Insekten-Kost: Proteinquelle mit Zukunft

Insekten-Kost: Proteinquelle mit Zukunft

In vielen Teilen der Welt ernähren sich Menschen bereits von Insekten. Sie stecken voller hochwertiger Proteine, sie sind leicht und ressourcenschonend in großen Mengen zu züchten. Damit können sie einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten. Seit 2018 ist die EU-Marktzulassung für essbare Insekten einheitlich geregelt. Ein Dossier zum Thema Insekten-Food.

Insekten sind eine proteinreiche Kost mit Zukunft.
Insekten sind eine äußerst proteinreiche Kost, die auch nachhaltig ist.

In den Industrieländern decken die Menschen bis zu 70% ihres Proteinbedarfs aus tierischen Quellen. Die Land-, Wasser- und Energieressourcen, die in die Aufzucht von Rindern, Schweinen, Geflügel oder Fisch gesteckt werden, sind immens. Bis 2050 werden bis zu neun Milliarden Menschen auf der Welt leben. Um ihren Hunger zu stillen, werden nach Angaben der UN-Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organisation) bis zu 265 Millionen Tonnen zusätzlich an Proteinen pro Jahr benötigt. Ein Teil der Lösung könnten proteinreiche Insekten sein. Die Kerbtiere werden als Rohstoff immer interessanter und könnten in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Welternährung werden. In ihrem Bericht „Edible Insect“ empfiehlt die FAO das Insektenessen ausdrücklich. Mit der neuen Novel-Food-Verordnung ist Insekten-Food auch in der Europäischen Union nun auf den Vormarsch in die Supermarktregale. Das hat bereits eine Reihe junger Unternehmen hervorgebracht.

Insekten als Proteinquelle

Insekten sind reich an hochwertigen Proteinen und stellen bereits für zwei Milliarden Menschen – knapp ein Drittel der Weltbevölkerung – einen natürlichen Bestandteil ihrer Ernährung dar. Insekten weisen einen durchschnittlichen Fettgehalt von 13% bis 33% auf. Ihr Energiewert ist vergleichbar mit dem von Fisch. Außerdem enthalten Insekten Ballaststoffe und – je nach Spezies – eine Vielzahl von Mikronährstoffen und Vitaminen. Vor allem in Asien, Australien, Zentral- und Südamerika befinden sich Maden, Raupen, Würmer, Heuschrecken oder Termiten auf dem Speiseplan. Etwa 1.900 Insektenarten sind essbar und werden von ca. 3.000 ethnischen Gruppen in 113 verschiedenen Ländern als Proteinquelle genutzt. Die Tiere können in allen erdenklichen Zubereitungsformen verzehrt werden. Meist werden sie jedoch gegrillt, geröstet oder schlicht getrocknet. Am häufigsten werden Käfer und ihre Larven (30%), gefolgt von Schmetterlingen (18%) und Hautflüglern wie Bienen, Wespen und Hummeln (14%) verzehrt. Weitere Arten sind Heuschrecken (13%), Termiten (3%) und Zweiflügler, wie Fliegen und Mücken (2%).

Reich an Gesundmachern wie Vitamine und Fettsäuren

Es gibt eine Reihe gesundheitlicher Vorteile, die für das Verspeisen von Insekten sprechen, was im Fachjargon „Entomophagie“ genannt wird. Nahrungsmittel aus Insekten können vergleichbare Nahrungsmittel aus Fisch und Fleisch in ihrer Nährstoffbilanz „überbieten“: Sie sind häufig sehr proteinreich und verfügen über ein hohes Maß an Vitaminen, Mineralstoffen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Einzelne Insektenarten verfügen über bis zu 80% Protein, während andere einen hohen Gehalt an Vitaminen aufweisen. So lässt sich beispielsweise mit 100 Gramm Raupen, den Larven von Schmetterlingen oder Motten, bereits 76% des täglichen Eiweißbedarfes und nahezu 100% des empfohlenen Bedarfes an Vitaminen decken.

Andererseits ist der prozentuale Anteil genießbaren „Fleisches“ bei den Insekten grundsätzlich höher: Während mindestens 80 Prozent einer Heuschrecke essbar ist, kommt bei Rindern nur etwa 40 Prozent des Tieres auf den Teller.

Insekten ressourcenschonend züchten

Neben ihren gesundheitlichen Vorteilen können Insekten auch mit ihrer Ressourceneffizienz punkten – zu einer alsökologisch und ethisch sinnvollen Alternative zu Fleisch. Insekten sind verhältnismäßig anspruchslos in der Aufzucht und produzieren deutlich weniger Treibhausgase als Schweine oder Rinder. Außerdem benötigen sie nur ein Zehntel so viel Land, um sie in großen Massen zu züchten.

Dies liegt neben der hohen Konversionsrate (Verhältnis eingesetzte Ressourcen: gewonnenes Protein) auch an dem großen essbaren Anteil der Tiere. Rechnet man bei Grillen zum Beispiel das Außenskelett aus unverdaulichem Chitin und die Beine ab, so bleiben immerhin noch etwa 80% des Körpergewichtes übrig, die verzehrt werden können. Bei Schweinen und Hühnern sind es etwa 55%, bei Rindern nur 40% des Körpergewichts. Die Zucht und Produktion von Heuschrecken verbraucht laut der Welt­ernährungsorganisation bis zu zwölfmal weniger Futter als die der äquivalenten Menge Rindfleisch. Hierdurch kann der Wasser- und Flächenverbrauch verringert werden. Bei der gleichen erzeugten Proteinmenge wird nur etwa ein Hundertstel der Treibhausgasmenge emittiert. Die vergleichsweise sehr gute Ressourceneffizienz der Insektenzucht ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: Einerseits sind die Insekten Kaltblüter, was bedeutet, dass sie ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln, sondern sich der Temperatur der Umgebung anpassen. Das Regulieren der eigenen Körpertemperatur, für das übliche Zuchttiere eine Menge Energie verbrauchen, sparen sich die Insekten.

Insekten werden in sogenannten Insektenfarmen gehalten: Manche Insektenarten, wie zum Beispiel die Larven der Schwarzen Soldatenfliege, können außerdem mit Agrarabfällen und Lebensmittelresten gefüttert werden. Dies ermöglicht eine ressourcenschonende Nutzung. Allerdings sind hier noch weitere Studien zur Effizienz und Lebensmittelsicherheit nötig sowie eine entsprechende Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen. In Fachkreisen wird in der einfachen Implementierung einer Insektenzucht in konventionelle landwirtschaftliche Betriebe ein beachtenswertes wirtschaftliches und ökologisches Potenzial gesehen. Nährstoff- und Energiekreisläufe könnten mit der Insektenzucht verbessert werden, und sie könnten eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirte darstellen.

Insekten als Tierfutterzusatz

Bis zum Jahr 2050 wird Prognosen zufolge der Fleisch- und Fischkonsum der Weltbevölkerung um 70% steigen. Eiweißreiches Futter, um die Tiere zu mästen, ist jedoch bereits jetzt Mangelware. Eine vielversprechende alternative Proteinquelle sind Insekten. Ihr durchschnittlicher Proteingehalt liegt zwischen 35 und 77% und könnte vor allem in der Futtermittelindustrie Soja, Mais oder Fischmehl ergänzen.

Seit Juli 2017 erlaubt die EU-Kommission die Verwendung von Insektenproteinen für die Aquakultur. Insektenmehl als Eiweißquelle ist dem Fischmehl sehr ähnlich und könnte somit helfen, den Druck auf die natürlichen Fischbestände zu reduzieren. Rund die Hälfte des weltweit verzehrten Fisches stammt bereits aus Aquakulturen. Doch um die Ökosysteme wirklich zu entlasten, muss die Fischzucht dringend nachhaltiger gestaltet und auf Fischmehl und Fischöl aus Wildfangbeständen verzichtet werden. Eiweißreiche Insektenlarven haben hier ein besonders großes Potenzial, denn bei der Verarbeitung der Insekten wird neben dem Eiweiß auch ein hochwertiges Fett gewonnen, welches dem Palmkernöl ähnelt und vielfältig einsetzbar ist.

Sieben Insektenarten für Tierfutterproduktion zugelassen

Insgesamt sieben Insektenarten (Schwarze Soldatenfliege, Hausfliege, gelber Mehlwurm, kleiner Mehlwurm, Hausgrille, Streifengrille und Feldgrille) dürfen in der EU zur Erzeugung von Futtermitteln gezüchtet werden. Die Wissenschaft und Industrie interessiert sich dabei besonders für die Larven der schwarzen Soldatenfliege Hermetia illucens. Sie können den Mist, der im Stall anfällt, in Körpermasse mit bis zu 42% Eiweiß und 35% Fett umwandeln. Außerdem entsprechen die Inhaltsstoffe eines aus Hermetialarven hergestellten Mehls, in etwa dem von Fischmehl, was die Formulierung von Proteinmehls erleichtert. In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt „InProSol – Innovative Protein Solutions“ arbeiten Wissenschaftler daher an einem tragfähigen Zuchtkonzept, um die Eiweißquelle für nachhaltiges Fischfutter marktreif zu machen. Die Idee ist es, regionale Restströme aus der Landwirtschaft als Nährstoffsubstrate für die Larven zu nutzen. Denn als saprophage Lebensform kann die Soldatenfliege fast alle organischen Reststoffe verwerten. „Gelingt die großskalige Produktion von Insektenmehl, dann erhalten wir ein nachhaltiges Futtermittel mit dauerhafter Verfügbarkeit, kontrollierter Qualität und Sicherheit sowie stabilen Preisen“, erläutert. Werner Kloas, Leiter der IGB-Abteilung Ökophysiologie und Aquakultur. „Hier können Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit im Sinne der Bioökonomie ideal verknüpft werden.“

Insekten, die in der EU zur Erzeugung von Lebensmitteln, Futtermitteln oder anderen Zwecken gehalten werden, zählen formal zu den Nutztieren und unterliegen den allgemeinen EU-Futtermittelvorschriften. Sie dürfen nicht mit bestimmten Materialien wie Gülle, Küchen- und Speiseabfälle oder verarbeiteten ehemaligen Fleisch- oder Fischprodukten gefüttert werden.

Insekten als neuartige Lebensmittel

Während Insekten in vielen Teilen der Welt von Menschen verzehrt werden, ist Insekten-Food nun auch in Europa immer öfter zu finden. In den vergangenen Jahren war die Marktzulassung aber nicht einheitlich geregelt. In den Niederlanden oder Belgien sind Lebensmittel aus Insekten bereits seit 2015 unter bestimmten Bedingungen vermarktbar. In der Schweiz sind Grillen, Wanderheuschrecken und Mehlwürmer seit Mai 2017 als Lebensmittel zugelassen. Dort stehen bereits Insekten-Burger oder Hackbällchen aus Insektenfleisch in den Regalen großer Supermarktketten. Seit Januar 2018 gilt nun eine einheitliche EU-Verordnung, wonach essbare Insekten als neuartige Lebensmittel aufzufassen sind.

Insekten fallen unter die neue Novel-Food-Verordnung

Seit 1. Januar 2018 fallen Insekten in der EU unter die sogenannte Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283. Damit wird geregelt, wie aus Insekten hergestellte Produkte in den Handel gebracht werden. Die neue Verordnung schließt die bisher bestehende Rechtslücke und harmonisiert die unterschiedlichen Vorgehensweisen innerhalb der Europäischen Union.

Novel Food oder „neuartige Lebensmittel“ sind Nahrungsmittel und Zutaten, die bisher in der EU nicht auf den Speiseplänen standen. Genauer: alle Lebensmittel, die in der EU vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang im Handel waren oder verzehrt wurden und einer in der Novel-Food-Verordnung genannten Lebensmittelkategorie zugeordnet werden können.

Mit der EU-Verordnung gilt fortan: Alle Insekten oder insektenhaltige Produkte, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden sollen, müssen vorab gesundheitlich bewertet und zugelassen werden. Insekten – sowohl ganze Tiere als auch Teile davon – werden in der neuen Verordnung explizit genannt. Mit der neuen Verordnung ändert sich auch das Genehmigungsverfahren. Hersteller brauchen nun eine Zulassung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die EFSA. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet die Antragsunterlagen der Hersteller, die den Mitgliedstaaten nur noch zur Kenntnis gegeben werden. Alternativ, und das ist seit dem 1. Januar 2018 ebenfalls neu, kann in manchen Fällen auch das neue Anzeigeverfahren für traditionelle Lebensmittel aus einem Drittstaat genutzt werden, wenn belegt werden kann, dass das Lebensmittel dort seit mindestens 25 Jahren verzehrt wurde und keine Sicherheitsbedenken auftraten. Es ist vorstellbar, dass einige Lebensmittel aus bestimmten Insektenarten über diesen Weg eine Zulassung für den europäischen Lebensmittelmarkt erhalten.

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Risikobewertung

Ehe sie in deutschen Supermarktregalen landen, müssen mögliche toxikologische und mikrobiologische Risiken erforscht und bewertet werden. Ebenso ist die Frage nach dem allergenen Potenzial eines Insekts zu klären. Denn es gibt Hinweise auf Kreuzallergien mit Krustentieren. Für jede Insektenart ist eine gesundheitliche Risikobewertung notwendig. Solche Untersuchungen zur biologischen Sicherheit werden zum Beispiel vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführt. Auf diese Daten stützt sich die EFSA bei ihrer Bewertung der Zulassungsanträge.

Unternehmen mit Fokus Insekten-Food

In den Niederlanden sind eine Reihe ganz neuer Firmen entstanden, die Insekten zu Proteinriegeln oder Nudeln und Brot verarbeiten. Doch auch in Deutschland gibt es bereits einige Start-ups, die mit Insektenburgern oder Protein-Riegeln in den Startlöchern stehen. Das Start-up Bugfoundation bietet Insektenburger an, deren Bulette zu 50% aus gemahlenen Buffalo-Würmern bestehen. Vergangenes Jahr konnten sie den „Bux Burger“ erfolgreich auf dem niederländischen Markt platzieren. Das Kölner Start-up SWARM Protein entwickelt wiederum Fitnessriegel auf der Basis von Insektenprotein.

Akzeptanz: Insektenfood schmackhaft machen

In westlichen Industrienationen gilt der Verzehr von Insekten noch als Exotenprodukt, mit dem Gourmets-Restaurants ihre Kunden locken. Doch seit einigen Jahren wird auch in Europa und Nordamerika die Verwendung von Insekten als Nahrungsmittel stark vorangetrieben. Für Wissenschaftler sind die Krabbeltiere das Steak von morgen. Doch wie stehen Verbraucher dazu? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 2016 eine repräsentative Umfrage zu diesem Thema durchgeführt.

Der Umfrage nach würde die Mehrheit der Deutschen Insekten zwar als Tierfutter befürworten, als Lebensmittel seien sie jedoch zurückhaltender. Nur jeder zehnte Deutsche, der noch nie Insekten gegessen hat, kann sich vorstellen die Türe künftig in sein Menü aufzunehmen. Viele haben zwar schon von essbaren Insekten gehört, doch nur zehn Prozent haben sie schon einmal probiert, zumeist im Urlaub in Südostasien. Etwa 30 Prozent würden sie immerhin probieren. Rund 60 Prozent lehnen die Krabbeltiere vor allem aus Ekel ab. Auch wenn gesundheitliche Risiken durch die Übertragung von Krankheiten der Insekten eher nicht befürchtet werden müssen, die Mehrheit der Befragten würde Insekten nicht essen. Doch die Experten sind überzeugt, dass die Barriere mit Forschung und Aufklärung abgebaut werden kann.

Die Experten gehen ohnehin davon aus, dass nicht etwa ganze Insekten sondern vielmehr verarbeitete Produkte wie etwa Nudeln aus gemahlenen Mehlwürmern auf dem Lebensmittelmarkt erfolgreich sein können. Sobald man Beinchen und Fühler nicht mehr erkennt, dürfte die Ekel-Barriere weiter sinken und die Akzeptanz der Verbraucher deutlich gesteigert werden.

Redaktion: Helene Märzhäuser, Philipp Graf