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Millionen Tonnen an Lebensmitteln landen jährlich im Abfall, obwohl sie noch essbar sind. Kleine Makel an Obst und Gemüse oder ungenaue Kalkulationen bei der Essenszubereitung: Die Gründe, warum noch genießbares Essen in der Tonne landet, sind vielfältig. Ideen, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, gibt es viele und sie werden von der Bundesregierung aktiv unterstützt. Aber welche Maßnahmen sind tatsächlich sinnvoll, damit Lebensmittelversorgung und -konsum zukünftig nachhaltiger werden?

Handlungsempfehlungen zur Abfallvermeidung

Im Rahmen des Forschungsprojektes REFOWAS - “Pathways to Reduce Food Waste” suchen Wissenschaftler seit 2015 nach Antworten, um Handlungsoptionen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen geben zu können. Dabei konzentrieren sie sich auf die Themenfelder Obst- und Gemüseproduktion, Bäckereien, Privathaushalte und Schulverpflegung. Dazu wurden jeweils gemeinsam mit Akteuren der Branche entsprechende Fallstudien erarbeitet, um die Gründe der Abfallentstehung sowie die Auswirkungen besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen entwickeln zu können. Am Projekt sind neben dem Thünen-Institut, die Universität Stuttgart, das Max Rubner-Institut und die Verbraucherzentrale NRW beteiligt. Das Forschungsprojekt REFOWAS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung (SÖF) gefördert.

Optische Kriterien zu hoch bewertet

Erste Ergebnisse wurden bei einem Treffen im Thünen-Institut in Braunschweig vorgestellt und mit Experten diskutiert. Bei der Produktion von Obst und Gemüse sehen die Forscher insbesondere in der Schnittstelle zwischen Herstellern und Einzelhandel ein großes Handlungspotenzial. Denn die Standards der Lebensmitteleinzelhändler hinsichtlich der optischen Kriterien sind wesentlich höher, als gesetzlich vorgeschrieben. „Die Händler haben hierfür zwar gute Gründe, wie den Ästhetikwunsch der Kunden, allerdings führen diese hohen Standards auch dazu, dass oft ein wesentlicher Teil der Erzeugung nicht verkauft werden kann. Wir sehen es hier als eine wichtige Aufgabe, Verbraucherinnen und Verbraucher stärker für diese Thematik zu sensibilisieren und Gespräche zwischen den zwei Parteien in Gang zu bringen“, erklärt Walter Dirksmeyer vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft. Zu einer Reduzierung der Abfälle bei Ost und Gemüse würde zudem auch eine verstärkte Beratung und Kooperation von Produzenten und Vermarktern beitragen.

Verbesserte Prognosesysteme und Aufklärung

Bei den Bäckereien sehen die Wissenschaftler hingegen in verbesserten Prognosesystemen eine große Chance, die Backwaren-Abfälle zu drosseln. Hier könnte durch die Verknüpfung von Daten vergangener Produktionen mit Faktoren wie Wetter und Ferientagen die Produktion bedarfsgerechter geplant und Verluste minimiert werden. In den kommenden Monaten wollen die dafür verantwortlichen Forscher diese Option auch hinsichtlich ökologischer und betriebswirtschaftlicher Aspekte analysieren. In den privaten Haushalten wollen die Forscher durch Aufklärung und Sensibilisierung das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln stärken. Im Fokus steht sowohl die Frage, wann ein Lebensmittel wirklich entsorgt werden soll, als auch wie sich Lebensmittelabfälle im Alltag ganz konkret vermeiden lassen. „Den Teller in jedem Fall leer zu essen, ist auch gesundheitlich nicht immer empfehlenswert“, weiß hingegen Erika Claupein vom Max Rubner-Institut.

Verpflegungsbeauftragte für die Schulverpflegung

Die Fallstudie zum Schulessen ergab, dass durchschnittlich 25% des Essens entsorgt werden. Hier zeigte die Forschergruppe auf, dass durch Maßnahmen wie eine Reduzierung der Produktionsmengen, die Kontrolle der Portionsgrößen sowie eine Analyse der Tellerreste für die Produktionsanpassung, in vier von elf untersuchten Schulküchen durchschnittlich 30 % der Speiseabfälle eingespart werden können. Darüber hinaus empfehlen sie, Verpflegungsbeauftragte „an allen wichtigen Schnittstellen zur Schulverpflegung“ einzubinden, um weiteren Anforderungen wie der Attraktivität und Akzeptanz des Mittagessens oder der Gestaltung der Mensa auch gerecht zu werden. „Diese Ansprüche sind nur umsetzbar, wenn professionelle Strukturen geschaffen werden“, resümiert Frank Waskow, Leiter der Fallstudie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

bb

Ob Kunstlicht oder Sonnenlicht: Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen werden entscheidend vom Licht beeinflusst. Gleiches gilt auch für Tiere. Die richtige Beleuchtung im Stall ist ein Faktor, der das Wohlbefinden von Kühen, Schweinen oder Hühnern steigern kann und auch dem Landwirt bei der täglichen Arbeit mehr Sicherheit gibt. Bei welchem Licht sich Tier und Mensch im Kuhstall am Wohlsten fühlen, das haben Forscher um Daniel Werner von der Fachhochschule Bielefeld untersucht und eine intelligente LED-Leuchte entwickelt, die auf die Bedürfnisse von Tier und Landwirt abgestimmt ist.

Optimale Lichtverhältnisse bestimmt

„Wir wollten LED-Leuchten entwickeln, die Ressourcen schonen, die Wirtschaftlichkeit verbessern und gleichzeitig das Tierwohl steigern", erklärt Eva Schwenzfeier-Hellkamp, Projektverantwortliche vom Forschungsschwerpunkt ITES der FH Bielefeld. Um die optimalen Lichtverhältnisse zu bestimmen, untersuchte das Team über Monate in einem Stall bei Soest, wie verschiedene Lichtspektren, etwa gelbes oder weißes Licht, in welcher Lichtmenge und Lichtdauer auf Mensch und Tier wirken.

Ausgeruhte und melkfreudige Kühe 

Erste Tests mit dem Prototypen der neuen Leuchte zeigten, dass die Kühe durch das für sie angenehmere Licht länger ruhten und häufiger den Melkroboter aufsuchten. „Beides sind Zeichen eines höheren Wohlbefindens der Tiere und beeinflussen ihre Gesundheit positiv“, erklärt Daniel Werner. Auch die Landwirte profitierten durch den Einsatz der neuen Stallbeleuchtung. So wurden nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessert, auch die Energiekosten in der Nutztierhaltung wurden gelenkt. Zugleich wurden damit umweltschädliche Stoffe wie Quecksilber aus der Stallbeleuchtung verbannt. „Die Entsorgung der Leuchten ist damit am Ende unkomplizierter als bei den aktuell eingesetzten Leuchtstofflampen. Darüber hinaus soll durch eine intelligente Beleuchtungsregelung die benötigte Energie weiter verringert werden“, erklärt Schwenzfeier-Hellkamp.

Einsatz der LED-Leuchte in Schweineställen

Um die LED-Leuchte für den Markt fit zu machen, wird das Bielefelder Forscherteam in einem Anschlussprojekt durch die Deutsche Innovationspartnerschaft Agrar mit rund 320.000 Euro unterstützt. Parallel dazu werden die Bielefelder in einem zweiten Projekt untersuchen, ob die neue LED-Leuchte auch für Schweineställe und Melkstände nutzbar ist. Das Vorhaben wird über drei Jahre mit 490.000 Euro von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, der Universität Erlangen-Nürnberg sowie zwei Partnern aus der Wirtschaft unterstützt.

bb

Eine gesunde Ernährung ist für das Wohl der Tiere ebenso wichtig wie für Menschen. Bei Evonik steht die Suche nach geeigneten bioaktiven Zusatzstoffen seit Langem im Fokus der Forschung. Um die Wirkung der Futtermittel frühzeitig zu erkennen, arbeitet das Team um Stefan Pelzer im Rahmen der strategischen Allianz GOBI mit Partnern an einem dynamischen Simulationsmodell des Hühnerdarms. Mithilfe des neuen Tests soll die Entwicklung neuer Futtermittel für Geflügel beschleunigt und die Gesundheit der Tiere nachhaltig verbessert werden.

Die Elektrolyse fristete lange ein Nischendasein. Nun gilt die elektroorganische Synthese als Motor für die grüne Chemie. Um einen neuen Stoff zu entwickeln, braucht man normalerweise Reagenzien, die recht teuer sind. Außerdem entstehen dabei Abfälle, die hochgiftig sein können. Bei der Elektrolyse hingegen werden die kostspieligen und gefährlichen Reagenzien durch Strom, genauer gesagt Elektroden, ersetzt. So können neue chemische Verbindungen für Materialien auf wesentlich nachhaltigere Weise produziert werden. Die Palette der Produkte reicht von Batterien bis hin zu Medikamenten.

Grüne Chemie für technische Anwendungen

Siegfried Waldvogel von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz hat das Potenzial der Elektrolyse vor Jahren erkannt. Mithilfe dieser Methode konnte das Mainzer Team bereits den Aromastoff Vanillin aus Holzabfällen für neue Stromspeicher gewinnen. Im Rahmen des Verbundprojektes EPSYLON haben die Mainzer Wissenschaftler nun gemeinsam mit der Evonik Performance Materials GmbH die Elektrolyse als zukunftsweisende und nachhaltige grüne Chemie für technische Anwendungen nutzbar gemacht. Die Entwicklung des Verfahrens wurde im Rahmen des Verbundprojektes vom Bundesforschungsministerium unterstützt.

Stromangebote flexibler nutzen

Wie das Team im Fachjournal „Science Advances“ berichtet, kann mithilfe der neuen Methode flexibel auf das vorhandene Stromangebot reagiert werden. Großes Potenzial sehen die Forscher vor allem bei der Nutzung von Stromüberschüssen aus regenerativen Quellen wie Windkraft oder Solarenergie. Das liegt besonders an der Verwendung eines einzigartigen Elektrolytsystems. Die Elektrolysen sind dabei sehr stabil gegenüber der Stromdichte und können somit in einem über zwei Größenordnungen breiten Stromdichtefenster betrieben werden. Der Studie zufolge bleiben dabei Produktivität und Selektivität erhalten. Die Elektrolyse kann somit auch in kurzer Zeit mit sehr hohem Stromeinsatz durchgeführt werden.

Kürzere Synthese beschleunigt Herstellungsprozess

Darüber hinaus sind keine maßgeschneiderten Elektrolyseapparate notwenig, die eine breite Verwendung in der Chemie bisher erschwerten. Die Forscher sind überzeugt, dass die Chemische Industrie nunmehr ein einfaches Mittel zur Hand hat, um nachhaltiger und umweltfreundlicher zu werden. Hinzukommt, dass in einigen Fällen der Herstellungsprozess beschleunigt werden kann, da Syntheseschritte wegfallen.

bb

Grünalgen (Chlamydomonas) haften auf fast allen Gegenständen und verstopfen sogar Wasseraufbereitungsanlagen. Jenseits dieser unerwünschten Biofilme können die Mikroorgansimen jedoch auch sehr nützlich sein. In Bioreaktoren werden sie bereits seit Jahren in großen Anlagen kultiviert, um Biotreibstoffe herzustellen. Allerdings haften sich die Algen mit ihren kleinen Härchen, den Flagellen, auch in diesen Glasröhren der Anlagen fest. Die Folge: Es entsteht ein grüner Belag, der weniger Licht in die Anlage lässt. Weniger Licht bedeutet, dass die Photosyntheseleistung der Algen abnimmt und somit die Produktivität des Bioreaktors sinkt.

Ein Forscherteam unter der Leitung von Oliver Bäumchen am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation konnte nun den Haftmechanismus der Grünalge aufklären: „Bei Experimenten an Grünalgen haben wir festgestellt, dass die Algen nur unter bestimmten Lichtbedingungen klebrig sind und an Oberflächen haften können“, so Bäumchen. Somit sind die Lichtbedingungen für die Haftkraft der Algen ausschlaggebend. Durch Anpassung der Lichtempfindlichkeit der Algen oder der Oberflächenstruktur der Röhren könnte die Produktivität von Bioreaktoren in Zukunft gesteigert werden. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im Fachjournal „Nature Physics“ veröffentlicht.

Blaues Licht fördert das Anhaften

Oliver Bäumchen und seine Kollegen forschen seit Jahren an den Hafteigenschaften von Mikroorganismen. Sie interessieren sich vor allem für die Funktionsweise der Flagellen sowie die Mechanismen, die den Haftkräften zu Grunde liegen. Diese Kräfte werden mit einer hauchdünnen Mikroglaspipette gemessen, an der eine einzelne Grünalgen-Zelle festgesaugt werden kann. Die Forscher bestimmen dann, wie groß die Kraft ist, um mit der Mikropipette eine Zelle von der Oberfläche abzuziehen. Bei ähnlichen Versuchen fand Bäumchens Doktorand Christian Kreis heraus, dass die Algen bei weißem Licht die stärksten Haftkräfte aufzeigten, während sie sich bei rotem Licht gar nicht an den Oberflächen festhielten. Obwohl lichtsensitive Mikroorganismen oder Pflanzen nichts außergewöhnliches sind, waren lichtgesteuerte Haftmechanismen bisher völlig unbekannt. In weiteren Untersuchungen stellte Kreis fest, dass Chlamydomonas bei Bestrahlung mit blauen Lichtanteilen besonders fest an der Oberfläche klebt. Dieses Licht nimmt die Alge mittels speziellen, lichtempfindlichen Proteinen wahr.

Elektrische Oberflächen gegen Biofilme

Bioreaktoren ausschließlich mit rotem Licht zu betreiben ist jedoch keine Lösung, da Grünalgen für die Photosynthese das blaue Licht brauchen. Oliver Bäumchen und Christian Kreis kooperieren deswegen mit Mikrobiologen und Experten für Grünalgen: „Gemeinsam wollen wir in nächster Zeit Zellen untersuchen, bei denen die verschiedenen Blaulichtrezeptoren blockiert sind, um herauszufinden, welche dieser Rezeptoren die Klebrigkeit der Algen tatsächlich auslösen“, sagt Bäumchen. Gelänge es, Algen mit veränderten Blaulichtrezeptoren in großer Zahl zu züchten, dann könnte man diese möglicherweise künftig in Bioreaktoren einsetzen, ohne dass sich lästige Biofilme an den Oberflächen bilden.

Zudem untersucht Christian Kreis, ob sich das Anhaften der Grünalgen noch durch andere Reize als das Licht verändern lässt, wie etwa eine Oberfläche, mit schwacher elektrischer Ladung. „Biofilme sind in vielen Anwendungen störend“, sagt der Forscher. „Gelänge es, Oberflächen so zu designen, dass die Klebrigkeit der Mikroorganismen ausgeschaltet wird, dann könnte das für viele Anwendungen in der Medizin, der Biotechnologie und der Prozesstechnik von großem Interesse sein.“

jmr

Green algae (Chlamydomonas) can form a slimy layer on almost any surface and even cause blockages in water-treatment tanks. But they can also be quite useful. For years now algae have been cultivated in bioreactors, large facilities comprised of glass tubes, to produce biofuels. However, using their small hairs, also known as flagella, green algae adhere even to these surfaces. The result: a green biofilm forms on the walls of the glass tubes of the bioreactor. Subsequently, less light penetrates into the reactor. However, less light also means less photosynthesis by the other algae in the reactor. Thus, the biofilm reduces the productivity and efficacy of the entire bioreactor. A research team led by Oliver Bäumchen, a physicist at the Max Planck Institute for Dynamics and Self-Organization in Göttingen, discovered that the extent to which the algae adhere to surfaces depends on the spectrum of incoming light. Adjusting this spectrum, the light sensitivity of Chlamydomonas, or altering the surface structures could significantly improve the efficacy of bioreactors. The researchers published their findings in the journal “Nature Physics“.

Blue light enables green algae to stick

Oliver Bäumchen and his colleagues have been working on the adhesive properties of microorganisms for many years, with a particular focus on the flagella and the mechanisms by which these tiny hair-like structures can exert their surprisingly strong adhesive forces. These are measured via a precise sensor: an ultra-thin glass micropipette that can aspire a single green algal cell. Using the micropipette, the researchers measure the force needed to detach a living cell from a surface. One of Bäumchen’s doctoral student, Christian Kreis, was using this method when he discovered that the algae repeatedly exhibited the strongest adhesive force under white light conditions. In contrast, under red light conditions, the cells did not adhere to surfaces at all. While light sensitive plants and microorganisms have been described before, adhesive properties that can be switched on and off with light had been unheard of thus far. Kreis investigated the light response more closely and found that Chlamydomonas exclusively sticks to surfaces when exposed to blue light: green algae use a number of special light-sensitive proteins to sense the light.

Changing photoreceptors and surface properties

However, it is not possible to expose bioreactors to red light only in order to switch off the adhesive properties, because green algae require blue light for photosynthesis. Therefore Bäumchen and Kreis are now cooperating with microbiologists who are experts when it comes to these algae. “We plan to study cells in which the various blue-light photoreceptors are blocked to find out which of those photoreceptors is in fact responsible for triggering the adhesive properties,” says Bäumchen. If it was possible to breed and grow algae with modified blue-light photoreceptors, it might be possible to use them in bioreactors without the annoyance of biofilms forming on the surfaces.

Additionally, Christian Kreis is investigating other avenues than light to prevent the formation of algal biofilms. For instance, he is looking into whether surfaces carrying weak electrical charges might disable surface adhesion. “Biofilms are troublesome in many applications,” the researcher says. “If we could design surfaces in such a way that they prevent microorganisms to stick to them, that would be a boon for many applications in medicine, biotechnology, and chemical engineering.”

jmr

Die aus den Hochanden stammende Nutzpflanze Quinoa erlebt derzeit als Superfood eine Renaissance. Die alte Nahrungspflanze ist nicht nur proteinreich, sondern auch äußerst anspruchslos. Ihr Talent, selbst auf trockenen und salzigen Böden zu gedeihen, macht sie daher zu einem interessanten Forschungsobjekt. Mit der Entzifferung des Quinoa-Genoms bekam die Pflanzenzüchtung 2017 ein wertvolles Werkzeug in die Hand.

Züchtungsstrategie nach Quinoa-Vorbild

Für Pflanzenforscher Rainer Hedrich von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist Quinoa ein Vorbild, um zukünftig salztolerantere Nutzpflanzen züchten zu können. „Die bisherigen Ansätze, salztolerante Pflanzen zu züchten, muss man als mehr oder weniger gescheitert betrachten“, erklärt der Forscher. Der Grund: Bisher wurde versucht, Kulturpflanzen auf salzigen Böden wachsen zu lassen und dabei salztolerante Zuchtlinien zu identifizieren. „Unsere Kulturpflanzen sind aus jahrelanger Zucht hervorgegangen. In dieser Zeit hat der Mensch fast alle negativen Umwelteinflüsse von ihnen ferngehalten, so dass sie viel von ihrer natürlichen Widerstandskraft verloren haben. Kommen diese Elitelinien mit zu viel Salz in Kontakt, gehen sie meist ein“, erklärt Hedrich. Gemeinsam mit Sergey Shabala von der Universität Tasmanien hat der Würzburger Experte daher eine neue Strategie nach dem Vorbild der Quinoa-Pflanze erarbeitet. Im Fachjournal „Cell Reports“ legt das Team die Gründe für die Salztoleranz der Andenpflanze offen.

Blasenzellen auf dem Blatt sorgen für Salztoleranz

Die Pflanze nimmt danach Salz aus dem Boden auf und lagert es in blasenförmige Zellen auf ihrer Blattoberfläche ein. Mit einem Durchmesser von fast einem halben Millimeter sind die ovalen und runden Exemplare meist auch mit bloßem Auge zu erkennen. Ihr Speichervolumen ist bis zu 1000 Mal größer als das einer normalen Zelle der Blattoberfläche. Aufgrund der Bläschen bleiben die salzempfindlichen Stoffwechselvorgänge geschützt, so dass Quinoa selbst auf salzigen Böden gut wachsen kann. Dass die Blasenzellen tatsächlich für die Salztoleranz verantwortlich sind, hat das Team bewiesen. Das Streichen mit einem Pinsel über die Blattoberfläche reichte aus, dass die Salzblasen abfielen. Während die von den Bläschen befreiten Quinoa-Exemplare in salzfreien Böden gediehen, blieb ihr Wachstum in kochsalzhaltigen Böden erheblich zurück.

Stressgene in Blasenzellen äusterst aktiv

Zugleich hat das Team um Hedrich die aktiven Gene von Blatt- und Blasenzellen verglichen. Die Analyse ergab: Schon ohne Salzbehandlung sind in den Blasenzellen der Quinoa-Pflanze Gene aktiv, die bei anderen Pflanzenarten erst bei Stress in Aktion treten. Dazu gehören auch Transporter, die Natrium- und Chlorid-Ionen in die Blasenzelle transportieren. Kommt Salz hinzu werden noch weitere Gene aktiviert, die zur Aufrechterhaltung des Signalwegs des Stresshormons ABA gebraucht werden. Die nötige Energie für die Salzspeicherung beziehen die Blasenzellen wiederum aus Zuckermolekülen, die sie eigens aus dem Blatt importieren. „Die Blasenzellen bekommen die nötige Energie vom Blatt und revanchieren sich, indem sie dem Blatt das toxische Salz abnehmen“, erklärt Hedrich

Zukünftig Zuckerrüben mit Quinoa-Genen resistenter machen

Die neuen Erkenntnisse sehen die Wissenschaftler als einen Anfang, um „auf lange Sicht“ salztolerantere Pflanzen züchten zu können. Am Ende könnte nicht nur die Züchtung noch salztoleranterer Quinoas stehen, sondern auch die Einkreuzung der Salztoleranz-Gene in verwandte Kulturpflanzen wie Zuckerrüben oder Spinat. Bis auf weiteres ist die Quinoa-Pflanze für die Forscher noch ein Lernobjekt. „In einer Kombination aus Entwicklungsgenetik und funktioneller Analyse der Salztransport-Proteine wollen wir nun die molekularen Mechanismen verstehen, über welche die Salztoleranz bei Quinoa entsteht und aufrechterhalten wird“, sagt Hedrich.

bb

Due to climate change more and more arable land is drying out, and subsequently requires irrigation in order to grow crops. However, steady and heavy irrigation causes soil salination, because the salts that are dissolved in the water are diffused into the soil and remain there after the water has evaporated. The salt in turn stunts the growth of the crops and, if left untreated, can even turn soils infertile. Considering the growing acreage that already or will soon require heavy irrigation due to global warming, stunted growth of crops endangers the possibilities to feed of a growing world population. An international research team headed by Rainer Hedrich, plant scientist and Professor at the Julius Maximilians University Würzburg, analysed the salt-tolerant quinoa plant. Quinoa is equipped with special bladder cells on its leaves that store excessive salt and thus protect the plant’s metabolism and enable it to grow even on salinated soil. By comparing the quinoa genome to other species the researchers identified specific gene activities that underlie the salt-storing mechanism. The findings are published in the journal “Cell Research”.

Bladder cells on quinoa leaves are essential for salt tolerance

“All approaches so far to breed salt-tolerant plants must be considered more or less as failures”, says Hedrich. According to him, their mistake was to grow crop plants on saline soils first and then trying to identify salt-tolerant lines by assessing the surviving plants. “Our crop plants are the result of many years of breeding. During that time, man has sheltered them from nearly all negative environmental influences, so that they have lost a lot of their natural resilience,” explains Hedrich. “As soon as these elite lines come in contact with too much salt, they usually die.”
Thus, Hedrich and Sergey Shabala, Professor at the University of Tasmania, analysed a plant that is naturally salt-tolerant: Quinoa (Chenopodium quinoa). Originally from the Andes, the plant absorbs salt from the soil and stores it in bladder-shaped cells on the surface of its leaves. This protects the salt-sensitive metabolic processes, and the plant grows well even on salinated soils. The cells have a diameter of almost half a millimetre, which means they can be seen with the naked eye. Their storage capacity is up to 1000 times higher than that of any normal cell of the leaf surface. A simple test proves the necessity of the bladder cells for the plant’s salt tolerance: “Just a few light brush strokes over a quinoa leaf cause the bladder cells to fall off,” says Shabala. Stripped of their salt bladders, these plants still grow on non-saline soils, but exposure to common salt stunts their growth significantly.

Specific gene activity ensures salt transport

Jian-Kang Zhu, Professor at the University of Shanghai, and his colleagues decoded the genome of the salt-tolerant plant. Hedrich’s team then compared the active genes of leaves and bladder cells. The result: certain genes in the bladder cells are always active, with or without salt treatment. In contrast, in other species, the same genes are only active when the plant is stressed. These genes include transporters carrying sodium and chloride ions into the bladder cell.

Salt-tolerant spinach via crossbreeding

Now that the genes responsible for the plant’s salt-tolerance are identified, they will further the breeding of other salt-tolerant plants: “The first step is made”, says Hedrich. “We will now use a combination of developmental genetics and the functional analysis of salt transport proteins to understand the molecular mechanisms that produces and maintains the salt tolerance in quinoa.”

There are about 2000 wild and cultivated varieties of quinoa known to date, some of them are equipped with a very large, others with a very low number of salt bladders. The researchers now aim to compare and contrast the activities of the already identified specific genes. The ultimate outcome of their work might not only be the breeding of quinoa varieties with an even higher salt tolerance, but also the crossbreeding of salt tolerance genes into related crop plants such as sugar beets or spinach.

jmr

Das Engagement von Evonik in der französischen Region geht auf die Übernahme des Start-ups Alkion Biopharma SAS im vergangenen Jahr zurück. Der Chemiekonzern hat den Spezialisten in der biotechnologischen Herstellung pflanzlicher Kosmetikwirkstoffe in den Geschäftsbereich Personal Care eingegliedert. Mit der Eröffnung des neuen Firmensitzes Ende September in Tours signalisiert Evonik, dass der Tochterfirma Evonik Advanced Botanicals SAS die Zukunft gehört. Die Region Tours liegt im „Cosmetic Valley“, der weltweit größten Ansiedlung von Kosmetikfirmen. Die Nähe zu Kunden, aber auch Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit der Universität von Tours, die über einen Lehrstuhl für Pflanzenbiotechnologie verfügt, sollen das Geschäftswachstum beflügeln.

Pflanzenwirkstoffe aus Wurzeln und Keimlingen

„Wir haben unser Portfolio an kosmetischen Wirkstoffspezialitäten, unter anderem bestehend aus Ceramiden, Sphingolipiden und Peptiden um eine sehr attraktive Technologie erweitert“, so die Einschätzung von Tammo Boinowitz, Leiter des Evonik-Geschäftsgebiets Personal Care. In Tours können sowohl Pflanzenstammzellen als auch Wurzeln und Keimlinge zur Produktion von Pflanzenwirkstoffen genutzt werden. Vor der Übernahme hat Alkion zum Beispiel das geschützte Edelweiß und die in der ayurvedischen Medizin genutzte Schlafbeere kultiviert.

Evonik kündigt eigenen Kosmetikprodukte an

Der neue Firmensitz in Tours ist darauf ausgerichtet, kommerzielle Mengen der Pflanzenextrakte herzustellen. Zahlreiche Kundenprojekte für maßgeschneiderte Produkte befinden sich laut Evonik bereits im fortgeschrittenen Stadium. Darüber hinaus sollen ab dem kommenden Jahr Produkte unter dem Namen Evonik angeboten werden. Die Pflanzenextrakte enthalten eine außergewöhnlich hohe Ausbeute an komplexen Inhaltsstoffen, preist die Essener Gesellschaft ihre Technologie.

ml

The specialty chemicals company Evonik opened a new production site for its Evonik Advanced Botanicals subsidiary in Tours, France. Evonik is active in over 100 countries and the subsidiary was originally founded in 2016, when Evonik acquired the French startup Alkion Biopharma SAS, an expert in biotechnological production of plant-based active ingredients. By now the subsidiary is part of the Personal Care Business Line. During the opening ceremony in Tours, Evonik announced its plans to develop the site into a centre for plant-based cosmetic active ingredients.

Beneficial extracts of plant biomass

Evonik Advanced Botanicals developed a process that enables the cultivation of plant biomass under laboratory conditions and recovering beneficial extracts while achieving an extraordinarily high yield of complex ingredients. The technology itself is based on the plants’ ability to produce a broad spectrum of secondary metabolites when required. Evonik hopes to utilise this potential without modifying the plant genome, which will make it possible to produce plant extracts with a high concentration of the desired bioactive substances. The goal for the new site in Tours is that Evonik will be able to offer custom-tailored, plant-based, high-performance active ingredients in highly concentrated and reproducible forms, which are manufactured in a resource-efficient process. 

Collaborative neighbourhood

The Tours region is located in the ‘Cosmetic Valley’, the world’s largest cluster of cosmetic companies. The direct neighbourhood of both customers and scientific collaborators, such as the University of Tours where a biotechnology department is planned, will help to promote future growth. 

The new production site is designed to produce commercial quantities of the aforementioned plant extracts, and many customer projects for tailored products are already at an advanced stage. Evonik estimates that the new products developed and created in Tours will be available in 2018. 

jmr

Bodenorganismen wie Milben und Springschwänze siedeln bevorzugt in der Nähe von Gewässern. Sie sorgen für die Zersetzung von organischem Material und sind daher wichtige Ökosystemdienstleister. Etwa 200.000 dieser mikroskopisch kleinen Tierchen tummeln sich auf einem Quadratmeter Auen- oder Torfboden. Wie sich die winzigen, für das bloße Auge kaum sichtbaren Organismen verbreiten – darüber war bisher wenig bekannt. Frühere Studien konzentrierten sich auf die Ausbreitung über die Luft oder auf dem Rücken größerer Tiere. „Das Element Wasser wurde hier bislang nicht berücksichtigt; vielleicht auch, weil eine praktikable Methode fehlte“, erklärt Ricarda Lehmitz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.

Schwimmende Inseln als Transportmittel

Gemeinsam mit Volontärin Meike Schuppenhauer hat Lehmitz eine simple Methode entwickelt, die es erlaubt, erstmals auch den Wasserweg der Bodentiere zu verfolgen. Mithilfe selbstgebauter „schwimmender Inseln“ konnten die Forscherinnen nachvollziehen, welche Bodentiere sich über Flüsse ausbreiten und ob sie sich an neuen Orten ansiedeln können. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachblatt  „Soil Organisms" veröffentlicht. Der Studie zufolge wurden zehn dieser Miniflöße jeweils an drei Teststellen im Biosphärenreservat „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“ in 20 bis 40 Zentimeter Abständen im Fließgewässer „Altes Fließ“ gesetzt. „Ziel war es zu testen, ob sich mit unsere Methode herauszufinden lässt, ob die Bodentiere einen Transport über das Wasser überleben und ob sie sich in einem neuen Habitat wieder ansiedeln“, erklärt Meike Schuppenhauer.

Bodentiere nutzen Wasserweg zur Verbreitung

Der Versuch ergab: Die schwimmenden Inseln, die nur über das Wasser erreichbar waren, hatten schon nach einem Monat die ersten Passagiere an Bord. „Unser Experiment zeigt einerseits, dass die Ausbreitung der winzigen Tiere über das Wasser nicht unerheblich ist und andererseits, dass unsere Methode funktioniert. Wir sind uns sicher, dass die ‚Inseln’ in Zukunft häufig eingesetzt werden“, sagt Lehmitz. So könnten sie bei der Renaturisierung der Moore hilfreich sein. Nach dem Abtragen des oberen Bodens bis zu 30 Zentimeter könnte die freigelegte Schicht mit wichtigen Bodentieren wieder neu besiedelt werden.

bb

Im Rahmen des Programm für Nachwuchsgruppen gibt das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen zwei jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit, erstmals eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen und zu leiten. „Wir freuen uns, dass wir zwei vielversprechende Wissenschaftler für die DSMZ gewinnen und damit aktuelle Forschungsfelder für das Institut erschließen konnten“, so der wissenschaftliche Geschäftsführer der DSMZ, Jörg Overmann.

Neue Strategien gegen Infektionen bei Pflanzen

Der Pflanzenvirologe Björn Krenz wird mit seiner Gruppe “VirusInteract” die molekularen Mechanismen und Wechselwirkungen zwischen Pflanzenviren und Pflanzenzellen untersuchen. Das Ziel: Funktionen bestimmter Virusproteine identifizieren und deren Bedeutung im Frühstadium einer Infektion bei Wirtspflanzen erkennen. „Gerade die ganz frühen Stadien einer Infektion müssen untersucht werden, denn hier entscheidet es sich, ob sie sich manifestieren kann oder nicht. Eine bessere Kenntnis der Zusammenhänge hilft uns, neue Strategien zur Bekämpfung zu entwickeln“, erklärt Krenz. Mit seiner Arbeit will der Wissenschaftler zu einem besseres Verständnis bekannter aber auch neu auftretender viraler Pflanzenkrankheiten beitragen.

Neue Therapieansätze für bakterielle Infektionen

Die Nachwuchsgruppe um Meina Neumann-Schaal wird sich hingegen mit dem Thema "Bakterielle Metabolomik" befassen. Im Fokus stehen die Untersuchung des Stoffwechsels von Bakterien sowie die Bedeutung der verschiedenen Stoffwechselwege für Ökologie und neue Anwendungsfelder in der Biotechnologie. „Wenn wir die Prozesse in Bakterienzellen besser verstehen, können wir sie auch beeinflussen“, erläutert Neumann-Schaal. Sie ist überzeugt, dass mithilfe ihrer Methodik neue Ansätze für die Therapie bakterieller Infektionen gefunden werden können. So könnte ein Bakterium beispielsweise veranlasst werden, ein bestimmtes Gift nicht mehr zu produzieren. „Meine Methodik lässt sich auf fast alle hier kultivierten Organismen anwenden. Da ist das Potenzial, beispielsweise für die Entdeckung neuer bakterieller Stoffwechselprodukte und deren Nutzung im medizinischen oder biotechnologischen Umfeld fast unerschöpflich“, betont die Forscherin.

Das DSMZ fördert beide Nachwuchsgruppen in den kommenden Jahren nicht nur durch zusätzliche Gelder für Mitarbeiter. Das Braunschweiger Leibnitz-Institut stellt auch die entsprechende Laborausstattung zur Verfügung. Außerdem können sie auf die am DSMZ beheimatete umfangreiche Sammlung von Mikroorganismen, pflanzlichen Zellkulturen und Pflanzenviren zurück greifen.

bb

Im Meer tummeln sich unzählige Tiere, Pflanzen und Organismen, deren Potenzial noch weitestgehend unerforscht ist. Erste Kandidaten für neue Materialien oder Medikamente gibt es bereits. Die Haftkraft der Miesmuschel diente Forschern schon als Vorbild für neue Unterwasserklebstoffe. Die Braunalge Fucus vesiculosus  könnte hingegen ein Wirkstofflieferant für neue Krebsmedikamente sein. Mit der Weichkoralle Antillogorgia elisabethae rückt nun ein weiterer Kandidat für die Krebsmedizin in den Fokus. Die in der Karibik beheimatete Koralle bildet eine Naturstoff, mit dem sie sich vor Fressfeinden schützt.

Dieser Naturstoff namens Pseudopterosin wird wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung bereits in Hautcremes verwendet. Julia Sperlich von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der Technischen Hochschule Köln hat nun im Rahmen ihrer Doktorarbeit bewiesen, dass Pseudopterosin auch die Fähigkeit hat, aggressive metastasierende Brustkrebszellen am Wachstum zu hindern. Ihre Arbeit war Teil des Forschungsprojekts „Neue Wirkstoffe aus dem Meer“ und wurde durch das Programm „FH Struktur“ des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Die Ergebnisse der Untersuchung sind im Fachjournal „Marine Drugs“ erschienen.

Kommunikation von Immun- und Krebszellen stören

Weniger als 50% der Tumore bestehen aus Krebszellen. Das Wachstum des Tumors wird Sperling zufolge vor allem durch die an die Krebszellen angrenzenden Immunzellen stark beeinflusst. „Die Immunzellen haben zwei Seiten: Im Idealfall unterdrücken sie das Tumorwachstum. Unter bestimmten Umständen können sie den Krebs aber auch zu mehr Wachstum anregen“, erläutert Julia Sperlich. Die Doktorandin konnte beweisen, dass Krebszellen und Immunzellen über Entzündungsbotenstoffe, die sogenannten Zytokinen, miteinander kommunizieren. Sie suchte daher nach einem Weg, die Kommunikation zwischen Krebs- und Immunzellen zu stören und das Wachstum des Brustkrebses und damit die Fähigkeit zu Metastasieren zu verhindern. Dafür nutzte sie den als entzündungshemmend bekannten Korallenwirkstoff.

Naturstoff blockt Tumorwachstum

„Die Untersuchungen von Julia Sperlich haben erstmals den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus der antientzündlichen Wirkung von Pseudopterosin aufgedeckt. Sie konnte außerdem zeigen, dass die Entzündungsbotenstoffe, durch die die Tumorzellen mit den benachbarten Immunzellen kommunizieren, in Gegenwart des Naturstoffs blockiert werden“, erklärt die Leiterin des Forschungsprojektes, Nicole Teusch. Die Doktorandin hat damit den Weg zur Nutzung des Naturstoffs Pseudopterosin bei Tumorerkrankungen geebnet.

Naturstoff im Labor nachbauen

Noch sind weitere Forschungen nötig, bis der vielversprechende Krebswirkstoff aus dem Meer Brustkrebspatientinnen zu gute kommen kann. Sperlich zufolge soll der Naturstoff künftig im Labor „chemisch vereinfacht nachgebaut und gleichzeitig seine Wirksamkeit erhöht werden“. Damit sollen Eingriffe in das Ökosystem vermieden werden. Die Suche nach Partnern für die Herstellung des Naturstoffs sowie für klinische Tests hat bereits begonnen.

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Das Potenzial von Insekten ist seit Langem bekannt. In diesem Jahr hat die EU-Kommission nun auch die gesetzlichen Hürden zumindest hinsichtlich ihrer Nutzung in der Aquakultur aus dem Weg geräumt. Zu den zugelassenen "Nutzinsekten" für die Tierernährung gehört die Schwarze Soldatenfliege, die im Fokus der Forschung von Martin Tschirner steht. Mit den proteinreichen Insektenlarven von Hermetia illucens will der Berliner Agrarwissenschaftler eine Alternative zum weitverbreiteten Einsatz von Fischmehl und Soja in der Aquakultur schaffen. Im Projekt "InProSol" arbeitet er daher an einem tragfähigen Zuchtkonzept, um die Eiweißquelle für nachhaltiges Fischfutter marktreif zu machen.

Gegen Antibiotika resistent gewordene Keime sind eines der gefährlichsten Probleme der Humanmedizin, aber auch im Tierstall. Eine Lösung könnten Bakteriophagen sein. Dabei handelt es sich um Viren, die Bakterien als Wirt befallen, sich in ihnen vermehren und sie dadurch töten. Der Vorteil: Für menschliche, tierische und pflanzliche Zellen sind die Phagen völlig harmlos.

Alternative zu Antibiotika

Das Potenzial der Bakterienkiller ist seit Langem bekannt. Während östliche Länder wie Russland oder Georgien Phagen zur Therapie weiterhin nutzen und ganze Forschungseinrichtungen sich damit beschäftigen, gerieten sie in Deutschland und Westeuropa mit der Einführung von Penicillin als Antibiotikum in Vergessenheit. Mit dem zunehmenden Versagen der Antibiotika rücken die natürlichen Bakterienkiller nun wieder in den Fokus von Forschung und Anwendung. „Für jedes krank machende Bakterium gibt es einen passenden Phagen, der es zerstört. Man muss nur den richtigen finden. Dann lassen sich viele Infektionen bekämpfen – ganz ohne oder auch in Kombination mit Antibiotika“, betont Wolfgang Beyer von der Universität Hohenheim.

Klare Regeln für Phagen-Einsatz gefordert

Auf dem ersten Deutschen Bakteriophagen-Symposium an der Universität Hohenheim standen die winzigen Hoffnungsträger nun wieder im Fokus. Das Treffen wurde vom Forschungszentrum für Gesundheitswissenschaften der Universität Hohenheim organisiert. Über 150 Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik diskutierten darin Anfang Oktober in Stuttgart über das Potenzial der Bakterienkiller für Forschung und Anwendung. Beim Treffen forderten die Wissenschaftler vor allem klare Regeln für den Einsatz von Bakteriophagen, um die Forschung sowie die potenzielle Anwendung auf dem Gebiet zu beschleunigen.

Infektionen bei Mensch und Tier bekämpfen

Beyer zufolge würden sich schon heute mithilfe von Bakteriophagen bakterielle Infekte bei Mensch und Tier bekämpfen lassen. Das reicht vom Schnupfen über Durchfall bis hin zur Lungenentzündung. Meist könnte schon ein standardisierter Phagen-Mix helfen, wie er in östlichen Ländern erhältlich ist, argumentiert Beyer. „Es ist zwar nicht verboten, Phagen in Deutschland zu vertreiben. Um sie als zugelassenes Arzneimittel auf den Markt zu bringen, sind allerdings teure und langwierige Tests nötig“, erklärt der Hohenheimer Phagenexperte. Zudem erschweren fehlende Regularien die Phagen-Forschung.

Gleiches gilt auch für den Einsatz von Phagen in der Lebensmittelhygiene, um beispielsweise die Übertragung von Salmonellen durch Geflügelfleisch zu vermeiden. „Als Schutz gegen die Bakterien kann man Lebensmittel mit einer Phagenmischung besprühen oder auch die Hähnchen kurz vor der Schlachtung mit Phagen behandeln“, erklärt Beyer. Die Experten sind daher überzeugt, dass eine klare Regulierung den Einsatz der Bakterienkiller auf breiter Ebene beflügeln würde.

Erstes nationales Phagen-Forum gegründet

Mit der Gründung des „Nationalen Forums Phagen“ im Rahmen des Symposiums haben Vertreter von wissenschaftlichen Institutionen und Pharma-Unternehmen den Weg für die Stärkung der Phagenforschung hierzulande geebnet. Das Netzwerk will Akteure verschiedener Disziplinen wie etwa aus Medizin, Pharma, Landwirtschaft und Ernährung vernetzen und mit Zulassungbehörden kooperieren, um mithilfe von Bakteriophagen neue Lösungen für human- und veterinärmedizinische Therapien, Lebensmittelhygiene und Umweltsanierung zu entwickeln. Auch der Einsatz in Kosmetika ist vorgesehen. Darüber hinaus soll das neu gegründete Phagen-Forum Forschungsaktivitäten anschieben und eng mit bestehenden internationalen Netzwerken zusammenarbeiten.

bb

Stroh statt Styropor - das ist die Devise, mit der die Gründer des bayrischen Start-ups Landpack, Patricia Eschenlohr und ihr Mann Thomas, den Lebensmittelversand umkrempeln wollen. Der altbekannte Naturstoff punktet nicht nur wegen seiner bewährten Dämmeigenschaften, sondern vor allem wegen der Fähigkeit, Feuchtigkeit zu regulieren. Mit der "Landpack-Box" bieten die Jungunternehmer erstmals eine formstabile und umweltfreundliche Isolierverpackung aus Stroh, die Nahrungsmittel beim Versand frisch hält und im Haushalt problemlos im Biomüll entsorgt oder als Katzenstreu weiterverwendet werden kann.

An der Küste sind sie nicht sonderlich beliebt und mitunter sogar gefährlich: Quallen. Ob am Strand oder beim Baden im Meer - die glitschigen Nesseltiere sind meist eher lästig und für viele auch ekelig. In den vergangenen Jahren traten die Meerestiere zu allem Überfluss auch noch vermehrt massenhaft auf. Der Grund: Durch die Eingriffe des Menschen in das marine Ökosystem geht die Zahl der Fische zurück, wodurch Nahrungskonkurrenten und Fraßfeinde der Quallen verschwinden. Doch der Quallenzuwachs könnte vielleicht sogar nützlich sein.

Quallen als neuer mariner Rohstoff

Im Projekt „GoJelly“ will ein internationales Forscherteam in den kommenden Jahren beweisen, dass die Organismen durchaus auch sinnvoll genutzt werden können. Dabei haben die Forscher Quallen als Mikroplastikfilter oder Biomasse zur Herstellung von Dünger oder Fischfutter im Blick. Das Projekt wird vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel koordiniert und von der Europäischen Union über vier Jahre mit 6 Mio. Euro gefördert. „Quallen können Rohstoffe für verschiedenste Verwendungszwecke liefern. Es wäre unsinnig, dieses Potenzial nicht zu nutzen, zumal uns die zugrunde liegende Biomasse immer wieder direkt vor die Haustür schwimmt“, erklärt Jamileh Javidpour vom GEOMAR, Initiatorin und Koordinatorin von GoJelly.

Basis für breite Biomassenutzung

Die Schwärme abfischen und sinnvoll nutzen, bevor sie an Land gespült werden, ist das große Ziel des Konsortiums. Das Einsatzspektrum der glitschigen Meerestiere ist dabei größer als gedacht. „Erste Studien haben gezeigt, dass Schleim von Quallen Mikroplastik binden kann. Wir wollen also ausprobieren, ob aus Quallen Biofilter hergestellt werden können. Die könnten dann in Klärwerken oder in Fabriken eingesetzt werden, in denen Mikroplastik anfällt“, erklärt Javidpour. Darüber hinaus könnten Quallen als Fischfutter aber auch für landwirtschaftlichen Dünger oder Quellstoffe genutzt werden, die in Trockengebieten Bodenwasser speichern. „Futter aus Quallen wäre deutlich nachhaltiger und würde die Wildfischbestände schonen“, betont die Biologin. Die Forscher sind zuversichtlich, dass Quallen zukünftig sogar als Nahrungsmittel aber auch für die Kosmetikindustrie von Bedeutung sein könnten.

Quallenblüten vorhersagen

Doch zunächst müssen die GoJelly-Forscher einen tieferen Einblick in die bisher kaum erforschte Lebensweise der verschiedenen Quallenarten bekommen. Auch wie und wo es zu einer großen Quallenblüte kommt, ist bisher nicht vorhersehbar. Das Kieler Team wird daher untersuchen, welche ökologischen Auslöser die Bildung von Quallenblüten in verschiedenen geografischen Gebieten und ökologischen Systemen bestimmen. Diese Informationen sollen später für eine interaktive Online-Karte und eine App genutzt werden, die Quallenblüten vorhersagen können.  Darüberhinaus wollen die Forscher am GEOMAR ein neuartiges Zuchtbecken für Quallen entwickeln, um Versuche zur Akklimatisierung von Quallenarten in der Gefangenschaft vorzubereiten.

bb