden.

Ammoniumlösung als Stickstoffdünger

In klassischen Kläranlagen wird der im Abwasser enthaltene Stickstoff von Mikroorganismen biologisch abgebaut und geht verloren. Im Projekt wurde der Ammoniumstickstoff mittels physikalischer Verfahren direkt aus dem Abwasserstrom entfernt und anschließend durch Regeneration des Filters zurückgewonnen. Dadurch entstand eine konzentrierte Ammoniumlösung, die als Stickstoffdünger genutzt werden kann.

Fermentative Umwandlung der Feststoffe in zwei Stufen

Der nach der Abtrennung der Feststoffe aus dem Abwasser verbleibende Primärschlamm wurde wiederum in der Bioraffinerie einer sogenannten Dunkelfermentation unterzogen. Bei der zweistufigen Feststofftrennung wurde ein partikelfreies Hydrolysat erzeugt, das den Forschenden zufolge reich an kurzkettigen organischen Säuren ist. „Unsere Aufgabe am Fraunhofer IGB war die fermentative Umwandlung des sauren Hydrolysats zu PHA, einem bioabbaubaren, thermoplastischen, bakteriellen Biopolymer“, erläutert IGB-Forscher Pravesh Tamang.

PHA wird von Mikroorganismen erzeugt, die wiederum das hier erzeugte Hydrolysat als Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen. Da organische Säuren in hoher Konzentration toxisch auf die Mikroorganismen wirken, musste das Fraunhofer-Team zunächst geeignete Bakterienstämme identifizieren. „Im Vergleich zu den anderen getesteten Bakterien erwies sich Cupriavidus necator als das tolerantere Bakterium gegenüber den organischen Säuren“, so Tamang.

Neues Biopolymer mit verbesserten Eigenschaften

Darüber hinaus wurde ein sogenannter Perfusionsprozess mit Zellrückhaltung entwickelt, damit die Mikroorganismen effizient und nachhaltig PHA erzeugen. Im Ergebnis entstand ein speziell angepasstes PHBV-Copolymer, das den Forschenden zufolge flexibler, besser formbar und vielseitiger einsetzbar ist.

Wasserstoff wurde wiederum über die mikrobielle Elektrolyse aus dem sauren Hydrolysat gewonnen, das bei der Dunkelfermentation des Primärschlamms anfällt. Mithilfe des neuen Verfahrens konnte auch die Produktion des klimaschädlichen Kohlendioxids reduziert werden. 

Alle im Projekt entwickelten Verfahren wurden unter realen Bedingungen im Lehr- und Forschungsklärwerk der Universität Stuttgart in Büsnau getestet. Hierfür wurde im vergangenen Jahr eine Bioraffinerie als Pilotanlage eingerichtet.

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Palmöl ist wegen seiner vielseitigen Eigenschaften in zahlreichen Alltagsprodukten enthalten, doch sein Anbau führt zur Abholzung von Regenwäldern, bedroht die Artenvielfalt und setzt große Mengen CO₂ frei. Obwohl die Industrie zunehmend auf zertifizierten Anbau setzt, reicht dieser langfristig nicht aus. Deshalb sind innovative Alternativen gefragt, um den Bedarf zu decken. Der Mibelle Group ist in Zusammenarbeit mit LanzaTech und dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) nun ein neuer Lösungsansatz gelungen: mittels Fermentation konnten die Kooperationspartner aus CO₂ ein palmölfreies Fett herstellen.

In zwei Fermentationsschritten zum Palmölersatz

Im ersten Schritt wird das Gas, das als CO₂ ausgestoßen worden wäre, durch einen biotechnologischen Gasfermentationsprozess von LanzaTech in Alkohol umgewandelt. Das Verfahren ähnelt dem Bierbrauen, arbeitet jedoch mit CO₂ statt mit Getreide. Anschließend wandeln spezielle Öl-Hefen, entwickelt vom Fraunhofer IGB, diesen Alkohol in hochwertige Fette um. Beide Prozesse nutzen ausschließlich natürlich vorkommende, nicht genveränderte Mikroorganismen. Das Ergebnis ist ein palmölfreies Fett, das vielseitig – insbesondere in der Kosmetik – einsetzbar sein könnte. „Diese Innovation ist das Resultat unserer langjährigen Partnerschaft mit LanzaTech und ein Meilenstein für die Kosmetikindustrie. Gepaart mit der Innovationskraft des Fraunhofer IGB, setzen wir damit neue Maßstäbe für die gesamte Branche und unterstreichen unser Engagement, Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten zu übernehmen und gleichzeitig Lieferketten robuster zu gestalten“, so Peter Müller, CEO der Mibelle Group.

Pilze sind längst mehr als nur ein Lebensmittel. Aus ihnen lassen sich neben Käse und Bier auch Enzyme und Biokraftstoffe – und sogar Textilien, Möbel sowie Baustoffe herstellen. Ihr unterirdisches Geflecht von Pilzfäden macht sie zu vielversprechenden Kandidaten, um nachhaltige, biologisch abbaubare Materialien herzustellen. Trotz ihres enormen Potenzials stecken pilzbasierte Innovationen jedoch oft noch in der Nische.

 „Der Knackpunkt ist nicht, die Pilze wachsen zu lassen. Die Herausforderung liegt darin, das Ganze in einen wirtschaftlichen Industrieprozess zu überführen. Genau dieser Aufgabe haben wir uns verschrieben, um marktfähige Lösungen zu schaffen“, so Willy Hammer, Gründer und Geschäftsführer der 2021 gegründeten Hammer GmbH in Lauingen und Leiter des Projekts MyDaemm.

Prozesskette zur industriellen Herstellung pilzbasierter Dämmstoffe 

Im Rahmen des zweijährigen Vorhabens hat das Start-up gemeinsam mit Forschenden vom Mikrobiologischen Institut der TU Berlin und dem Unternehmen Erfurt & Sohn KG in Wuppertal an einem industrialisierungsfähigen Produktionsprozess zur Herstellung nachhaltiger Dämmstoffe auf Basis von Pilzmyzelien sowie Reststoffen aus der Industrie und Landwirtschaft gearbeitet. Die Hammer GmbH wurde dabei vom Bundesforschungsministerium im Rahmen der Fördermaßnahme „KMU-innovativ“ von Dezember 2022 bis Dezember 2024 mit rund 326.000 Euro unterstützt.

Ziel des Projektes war es, eine Prozesskette zu etablieren, die alle wichtigen Schritte – von der Anzucht der Pilze über die Lagerung und Trocknung bis hin zur industriell skalierbaren Fertigung des nachhaltigen Baustoffs – bedient. Für die Entwicklung der Prozesskette war das Lauinger Unternehmen verantwortlich.

Eine Datenbank für regionale Roh- und Reststoffe

Zur Herstellung des pilzbasierten Dämmstoffes nutzte das Team das Myzel des Zunderschwamms. Hier brachten die Forschenden der TU Berlin ihre Erkenntnisse aus der jahrelangen Forschung an pilzbasierten Materialien und insbesondere bei der Kultivierung des Zunderschwamms ein. Bei der Züchtung von Pilzmyzel wurde zudem auf den Einsatz regionaler Reststoffe gesetzt, die dem Pilz als biogenes Substrat zum Wachstum dienen.

„Die Nachhaltigkeit der Reststoffe und sie im Kreislauf zu führen, war uns wichtig. Deshalb haben wir uns auf lokale Rohstoffe im Umkreis von 100 Kilometern fokussiert, die auch ganzjährig verfügbar sind“, berichtet Willy Hammer. Das Start-up hat dafür extra eine Datenbank aufgebaut, die heute schon über 26 Roh- und Reststoffe aus der Landwirtschaft enthält. Auf dieser Grundlage wurde die Rezeptur des pilzbasierten Materials fortlaufend optimiert und es entstanden Versuchsmuster.

Konventionelle Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt - somit sind sie nicht biologisch abbaubar und tragen erheblich zur Umweltverschmutzung und zum Klimawandel bei. Deswegen wird seit Jahren nach Alternativen geforscht, die biobasiert und gleichzeitig für industrielle Anwendungen geeignet sind. Einer dieser sogenannten Biokunststoffe ist Polybutylensuccinat - kurz PBS. Rund 20 neue Arten dieses Kunststoffs hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP im Rahmen des Projekts RUBIO (Regionales unternehmerisches Bündnis zum Aufbau von Wertschöpfungsketten für technische Biokunststoffe in Mitteldeutschland) entwickelt. 

PBS wird aus einer Säure (Bernsteinsäure) und einem Alkohol (1,4-Butandiol) hergestellt, die miteinander zu einem Kunststoff reagieren. Beide Ausgangsstoffe lassen sich aus regionalen Reststoffen gewinnen. Stammt die Herstellung aus pflanzlichen Quellen, ist PBS ein vollständig biobasierter Kunststoff.

Erste marktfähige Produkte

Die Forschenden des Fraunhofer IAP überführten die PBS-Synthese erfolgreich vom Labormaßstab auf eine Produktion im 100kg-Bereich und stellten bereits rund drei Tonnen her. Durch gezielte Anpassung der Syntheseparameter entstanden unterschiedliche PBS-Typen. Wie gut das Material verarbeitet werden kann, hängt maßgeblich von der Polymerstruktur ab, die je nach Verfahren linear oder verzweigt gestaltet wurde. Zudem wurde die Schmelzstabilität deutlich erhöht – die neuen PBS-Typen sind temperaturbeständig über 200 ° C und damit für industrielle Anwendungen gut geeignet: So entstanden mit Industriepartnern wie der Sauer GmbH & Co. KG und der Gramß GmbH Kunststoffverarbeitung bereits erste marktfähige Produkte: eine Sporttrinkflasche und der passende Verschluss (siehe Foto).

Weitere Entwicklung nötig

Vor allem das Verfahren zur Gewinnung der Bernsteinsäure erfordert allerdings noch weitere Entwicklungen und Partner. Dennoch geht Jens Balko, Leiter des Verarbeitungszentrums Biopolymere Schwarzheide, davon aus, dass „PBS als biobasiertes und recyclingfähiges Material in naher Zukunft ein echter Game-Changer auf dem Markt der Biokunststoffe sein und eine entscheidende Rolle in der Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe spielen wird.“ 

Vom 8. bis 15. Oktober 2025 präsentiert das Fraunhofer IAP auf der K Messe Düsseldorf, der internationalen Fachmesse der Kunststoff- und Kautschukindustrie, PBS-Exponate und ihre verschiedenen industriellen Verarbeitungsverfahren.

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