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Wurzeln versorgen Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen und Wasser. Sie kommunizieren mit den Mikroorganismen im Boden und geben der Pflanze zudem Halt. Doch die Wurzellänge ist bei Pflanzen sehr unterschiedlich. Tiefwurzler wie Leguminosen können beispielsweise bei Trockenheit tiefer liegende Ressourcen anzapfen. Pflanzen mit kurzen Wurzeln wie Mais haben wiederum einen besseren Zugang zu Phosphat, der meistens in den oberen Bodenschichten lagert. Ein Team um Pflanzengenetikerin Caroline Gutjahr von der TUM School of Life Sciences in Weihenstephan hat nun den molekularen Mechanismus entschlüsselt, der das Wachstum der Pflanzenwurzeln beeinflusst.

Hormon bremst Wurzelwachstum

„Es hat sich gezeigt, dass das Protein SMAX1 die Produktion von Ethylen bremst“, sagt Gutjahr, deren Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Emmy-Noether-Programms gefördert wurde. Das Pflanzenhormon Ethylen ist an zahlreichen Entwicklungsprozessen wie der Bildung von Blattspreite oder Blattkrümmung beteiligt. Es beeinflusst aber auch Alterungsprozesse wie die Fruchtreifung, die Blütenentwicklung oder den Blattabwurf und wirkt als Signalstoff bei Schädlingsbefall und Wundreaktionen.

Mechanismus des Karrikin-Signalweges geklärt

Wie das Forscherteam im Fachjournal PNAS berichtet, kann die Blockade durch die Hormonbremse SMAX1 jedoch aufgehoben werden. Dafür muss der sogenannte Karrikin-Signalweg eingeschaltet werden, der dann ein anderes Hormon aktiviert, das die Ethylen-Produktion wieder anschaltet, wodurch die Wurzeln kurz bleiben, aber die Wurzelhaare länger werden. Der Studie zufolge hängt die Länge der Wurzelhaare entscheidend davon ab, wie viel Ethylen die Pflanze erzeugt.

Die Untersuchungen offenbarten jedoch, dass der Einfluss dieses Signalweges bei den Pflanzen sehr unterschiedlich ist. „Überraschenderweise hat dieser Mechanismus einen enormen Einfluss auf die Wurzeln des Hülsenfrüchtlers Lotus japonicus, der Modellpflanze für Erbsen, Bohnen und Linsen, an der wir unsere Studie durchführten“, sagt Gutjahr. Bei der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) sah das hingegen ganz anders aus: Hier war der Einfluss des Karrikin-Signalweges auf die Wurzeln deutlich geringer. „Das zeigt, dass die Diversität der Pflanzen sich nicht nur im Aussehen widerspiegelt, sondern auch in der Wirkung ihrer molekularen Schaltmechanismen auf das Wachstum“, schlussfolgert die Forscherin.

Wurzelwachstum den Umweltbedingungen anpassen

Mit ihrer Studie konnten die Münchner erstmals die molekularen Vorgänge des Karrikin-Signalweges nachvollziehen und zeigen, welche Mechanismen die Entwicklungsprozesse in Pflanzen regulieren.  „Wenn wir genauer verstehen, wie Wurzelwachstum auf molekularer Ebene und in Abstimmung mit Umweltreizen reguliert wird, können wir Pflanzen für die Landwirtschaft züchten, welche besser mit ungünstigen Umweltbedingungen zurechtkommen und damit auch unter diesen ungünstigen Bedingungen Ertrag bringen“, so Gutjahr.

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Der Kohleausstieg ist beschlossen. Bis spätestens Ende 2038 soll in Deutschland keine Braunkohle mehr verstromt werden. Nicht nur die Energiewende ist in diesem Zusammenhang eine große Herausforderung, sondern auch der Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen. Dieser Wandel soll aktiv gestaltet und genutzt werden, um die Wirtschaft zukunftsfähig und nachhaltig auszurichten. Im Rheinischen Revier entsteht hierzu eine Modellregion für Bioökonomie. Die Innovationslabore sind dabei ein wichtiger Baustein. In Real-Laboren sollen Forschungsansätze erprobt werden, die sehr gute wirtschaftliche Umsetzungsmöglichkeiten versprechen. Landwirte und Vertreter aus der Industrie können die nachhaltigen Innovationen direkt vor Ort testen. Wir stellen die beiden Innovationslabore „E-HyBio“ und „UpRePP“ beispielhaft vor.

Weniger Abfallprodukte und Wasserverbrauch durch elektrohybride Trenntechnik

Das Akronym „E-HyBio“ steht für das Innovationslabor „Elektrohybride Trennverfahren für eine emissionsarme Bioökonomie“. Forschende an der RWTH Aachen arbeiten hier an einem Prototyp zur Aufarbeitung biotechnologisch hergestellter Carbonsäuren. Als Plattformchemikalien sind diese Grundlage unter anderem für Polymilchsäure, mit deren Hilfe beispielsweise Joghurtbecher hergestellt werden. Bei der biotechnologischen Erzeugung von Carbonsäuren können Mikroorganismen für die industrielle Bioökonomie genutzt werden.

Der Prototyp, an dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lehrstuhls für Fluidverfahrenstechnik von Andreas Jupke arbeiten, verringert durch den Einsatz elektrochemischer Verfahren die Salz-Abfallströme und den daraus resultierenden Wasserverbrauch, welche aktuell bei der Produktion von Carbonsäuren entstehen. Perspektivisch ist dies für industrielle Anwendungen von großer Bedeutung. „Aktuell ist der Markt für biotechnologisch hergestellte Carbonsäure noch klein“, sagt Christian Kocks, Mitarbeiter von Jupke. Er zeigt aber auch die Notwendigkeit der Forschung auf: „Die Entsorgung von Neutralsalzen in Oberflächengewässern wie Flüssen oder Seen wird immer schwieriger. Die Salzkonzentration kann hier die zulässigen Grenzwerte überschreiten. In heißen Sommern wie 2018 drohen dann Betriebsstopps, um eine zu große Gewässerbelastung zu vermeiden. Das Feedback der Industrie ist daher sehr positiv. Besonders die Vermeidung von Salzemissionen ist ein aktuelles Thema.“ Somit hilft das elektrohybride Trennverfahren Unternehmen auch bei ihrer Risikoprävention.

Reststoffe als Grundlage neuer Geschäftsmodelle

Der Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik der RWTH Aachen ist auch am Innovationslabor „Up-cycling regionaler Reststoffe zur Produktion von Plattformchemikalien“ (UpRePP) beteiligt. Zusammen mit den Lehrstühlen für Bioverfahrenstechnik und Systemverfahrenstechnik der RWTH Aachen sowie dem Institut für Bio- und Geowissenschaften des Forschungszentrums Jülich wird daran gearbeitet, Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie in Bioraffinerien zu nutzen. Dadurch sollen neue Wertschöpfungsmöglichkeiten für Unternehmen im Rheinischen Revier entstehen.

Aus Reststoffen, die zum Beispiel bei der Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben oder von fär-benden Lebensmitteln entstehen, lassen sich mithilfe der Biotechnologie Komponenten für Endprodukte der Medizin- und Pharmaindustrie wie etwa Hydrogele zum Einsatz in Wundverbänden erzeugen. Allerdings gelingt nur bei wenigen Prozessen der Transfer in die Industrie, die meisten Ver-fahren existieren derzeit nur im Labormaßstab. Das soll sich im Innovationslabor UpRePP ändern. Zum aktuellen Entwicklungsstand sagt die Wissenschaftlerin und Projektmitarbeiterin Katharina Saur: „Momentan führen wir die Versuche noch im Labormaßstab durch, das Scale-up in die Bioraffinerie ist für Ende des Jahres geplant. Dadurch können wir dann eine aussagekräftige technoökonomische Bewertung durchführen und einen beispielhaften Business Case für die Verwertung von Reststoffströmen schaffen.“

Gerade Insekten wie Bienen sind für den Fortbestand vieler Pflanzen und damit ganzer Ökosysteme unverzichtbar. 2017 wurde erstmals aufgezeigt, wie massiv der Rückgang der Insekten tatsächlich ist. Danach ist die Zahl der Fluginsekten in Deutschland von 1989 bis 2016 um 75% zurückgegangen. Auch die natürlichen Bestäuber sind davon betroffen. Ursache für den Insektenschwund ist neben dem Klimawandel auch die veränderte Landnutzung.

Pflanzenentwicklung in Hightech-Kammern simuliert

Forscher und Forscherinnen der Uni Jena und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig haben nun erstmals untersucht, inwiefern der Insektenrückgang die Biodiversität und das Blühverhalten der Pflanzen beeinflusst. Für die Versuche nutzte das Team um Christine Römermann und Nico Eisenhauer die Hightech-Kammern des iDiv-Ecotron. Hier können in künstlichen Ökosystemen klimatische Situationen simuliert und per Kamera beobachtet werden. Im Experiment wurde getestet, wie sich die Pflanzenzusammensetzung und die pflanzliche Entwicklung verändern, wenn die Zahl der Insekten um 75% schrumpft.

Blühverhalten verändert sich

Laut der Veröffentlichung im Fachjournal Frontiers in Plant Science, kommt es durch eine geringere Insektenzahl zu einer Artenverschiebung bei den Pflanzen, sodass dominierende Gewächse wie der Wiesenklee häufiger auftreten. Auch wurde ein verändertes Blühverhalten festgestellt. Die geringere Insektendichte führte dazu, dass manche Pflanzen früher blühten, andere erst später. „Durch diese Veränderungen kann es zu einer zeitlichen Diskrepanz zwischen Pflanzen- und Tierarten kommen. Daraus resultieren negative Folgen für das Ökosystem“, so Josephine Ulrich von der Arbeitsgruppe Biodiversität der Pflanzen der Universität Jena und Erstautorin der Studie.

Negative Folgen für Ökosysteme

Durch das veränderte Blühverhalten wird beispielsweise die Nahrungsmittelversorgung der Insekten, aber auch der Bestäubungserfolg gefährdet. Es wird befürchtet, dass diese Verschlechterung der Ökosystemfunktion zu einem weiteren Artenverlust bei Insekten und Pflanzen führen könnte und zudem Pflanzenschädlinge wie Läuse künftig leichtes Spiel haben, weil es an Insekten fehlt, die sich von ihnen ernähren.

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Klimawandel und Artensterben sind die größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Treibhausgasemissionen zu drosseln, ist eine Aufgabe, für die sich Dirk Messner als Präsident des Umweltbundesamtes mit Hauptsitz in Dessau stark machen will. Der renommierte Politikwissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher sieht die Bioökonomie als einen wichtigen Motor, um von fossilen Rohstoffen wegzukommen und Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Dabei sollte auch der bioökonomische Wandel stehts kritisch betrachtet werden. 

Climate change and species extinction are the greatest challenges of our time. Reducing greenhouse gas emissions is a task that Dirk Messner, as President of the Federal Environment Agency (UBA), wants to take up. The renowned political scientist and sustainability researcher sees the bioeconomy as an important driver for moving away from fossil fuels and using resources sustainably. In this context, bioeconomic change should also be viewed critically at all times.

Peptide sind kleine Eiweißmoleküle, die aus bis zu 100 Aminosäuren zusammengesetzt sind. Sie wirken auf vielseitige Weise: In der Pharma- und der Kosmetikindustrie sind sie als Wirkstoffe oder bioaktive Zusätze für Cremes und Salben gefragt. Auch für technische Anwendungen sind Peptide geeignet, etwa für den Einsatz in Klebstoffen oder für die Beschichtung von Oberflächen. Das große wirtschaftliche Potenzial der Peptide wird bisher in der Industrie nicht annähernd ausgeschöpft. „Das Problem ist, dass die Herstellung von Peptiden durch chemische Synthese sehr teuer ist.“ sagt Christian Schwarz, einer der beiden Gründer der NUMAFERM GmbH. Bei der chemischen Synthese werden für ein Kilogramm Peptid viele Tonnen an Rohstoffen benötigt, darunter Feinchemikalien und organische Lösungsmittel. „Das ist für viele industrielle Anwendungen unwirtschaftlich und passt aus unserer Sicht nicht in das Zeitalter der Bioökonomie“, so Schwarz weiter.

Eine lohnende Entdeckung

2009 entdeckte Christian Schwarz als Doktorand an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) eine Methode, die es möglich macht, Peptide im richtigen Moment durch die Zellwand eines Bakteriums zu schleusen. Dies ist günstiger und nachhaltiger als die chemische Synthese. Viele Biotechnologie-Unternehmen nutzen die gentechnisch spezialisierten Bakterien bereits seit vielen Jahren als Produzenten zur Herstellung von Proteinen, den viel größeren Verwandten der Peptide. Proteine können sich allerdings durch ihre komplexe Struktur vor den, Protease genannten, Enzymen im Inneren eines Bakteriums schützen, wohingegen die kleineren Peptide meist bereits während der Produktion wieder von den Proteasen zerstört werden. Die von Christian Schwarz entwickelte Technologie setzt hier an. Es existiert genau eine Stelle, die frei von Proteasen ist: die unmittelbare Umgebung des Bakteriums Escherichia coli. Das Team aus Forschenden um Christian Schwarz hat das Bakterium E. coli so umfunktioniert, dass es gewünschte Peptide in großer Menge herstellen und sie dann in diese von Proteasen freie Umgebung abgeben kann. Hier können die Produkte leicht geerntet werden.

Von der Universität zum Start-Up

Schwarz wurde für seine Doktorarbeit in der Folge mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnet und begann zunächst für die Entwicklung neuer Produkte auf Peptidbasis neben den pharmakologischen und antimikrobiellen Eigenschaften auch die adhäsiven Kräfte – also die Klebeeigenschaften – der Biomoleküle ins Visier zu nehmen. „In dem Projekt ‚pep2bond‘ ging es darum, spezielle Peptide herzustellen, mit denen man schwer zugängliche Metalloberflächen besser vor Korrosion schützen kann.“ sagt Christian Schwarz. „Solche Antikorrosionsmittel sind etwa in der Automobilindustrie von großer Bedeutung. Oft gelangen diese Mittel aber nicht an alle Stellen der gefertigten Metallteile oder der Schutzfilm haftet nicht fest genug.“ In der zweijährigen Machbarkeitsphase entwickelten die Düsseldorfer Forscher um Christian Schwarz daher zusammen mit Mikrobiologen des Konsumgüter-Konzerns Henkel sogenannte peptidbasierte Biokonjugate. Während die Biotechnologen von der Universität Düsseldorf dazu ihre Peptide als Rohmaterialien bereitstellten, koppelten die Forscher von Henkel die Eiweißmoleküle mittels Klick-Chemie an die hauseigenen Polymere.

„Die Peptide sorgen dafür, dass die Moleküle fester und spezifischer an offenen Stahloberflächen binden“, erläutert Schwarz. Im Rahmen der Machbarkeitsphase konnten die Biokonjugate erfolgreich hergestellt werden. Der Rohstoff „Peptid" wird dabei mit dem von Christian Schwarz entwickelten, innovativen Bioverfahren der HHU hergestellt. Ferner wurde das adhäsive Peptid in Kooperation mit Henkel für einen industriellen Einsatz optimiert. Das Bundesforschungs­ministerium (BMBF) förderte das Projekt „pep2bond“ im Rahmen der Fördermaßnahme „Neue Produkte für die Bioökonomie“ in Sondierungs- und Machbarkeitsphase von 2015 – 2017 mit rund 540.000 Euro. Neben der Förderung durch das BMBF hat das Projekt auch von einer Exist-Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums profitiert.

Im Jahr 2017 wurde das Start-Up NUMAFERM GmbH als Spin-off der Universität Düsseldorf von Christian Schwarz und Phillip Bürling als kaufmännischem Geschäftsführer gegründet. „Am schwierigsten war es, Menschen und Organisationen zu überzeugen, in deine Idee zu investieren. Die Forschung muss dann erstmal zurückstehen, weil man so viel damit beschäftigt ist, mit potenziellen Geldgebern zu sprechen.“ erläutert Schwarz die Anfangszeit der Ausgründung. 2018 wurde NUMAFERM mit dem hochdotierten „Start me up!“ Gründerpreis ausgezeichnet.

Nach 2015 und 2018 ist es bereits das dritte Forum mit Bioökonomie-, Innovations- und Nachhaltigkeitsexperten aus aller Welt: Das Gipfeltreffen der globalen Bioökonomie – der Global Bioeconomy Summit (GBS) – findet in diesem Jahr pandemiebedingt nicht wie geplant in Berlin, sondern rein virtuell statt. Finanziert wird das digitale Konferenz-Event mit mehr als 1.000 Teilnehmenden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Breitgefächertes Programm

Anders als bei den Vorgängern wird der GBS 2020 diesmal nicht vom deutschen Bioökonomierat veranstaltet, sondern vom International Advisory Council on Global Bioeconomy (IAC), einem Gremium, das sich im Rahmen des ersten GBS im Jahr 2015 formiert hat und seitdem an der Organisation der Summits beteiligt ist.

Mit fünf Plenar-Sessions und 12 Workshops bietet die Konferenz eine breite Plattform, um die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen aus der Sicht der Bioökonomie zu diskutieren. Mehr als 100 hochkarätige Sprecherinnen und Sprecher konnten für den Summit gewonnen werden, darunter Regierungsvertreter, internationale Politikexperten sowie hochrangige Wissenschafts- und Industrievertreter. Erstmals werden beim GBS die "Bioeconomy Youth Champions" gekürt. Zur Teilnahme an diesem Wettbewerb haben sich mehr als einhundert junge Bioökonomie-Akteure aus aller Welt beworben, acht davon werden ausgezeichnet.

Ob zum Frühstück, nach dem Essen oder einfach zwischendurch: Kaffee ist das beliebteste Heißgetränk der Deutschen. Für 72% der Bundesbürger gehört der belebende braune Trunk zum Alltag. 165 Liter Kaffee werden im Schnitt pro Jahr von jedem Einzelnen konsumiert. Der Kaffeesatz, der dabei übrigbleibt, landet jedoch für gewöhnlich im Abfall. Diesen Reststoff als Rohstoffquelle für neue biobasierte Materialien und Produkte zu nutzen, ist mittlerweile zu einem spannenden Forschungsfeld geworden.

So stand die Entwicklung hochwertiger biobasierter Verbundwerkstoffe auf Basis von Kaffeesatz auch im Fokus des Projektes BioKaVe. Das Vorhaben wurde von der abc GmbH in Köln koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Ideenwettbewerbes „Neue Produkte für die Bioökonomie“ von Juni 2017 bis Dezember 2019 mit rund 675.700 Euro gefördert. In gleicher Höhe stellten die vier Projektpartner eigene Finanzmittel für das Vorhaben zur Verfügung.

Erdölpolymere durch Kaffeesatz ersetzen

In den vergangenen Jahren entwickelte das Team um abc-Geschäftsführer und Projektkoordinator Alexander Schank ein Aufbereitungsverfahren, um Kaffeesatz zu recyceln und für eine breite Palette von Verbundwerkstoffen nutzbar zu machen. „Kunststoffe sind recht teuer und wir wollten Teile der konventionellen Erdölpolymere durch etwas Günstigeres und Biobasiertes ersetzen", so Schank. Im Visier stand daher die Entwicklung von Füll- und Farbstoffen, mit denen der Anteil fossiler Kunststoffe im Verbundwerkstoff reduziert werden kann.

So vielfältig das Kaffeeangebot, so breit ist auch das Spektrum der Kaffeesatzsorten, die dem Projektteam als Ausgangsstoff  zur Verfügung standen. „Ob Espresso, Filter- oder Instantkaffee: Da haben wir nicht unterschieden", so  Schank. Zum Einsatz kamen sowohl Reststoffe, die in Kaffeehausketten übrigblieben als auch Reststoffe eines großen Instantkaffeeherstellers.

Vom inhomogenen Reststoff zum homogenen Industriestoff

Doch ohne Weiteres ließ sich der Kaffeesatz nicht verarbeiten. „Die Herausforderung bestand darin, diesen inhomogenen Reststoff technisch so aufzubereiten, dass ein homogener Industriestoff daraus entsteht", sagt Schank. Daher musste das Team zunächst all jene Inhaltsstoffe aus dem Kaffeesatz eliminieren, die den späteren Verarbeitungsprozess behindern könnten. Dazu zählten insbesondere Öle, die beispielsweise dem Kaffee das Aroma geben. „Diese Öle stören bei der Kunststoffverarbeitung, weil dann keine richtige Bindung zwischen dem Kunststoffmatrixpolymer und dem Kaffeesatz als Füll- und Farbstoff hergestellt werden kann", erläutert Schank. Erschwerend kam hinzu, dass auch der Ölgehalt der einzelnen Kaffeesorten wie Arabica oder Robusta in Abhängigkeit von deren Herkunft verschieden ist. Schank zufolge war es daher kaum möglich, einheitliche und konstante Prozessparameter bei den Aufbereitungsaggregaten zu nutzen.

For breakfast, after dinner or just in between: coffee is the most popular hot drink in Germany. For 72% of Germans, the energizing brown drink is part of everyday life. As a result, the average person consumes 165 litres of coffee per year. However, the leftover coffee grounds usually end up in the waste. Using this waste material as a resource for new bio-based materials and products has become an exciting field of research.

That is also how BioKaVe's focus on development of high-quality bio-based composites based on coffee grounds came about. The project was coordinated by abc GmbH in Cologne and funded by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) with about 675,700 euros from June 2017 to December 2019 as part of the "New products for the bioeconomy" ideas competition. The four project partners provided the same amount of funding for the project.

Replacing petroleum polymers with coffee grounds

In recent years, the team around abc managing director and project coordinator Alexander Schank has developed a processing method to recycle coffee grounds and make them usable for a wide range of composite materials. "Plastics are quite expensive, so we wanted to replace parts of conventional petroleum polymers with something less expensive and bio-based," says Schank. Therefore, the focus was on the development of fillers and colorants that could reduce the proportion of fossil-based plastics in the composite material.

As wide as the range of coffees, as wide was the range of coffee grounds that were available as a resource to the project team. "Espresso, filter or instant coffee: there was no need to differentiate between the different types of coffee," says Schank. Both residues left over from coffee house chains and from a large instant coffee producer were used.

From inhomogeneous residues to homogeneous industrial material

The coffee grounds could not be processed without further ado. "The challenge was to process this inhomogeneous waste material in a way that a homogeneous industrial material was created from it," says Schank. Therefore, the team first had to eliminate ingredients from the coffee grounds that could hinder subsequent processing. These included, for instance, oils that give coffee its aroma. "The oils interfere with processing of plastics by preventing the correct binding between the plastic matrix polymer and the coffee grounds as filler and colorant," explains Schank. To make matters even more difficult, the oil content of the individual types of coffee such as Arabica or Robusta varies depending on their origin. According to Schank, it was therefore hardly possible to use standardized and steady process parameters for the preparation aggregates.

 

Diese Mikroben wissen immer, wo es langgeht: Bakterien der Spezies Magnetospirillum gryphiswaldense besitzen einen Magnetsinn und richten sich an den Magnetfeldlinien der Erde aus. Das gelingt ihnen, weil sie in ihrem Inneren Ketten sogenannter Magnetosome besitzen, wenige Dutzend Nanometer kleine Körper aus Fetten und Eiweißen, in deren Kern sich magnetisches Eisenoxid befindet. Forschern der Universität Bayreuth ist es nun gelungen, daran bestimmte funktionelle Gruppen zu binden, die potenzielle Anwendungen in der Medizin denkbar machen.

Zuckersensor und Farbsignale

Mit gentechnischen Methoden haben die Forscher das Bakterium dazu gebracht, an die Hüllen der Magnetosome bestimmte Moleküle zu koppeln. Dazu gehören das Enzym Glukose-Oxidase, das als Zuckersensor bei Diabetes eingesetzt wird, sowie ein grünfluoreszierendes Protein, das Molekularbiologen nutzen, um Komponenten von Zellen zu Forschungszwecken leichter zu identifizieren. Ebenfalls gelang die Koppelung für ein farbstoffbildendes Enzym, dessen Aktivität leicht zu messen ist und für ein Antikörperfragment. Details präsentieren die Forscher in der Fachzeitschrift Small.

Baukastensystem eröffnet Optionen

„Mit dieser genetischen Umprogrammierung haben wir die Bakterien dazu gebracht, Magnetosomen zu produzieren, die bei einer Bestrahlung mit UV-Licht grün leuchten und zugleich biokatalytische Funktionen haben. Auf ihren Oberflächen können zielgenau verschiedene biochemische Funktionen installiert werden“, fasst Dirk Schüler von der Universität Bayreuth zusammen. Mit der Methode lassen sich dank eines Baukastensystems weitere multifunktionale Nanopartikel erzeugen, die aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaft auch noch leicht aus den Bakterien isoliert werden können.

Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, ist auch für Moleküle keine gute Idee – so könnte man die Ergebnisse einer Studie von Physikern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zusammenfassen. Die Forscher haben die Interaktion des Vitamins Biotin mit dem Protein Streptavidin untersucht. „Dieses Rezeptor-Liganden-System ist quasi der Fischer-Dübel der Biophysik“, erklärt LMU-Forscher Steffen Sedlak. Mit ihm testen Wissenschaftler, wie Biomoleküle auf mechanische Kräfte reagieren. Doch bislang sorgten widersprüchliche Daten zu diesem System für Verwirrung. Das Münchener Team liefert im Fachjournal „Science Advances“ nun die Auflösung.

Identische Taschen, andere Ergebnisse

Bei der sogenannten Einzelmolekül-Kraftspektroskopie wird das Biomolekül zwischen zwei anderen Molekülen befestigt und dann langsam auseinandergezogen. Zur Befestigung dient oft die Kombination aus Biotin und Streptavidin: Das Biotin steckt in einer von vier identischen Taschen des größeren Moleküls Streptavidin. Die Tasche schließt sich durch eine Art Deckel, sodass nur ein kleiner Teil des Biotins herausschaut. Daran wird das Testmolekül verankert. Welche Kraft nun benötigt wird, um das Biotin herauszuziehen, darüber herrschte Uneinigkeit.

Das LMU-Team testete deshalb jede Tasche einzeln mit genau einem Biotinmolekül, um die Stabilität der jeweiligen Verbindung zu untersuchen. „Dabei haben wir entdeckt, dass unterschiedlich viel Kraft benötigt wird, je nachdem, aus welchem der vier Fässer Biotin herausgezogen wird – und das obwohl die vier Bindungstaschen exakt gleich sind“, berichtet Physiker Hermann Gaub. Was biomechanisch dahinter steckt, wurde bisher nicht berücksichtigt.

Winkel der Zugbelastung entscheidend

Doch auch das konnten die Forscher nun aufklären, indem sie den Ablauf im Computer detailliert simulierten: Je nachdem, an welchem Punkt die Zugbelastung ansetzt, nehmen die Bindungstaschen andere Positionen ein. Dadurch erfolgt der Zug auf das Biotin in unterschiedlichen Winkeln innerhalb der Taschen. In Fällen, in denen das Molekül direkt in Richtung des Taschendeckels gezogen wird, lässt es sich am leichtesten herausziehen. Erfolgt der Zug in Richtung Seitenwand der Tasche, ist entsprechend mehr Kraft nötig, das Biotin herauszulösen.

Sedlak resümiert daher: „Wie auch Diogenes gewiss schon festgestellt hat, ist es eben wesentlich leichter, ein Fass durch den Deckel zu verlassen als durch die Wand.“ Dass dies auch bei mechanischen Kräften zwischen einzelnen Biomolekülen gelte, sei allerdings alles andere als trivial. Mit dem neuen Wissen könne der molekulare „Dübel“ endlich optimal eingesetzt werden.

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Eine abgeerntete Paprika-Pflanze ist bis zu drei Meter groß. Aus dieser umfangreichen Biomasse lassen sich in einer Bioraffinerie Basischemikalien wie verschiedene Zucker oder Polyphenole gewinnen. Doch in einem Zwischenschritt lässt sich noch weit mehr aus der Pflanze herausholen: Wertvolle bioaktive Substanzen stehen dabei im Fokus. Unter dem Dach der Förderinitiative „Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie“ des BMBF strebt ein Forschungsprojekt eine Kaskadennutzung der Pflanze an.

Diese weitere Nutzung ist besonders nachhaltig und ressourcenschonend, denn wie die Wissenschaftlerin Anika Wiese-Klinkenberg erklärt: „Wir haben die Pflanze für das Hauptprodukt Paprikafrucht bereits im Gewächshaus aufgezogen, sie gegen Schädlinge geschützt und ernährt“. Die Pflanzenphysiologin am Forschungszentrum Jülich entwickelt mit Kollegen der RWTH Aachen und der Universität Bonn Technologien, um zusätzlich auch die Blätter und Stängel der Pflanze zu verwerten.

Interessante Stoffe für Medizin und Kosmetik

Die Pflanzenphysiologin will dabei sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe gewinnen. Die Wissenschaft kennt rund 100.000 dieser Sekundärmetabolite. Vielfach handelt es sich um Farb-, Duft- und Aromastoffe, aber auch Gift- und Bitterstoffe, die nur in bestimmten Organismen, Geweben oder Zellen vorkommen. Anders als Primärmetabolite sind sie nicht zwingend für das Wachstum und Überleben erforderlich. „Sie dienen der Interaktion mit der Umwelt“, erklärt Alexandra Wormit, die Projektkoordinatorin von der RWTH Aachen. Damit schützt sich die Pflanze vor den Auswirkungen von Umweltstressen, und wehrt zum Beispiel Schädlinge ab oder lockt nützliche Insekten an.

Derzeit sieht man vor allem für zwei sekundäre Pflanzenstoffe wirtschaftliches Potenzial: das Flavonoid Cynarosid und Graveobiosid A. Cynarosid, auch als Inhaltsstoff von Artischockenblättern bekannt, ist für die Kosmetik-, Lebensmittel- und pharmazeutische Industrie von Interesse. Graveobiosid A wirkt gegen einen Pflanzenschädling, die Florida-Minierfliege. „Die Forschung arbeitet an diesen Stoffen“, betont Wormit. Im Verbundprojekt TaReCa wollen die Forscherinnen und Forscher der RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich und der Universität Bonn die interessanten Substanzen gewinnen.

TaReCa steht für "Maßschneidern des Sekundärmetabolismus in gartenbaulicher Restbiomasse und Kaskadennutzung für eine ressourceneffiziente Produktion von wertvollen bioaktiven Substanzen“. Das Verbundvorhaben ging im November 2017 an den Start, vorerst für drei Jahre, wobei das BMBF insgesamt eine Fördersumme von mehr als 1,2 Mio. Euro bereitstellt. Eine zweite Förderphase wurde beantragt.

So manche Feinchemikalie haben Wissenschaftler sich in der Natur abgeschaut. Auch Phenylglycin ist eine Substanz, die von Bakterien hergestellt wird. Allerdings gibt es von ihr zwei spiegelbildliche Formen – L-Phenylglycin und D-Phenylglycin. Ersteres ist das Produkt der Mikroorganismen, letzteres eine medizinisch hoch interessante Verbindung, die jedoch nur auf konventionelle Weise in einem petrochemischen Prozess hergestellt werden kann – bis jetzt.

Nur eine von zwei Formen interessant

Eigentlich bildet das Bakterium Streptomyces pristinaespiralis L-Phenylglycin, um dieses zum Antibiotikum Pristinamycin weiterzuverarbeiten. Forschern des Leibniz-Instituts DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) ist es gelungen, die Bakterien der Gattung Actinomycetes mit Methoden der Synthetischen Biologie so zu verändern, dass sie D-Phenylglycin produzieren. Im Fachjournal „Applied Microbiology and Biotechnology“ beschreibt das DSMZ-Team den veränderten Syntheseweg.

Vorteile der fermentativen Herstellung

Die fermentative Herstellung des D-Phenylglycin hat gegenüber der petrochemischen Variante einige Vorteile. Da sind zum einen Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Die Herstellung erfordert als Rohstoff in erster Linie Glukose, die sich problemlos aus erneuerbaren Rohstoffen gewinnen lässt. Darüber hinaus erzeugen Bakterien ihr Produkt mit einer besonders hohen optischen Reinheit.

Produktionsraten weiter steigern

„Die Produktionsraten sind zwar noch gering“, räumt DSMZ-Forscherin Yvonne Mast ein. „Wir haben aber die Möglichkeiten des sogenannten Genetic Engineering noch nicht voll ausgeschöpft und forschen aktuell an einer Steigerung der Produktionsrate.“ Nur so sei die nachhaltige Produktion von solch vielfältig einsetzbaren Bausteinen wie D-Phenylglycin auch für die Industrie wirklich interessant. Darüber hinaus ließe sich der neue Syntheseweg in andere Bakterienstämme als Produktionsorganismen übertragen.

Das Marktpotenzial ist da: Derzeit werden jährlich mehr als 5.000 Tonnen D-Phenylglycin auf konventionelle Weise hergestellt, um daraus Antibiotika wie Ampicillin zu erzeugen.

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Scientists have copied many a fine chemical from nature. Phenylglycine is also a substance produced by bacteria. However, there are two mirror-image forms of it - L-phenylglycine and D-phenylglycine. The former is the product of microorganisms, the latter is a medically highly interesting compound, which as yet can only be produced conventionally in a petrochemical process - until now.

Only one of two forms interesting

The bacterium Streptomyces pristinaespiralis produces L-phenylglycine in order to process it into the antibiotic pristinamycin. Researchers at the Leibniz Institute DSMZ (German Collection of Microorganisms and Cell Cultures) have succeeded in using synthetic biology methods to modify bacteria of the genus Actinomycetes in such a way that they produce D-phenylglycine. In the journal "Applied Microbiology and Biotechnology", the DSMZ team describes the modified synthesis pathway.

Advantages of fermentative production

The fermentative production of D-phenylglycine has several advantages over the petrochemical variant. First, in terms of sustainability and climate protection: The production primarily requires glucose as a raw material, which can be easily obtained from renewable ressources. Furthermore, bacteria produce their product with a particularly high optical purity.

Further increase in production rates

"Although the production rates are still low," admits DSMZ researcher Yvonne Mast. "we have not yet fully exploited the possibilities of genetic engineering and are currently exploring ways to increase the production rate." This is the only way that the sustainable production of such versatile building blocks as D-phenylglycine can be of real interest to industry. In addition, the new synthesis pathway could be transferred to other bacterial strains as production organisms.

The market potential is given: Currently, more than 5,000 tons of D-phenylglycine are produced annually by conventional means to produce antibiotics such as ampicillin.

Satellitendaten dienen längst nicht mehr nur zur Wettervorhersage. Sie liefern Agrarforschern wichtige Informationen zu Bodenbeschaffenheit oder Pflanzenwachstum und sind die Grundlage für Ernteprognosen. Auch für Meeresforscher sind die Daten aus dem Orbit ein wichtiges Werkzeug, um aus der Ferne das Algenwachstum beobachten zu können. Bisher konnte man mithilfe der Satelliten die Menge des Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll im Wasser und damit die Algenkonzentration messen. Eine Differenzierung nach Algenarten oder gar eine Vorhersage des Algenwachstums war jedoch kaum möglich.  

Neuer Algorithmus erkennt fünf Algenarten

Einem internationalen Team um Hongyan Xi und Astrid Bracher vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist das nun gelungen. In Kooperation mit der französischen Firma ACRI-ST und dem europäischen Satellitendaten-Dienst Copernicus Marine Environment Monitoring Service entwickelten sie einen Algorithmus, der aus den Orbitdaten Angaben zu fünf bedeutenden Phytoplankton-Gruppen herauslesen kann.

Reflektanz der Algenpigmente analysiert

Die Grundlage dafür bildeten Informationen zu den verschiedenen Wellenlängen des Lichts, die mittels Sensoren von den Satelliten aufgenommen werden. Wie die Forscher im Fachmagazin "Remote Sensing of Environment" berichten, konzentrierten sie sich bei der Datenanalyse vor allem auf den Reflexionsgrad. Die sogenannte Reflektanz besagt, wie viel Sonnenlicht von der Erde ins All zurückgeworfen wird. Dieses reflektierte Licht wird von Wassermolekülen und Partikeln im Meer und in der Atmosphäre gestreut, gebeugt und verändert. „Und auch das Plankton, das ja bestimmte farbige Pigmente enthält, beeinflusst die Reflektanz. Je nachdem, welche Algen und welche Pigmente im Wasser vorherrschen, ist die Reflektanz anders“, sagt Hongyan Xi.

Algen hinterlassen Fingerabdruck auf Reflektanz

Demnach hinterlässt jede der fünf verschiedenen Algengruppen auf dem reflektierten Licht sozusagen ihren eigenen Fingerabdruck. Mithilfe des neuen Algorithmus wird dieses Reflektanzmuster sichtbar und damit die Algengruppe.

Um die Reflektanz der jeweiligen Algengruppe zuordnen zu können, wurden im Vorfeld zahlreiche Datenbanken durchforstet. Satellitenmessungen wurden mit Planktonproben kombiniert, die bei Schiffsexpeditionen zur selben Zeit am selben Ort genommen wurden. 12.000 solche Algendatensätze wertete das Team aus. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler schließlich nachvollziehen, wie sich der Reflexionsgrad der jeweiligen Algen verändert, und einen Algorithmus entwickeln, der in der Lage ist, aus der Reflektanz-Information auf die vorherrschenden Algengruppen in den Meeresregionen zu schließen.

Algenblüte erkennen und vorhersagen

Damit haben die Forscher ein wichtiges Werkzeug geschaffen, das es erstmals ermöglicht, auch giftige Algenblüten, sogenannte Harmful algal blooms (HABs), aufzuspüren. Anhand des Algenwachstums können auch Rückschlüsse auf die Wasserqualität gezogen werden. „Außerdem können wir künftig erkennen, ob sich die Verteilung des Phytoplanktons mit dem Klimawandel verändert“, sagt Hongyan Xi. „Das ist wichtig, um die Folgen für die Ökosysteme abzuschätzen.“

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Satellite data have long since expanded their use beyond weather forecasting. They provide agricultural researchers with important information on soil properties or plant growth and are the basis for harvest forecasts. Data collected from orbit are also an important tool for marine researchers to observe algae growth. Up to now, satellites have been used to measure the amount of the plant pigment chlorophyll in the water and thus the concentration of algae. However, a differentiation according to algal species or even a prediction of algal growth was virtually impossible.

Algorithm recognizes five main phytoplankton

An international team led by Hongyan Xi and Astrid Bracher from the Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research (AWI) has now succeeded in doing so. In cooperation with the French company ACRI-ST and the European satellite data service Copernicus Marine Environment Monitoring Service, they developed an algorithm that can distill information on five important phytoplankton groups from the orbital data.

Reflectance of algal pigments analyzed

The basis for this was information on the different wavelengths of light, which are recorded by the satellites using sensors. As the researchers report in the specialist journal "Remote Sensing of Environment", they concentrated primarily on the degree of reflection in their data analysis. The so-called reflectance indicates how much sunlight is reflected back into space by the earth. This reflected light is scattered, bent and altered by water molecules and particles in the sea and in the atmosphere. "And the plankton, which itself contains certain pigments, has an influence on the reflectance. The reflectance can differ, depending on which types of plankton and which pigments are dominant in the water," says Hongyan Xi.

Algae leave a fingerprint on reflectance

This means that each of the five different algae groups leaves its own fingerprint on the reflected light. With the help of the new algorithm, this reflectance pattern becomes visible - and with it the type of phytoplankton.

In order to be able to assign the reflectance to the respective algal group, numerous databases were scoured in advance. Satellite measurements were combined with plankton samples taken during ship expeditions at the same time and place. The team evaluated 12,000 such algal data sets. In this way, the scientists were finally able to understand how the reflectance of the respective algae changes and to develop an algorithm that is able to infer the predominant algae groups in the marine regions from the reflectance information.

Detecting and predicting algal blooms

The researchers have thus created an important tool that makes it possible for the first time to detect harmful algal blooms (HABs). The growth of the algae also allows conclusions to be drawn about water quality. "In addition, in the future we’ll be able to determine whether or not the distribution of phytoplankton is affected by climate change," says Hongyan Xi: "an important aspect in terms of predicting the impacts on ecosystems."

bb/um

Pflanzen und Tiere haben sich im Laufe der Evolution an ihre Umwelt angepasst. Die schrittweise Veränderung des Erbguts vollzog sich über unzählige Generationen. Doch der Klimawandel wird für viele Organismen zum Problem, weil er zu rasant voranschreitet. Forscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben im Rahmen einer internationalen Studie nun untersucht, wie stark epigenetische Mechanismen die Anpassungsfähigkeit von Organismen an die Umwelt beeinflussen.

Einfluss epigenetischer Marker untersucht

Organismen, die an ihre Umwelt angepasst sind, leben häufig länger und erzeugen somit auch mehr Nachkommen. Das heißt, ihre in der DNA gespeicherten Eigenschaften setzen sich damit langfristig durch. Dieser als Selektion bekannte Prozess dauert aber sehr lange. Epigenetische Prozesse hingegen beeinflussen chemisch die Struktur der DNA. Sie steuern jene Bereiche des Erbguts, die für die Aktivierung oder Stilllegung einzelner Gene eines Organismus verantwortlich sind. Hierbei wird zwischen zwei Arten von epigenetischen Markern unterschieden: Stabile Marker können wie die DNA zur langfristigen Anpassung beitragen. Induzierbare Marker können sich im Laufe des Lebens eines einzelnen Organismus verändern. Für Forscher sind sie damit ein Hoffnungsschimmer, weil sie sich schneller an Veränderungen anpassen können.

Anpassungsprozess in Fischpopulation nachgewiesen

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Queen Mary University in London haben GEOMAR-Forscher daher untersucht, wie das Verhältnis zwischen stabilen und induzierbaren Markern ist und inwiefern die Nachkommen im Vergleich zu ihren Eltern besser angepasst sind. Im Fokus der Untersuchung stand der in der Ostsee lebende Dreistachlige Stichling. Die Fischart hat sich im Laufe der Zeit an verschiedene Salz-, Süß- und auch Brackwasserbedingungen angepasst. „Um herauszufinden, welche genetischen und epigenetischen Wege der Anpassung der Stichling bisher genutzt hat, haben wir uns drei Stichlingspopulationen aus verschiedenen Regionen der Nord- und Ostsee mit unterschiedlichen Salzgehalten etwas genauer angesehen“, erläutert Britta Meyer. Sie ist neben Melanie Heckwolf eine der beiden Hauptautorinnen der im Fachjournal "Science Advances" erschienenen Studie.

Epigenetische Muster und Salztoleranz verschieden

Die Forscher fanden heraus, dass sich die verschiedenen Populationen in ihren genetischen und epigenetischen Mustern unterschieden und auch unterschiedliche Toleranzen gegenüber Veränderungen des Salzgehalts aufwiesen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass induzierbare Marker tatsächlich zur Anpassung beitragen, allerdings in geringerem Maße als vermutet. „Unser Experiment zeigt, dass die Epigenetik die Anpassung beeinflusst, allerdings sind dabei die Veränderungen von einer Generation zur nächsten geringer als bislang angenommen“, so Melanie Heckwolf. Der Studie zufolge werden Organismen jedoch auch mit epigenetischen Mitteln der Anpassung irgendwann an ihre Grenzen stoßen. „Der Klimawandel ist und bleibt eine der größten Herausforderungen für einzelne Arten und ganze Ökosysteme. Sie lässt sich auch nicht mit den aktuellen Erkenntnissen in der Epigenetik wegdiskutieren“, betont Heckwolf.

bb