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Der Bundesverband der Bioethanolwirtschaft hat eine Studie zu agrarökonomischen Auswirkungen der Biokraftstoffproduktion veröffentlicht und reagiert damit auf öffentliche Kritik. Entwicklungsorganisationen kritisieren, die Erzeugung des Kraftstoffes mit Biomasse treibt die Agrarpreise in die Höhe. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) hält diese These wegen wissenschaftlicher Unsicherheiten für nicht belegbar. In einer Auftragsstudie analysierten Berliner Wissenschaftler nun den aktuellen Kenntnisstand. Ihre Ergebnisse präsentierten die Forscher am 3. Juli bei einer Pressekonferenz in Berlin. Demnach sind die Auswirkungen auf Preisentwicklungen jedoch weitaus geringer als hinlänglich behauptet.  

Verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die britische Oxfam, die sich dem Kampf gegen Hunger und Armut verschrieben hat, kritisieren die Produktion und politische Förderung von Biokraftstoffen aus Nahrungsmitteln. Die Erzeugung wirke sich negativ auf die Agrarpreise aus und ist für eine zunehmende Flächennutzung verantwortlich. Würde die Politik die Förderung der Biokraftstofferzeugung beenden, hätte das eine sinkende Nachfrage und damit eine Preissenkung aller Agrarprodukte zur Folge. Im Falle von Getreide, das auch zur Bioethanolherstellung genutzt wird, würde die EU von einem Exporteur zu einem Importeur werden. Der Beitrag zum Klimaschutz sei zudem fragwürdig, das Bild eines CO2-neutralen Kraftstoffs sei verzerrt. Das sind einige der Argumente, die derzeit in der öffentlichen Debatte zum Für und Wider von Biokraftstoffen angeführt werden. „Ein Minus an Biosprit ist ein Plus für die Ernährungssicherheit. Niedrigere Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe können die Preise in Regionen, in denen viele Menschen unterernährt sind, sinken lassen. Menschen in Armut könnten davon profitieren“, betonte Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland Ende des vergangenen Jahres in einer öffentlichen Stellungnahme der Entwicklungsorganisation.

Studie sagt: Ja, aber...

Um aufzuklären, inwieweit diese Debatte wissenschaftlich fundiert ist, hat der BDBe eine Studie in Auftrag gegeben. Darin haben die Agrarökonomen Harald von Witzke von der Humboldt-Universität Berlin und Steffen Noleppa vom Agripol Network for policy advice vorhandene Studienergebnisse zur Thematik aus den vergangenen beiden Jahren miteinander verglichen. Darunter auch jene Publikationen, die Kritikern als Basis für ihre Beurteilung dienten. Ihren Ergebnissen nach trage Biotehanol zwar zum Anstieg von Agrarpreisen bei. Wahrscheinlich jedoch bei weitem nicht so hoch, wie von den Kritikern konstatiert. „Die Konzentration auf Biokraftstoffe in der öffentlichen Debatte um die globale Ernährungssituation lenkt von den wesentlichen Gründen anhaltenden Hungers in der Welt ab“, schlussfolgerte von Witzke in Berlin. Die Argumentation könne zudem zu nicht zweckmäßigen politischen Entscheidungen führen, die das Hungerproblem verstärken, warnt der Professor.  

Wissenschaftliche Unsicherheiten

Eine weitere wesentliche Feststellung der Forscher: Es handle sich bei der Argumentation der Bioethanol-Skeptiker um eine selektive Informationspolitik. „Häufig werde bei Studien nur ein einzelner Autor zitiert“, so Noleppa. „Dort werden auch nur die maximalen jeweils ermittelten Preiseffekte artikuliert.“ Zu anderen Behauptungen mancher NGOs  gebe es keine wissenschaftliche Literatur, so sei laut der Kritik mit 30 bis 442 Millionen weiteren Hungernden durch die Biokraftstoffwirtschaft zu rechnen. In vielen Modellen würden zudem positive Koppeleffekte der Bioethanolherstellung außer Acht gelassen. Die Gewinnung gehe Zulasten der Stilllegungsflächen und Nebenprodukte wie Proteinfutter für Vieh fielen an, so von Witzke. Alles in allem berechnen die Ökonomen den reinen Effekt des Bioethanols auf die Weltmarktpreise auf weit unter 1 Prozent. Der Wert liegt damit niedriger als etwa bei Biodiesel. Wiederholt wiesen die Forscher auf den bisherigen Forschungsstand und die geringe Erfahrung mit Biokraftstoffen hin. „Es steht außer Frage, dass auch Biokraftstoffe die Nachfrage nach Agrarprodukten erhöhen. Die tatsächlichen Auswirkungen der Biokraftstofferzeugung und deren Verbrauch zu bestimmen, erfordert noch weitere Forschungsanstrengungen“, betonte von Witzke. „In der Tat geht es um Landnutzungskonflikte, die Faktoren sind jedoch vielfältig." 

Wissenschaftliche Einigkeit

Zumindest in diesem Punkt dürfte sich Oxfam und der BDBe einig sein. Modellanalysen zu Intensivierungs- und Landnutzungseffekten seien komplex und mit Unsicherheiten behaftet, schreiben Wissenschaftler um Harald Grethe von der Universität Hohenheim in einer von Oxfam in Auftrag gegebenen Studie. Das rechtfertige jedoch nicht, die durch die Biokraftstoff-Nachfrage verursachten Effekte zu ignorieren. Stattdessen sollte die wissenschaftliche Praxis der Bewertung von Landnutzungs- und Intensivierungseffekten kontinuierlich verbessert werden, heißt es dort weiterhin.  

Laut den Berliner Forschern seien Variablen wie steigende Energiepreise und limitierte Ressourcen mit rasant wachsender Bevölkerung und Nachfrage tragende Einflussfaktoren für den Agrarpreis-Trend.

Auf einer Fläche von mehr als einer Million Hektar wird in Deutschland ökologische Landwirtschaft betrieben. Auch künftig soll der Ökolandbau hierzulande eine wichtige Rolle spielen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am 9. Juli nach einem Treffen mit Vertretern des Bundes für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in Berlin betont. Um die Biobranche zu schützen, kündigte der Minister zudem an, sich für Änderungen an der von der EU-Kommission geplanten Revision der EU-Öko-Verordnung einzusetzen. Mit dem BÖLW wurde zudem ein „Zukunftsplan Öko“ verabredet.

Deutschland ist mit Abstand der größte Markt für Bio-Lebensmittel in Europa, belegen Zahlen des Bundesminsiteriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Bei der weltweiten Nachfrage steht Deutschland mit einem Umsatz von 7,55 Miliarden Euro demnach an zweiter Stelle. Nur der US-Markt ist noch größer. Im vergangenen Jahr wurden 1.060.669 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche hierzulande ökologisch bewirtschaftet, eine Fläche etwa halb so groß wie Hessen. Gegenüber dem Jahr 2012 vergrößerte sich die Anbaufläche für Bio-Erzeugnisse um knapp zwei Prozent. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Unternehmen, die 2013 ökologischen Landbau praktizierten, blieb mit 23.271 Betrieben hingegen weitgehend stabil (Anstieg um 0,2 Prozent  gegenüber 2012).

Ökolandbau mit 160 Millionen Euro gefördert

Das BMEL misst der ökologischen Landwirtschaft einen hohen Stellenwert bei. „Im Ökomarkt steckt großes Potenzial. Nahrungsmittel aus ökologischer und regionaler Erzeugung werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer mehr nachgefragt“, sagte Minister Schmidt in Berlin. Sein Haus wolle die  Branche weiter gezielt fördern. „Zu Beginn des Jahres haben wir deshalb die Fördersätze in der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes erneut erhöht“, so der Minister weiter. Auch für 2014 sei eine weitere Anhebung der Fördersätze geplant. Insgesamt haben Bund, Länder und EU die ökologische Landwirtschaft im Jahr 2013 mit mehr als 160 Millionen Euro gefördert. In der Branche wird die Unterstützung dankbar registriert. „Minister Schmidt räumt der ökologischen Lebensmittelwirtschaft einen hohen Stellenwert ein. Er will vor allem das Wachstumspotenzial für die stark nachgefragten heimischen Bio-Lebensmittel besser nutzen“, resümierte der Vorsitzende des Bio-Dachverbandes BÖLW, Felix Prinz zu Löwenstein, anlässlich des Treffens mit dem Bundesminister. In Berlin vereinbarten die beiden zudem, dass das Umweltministerium gemeinsam mit einer Reihe von Verbänden einen „Zukunftsplan Öko“ zu erarbeiten, um die Branche weiter zu stärken. In den kommenden Monaten soll es dazu weitere Gespräche geben.

Ablehnung des Kommissionsentwurfs für eine neue EU-Öko-Verordnung

Während des Gedankenaustausches wurde auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Biobranche diskutiert. Einig sei man sich in der Bewertung der EU-Kommissionsvorschläge für eine neue Öko-Verordnung. Zum zweiten Mal seit ihrem Bestehen 1992 soll das europäische Regelwerk, es bildet den Rechtsrahmen für Bio-Lebensmittel, komplett reformiert werden. Ende März 2014 hat die Europäische Kommission dazu einen Entwurf vorgelegt, der auf eine vollständige Neufassung der Verordnung abzielt. Mit deutlichen Worten hat Bundesminister Schmidt sich nun dagegen positioniert: „Die Entwicklungschancen des Ökolandbaus dürfen nicht durch unberechtigte und überzogene rechtliche Hürden behindert werden. Wir dürfen nicht riskieren, dass insbesondere kleine und mittlere Betriebe reihenweise aus dem ökologischen Landbau aussteigen, weil sie die überzogenen Anforderungen schlichtweg nicht mehr erfüllen können.“Auch Verbandvertreter Löwenstein wirbt für eine Überarbeitung der bestehenden Verordnung statt einer vollständigen Neufassung. Der bisherige Kommissionsentwurf sei  ungeeignet, die deutsche Bio-Lebensmittelproduktion zu stärken und konterkariere Verbraucherinteressen. „Jetzt kommt es darauf an, dass Minister Schmidt im EU-Rat eine Mehrheit gegen den Entwurf der EU-Kommission und für eine sinnvolle Weiterentwicklung der bestehenden Verordnung hinter sich versammelt“, forderte Verbandschef Löwenstein.

In einer Bioraffinierie-Demonstrationsanlage im dänischen Kalundborg ist aus Stroh und anderen Reststoffen Bioethanol hergestellt worden. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum in Leipzig hat mitgeholfen, die Technik zur Marktreife zu bringen. Das Forschungsprojekt Kalundborg Cellulosic Ethanol Plant (Kacelle) wurde im Rahmen des 7. Rahmenforschungsprogramms der Europäischen Union gefördert. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse startet in Dänemark nun der Bau einer kommerziellen Anlage.

Die Konkurrenz von Energiepflanzen- und Lebensmittelproduktion hat in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen über die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffproduktion geführt. Um diesen Gegensatz zu vermeiden, zielen daher inzwischen viele Forschungsprojekte darauf ab, besonders genügsame Pflanzen zu finden, die auf Böden wachsen, die sich nicht für die Lebensmittelproduktion eigenen. Ein anderer Ansatz ist, Agrarreststoffe wie Holzhackschnitzel oder Stroh zu nutzen, die sich nicht als Lebensmittel eignen. Genau diese Herangehensweise wurde auch bei Kacelle gewählt: Ziel in dem zwischen 2009 und 2013 durchgeführten Projekt war es, Alkohol auf Basis von Lignocellulose – im wesentlichen Getreidestroh – im industriellen Maßstab zu produzieren.

Für Lignocellulose-Verdau sind besondere Hefen nötig

Lignocellulose ist ein komplexes Zuckermolekül, welches vor allem in Zellwänden eingelagert ist. Die erste Generation der Bioraffinerien nutzte vor allem Stärke, eine Zuckerkette aus zahlreichen aneinandergereihten Glukose-Molekülen für die Energiegewinnung. In Agrarreststoffen ist aber nur wenig Stärke enthalten. Der Zucker ist dort in Form von Cellulose, Hemicellulose und Lignin gespeichert. Das Problem: Lignocellulose nutzt nicht wie Stärke nur Glucose als Zuckerbaustein, es kommen auch andere Zucker wie Xylose und Arabinose zum Einsatz. Weil diese Zucker aber nicht wie Glukose aus sechs sondern nur fünf Kohlenstoffatomen bestehen, können die bisher für die Ethanolproduktion verwendeten Hefen sie nicht verdauen. Es müssen also speziell gezüchtete Hefen eingesetzt werden, die neben der Glucose auch die anderen Zucker zu Ethanol vergären können.

Sechs Projektpartner aus Skandinavien, Portugal und Deutschland

An dem Projekt haben neben dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) vor allem skandinavische Partner mitgearbeitet: Das dänische Unternehmen Inbicon, dass zur Dong Energy-Gruppe gehört, stellte die eigentliche Bioraffinerie-Anlage in Kalundborg zur Verfügung und entwickelte das grundlegende technische Verfahren, mit dem sich aus Getreidestroh und anderer Lignocellulose-Biomasse Bioethanol herstellen lässt. Es kann zum Beispiel Benzin beigemischt werden und hilft so, den Verbrauch fossiler Energie im Staßenverkehr zu senken. Mit der Inbicon-Technik werden zudem zwei weitere erneuerbare Energieprodukte aus landwirtschaftlichen Reststoffen erzeugt: Ligninpellets, welche Kohle ersetzen und C5-Molasse, die als "Biogas-Booster" verwendet werden kann.

Vor der Nutzung als Kraftstoffbeimischung wurde das produzierte Bioethanol vom norwegische Erdöl- und –gaskonzern Statoil in Motor-Prüfständen und Fahrzeugen zunächst intensiv erprobt und charakterisiert. Die Universitäten in Kopenhagen, Dänemark, und Braga, Portugal, haben erforscht, wie sich die in der Raffinierie verwendeten Enzyme wiederverwerten lassen, um so die Produktionskosten zu senken.

Das niederländische Unternehmen DSM wiederum entwickelte Hefestämme und Enzyme, die auch die Fünffachzucker verdauen konnten und sorgte so für eine wesentlich höhere Ausbeute. Als Projektpartner war das DBFZ mit der Analyse und Bewertung der Treibhausgasemissionen und der Wirtschaftlichkeit der Ethanol-Produktionskette beauftragt. In mehreren Szenarien wurden hierbei die Treibhausgasemissionen durch eine detaillierte Lebenszyklusanalyse (LCA) des hergestellten Bioethanols ermittelt. In ähnlicher Weise hat das DBFZ auch die wirtschaftlichen Aspekte analysiert und vor dem Hintergrund des aktuellen Treibstoffmarkts die Kosten für die Ethanolherstellung kalkuliert.

In Jütland entsteht eine kommerzielle Bioraffinerie

Insgesamt haben die Projektpartner so die gesamte Wertschöpfungskette von der Bereitstellung der Biomasse über die Konversion der Lignocellulose in der Ethanol-Anlage bis hin zur Bereitstellung des Ethanols für die Nutzung in Kraftfahrzeugen abgedeckt. So gelang es, die Technik vom Demonstrationsprojekt zu einem marktfähigen Konzept auszugestalten. „Durch eine Verringerung der Produktionskosten und eine Steigerung des Ethanolertrags um 40 %, konnte die Wirtschaftlichkeit der Lignozellulose-Ethanol-Technologie im Laufe des Kacelle-Vorhabens massiv verbessert werden. Die untersuchte Technologie wird derzeit bereits im industriellen Maßstab in Dänemark aufgebaut", so Konstantin Zech vom DBFZ in Leipzig. Erst Anfang Juli gewährte die Europäische Union rund 39 Mio. Euro Fördermittel für den Aufbau einer kommerziellen Bioraffinerie im dänischen Jütland. Dort sollen ab 2017 pro Jahr rund 80 Millionen Liter Bioethanol produziert werden. Zum ersten Mal überhaupt sollen in dem Komplex zeitgleich Wärme, Strom und Gas aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden.

Der französische Konzern Lesaffre übernimmt den Biokraftstoff-Spezialisten Butalco. Bisher verdiente Lesaffre sein Geld vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten für die Lebensmittelindustrie. Mit Hilfe der neuerworbenen Butalco GmbH will das Unternehmen nun auch in der Bioethanol-Produktion weiter Fuß fassen. Gelingen soll dies unter anderem mit speziellen Hefestämmen, die in der Lage sind, Biomasse besonders effizient umzusetzen. Entwickelt wurden die Turbohefen von Butalco an der Universität Frankfurt.

Hefen sind die Arbeitspferde in der industriellen Biotechnologie. Sie werden genutzt, um aus Biomasse wertvolle Rohstoffe wie Plattformchemikalien oder Bioethanol herzustellen. Damit das möglichst effizient gelingt, werden in der industriellen Biotechnologie fast ausschließlich speziell entwickelte Produktionsstämme eingesetzt. Sie werden maßgeschneidert für die jeweilige Anwendung entwickelt, um gezielt ein bestimmtes Produkt herzustellen oder einen bestimmten Stoff umzuwandeln. Durch diese Anpassungen sind die Hefen aus dem Labor den in der freien Natur vorkommenden Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae überlegen. Das hilft Abfälle zu vermeiden und Kosten zu sparen.

Turbohefen für effizientere Fermentation

Butalco hat sich auf genau diese Arbeiten spezialisiert. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz hat gentechnisch veränderte Hefestämme entwickelt, die in der Lage sind, Fünffachzucker umzusetzen. Genau dies ist bisher eine Schwäche vieler industriell genutzter Hefen. Sie sind bei ihrer Kost äußerst wählerisch. „Das Problem liegt in der Zuckeraufnahme in die Hefezelle“, sagt Eckhard Boles, einer der Mitgründer von Butalco. „Das Zuckertransportsystem bevorzugt die Aufnahme von Glucose. Erst wenn diese verbraucht ist, kann auch die Xylose aufgenommen und in Bioethanol umgewandelt werden“, erläutert Boles im Gespräch mit . Dieses mehrstufige Vorgehen macht die Verfahren unter dem Strich aufwendiger und verursacht höhere Kosten. Die von Butalco entwickelten Turbohefen haben in ihrer Membran zusätzlich spezielle Xylose-Transporter, so dass sie gleichzeitig Glucose und Xylose aufnehmen und damit deutlich schneller zu Bioethanol umsetzen.

Butalco: Wurzeln in Frankfurt

Butalco wurde 2007 von Boles gemeinsam mit dem Investor Gunter Festel in der Schweiz gegründet. Die Wurzeln des Unternehmens liegen jedoch mitten in Deutschland, genauer an der Universität Frankfurt. An der Goethe-Universität ist Boles Professor für Molekulare Biowissenschaften. Bis heute verlässt sich Butalco für die Forschungsarbeiten auf eine Kooperation mit der Universität. Das Unternehmen finanziert Forschungsprojekte, Mitarbeiter und Geräte und darf im Gegenzug die Erfindungen nutzen, die sich daraus entwickeln. „Zwei Patentanmeldungen entstanden recht schnell, in denen es um Isobutanol geht. Vier weitere Erfindungen, die ich vorher zur Vergärung von Abfallzuckern gemacht hatte, kaufte Butalco der Uni ab“, erzählt Mitgründer Boles. Die Kooperation soll auch nach der Übernahme von Butalco durch Lesaffre weitergeführt und sogar ausgebaut werden, so Boles.

Auch Butalco und Lesaffre verbindet eine mehrere Jahre währende Geschäftsbeziehung. Bereits Anfang 2012 sicherte sich Lesaffre die Rechte an einem Butalco-Patent für eine Hefe, mit der sich der Kraftstoff Bio-Ethanol aus dem Abfallzucker Xylose industriell herstellen lässt. Mehrere Millionen Euro sollen damals durch den Verkauf des Schutzrechts erlöst worden sein. Wie viel Geld für die nun erfolgte vollständige Übernahme geflossen ist, teilen die Geschäftspartner hingegen nicht mit.

Lesaffre: Neuer Fokus auf industrielle Biotechnologie

Der französische Konzern Lesaffre setzte im vergangenen Jahr mit 7.700 Mitarbeitern rund 1,56 Milliarden Euro um, vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten. Durch die Übernahme könne sein Unternehmen das Angebot an Ethanol-Kraftstoffen der zweiten Generation optimieren, sagte Didier Masy. Das Unternehmen hatte erst kürzlich seine Geschäftseinheit Lesaffre Advanced Fermentation Technologies gegründet. Künftig soll auch die Butalco GmbH als eigenständiges Unternehmen zu dem Leaf Technologies genannten Geschäftsbereich gehören. Die Ausbaupläne für diese Biotech-Sparte sind ehrgeizig. In fünf Jahren will Lesaffre rund 30% seines Umsatzes in diesem Bereich erzielen. Dafür ist das französische Unternehmen gerade auf Einkaufstour in ganz Europa. Erst im Februar wurde Agrauxine übernommen. Die Firma in Angers, Frankreich, ist auf die Herstellung von biobasierten Pflanzenschutzmitteln und Düngern spezialisiert. Im vergangenen Dezember wurde Lesaffre in Italien fündig und kaufte die Firma Omniabios. Das Unternehmen hat sich auf die Aufreinigung von S-Adenosyl-L-Methionin spezialisiert. Das natürlicherweise auch im menschlichen Körper produzierte Molekül wird als Nahrungsmittelzusatzstoff genutzt, und soll Osteoarthritis und Depression mildern.

Vor einem Jahr hat die Landesregierung Baden-Württemberg das Forschungsprogramm Bioökonomie beschlossen. Nun sind die ersten der mit insgesamt 13 Millionen Euro geförderten Projekte gestartet. So will das Ländle fit werden für eine Zukunft auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Heimische Forschungseinrichtungen sollen stärker untereinander und mit der Wirtschaft vernetzt werden – und so künftig auch international beachtete Kooperationspartner werden. Drei große Themenbereiche stehen in Baden-Württemberg auf der Agenda: Biogas, Lignocellulose-Bioraffinerien und Mikroalgen.

Insgesamt 45 Projekte in drei großen Themenblöcken wurden der baden-württembergischen Landesregierung von externen Gutachtern zur Förderung empfohlen. Vor allem Vorhaben, die standortübergreifend und interdisziplinär angelegt sind, trafen auf Zustimmung. So stiege die Chance, Bundes- und EU-Mittel im Bereich der Bioökonomie einwerben zu können, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Mit dem Forschungsprogramm Bioökonomie erreichen wir so eine Hebelwirkung der eingesetzten Fördergelder und unterstützen internationale Kooperationen, wie sie bereits mit China und Brasilien angelegt sind“. Bis 2017 stehen zunächst 9 Millionen Euro bereit. Die verbleibenden Mittel, etwa 4 Millionen Euro, sind für die daran anschließende zweite Förderperiode reserviert. Sie soll – basierend auf einer Zwischenevaluation – im Jahr 2016 starten.

Das Förderprogramm basiert auf Empfehlungen, die ein von Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im Jahr 2012 einberufener Strategiekreis Bioökonomie erarbeitet hat. Von der Förderung profitieren nun neben den Universitäten Hohenheim, Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und Ulm das Karlsruher Institut für Technologie KIT sowie der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V., die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BW, das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Gefördert werden nicht nut Naturwissenschaftler und Ingenieure, auch Wissenschaftler aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Ethik kommen zum Zuge. Zum Sprecher des Lenkungskreises, in welchem die Forscher alle Arbeiten koordinieren, wurde Thomas Hirth, Leiter des Instituts für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) berufen.

Computermodellierung soll Entscheidungen erleichtern

Neben drei großen Forschungsverbünden fördert das Land den Aufbau eines Kompetenznetzes zur Modellierung der Bioökonomie. So soll eine systematische Berechnung sowie den Vergleich von Folgewirkungen der Biomassenutzung in verschiedenen Nutzungspfaden möglich werden. Die Koordination liegt bei Harald Grethe, dem Leiter des Fachgebiets Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim. Zudem wird ein „Graduiertenprogramm Bioökonomie“ eingerichtet, in dem 40 bis 60 Promovierende betreut werden. Geleitet wird das Programm von Thomas Rausch, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Physiologie der Pflanzen“ am Center for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg sowie Jochen Weiss, dem  Prorektor für Forschung der Universität Hohenheim.

Flexible Biogas-Anlagen ergänzen Wind- und Stromkraftwerke

Im Forschungsverbund „Nachhaltige und flexible Wertschöpfungsketten für Biogas in Baden-Württemberg“ sollen Anlagen entwickelt werden, die nicht nur deutlich effizienter arbeiten als die bisherigen, sondern auch eine neue Funktion als Energiespeicher und bei der Verknüpfung von Strom- und Gasnetz übernehmen. Dies ist heute wichtiger denn je: Denn je mehr Strom durch Photovoltaik und Windenergie gewonnen wird, desto häufiger kommt es zu Situationen, in denen die Produktion den Bedarf übersteigt. Sogenannte Power-to-Gas-Systeme könnten helfen, dies Problem zu lösen. Mittels elektrolytischer Verfahren wird dabei mit dem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. Dieser könnte zunächst gespeichert werden um ihn dann bei Bedarf Biogasanlagen zuzuführen. Außerdem sollen Biogasanlagen künftig auch bisher ungenutzte Ausgangsstoffe umsetzen können, zum Beispiel holzige Biomasse oder Küchenabfälle. Die verbliebenen Gärreste sollen bestmöglich verwertet werden. Koordiniert wird das landesweite Forschungsnetzwerk, das insgesamt aus 13 Teilprojekten besteht, von Enno Bahrs, dem Leiter des Fachgebiets Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim.

Holz und Fasern als Rohstoff für die Bioraffinerie

Der Forschungsverbund „Lignocellulose – Wechsel zu einer alternativen Rohstoffplattform für neue Produkte und Materialien“ zielt auf die ganzheitliche Nutzung holzartiger Biomasse. Pflanzen mit einem hohen Anteil an Fasern und holzigen Bestandteilen, die viel Lignocellulose enthalten, werden bisher fast ausschließlich angebaut, um daraus Energie zu produzieren oder Baumaterialien zu gewinnen. Dies könnte sich jedoch bald ändern. Neue Verfahren ermöglichen es, Lignocellulose als Ausgangsstoff für eine Reihe weiterer biobasierter Produkte mit höherer Wertschöpfung zu nutzen, wie zum Beispiel Bioplastik oder Reinigungsmittel. Ein großer Teil des bisher hierfür verwendeten Erdöls könnte damit eingespart werden. Um der Technik zum Durchbruch zu verhelfen, nehmen die den gesamten Stoffstrom vom Acker bis zum Produkt in den Blick. Die Auswahl, Züchtung und Kultivierung der Lignocellulose-liefernden Pflanzen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Weiterentwicklung der in den Bioraffinerien ablaufenden Umsetzungsprozesse.

Mikroalgen für Futter- und Lebensmittel

Das Anwendungsspektrum von Mikroalgen zu erweitern, ist Ziel des dritten großen Forschungsverbundes „Integrierte Nutzung von Mikroalgen für die Ernährung“. Da Ackerflächen weltweit knapp werden und Mikroalgen in sehr großen Mengen kultiviert werden könnten, sind sie als Rohstoffquelle für die Bioökonomie und besonders interessant.  Vielversprechend sind vor allem Misch-Produkte, bei denen tierische Proteine zum Teil durch Inhaltsstoffe von Algen ersetzt werden. Rückstände, die bei der industriellen Produktion anfallen, könnten anschließend außerdem in der Tierernährung Verwendung finden. Ziele des Forschungsverbunds sind die Auswahl geeigneter Mikroalgen, deren Kultivierung, Ernte und Aufarbeitung und Prozessketten zur Herstellung hochwertiger Produkte. Daneben stehen auch Nachhaltigkeit, ethische Evaluierung und Akzeptanz seitens der Verbraucher im Fokus. Jochen Weiss, Inhaber des Lehrstuhls Technologie funktioneller Lebensmittel ist Sprecher des Forschungsverbunds.

Das Leben eines Autos endet auf dem Schrottplatz – bisher zumindest. Künftig könnten einige Autokomponenten wie Sitze auch auf dem Kompost landen. Möglich machen das biobasierte Verbundwerkstoffe aus Flachsfasern. In Kooperation mit belgischen Wissenschaftlern haben Textilforscher der RWTH Aachen nun umweltverträgliche Autobauteile entwickelt, die vollständig aus Pflanzenfasern und Biokunststoffen bestehen. Sie sind eine wirtschaftlich und funktional konkurrenzfähige Alternative zu konventionellen, auf Erdöl basierenden Verbundwerkstoffen, betonen die Forscher in ihrem Abschlussbericht.

 

Streng genommen ist die Idee, natürliche Rohstoffe im Automobilbau einzusetzen, nicht ganz neu. Henry Ford verbaute schon im Jahre 1915 in seinem legendären T-Modell eine Starterbox aus Weizengluten verstärkt mit Asbestfasern. In den 1920er Jahren konstruierte er Autoprototypen mit Karosserieteilen aus Hanffasern und Sojamehl. Der Werkstoff war so stabil, dass Henry Ford zu Werbezwecken mit einer Axt auf einen Kofferraumdeckel einschlug – ohne ihn dadurch zerstören zu können. Höhepunkt der Entwicklung war schließlich ein Prototyp, dessen Karosserie vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestand.

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Anforderungen, was die Sicherheit und den Komfort von Passagieren angeht, im Automobilbau immer weiter gestiegen. Die leichte Verfügbarkeit von Erdöl tat ihr übriges, um die grünen Werkstoffe weitestgehend aus dem Automobilbau zu verdrängen. Seit einiger Zeit hat jedoch eine Gegenbewegung eingesetzt. Nicht nur interessieren sich Autokäufer immer stärker für umweltfreundliche Modelle, auch der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren Umweltschutzauflagen immer wieder verschärft. Die Hersteller haben reagiert und setzen wieder verstärkt auf grüne Ressourcen. Toyota verbaut beispielsweise in einigen Baureihen Sitzpolster, Fußmatten und Seitenverkleidungen, die auf der Basis des Biokunststoffs Polymilchsäure hergestellt wurden. Und der Reifenhersteller Continental arbeitet an Pneus aus Löwenzahnkautschuk. Das Bio Concept Car, welches im Sommer auf der großen Halbzeitkonferenz Bioökonomie ausgestellt wurde, zeigt, was heute schon alles möglich ist.

Renaissance der Bioverbundwerkstoffe

Gemeinsam mit Kollegen vom Belgian Textile Research Centre Centexbel und dem Sirris Leuven-Gent Composites Application Lab wollen die Textilforscher Sangeetha Ramaswamy und Bayram Aslan vom Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen die Renaissance der biobasierten Faserverbundwerstoffe weiter vorantreiben.  Zu diesem Zweck haben sie Hanf- und Flachsfasern mit aus Pflanzenstärke hergestellten Biopolymeren verbacken. Der Faserverbundwerkstoff wurde dann zu Garn oder Vließstoffen verarbeitet. Was sich eigentlich leicht anhört, erweist sich in der Praxis als schwieriges Unterfangen, bei dem es auf jedes Detail ankommt. So konnte das im Rotorspinnverfahren hergestellte Garn nicht überzeugen, weil es viel zu leicht riss. „Die Ursache dafür besteht darin, dass die Fasern bei der Garnerzeugung nicht achsparallel, also in Belastungsrichtung, ausgerichtet werden, sondern annähernd in Schraubenlinien und die Garnachse herum angeordnet sind“, erläutern die Textilexperten in ihrem Abschlussbericht.

Vließstoffe besonders aussichtsreich

Die Vließstoffe könnten hingegen schon früher fit sein für den Einsatz in der Industrie. Wichtig sei, deren Verstärkungs- und Matrixfasern gleichmäßig zu mischen. Nur so würden die höchsten Festigkeiten erreicht, heißt es im Abschlussbericht. Dann aber sind die Stoffe sogar renntauglich. Inzwischen nutzt das Formula Group T Racing Team in Belgien einen Autositz, der aus den Bioverbundwerkstoffen hergestellt wurde. Künftig könnten auch Innenraumverkleidungen von Autos und Zügen oder gar gering belastete Flugzeugbauteilen daraus gefertigt werden. Entsprechend groß sei laut Aslan das Interesse aus der Industrie schon während der Forschungsarbeiten gewesen. Auch das Bundeswirtschaftministerium hat die Forschungsarbeiten als Teil der Fördervariante CORNET (Collective Research Networking) seines Programms Industrielle Gemeinschaftsforschung unterstützt.

Mitten im brasilianischen Regenwald des Amazonas entsteht derzeit ein 325 Meter hoher Gigant für die Klimaforschung. Der Stahlturm soll im Juni 2015 eingeweiht werden und fortan wichtige Klimadaten liefern. Die neue Messstation namens „ATTO“ – Amazonian Tall Tower Observatory – ist ein deutsch-brasilianisches Gemeinschaftsprojekt. Die Kosten von insgesamt 8,4 Millionen Euro werden jeweils zur Hälfte von den beiden Ländern übernommen. Das Vorhaben wird vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.

Der Stahlkollos im Amazonas-Regenwald erinnert auf den ersten Blick an den Pariser Eifelturm. Anders als das französische Ebenbild ist der brasilianische Gigant keine Touristenattraktion. Wenn der Turm fertig ist, soll er aus luftiger Höhe Klimadaten senden und so die Grundlage für verbesserte Klimamodelle liefern. Mit insgesamt 325 Metern wird der Amazonas-Turm den Pariser Stahlkollos auch um 24 Meter überragen. Der Grundstein für die Station namens Atto – Amazonian Tall Tower Observatory – wurde im August 2014 gelegt.

Hightech in luftiger Höhe

Seitdem wächst der Turm stetig an und hat schon stolze 270 Meter erreicht.  Techniker und Wissenschaftler vom Nationalen Amazonasforschungsinstitut, der Universidade do Estado do Amazonas und des MPI für Chemie sind derzeit dabei den Giganten mit Sensoren, Sonden und Pumpen auszustatten. Auf verschiedenen Ebenen sollen zukünftig Luft angesaugt und der Anteil an Aerosolen gemessen werden. Auch Transportprozesse von Luftmassen werden dort untersucht, die über mehrere Hundert Kilometer stattfinden

„Wir wollen verstehen, wo und warum sich Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid und andere reaktive Spurengase bilden und sammeln“, erklärt der Projektleiter vom MPI für Chemie Jürgen Kesselmeier. Während der jetzigen Regenzeit ruht die Arbeit. Doch bis zum Juni kommenden Jahres soll die Klimastation fertig sein.

Einzigartiger Standort

Das Besondere am Atto-Turm ist vor allem seine einzigartige Lage im größten zusammenhängenden Waldgebiet der Erde. Das Amazonasgebiet hat als CO₂-Speicher und Süßwasserreservoir nicht nur enormen Einfluss auf das Wetter, sondern kann sich zugleich eines gigantischen Artenreichtums rühmen. Eine vergleichbare Klimastation wurde bereits 2006 in Sibirien errichtet. Damals waren auch MPI-Forscher beteiligt.

Der Preisverfall bei Bioethanol und die Abwertung des Euros gegenüber dem Pfund machen dem Mannheimer Bioethanol-Produzent Crop Energies AG zu schaffen. Nun hat das Unternehmen vorsorglich ein Werk in Großbritannien geschlossen.

Wie die börsennotierte Firma Mitte Februar mitgeteilt hat, soll die Produktionsanlage der britischen Tochtergesellschaft Ensus Ltd. in Wilton vorerst nicht wieder angefahren werden. Sie war in den vergangenen Tagen planmäßig für Reinigungs- und Inspektionsarbeiten abgeschaltet worden. Die übrigen Werke in Deutschland, Belgien und Frankreich sind bislang nicht betroffen. Für die ohnehin defizitäre Crop Energies sind das schlechte Nachrichten. Der Biosprit-Produzent rechnet mit Abschreibungen und Rückstellungen von bis zu 40 Millionen Euro.

Die ohnehin schwierige Lage des europäischen Bioethanolmarktes habe sich in den vergangenen Monaten durch den Verfall der Ölpreise verschärft, erklärte das Crop-Energies-Management. Erst am 15. Januar hatte der Bioethanolpreis mit 417 Euro pro Kubikmeter am Spotmarkt Rotterdam ein Allzeittief erreicht. „Die Branche, die insgesamt unter dem Preisverfall leidet, würde sich sicher bei einem Preis von über 500 Euro wohler fühlen“, sagte Finanzvorstand Joachim Lutz.

Stärktster Kurseinbruch der Firmengeschichte

An der Börse bescherte die Ankündigung der Werksschließung dem Aktienkurs von Crop Energies den stärksten Kurseinbruch der Firmengeschichte. Um mehr als 20% ging es zeitweise bergab. Am Ende des Tages notierte das Papier noch immer rund 8%  unter seinem Eröffnungskurs. Die Entwicklungen bei Crop Energies dürften auch auf die Südzucker AG durchschlagen. Sie hält rund 69% an dem Unternehmen und konsolidiert die Ergebnisse von Crop Energies vollständig in der eigenen Bilanz. Zur genauen Höhe der Belastungen konnte ein Unternehmenssprecher von Südzucker noch keine Angaben machen. Für das noch bis Ende Februar laufende Bilanzjahr 2014/15 hatte Südzucker zuletzt wegen der sinkenden Preise für Zucker und Bioethanol bereits einen Einbruch des operativen Gewinns um zwei Drittel auf rund 200 Millionen Euro angekündigt.

Crop-Energies stellt aus Getreide und Zuckerrüben Kraftstoff her. Bioethanol wird in Deutschland zu Benzin der Sorten Super (E5) und Super E10 beigemischt. Die Branche hofft, dass die EU im Sommer die Förderung von Ethanol in Kraftstoffen anpasst und der Industrie damit wieder auf die Sprünge hilft. Wie lange das Werk in Großbrtiannen geschlossen bleibt, ist offen. "Sobald die Marktbedingungen es wieder zulassen", heißt es bei Crop Energies.

Die Idee, nachwachsende Rohstoffe im Automobilbau einzusetzen ist nicht neu. Schon heute werden vereinzelt Armaturenbretter oder Kofferraumverkleidungen aus Bio-Werkstoffen gefertigt. Für einen breiten Einsatz von Natur-Materialien in Fahrzeugteilen fehlte es bisher jedoch an Simulationsmodellen zum Nachweis von Funktionalität und Sicherheit. Um derartige Bio-Wertstoffe für den automobilen Massenmarkt tauglich zu machen wurden am Ford Forschungszentrum in Aachen von 2011 bis 2014 Werkstoff- und Fließmodelle für naturfaserverstärkte Spritzgießmaterialien entwickelt. Das Vorhaben wurde auch vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert.

Der Ford-Konzern engagiert sich seit langem im Bereich nachwachsender Rohstoffe. Schon heute bestehen über 300 Bauteile in Ford-Fahrzeugen aus biobasierten Werkstoffen, darunter Sitzschäume aus Sojaöl und Türverkleidungen mit Kenaf- und Flachsfaser-Verstärkung. Doch für den massenhaften Einsatz von Autoteilen aus Bio-Materialen fehlte es bisher an Modellen, mit denen Funktion und Sicherheit im Vorfeld nachgewiesen werden konnten. Diese Lücke konnte der Autobauer nun schließen. Im unternehmenseigenen Forschungszentrum in Aachen entwickelte Ford gemeinsam mit seinen Partnern aus Industrie und Wissenschaft das erste praxistaugliche Modell für die Spritzgieß- und Crash-Simulation von naturfaserverstärkten Kunststoffen. Das Projekt wurde auch vom BMEL über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert.

Bisher kein Modell für Funktioncheck für biobasierte Autoteile

An die Automobilproduktentwicklung werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Für jedes Autoteil muss der Nachweis auf Funktion und Sicherheit erbracht werden. Computer-Simulationen sind somit unerlässlich. Für Naturfaserwerkstoffe gab es bisher allerdings keine derartigen Berechnungsmodelle. Der Grund: Bei naturfaserverstärkten, spritzgegossenen Thermoplasten hängen die mechanischen Eigenschaften auch von der Faserausrichtung ab. Diese variiert jedoch innerhalb des Materials lokal sehr stark, was eine Simulation des Verhaltens erschwerte.

Crashtest im Computermodell simuliert

Ziel des Ford Forschungsverbundes war es daher, Materialparameter für möglichst viele unterschiedliche Naturfaser-Compounds für die Spritzgieß- und Crash-Simulation zu ermitteln und so das Verhalten der Werkstoffe unter Praxisbedingungen zum Beispiel beim Crash zu simulieren. Dafür entwickelten sie einen integrativen Simulationsansatz, in dem sie die Spritzgießsoftware CADMOULD, die Crash-Simulationsprogramme RADIOSS und LS-DYNA und das Materialmodell MF-GenYld+CrachFEM miteinander koppelten. Beim Abgleich der Simulationsergebnisse mit realen physikalischen Tests zeigte sich, dass die Übereinstimmung zwischen berechnetem und realem Verhalten sehr gut war.

Ford baut Handschuhfach aus Sisal und Thermoplast

Zugleich erstellten sie sogenannte Materialkarten. Dafür testeten die Forscher insgesamt 18 Compoundvarianten aus Polypropylen (PP) mit verschiedenen Naturfasern, darunter Fasern aus Zelluloseregeneraten, Sisal-, Hanf-, Weizenstroh- und Holzfasern. Diese wurden dann zu Probekörpern gespritzt und auf Parameter wie Faserverteilung oder Faserorientierung untersucht. Ergänzend wurden rheologische, thermische und mechanische Tests sowie mikroskopische Untersuchungen durchgeführt. Für die Herstellung ihres Pilotbauteils entschieden sich die Forscher für das Sisal-Polypropylen-Compound. Die Vorteile lagen hier nicht nur bei der Compoundierung, sondern auch beim Fließverhalten der Polymerschmelze und der Oberflächenqualität sowie den guten mechanischen Eigenschaften. Als Bauteil wurde dann der Handschuhkasten im Fordmodell B-Max gewählt. Mit den erarbeiteten Materialkarten und dem integrativen Simulationsansatz, der komplett kommerziell verfügbar ist, sind alle erforderlichen Voraussetzungen vorhanden, um das Verhalten des betrachteten Compounds vorherzusagen. Die Ford-Forscher und ihre Partner sind daher überzeugt, mit Hilfe der von ihnen entwickelten Simulations- und Materialmodellen für Bio-Werkstoffe, einen wichtiger Schritt auf dem Weg zum Serieneinsatz biobasierter Materialien in Automobilen getan zu haben. Die ersten Handschuhkästen aus naturfaserverstärktem Kunststoff präsentierte Ford bereits 2013.

Mit 220 Teilnehmern aus 20 Nationen an den drei Veranstaltungstagen hat sich die Biowerkstoffkonferenz in Köln einen festen Platz im Kalender der Bioökonomie-Szene erarbeitet. In diesem Jahr war die Veranstaltung ganz den Start-ups der industriellen Biotechnologie gewidmet.

Zwar sind derzeit nur rund 50 Firmen in Deutschland in der industriellen Biotechnologie aktiv, doch große Konzerne und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Ernährung, Kosmetik, Chemie und Energie durchleuchten derzeit intensiv den Markt nach erfolgversprechenden Start-ups. Dies bestätigte unter anderem Tobias Kirchhoff,  Berater bei der Frankfurter BCNP Consultants GmbH, auf der Biowerkstoffkonferenz Mitte April in Köln. Diese stand in diesem Jahr unter dem Motto „Start-ups & Funding“.

Investoren setzen auf Start-ups

Als aktuelle Beispiele für die Beliebtheit der Jungfirmen der industriellen Biotechnologie führte er mit Butalco und Bio-on zwei Firmen aus Europa an, die 2007 gegründet wurden. Während die auf Biokraftstoff spezialisierte Schweizer Butalco GmbH im Sommer 2014 gewinnbringend an den gelang der italienischen Bio-on SpA ein Börsengang in Mailand. Die Bioplastikfirma nahm im Oktober 2014 knapp 7 Millionen Euro ein. Während die Aktie in der ersten Woche für weniger als 7 Euro gehandelt wurde, kostet sie derzeit schon etwa 20 Euro.

Dass auch Wagniskapitalgeber Morgenluft wittern, machte das Angebot von Josko Bobanovic von Sofinnova Partners klar. Der französische Geldgeber hat in der Vergangenheit unter anderem in den Biobernsteinsäure-Produzenten Bioamber (Sarnia, Kanada) und den Synthetische-Biologie-Pionier Synthace (London) investiert. Bei der BIO-Europe Spring in Paris hatten die Franzosen eine In Köln startete Sofinnova nun eine neue Kampagne: Mit dem Renewable Chemistry Start-up Award will Sofinnova an frische Ideen kommen. Bewerbungsschluss ist der 30. Mai. „Nach einer Online-Wahl erhalten die fünf Bewerber mit den meisten Klicks eine Einladung zum im Juli stattfindenden BIO World Congress on Industrial Biotechnology im kanadischen Montreal“, so Bobanovic. Dort müssen sie dann eine Industriejury von ihrer Idee überzeugen, um schließlich den – nicht dotierten – Preis abzuräumen.

Biomaterial des Jahres ausgezeichnet

Auf der Konferenz in Köln wurde derweil ein anderer Preis vergeben. Zum achten Mal lobten der Veranstalter Nova-Institut und der Anlagenbauer Coperion den Preis für das „Biomaterial des Jahres“ aus. Ausgezeichnet werden hierbei biobasierte Werkstoffe und ihre Anwendungen, die 2014 oder 2015 am Markt eingeführt wurden. Der Preis ist dabei in erster Linie eine Anerkennung durch die eigene Szene. Zwar wurden die sechs interessantesten Kandidaten aus den 24 Bewerbern vorab ausgewählt, die Endabstimmung nach einem Kurzvortrag erfolgte jedoch Mitte April durch die Teilnehmer vor Ort in Köln. Den meisten Zuspruch bekam in diesem Jahr das Vernetzungsmittel

Das Produkt ist laut Bayer der erste lösungsmittelfreie bio-basierte Polyurethan-Vernetzer am Markt für Hochleistungslacke im Automobilbereich. Der biobasierte Anteil liegt bei 70 Prozent. Auf den weiteren Plätzen folgten unter anderem die HIB Trim Part Solutions GmbH aus Bruchsal sowie die britische Ecotechnilin Ltd. HIB überzeugte die Konferenzteilnehmer mit einem Hanffaser-verstärkten Polypropylen für den Automobil- und Konsumgüterbereich. Das Granulat kann für Spritzgießen und Ex­trusion genutzt werden. Ecotechnilin glänzte mit einem neuartigen Verbundwerkstoff aus Flachsfaser-Vliesstoffen, Basaltfasergarn und zuckerbasierten Harzen, welcher für Leichtbauanwendungen wie im Flugzeugbau gedacht ist.

Marktstudie des Nova-Instituts: Europa liegt hinter Asien zurück

Michael Carus vom Nova-Institut zeigte sich zufrieden mit der Konferenz: „Wir hatten mehr Teilnehmer als je zuvor und sind damit nun die zweitgrößte Veranstaltung in diesem Bereich in Europa.“ Für den Sommer kündigte Carus außerdem die Veröffentlichung der nach 2013 zweiten vollständigen Marktstudie des Nova-Instituts zu „Bio-based Building Blocks and Polymers“ an. Bereits vorab veröffentlichte Zahlen deuten auf ein starkes Wachstum hin, das jedoch nicht in Europa stattfindet. Carus: „Produktionskapazitäten für biobasierte Polymere werden vor allem in Asien erhöht. Europas Anteil an der Weltproduktion wird daher von 2013 bis 2018 von 17 Prozent auf Prozent sinken.“

Erst Anfang Juli hat die Gruppe der sieben führenden Industrieländer ehrgeizige Klimaziele festgesetzt und hierbei die Bioökonomie als einen Baustein auf diesem Weg genannt. Anderseits sind große Teile der Wirtschaft noch immer erdölbasiert und Klima- sowie Umweltpolitik heiß diskutierte Themen. Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin kamen Ende Juni Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen, um über aktuelle Herausforderungen bei der Umsetzung einer nachhaltigen Wirtschaft zu diskutieren. Ist die Bioökonomie ein Irrweg oder eine industrielle Revolution – dies war die Leitfrage der von der BIOCOM AG und dem Industrieverbund Weiße Biotechnologie (IWBio) gemeinsam organisierten Veranstaltung.

Schon zu Beginn der Veranstaltung wurden die aktuellen Herausforderungen in einem Film klar umrissen: So werden im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, die ernährt, bekleidet und untergebracht werden müssen. Bis dahin sei die zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche jedoch um ein Drittel geschrumpft. Gleichzeitig jedoch gibt es in der Wirtschaft ein stetiges Wachstum – zuletzt mit rund 3,8 Prozent im Jahr – und damit einen wachsenden Bedarf an Rohstoffen. Dies wiederum belastet die Umwelt: Allein in den vergangenen 25 Jahren sei die Erdölförderung um 33,8 Prozent gestiegen – und mit ihr auch der Ausstoß an schädlichen Klimagasen wie Kohlenstoffdioxid.

G7-Ziele erfordern radikales Umsteuern

Dass diese Entwicklung nicht so weitergehen kann, ist auf höchster politischer Ebene inzwischen angekommen. Bereits Ende 2010 hat die Bundesregierung  eine auf sechs Jahre angelegte Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie aufgelegt, darüber hinaus wurde 2013 eine Politikstrategie Bioökonomie beschlossen. Zudem hat sich die Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G7) nei ihrem jüngsten Zusammentreffen Anfang Juli in Elmau zur Bioökomomie bekannt. Bis 2050 sollen die globalen Kohlendioxid-Emissionen auf 30 Prozent der Menge von 2010 gedrückt werden. Im Jahr 2100 schließlich soll die Weltwirtschaft ganz ohne Erdöl, Kohle und Gas auskommen. „Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein radikales Umsteuern nötig“, sagte Boris Mannhardt, Vorstand der BIOCOM AG, in seiner Eingangsrede vor den rund 100 Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die am 23. Juni zur Podiumsdiskussion in die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Berlin gekommen waren. Denn: Nur 565 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürften bis 2050 maximal ausgestoßen werden, wenn die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt werden soll.

Aber: Weltweit haben die Rohstoffproduzenten bereits Rohstoff-Lagerstätten in ihre Bilanz genommen, die beim vollständigen Verbrauch mehr als 745 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freisetzen würden. Würden alle heute bekannten Lagerstätten ausgebeutet, stiege der Wert sogar auf 2.795 Milliarden Tonnen.„Lassen Sie uns herausarbeiten, welche Rolle die Bioökonomie bei der Lösung dieser Probleme spielen kann“, gab Moderator Andreas Mietzsch, Gründer der BIOCOM AG und Herausgeber des Life-Sciences-Magazins |transkript als Ziel für die Diskussion vor. Eher nüchtern betrachtete Franz-Theo Gottwald, Autor des Buches “Irrweg Bioökonomie”, den Beitrag der Bioökonomie: „Es wäre schön, wenn es gelänge, eine politische Vorgabe, wie das Zwei-Grad-Ziel, Schritt für Schritt auch in konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen umzusetzen. Es muss ein ‚weg vom Öl’ geben. Aber, ob dass heißt ‚hin zur Biomasse’ das ist noch offen.“

„Überzeugt von der Mächtigkeit der Idee“

Wesentlich aufgeschlossener zeigte sich der Biotech-Unternehmer Holger Zinke, Vorstand der Brain AG. „Ich bin beseelt von dem Gedanken und überzeugt von der Mächtigkeit der Idee“, gab sich Zinke optimistisch und verwies auf die Aufgabe des Unternehmers, nach pragmatischen Lösungen für wirtschaftlichen Erfolg zu suchen. Dass die Wirtschaft – und hier inzwischen auch zahlreiche deutsche Firmen – bereits etliche biobasierte Produkte und Verfahren vorweisen kann, wurde gerade erst auf einer Ausstellung auf der ACHEMA zur Ob Reifen aus Löwenzahn, Kleider aus Milchresten, Speiseeis aus Lupinenproteinen oder biobasierte Inhaltsstoffe für Kosmetika – zahlreiche Produkte haben inzwischen den Markt erreicht. Gleichwohl waren Experten vor zehn Jahren davon ausgegangen, dass die Biologisierung der Wirtschaft heutzutage schon weiter fortgeschritten ist. Andererseits, so Zinke, konnten sich auch Geschäftstätigkeiten entwickeln, an die früher niemand gedacht hätte. Zum Beispiel im Enzymbereich. So würden einige Firmen dort Ebit-Margen von mehr als 27 Prozent erreichen. „Davon ist die Chemieindustrie weit entfernt“, sagte Zinke.

Nachhaltigkeit von Anfang bedenken

An die Verantwortung der Unternehmer appellierte wiederum Martina Fleckenstein, Leiterin EU-Politik, Landwirtschaft und Biomasse bei der Umweltorganisation WWF: „Sie haben die Möglichkeit, die im Zuge der Diskussion um Biokraftstoffe gezogenen Lehren anzuwenden.“ Sie betonte, dass man von Anfang darauf achten müsse, woher die Rohstoffe kommen, und wie sie angebaut werden. Nur so können eine echte Nachhaltigkeit im gesamten Wirtschaftskreislauf gewährleistet werden.

Primat der Ernährungssicherheit

Auch die Tank-Teller-Betrachtung wurde bei der Podiumsdiskussion in Berlin angesprochen. „Es muss ein absolutes Primat für die Ernährungssicherheit geben“, sagte beispielsweise Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Die industrielle Nutzung biogener Rohstoffe dürfe erst an zweiter Stelle kommen. „Wir werden wieder eine stärkere Verzahnung von Lebensmittelwirtschaft und Industrie sehen“, lautete seine Prognose. Die Podiumsdiskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die Bioökonomie hier passende Konzepte liefert: etwa bei der Kaskadennutzung und bei dezentralen Bioraffinerien. Gleichwohl seien noch weitere Forschungsanstrengungen nötig.  Gottwald kritisierte den oftmals zu engen Forschungsfokus auf biotechnologische High-Tech-Lösungen. „Es wird nicht wirklich in agrarökologische Forschung investiert. Hier braucht es ein schnelles Erwachen“, gab er zu Bedenken.

Bioökonomie ist Realität

Am Ende war klar: Es gibt eine gesellschaftliche Dynamik in Richtung Nachhaltigkeit, die auch von Seiten der Wirtschaft nicht ignoriert wird und auch nicht ignoriert werden kann. Die Rahmenbedingungen sind jedoch noch nicht klar umrissen. „Die Weichen werden erst noch gestellt“, sagte Fleckenstein. Immerhin gebe es auch in der Wirtschaft Lerneffekte aus den Erfahrungen mit Biokraftstoffen der ersten Generation. „Typisches Merkmal einer Revolution ist, dass das eine oder andere ins Kraut schießt“, bilanzierte Karl-Heinz Maurer, Vorsitzender des Mitveranstalters IWBio. Als gemeinsames Fazit wurde festgestellt: Die Bioökonomie ist nicht länger Vision, sondern bereits Realität. Sie zu gestalten, sei jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

An den Tankstellen Deutschlands wird immer häufiger Biosprit getankt. Die anfängliche Skepsis der Verbraucher gegenüber dem Kraftstoff E10 hat offenbar nachgelassen. Das belegen die aktuellen Marktdaten für 2014, die der Bundesverband der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) Ende Juni präsentierte. Danach war das vergangene Jahr in punkto Bioethanol-Produktion und Verbrauch ein Rekordjahr. Auch die Prognose ist positiv: Auf Grund der seit 2015 geltenden gesetzlichen Pflicht zur CO2-Reduktion in Kraftstoffen sieht die Branche auch künftig Wachstumspotenzial.

Seit der holprigen Einführung des Biosprits E10 im Jahr 2011 wird immer häufiger der alternative und umweltfreundlichere Kraftstoff getankt. Die aktuelle Marktanalyse vom Bundesverband der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) belegt: der Verbrauch von Biosprit stieg seit 2011 von rund 1,8 Mio. Tonnen auf 2,8 Mio. Tonnen im Jahr 2014 an. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Plus von knapp 2 Prozent. Damit liegt der E10-Anteil am gesamten Benzinmarkt bei nunmehr 15,2 Prozent. 2011 waren es gerade einmal 9,3 Prozent. Der Anteil von Biosprit am Gesamt-Benzinabsatz liegt mit 6,3 Prozent geringfügig über dem des Vorjahres. Herkömmliche Kraftstoffarten wie Normal und Super Plus mit einem Bioethanolanteil von nur fünf Prozent mussten hingegen Absatzeinbuße hinnehmen.

Rekordwerte bei Biospritproduktion

Doch nicht nur der Verbrauch von Bioethanol, auch die heimische Produktion von Biosprit einschließlich der dafür verwendeten Rohstoffe  wie Futtergetreide, Industrierüben und Lebensmittelreste legte 2014 deutlich zu. Danach produzierten die im Osten und Norden Deutschland angesiedelten Bioethanolwerke mit insgesamt 726.881 Tonnen 8,2 Prozent mehr Bioethanol als noch im Vorjahr und damit eine Rekordmenge. Insgesamt wurden rund 2,6 Mio. Tonnen Industrierüben und 1,5 Mio. Tonnen Futtergetreide zu Bioethanol verarbeitet. Hierbei handelt es sich also um Biokraftstoff der ersten Generation. Der Anteil von sonstigen Stoffen wie Rückständen der Lebensmittelindustrie zur Herstellung des nachhaltigen Kraftstoffes beträgt 8.205 Tonnen.

Positiver Ausblick nach CO2-Minderung

Nach dem positiven Rückblick sieht die Bioethanolbranche zudem auch optimistisch in die Zukunft. Hintergrund ist die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und die damit verbundene Einführung neuer CO2-Grenzwerte bei Benzin und Diesel. Seit Januar 2015 darf der CO2-Ausstoß bei Benzin nur noch 2,59 kg/l  statt bisher 2,68 und bei Diesel maximal 2,91 kg/l statt bisher 3,02 betragen.

Die Klimaschutzziele der Bundesregierung sind ambitioniert. Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß um 40 Prozent, bis 2050 um 80 Prozent reduziert und damit fossile Grundstoffe wie Erdöl oder Kohle durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Dabei gilt es, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe auszubauen und  gleichzeitig für eine vollständige Verwertung der Biomasse zu sorgen.  Bioraffinerien sind technische Anlagen, in denen pflanzliche Rohstoffe in eine Vielzahl an Zwischenprodukten und Endprodukten umgewandelt werden. In dem neuen vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten ZIM-Kooperationsnetzwerk "BioRaf"  wollen acht Unternehmen und sieben Forschungseinrichtungen nun gemeinsam neue Verfahren und Technologien zur kompletten stofflichen und energetischen Verwertung von Biomasse mittels Bioraffinerien erarbeiten.

Die Verwertung nachwachsender Rohstoffe in Bioraffinerien gilt als Schlüssel auf dem Weg in eine Bioökonomie. Im Zentrum der Aktivitäten des neuen Netzwerkes BioRaf stehen innovative Konzepte für Anlagen zur Nutzung  von Lignocellulosen aus Holz, Stroh, Mais (Lignocellulose-Raffinerie) sowie von feuchter Biomasse und biogenen Reststoffen (Grüne Bioraffinerie).

Die Netzwerkpartner wollen hierfür sowohl Produkte als auch Verfahren und Technologien entwickeln, die eine vollständige stoffliche als auch energetische Verwertung von Biomasse und damit eine Koppelnutzung garantiert. Die gesamte Wertschöpfungskette einer Bioraffinerie – von der Bereitstellung der Rohstoffe, über die Vorbehandlung und Aufbereitung bis hin zur Sekundärverwertung wie Konversion und Veredlung der Produkte – sollen sich in den neuen Ideen widerspiegeln.

Biogene Reststoffe besser nutzen

Basierend auf dem derzeitigen Potenzial der Anlagen wurden vom neuen Konsortium bereits erste Ansätze für Entwicklungen definiert. So soll die Verwendung der Biomasse in Bioraffinerien insbesondere auf die bislang noch unzureichend genutzten biogenen Reststoffe und sogenannte Koppelprodukte erweitert werden. Auch hinsichtlich der Effizienz und Produktqualität sehen die Gründungsmitglieder bei den Bioraffinerien Handlungsbedarf. Ferner möchte das Netzwerk, regionalen Wertschöpfungsketten und dezentrale Strukturen mit geringen Investitionskosten anregen, damit kleine und mittelständische Unternehmen mehr als bisher von den Entwicklungen profitieren.

KMU stärker einbinden

Das Konsortium aus acht Unternehmen wird dabei von sieben Institutionen wie dem Deutschen Biomasseforschungszentrum DBFZ oder Fraunhofer-Einrichtungen sowie Universitäten unterstützt. Mit an Bord ist auch die Biotech-Firma animox, die bereits eine vom Bundesforschungsministerium geförderte Innovationsallianz koordiniert, bei der

Koordiniert wird das Netzwerk BioRaf vom Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven (ttz Bremerhaven). Darüber hinaus ist der neue Verbund für weitere interessierte Unternehmen aus der Biomassebranche offen. Insbesondere Maschinen- und Anlagenbauer, Biomasseaufbereiter und -veredeler sind aufgerufen, sich mit neuen Ideen zu beteiligen. Die Förderung erfolgt im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Seit 22 Jahren gehört das hessische Zwingenberg zu den Zentren der deutschen industriellen Biotechnologie. Angefangen als Technologie-Startup ist die Brain AG heute auf eine Unternehmensgruppe mit 6 Firmen und 240 Mitarbeitern angewachsen. „Unser Umsatz ist in den letzten drei Jahren mit einem CAGR von 33% gewachsen, dies erfordert nun eine neue operative Managementstruktur“, erläutert Jürgen Eck exklusiv gegenüber biotechnologie.de. Der frühere Technologievorstand leitet – zusammen mit einem erweiterten Führungsteam – seit Anfang Juli die Geschäftsführung der Firma. Der langjährige Firmenchef und Gründer Holger Zinke ist in den Aufsichtsrat der Firma gewechselt und soll vor allem die Rolle des „Außenministers“ wahrnehmen – etwa mit Blick auf das neue Industrial Advisory Panel. Hier sollen namhafte Wirtschaftslenker das Unternehmen künftig strategisch beraten. Darüber hinaus hat sich Brain zwei externe Kräfte ins operative Management geholt, die weitere Übernahmen sowie das Produktgeschäft vorantreiben sollen.

Die Brain AG ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen in Sachen Bioökonomie. Die Spezialität der Hessen: Zusammen mit strategischen Partnern werden bislang unerschlossene, leistungsfähige Enzyme, Mikroben oder Naturstoffe entwickelt, um sie industriell nutzbar zu machen. Ob oder das damit verfolgte Ziel ist jeweils das gleiche. Auf der Basis des hauseigenen Mikroben-Archivs sollen entweder klassisch-chemische Prozesse durch ressourcenschonende biobasierte Verfahren ersetzt oder durch einen Griff in den Werkzeugkasten der Natur gleich gänzlich neue Produkte mit überlegenen Eigenschaften geschaffen werden. 

Brain: Vom Forschungspartner zur Firmengruppe

Mit diesem Wissen hat sich Brain in den vergangenen Jahren als strategischer Forschungspartner für die Industrie etabliert und ist hier in einer ganzen Bandbreite von Branchen unterwegs: Angefangen über Chemie, Ernährung über Kosmetik bis hin zum Bergbau. Für Schlagzeilen sorgte unter anderem die mit mehreren Millionen Euro dotierte Forschungssallianz . 

Mit Mehrheitsbeteiligungen auf Wachstumskurs

In den vergangenen Jahren hat sich die Brain darüber hinaus durch fünf Mehrheits- sowie zwei Minderheitsbeteiligungen in der Wertschöpfungskette immer breiter aufgestellt und von der Produktion bis hin zum Vertrieb Kompetenzen zugekauft. „Wir erzielen inzwischen höhere Umsätze mit unseren Produkten als durch Forschungskooperationen“, berichtet Jürgen Eck. Mit insgesamt 240 Mitarbeitern, davon 120 bei den sechs Tochtergesellschaften, erzielt Brain inzwischen „einen noch zweistelligen“ Millionenumsatz.

Zuletzt haben die Zwingenberger 51% an der Weissbiotech GmbH im münsterländischen Ascheberg und der Weissbiotech France Sarl in Chanteloup-en-Brie nahe Paris übernommen, um gemeinsam den Mitte 2014 wurde der Potsdamer 2012 hatte sich Brain ein Portfolio an um eigene Produkte nicht zu entwickeln, sondern sie auch herzustellen und in den Markt zu bringen. Ähnliches soll nun auch in der Ernährung – etwa bei natürlichen Lebensmittelinhaltsstoffen – oder in der Medizintechnik gelingen. „Künftig wollen wir uns zum Beispiel im Bereich Wundpflege engagieren und uns hier den Marktzugang eröffnen“, betont Eck. Damit hätte die Firmengruppe dann auch ein Standbein in der Medizintechnik-Branche.

Zinke künftig Rolle als "Außenminister"

Wie die Brain AG nun bekannt gab, hat Jürgen Eck, der langjährige Forschungsvorstand, zum 1. Juli die Funktion des Vorstandsvorsitzenden bei Brain übernommen. Er löst damit den langjährigen Firmenlenker und Gründer Holger Zinke ab. Dieser ist seit Jahrzehnten ein  und mit seinen Aktivitäten im Bioeconomy Panel der Europäischen Kommission sowie dem Bioökonomierat der Bundesregierung auch zunehmend auf wirtschaftspolitischer Ebene unterwegs.  „Diese Rolle wird er künftig noch stärker ausüben“, so Eck. Denn ihm wird künftig unter anderem die Führung des "Industrial Advisory Panels" obliegen, das – besetzt mit namhaften internationalen Wirtschaftslenkern verschiedener Anwenderbranchen – als neues strategisches Gremium die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens beratend begleiten soll. Die offizielle Besetzung soll in den kommenden Wochen erfolgen.

Kapitalmarkt zeigt Interesse an Bioökonomie

Im Aufsichtsrat übernimmt Zinke zudem die Rolle von Michael Motschmann von der MIG Verwaltungs AG, die neben dem Family Office Putsch zu den langjährigen Investoren der Brain AG zählt. „Beide Investoren unterstützen unsere Expansionsstrategie“, sagt Eck. Von Seiten der MIG Fonds ist weiterhin Matthias Kromayer im Aufsichtsrat vertreten. „Langfristig planen wir aber auch, unsere Investorenbasis zu verbreitern. Wir bemerken derzeit, dass die Kapitalmärkte zunehmend Interesse zeigen, in nachhaltige Unternehmensstrategien zu investieren“, erläutert Eck mit Verweis auf skandinavische Fonds, die derzeit ihre Anteile an fossil-basierten Unternehmen aus ihren Portfolios streichen.

Neben Eck als neuen Firmenchef wird die Führungsspitze der Brain AG zudem durch Michael Krohn, Guido Meurer sowie Martin Langer ergänzt. Zusammen mit dem bisherigen Finanzchef Rudolf Bröcker werden sie die neue Geschäftsleitung stellen und vor allem die Internationalisierung des Kooperationsgeschäftes der Bioscience-Unit vorantreiben. Vom Pharmakonzern Merck aus Darmstadt stößt Thomas Kessler ins Management-Team der Brain hinzu. Sein Fokus wird beim operativen Produktgeschäft der Bioindustrial-Unit liegen. Für den Ausbau von weiteren Übernahme- und Beteiligungsaktivitäten wird künftig Frank Goebel verantwortlich sein, der zuvor bei der Royal Bank of Scotland tätig war. „Letzlich wollen wir mit der neuen Führungsmannschaft die seit 2010 eingeleitete Industrialisierungsstrategie fortsetzen und unser Wachstum ausbauen“, so Langer. Hierfür habe man die anstehenden Aufgaben auf breitere Schultern verteilt. Auch die Geschäftsführer der fünf Mehrheitsbeteiligungen werden künftig eng ins Management mit einbezogen, sollen aber weiterhin „eigenverantwortlich agieren dürfen.“ Zinkes Wechsel in den Aufsichtsrat wird deshalb nicht als Abschied gewertet. Langer: „Der Kapitän geht nicht von Bord, sondern wird stärker die Aufgabe des Außenministers wahrnehmen.“

Mit rund 400.000 Fach- und Privatbesuchern zählt die Internationale Grüne Woche europaweit zu den größten Verbrauchermessen. Das Event ist längst nicht nur ein Mekka für kulinarische Köstlichkeiten. Abseits der „größten Schlemmermeile der Welt“ hat auch die Bioökonomie ihren festen Platz und begeistert immer mehr Besucher. So auch bei der 81. Ausgabe, die vom 15. bis 24. Januar mit rund 1.200 Ausstellern in den Berliner Messehallen stattfand. Auf der „nature.tec“ in Halle 4.2. wurde deutlich, wie nachhaltige Produkte - vom biobasierten Touchscreen über kompostierbare Mülltüten bis hin zum energiesparenden Strohballenhaus - den Alltag erobern. Dies konnten die Besucher in der Ausstellung "Bioökonomie auf 36m2" des Bioökonomierats der Bundesregierung sowie  im „Nachwachsenden Büro“ der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) selbst erleben. 

3 Gramm Maisstärke, 20 Milliliter Wasser, 2 Milliliter Gyzerin  - diese drei Zutaten reichen aus, um Bioplastik herzustellen. Davon konnten sich die Besucher der Grünen Woche in Halle 4.2 überzeugen. Die Technische Kinder- und Jugendakademie aus Berlin präsentierte, wie in Sekundenschnelle das Material für eine vollkompostierbare Mülltüte entsteht. In einer Mikrowelle wurde das Gemisch zu einer geligen Masse, die sich, aufgetragen auf Backpapier und Filtertüte und  kurzem Trocken, in ein elastisch aber belastbares und wasserdichtes Material verwandelte. Diese Aktionen begeisterten nicht nur Schülergruppen.

Technik aus Bambus und Zucker

Bioökonomie zum Anfassen gab es vielerorts. Mehr als 40 Produkte aus dem Alltag wurden in einer der Ausstellung des Bioökonomierates gezeigt, die auf 36m2 einer kleinen Wohnung mit Küche, Bad und Wohnzimmer nachempfunden war. Neben dem Designerrad aus Edelholzrohren weckte vor allem das weltweit erste biobasierte Touchscreen eines Handys sowie das biobasierte Gehäuse eines Comuters das Interesse der Besucher. Zu sehen gab es hier aber auch biobasiertes Spielzeug sowie neuartige Textilien.

Gleich gegenüber präsentierte die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe FNR mit dem „Nachwachsenden Büro“ ein Potpourri biobasierter Produkte für den Arbeitsplatz. Sämtliche Ausstellungstücke vom Mobiliar über Wandverkleidung  und Fußboden bis hin zu Telefon, Tastatur und Schreibtischlampe wurden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und Bioplastik hergestellt.

Stroh als natürlicher Dämmstoff

Auch beim Hausbau setzen sich zunehmend natürliche Materialien durch. So erlebt das Stroh als Dämmmaterial derzeit eine kleine Renaissance. Etwa 400 Strohballenhäusern gibt es bereits in Deutschland. „Es ist eine Marktlücke und das Interesse ist steigend“, berichtet Sissy Hein vom Fachverband Strohballenhaus Deutschland. Ein von der oberfränkischen Firma „Gräfix“ entwickelter ultraleichter und atmungsaktiver Wandputz für innen und außen soll dabei für eine hohe Energieeffizienz und ein gutes Klima nicht nur in den eigenen vier Wänden sorgen.

BMEL-Sonderschau zu Klimawandels und Ernährung

Dass die Folgen des Klimawandels auch in der Landwirtschaft allgegenwärtig sind - auch darüber wurde auf der Grünen Woche informiert.  So macht den Landwirten vor allem extreme Trockenheit oder Nässe zu schaffen, das stresst die Pflanzen und sorgt für Ernteausfälle. Die Bundesregierung unterstützt daher seit Jahren die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft.

Pflanzenzucht und –forschung spielen somit eine entscheidende Rolle. Das zeigte auch die Sonderschau des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Halle 23 zu den Themen Klimawandel und Ernährung. Forscher vom Thünen-Institut in Braunschweig berichteten hier vom Projekt FACE (Free Air Carbon Dioxide Enrichment), das den Einfluss von Klimaveränderungen auf das Wachstum von Kulturpflanzen erforscht. Dafür wurde ein Teil der Halle zum Versuchslabor umgebaut. Messebesucher konnten ein von Heizstrahlern eingerahmtes Weizenfeld sehen, ein Miniatur-Ausschnitt aus ihren realen Versuchen, bei denen Hitzestress für die Pflanzen simuliert wird. Einzelne Flächen wurden dafür auch über computergesteuerte Düsen mit Kohlendioxid begast. „Damit wird die CO2-Konzentration simuliert, die man für 2050 erwartet“, erklärt Martin Kraft. Das Ergebnis: Durch die Begasung steigen die Erträge von Zuckerrüben, Gerste und Weizen um bis zu 15 Prozent. Gleichzeitig nimmt in den Getreidekörnern der Eiweißgehalt ab, was wiederum für die Backqualität entscheidend ist.

Enzyme sind schon lange in der Lebensmittelindustrie im Einsatz. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Lebensmittel bekömmlicher und haltbarer sind. Gerade bei laktosefreien Milchprodukten kommen sie zunehmend zum Einsatz. Und der Bedarf wächst. Die Laktoseunverträglichkeit vieler Menschen weltweit - etwa in Asien - lässt die Nachfrage nach biotechnologisch hergestellten Enzymen für die Milchproduktion seit Jahren steigen. Davon will nun auch die Brain AG profitieren. Gemeinsam mit dem Enzymspezialisten Weissbiotech GmbH will sie neue Enzyme für Milchprodukte entwickeln.

Vor neun Monaten hatte die auf industrielle Biotechnologie spezialisierte Brain AG den Enzymhersteller aus Ascheberg übernommen. Nun wird die strategische Allianz mit der Weissbiotech GmbH mit einer Forschungskooperation untermauert, wie beide Partner Mitte August berichten. Das Ziel: Gemeinsam wollen die Unternehmen neue Enzymprodukte für die Milchverarbeitende Industrie identifizieren und entwickeln. Die dafür benötigten Biokatalysatoren stammen aus dem Mikroben-Archiv der Brain AG, die über eine umfassende Sammlung neuer Enzyme und Metagenombanken verfügt. Das Zwingenberger Biotech-Unternehmen ist darauf spezialisiert, unerschlossene Enzyme, Mikroben oder Naturstoffe zu entwickeln, um sie industriell nutzbar zu machen.  Die Weissbiotech Gmbh wird im Gegenzug ihren Marktzugang und Vertrieb einbringen. 50 verschiedene Enzymprodukte für verschiedenste Industriebereiche gehören schon heute zum Portfolio der Weissbiotech. Sie kommen unter anderem  bei Herstellung von Fruchtsäften und alkoholischen Getränken, aber auch bei der Kraftstoff-Herstellung und in der Stärkeverarbeitenden Industrie zum Einsatz.

Nachfrage an Milchprodukten in Asien kurbelt Enzymmarkt an

Mit der Forschungskooperation wollen sich beide Unternehmen auf dem seit Jahren wachsenden Segment mit neuen Enzymen weiter etablieren.  Seit 2012 liegt die Wachstumsrate in dem Segment bei jährlich 8 Prozent. Das Marktvolumen wurde 2014 auf 225 Millionen Euro geschätzt. Ein großen Anteil am Wachstum trägt der asiatische Markt, da Milcherzeugnisse wie Käse auch dort immer beliebter werden. Auf Grund der dort vorherrschenden Laktoseintoleranz ist der Bedarf an enzymatisch hergestellten laktosefreien Milchprodukten weltweit gestiegen.  

Portfolio an Enzymen erweitern

Für den frisch gekürten CEO der Brain AG, Jürgen Eck, der seit ist die Forschungskooperation ein „perfektes Beispiel für eine win-win Situation“.  Eck zufolge wurden erste vielversprechende Enzyme seit der Übernahme im November 2014 bereits identifiziert und befinden sich in der Scale-up und Entwicklungsphase. „Die Kooperation mit Brain gibt uns die Möglichkeit, unser Produktportfolio zu erweitern”, erklärt Johannes de Bie, CEO von Weissbiotech. “Zudem erwarten wir, dass wir unsere Produktionsfertigkeiten verbessern können, indem wir Brains Stammoptimierungen, Fermentationsexpertise und Forschungsinfrastruktur mit in die Entwicklung einbeziehen.”

Lebensmittelketten entdecken zunehmend den Tierschutz für sich. Nach Aldi und Lidl hat nun auch die Rewe Gruppe angekündigt, bei Eigenmarken kein Fleisch mehr zu verkaufen, dass von Schweinen stammt, die ohne Betäubung kastriert wurden. Solch ein Verbot sieht das Deutsche Tierschutzgesetz erst ab 2019 vor. Neben dem Tierwohl ist es der Druck der Verbraucher, der die Supermarktketten zum Handeln zwingt.  Der Grund: Die Nachfrage nach Wurst und Fleisch sinkt seit Jahren. Vegetarische oder vegane Kost sind  dagegen im Trend. Forscher erproben derweil die Tierhaltung der Zukunft.

Beim Anblick gequälter Tiere oder katastrophaler Mastanlagen ist manchem Verbraucher der Appetit auf Fleisch, Eier oder andere tierische Produkte  vergangenen. Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes GfK sind die Umsätze bei Fleischersatzprodukten wie Sojaschnitzel im Laufe der letzten Jahre fast um das Doppelte gestiegen. Die Nachfrage nach Wurst ist hingegen seit 2008 um acht, bei Fleisch um neun Prozent gesunken. Nach einer Studie von Forschern der Universität Göttingen und Hohenstein sind es inzwischen 3,7 Prozent aller Deutschen, die gänzlich auf Fleisch verzichten.  „Der Tierschutz hat am Markt lange keine besondere Rolle gespielt. Aber jetzt ist der Druck deutlich gestiegen“, resümiert der Lebensmittelmarketingexperte Achim Spiller von der Universität Göttingen.

Schweinefleisch von gequälten Tieren zukünftig tabu

Der Handel ist also im Zugzwang. Nach Aldi, Lidl und Edeka hat sich nun auch Rewe zu Tierschutz und Nachhaltigkeit offiziell bekannt. Ab 1. Januar 2017 will die Handelskette „bei ihren Eigenmarken kein Frischfleisch mehr verkaufen, welches von betäubungslos kastrierten Schweinen stammt“, betont das Unternehmen in einer Pressemitteilung.

"Die betäubungslose Kastration passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit. In der Theorie verfügen wir bereits jetzt über alternative Methoden, welche den Tieren die schmerzhafte Prozedur ersparen kann“, erklärt Klaus Mayer, Leiter Qualitätsmanagement der REWE Group. Gemeinsam mit den Vertragslieferanten will die Supermarktkette daher eine Strategie zur Einführung alternativer Methoden bei der Tierhaltung erarbeiten und die Tierzüchter zur Einhaltung bewegen. Im August wurde zudem das Leitbild „Nutztierhaltung der Zukunft“ beschlossen. Darin bekennt sich das Unternehmen,  zur „nachhaltigen Erzeugung tierischer Nahrungsmittel“. Grundlage sind die vom britischen Landwirtschaftsministerium Farm Animal Welfare Council aufgestellten sogenannten "Fünf Freiheiten". Darin ist neben einer artgerechten Haltung unter anderem festgeschrieben, dass Tiere weder Hunger, Stress oder Schmerzen ertragen dürfen.

Laborställe proben Schweinemast der Zukunft

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt den Schritt von Rewe und hofft, dass weitere Handelsketten nachziehen. Präsident Thomas Schröder bleibt jedoch realistisch: „Tierschutz kostet Geld“, sagte er und weist darauf hin, dass Werbung für Niedrigpreise bei Fleischprodukten dem Tierschutz nicht dienen. Gleichwohl gibt es in der Tierforschung bereits zahlreiche Ansätze für eine artgerechte Tierhaltung. In den Laborställen vom Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp, einer Einrichtung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein,  wird unter anderem die Schweinemast er Zukunft erprobt und die Tiere nach dem Vorbild von Haustieren mit Futter und Spielsachen umsorgt. Ein ähnliches Konzept wird in der Experimentieranlage des Dummersdorfer Leibniz-Instituts verfolgt. Hier haben die Sauen Namen und werden einzeln zum Futtertrog gerufen, um

Organisches Gewebe wie Hautzellen dreidimensional drucken – auf diese neue Technologie setzt zukünftig der deutsche Chemiekonzern BASF. Dafür hat das Ludwigshafener Unternehmen eine Kooperation mit dem französische Start-up Poietis geschlossen, das eine 3D-lasergestützte Bioprint-Anlage entwickelt hat. BASF will das neue Verfahren bei der  Entwicklung und Erforschung neuer kosmetischer Wirkstoffe für Hautpflegeprodukte einsetzen und so bestehende Hautmodelle verfeinern. Damit schafft BASF eine weitere Alternative, bei Wirkstofftests auf Tierversuche zu verzichten.

Pharma- und Kosmetikunternehmen stehen seit langen wegen ihrer Tierversuche in der Kritik. Mit einem selbst entwickelten Hauttest, der gänzlich ohne Experimente an Tieren auskommt, hatte der Pharma- und Chemiekonzern BASF bereits im Jahr 2013 ein deutliches Zeichen gesetzt.  Die Forscher wurden dafür vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) mit dem „Forschungspreis zur Förderung methodischer Arbeiten mit dem Ziel der Einschränkung und des Ersatzes von Tierversuchen“ ausgezeichnet. Mit dem Einsatz der neuen 3D-lasergestützten-Bioprint-Technologie von Poietis tut sich nun eine weitere Alternative zu Tierversuchen auf. „Dank ihrer langjährigen Expertise, was Lösungen für die Dermokosmetik betrifft, hat die BASF erkannt, welche Vorteile das 3D-lasergestützte Bioprint-Verfahren gegenüber konventionellen Verfahren zur Zellzüchtung und anderen Bioprint-Verfahren hat“, so Gründer und Präsident von Poietis, Fabien Guillemot, der die Firma im JAhr 2014 aus dem Forschungsinstitut Inserm ausgegründet hat.

Gründerpreis für 3D-Bioprint-Technik

Im Sommer hat BASF die Forschungs- und Entwicklungsvereinbahrung mit dem französischen Start-up geschlossen. Wieviel Geld an Poietis fließt, darüber wurde nichts verlautbart. Derzeit werben die Franzosen auf der Crowdfinanzierungsplattform Wiseed um die Gunst des Schwarms. Insgesamt 600.000 Euro wollen sie dort einsammerln. Das Unternehmen ist unter anderem mit Unterstützung des Regionalen Gründerzentrums Aquitanien ins Leben gerufen worden. Zuvor hatten die Forscher mit ihrer Technologie den ersten Platz beim Französischen Gründerwettbewerb für innovative Technologieunternehmen gewonnen.

Mechanismen der Haut besser verstehen

Ihre Technologie hat auch BASF überzeugt: Das auf 3D-Druck basierende Verfahren ordnet gezüchtete Hautzellen mehrschichtig in vorgefertigte dreidimensionale Strukturen an. Damit können nach Angaben von Poietis komplexere und widerstandsfähigere Gewebestrukturen produziert werden, als es mit herkömmlichen Methoden in der Zell- und Gewebekultivierung möglich ist. „Die lasergestützte Technologie ermöglicht bei der Nachbildung von Zellen eine höhere Auflösung als andere Bioprint-Verfahren", erklärt Sebastien Cadau, der bei BASF für Gewebezüchtungen zuständig ist. Cadau ist sicher, dass mithilfe der neuen Bioprint-Technologie, BASF seinen strategischen Vorsprung sichern kann. „Dieser liegt darin, die Mechanismen der Haut noch besser zu verstehen und dieses Wissen für die Entwicklung und Tests innovativer kosmetischer Wirkstoffe für den Einsatz in Hautpflegeprodukten zu nutzen“.

Gewebemodelle verfeinern

Im ersten Schritt wollen sie das Poietis-Verfahren einsetzen, um eine automatisierte Reproduktion des von ihnen entwickelten Hautäquivalent-Models MimeskinTM zu ermöglichen. Später sollen dann Modelle folgen, die weitere Zelltypen enthalten, wie BASF in seiner Pressemitteilung erklärt.

Nicht nur in der Pharmaindustrie sind derzeit Startups gefragt. Immer mehr junge Firmen widmen sich in ihrer Geschäftstätigkeit nachhaltigen Themen. Nun rufen gleich zwei Startup-Wettbewerbe deutsche Gründer zur Teilnahme auf: DerGreen Alley Award ist eine Initiative des Green-Economy-Investors Green Alley, bis Mitte September läuft die Bewerbungsfrist. Der Startgreen-Award steht wiederum unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und wurde von Forschern der Gründerinitiative StartUp4Climate gemeinsam mit zwölf Partnerorganisationen ins Leben gerufen. Hier kann man sich noch bis Anfang Oktober bewerben.

Gerade erst haben deutsche Pharmakonzerne wie Bayer oder Merck mit Startup-Initiativen für Medienrummel gesorgt: Vergangene Woche wurden drei Startups in den Merck-Accelerator in Darmstadt aufgenommen, davor verkündete Bayer die fünf Gewinner der jüngsten Grant4Apps-Initiative. Doch auch Geschäftsideen mit Bezug zur Nachhaltigkeit sind gefragter denn je. Innerhalb der Biotechnologie kommen hier vor allem industrielle Anwendungen in der Chemie, der Kosmetik oder im Textilbereich in Frage. Auch die Politik hat reagiert und die Themen Energiewende, Nachhaltigkeit und Bioökonomie inzwischen auf die politische Agenda geschafft haben, stehen grüne Startups derzeit nur selten im Rampenlicht.  

Großes Potenzial grüner Startups

Dieses Fazit zieht zumindest Klaus Fichter. Der Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Universität Oldenburg und Leiter des auf die gleichen Themen fokussierten Forschungsinstituts Borderstep hat sich in einer Studie mit dem Potenzial von grünen Startups beschäftigt. Das Ergebnis: Zwar wurden in den vergangenen zehn Jahren knapp 170.000 grüne Unternehmen gegründet, die 1,1 Millionen Arbeitsplätze geschaffen haben. Aus Sicht von Fichter hätten es aber noch mehr sein können. Denn die Zahlen seien nicht Ausdruck guter Förderung. „Es liegt vielmehr daran, dass es einen großen Bedarf an nachhaltigen Lösungen gibt“, so der Professor. Um das Thema Nachhaltigkeit und Startups mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu bringen, hat Fichter nun gemeinsam mit der Gründerinitiative StartUp4Climate und zwölf Partnerorganisationen den StartGreen Award ins Leben gerufen. „Dadurch, dass wir einen nationalen Preis ausgeschrieben haben, werden wir die Sichtbarkeit der Unternehmen erhöhen“, ist der Professor überzeugt.

Bundesumweltministerin Schirmherrin von Startgreen-Award

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat die Schirmherrschaft übernommen, seit 25. August können Bewerbungen eingereicht werden. Die Frist läuft noch bis zum 5. Oktober. Im November werden die Preise vergeben.  Verliehen wird der Award in vier Kategorien: Gründungskonzept, Startups (null bis fünf Jahre), junge Unternehmen (sechs bis 15 Jahre) und Gründungsförderer wie Business Angel oder Hochschulen. Fichter zufolge soll über den Wettbewerb auch eine Vernetzung der Community gelingen.  „Das ist für uns der wichtigste Aspekt“, sagt der Institutsleiter. Bei einer erwarteten dreistelligen Bewerberzahl könne so ein schlagkräftiges Netzwerk entstehen.

Gesucht: Ökologische Firmen in ihrer ganzen Breite

Inhaltlich ist der Wettbewerb offen angelegt. „Im Fokus des Preises stehen ökologische Unternehmen in ihrer ganzen Breite“, sagt Fichter. Ob Energiethemen, Ernährungsfragen oder Recyclingaspekte betrachtet werden, ist egal. Die Unternehmen müssen sich alle in Kategorien wie Marktpotenzial, Innovationskraft und Skalierbarkeit messen – wichtigstes Kriterium ist der ökologische Mehrwert des Produkts oder der Dienstleistung. Auch soziale Aspekte berücksichtigt die Jury aus Szenekennern. Gewinnen können die Preisträger neben dem Zugang zu grüner Expertise auch Sachpreise sowie Fördermittel im Gesamtwert von 20.000 Euro. Gestellt werden die Preise vom Bundesumweltministerium. Der Wettbewerbsgedanke schlägt sich auch im Bewerbungsverfahren nieder. Aus den bis zum Stichtag eingereichten Bewerbungen, wird eine Vorauswahl getroffen. Diese wiederum muss sich einer Onlineabstimmung stellen. Aus den hieraus gewonnenen Finalisten wählt wiederum die Jury die Sieger aus.

Green Alley: Kreislaufwirtschaft und Recycling im Fokus

Das Oberthema Kreislaufwirtschaft und Recycling steht wiederum im Fokus des zweiten derzeit laufenden Startup-Wettbewerbs Green Alley Award. Bewerben können sich hier innovative Idee im Bereich Abfallströme oder Verkaufsverpackungen, Recycling oder Upcycling, Ressourcenschonung oder Ressourcenreduzierung. Bereits im vergangenen Jahr war der von der Green Alley Investment GmbH, einer Tochterfirma des Mainzer Entsorgungspezialisten Landbell AG, initiierte Wettbewerb gestartet worden. Als Partner ist  die Crowdfunding-Plattform Seedmatch mit an Bord. In diesem Jahr wurde zudem eine Kooperation mit den britischen Partnern European Recycling Platform (ERP) und dem in London ansässigen Accelerator-Programm Bethnal Green Ventures geschlossen, um einen breiteren Bewerberkreis anzusprechen. Bewerbungen müssen daher in diesem Jahr auf Englisch erfolgen, der inhaltliche Fokus bleibt jedoch bestehen. Einreichungen sind noch bis zum 15. September möglich.

Jogurtbecher aus Polymilchsäure oder Kinderspielzeug aus  Maisstärke verdrängen zunehmend herkömmliche Plastikprodukte aus den Regalen. Doch das Anwendungsfeld für Kunststoffe aus biologisch abbaubaren Stoffen und nachwachsenden Rohstoffen ist wesentlich breiter. Das EU-Projekt Plastice hat in den vergangenen Jahren mit der Gründung nationaler Informationsstellen die Voraussetzung für eine breitere Nutzung nachhaltiger Kunststoffe auf europäischer Ebene gelegt. Nun wird das etablierte Netzwerk global aktiv und will auch in Ländern außerhalb Europas wie den USA, China oder Brasilien derartige Anlaufstellen einrichten. In Deutschland hat das Fraunhofer UMSICHt eine nationale Kontaktstelle eingerichtet.

Kinderspielzeug, Essgeschirr, Haushaltsgegenstände oder Verpackungen aus Plastik bestimmen das Bild der Supermärkte weltweit.  Seit langen suchen Forscher nach Alternativen für die Herstellung von Kunststoffen aus  Erdöl. Mit Erfolg: Jogurtbecher aus Polymilchsäure oder Kinderbausteine aus Maisstärke sind hierzulande in fast jedem Regal zu finden. Darüber hinaus  haben auch Gesundheitswesen oder Automobilindustrie das Potential biologisch abbaubarer und aus nachhaltigen Rohstoffen gewonnener Kunststoffen erkannt. Für eine noch breitere Nutzung von Bioplastik hat sich das EU-Projekt Plastice in den vergangenen Jahren stark gemacht.

Infostellen in 18 Ländern

Das Projekt wurde im April 2011 gegründet und in den vergangenen drei Jahren von der Europäischen Kommission und dem Zentraleuropaprogramm unterstützt. 13 Partner aus vier Ländern (Slowenien, Italien, Polen und Slowakei) arbeiteten darin an Strategien, nachhaltige Kunststoffe in Mitteleuropa schneller und breiter zu etablieren. Koordiniert durch das National Institute of Chemistry Ljubljana wurde im Laufe der Projektzeit das Netzwerk nationale Informationsstellen gegründet. Das Ziel: Die erreichten Ergebnisse und Kenntnisse auf dem Gebiet der nachhaltigen Kunststoffe zu verbreiten und die Grundlage für neue internationale Kooperationen zu schaffen. Aus Deutschland hat sich das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) beteiligt und eine entsprechende Kontaktstelle auf nationaler Ebene eingerichtet.

Schnittstelle zwischen Angebot und Nachfrage

Nun gehen die Mitstreiter des  EU-Projektes die nächste Etappe an. Da das Thema nachhaltige Kunststoffe von weltweiter Bedeutung ist, will das Projekt jetzt auch global aktiv werden. Dazu wurde nun das Globale Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe gegründet, an dem die Fraunhofer-Forscher von UMSICHT ebenfalls beteiligt sind. In insgesamt 18 Ländern, darunter USA, Brasilien, Indien, China und Türkei sollen an bekannten Instituten derartige Anlaufstellen geschaffen werden. Diese nationalen Informationsstellen sollen Interessierten aus Forschung, Industrie und Öffentlichkeit einen einfachen Zugang zu Informationen rund um das Thema nachhaltigen Kunststoffen ermöglichen. Gleichzeitig dienen sie als Schnittstellen zwischen Angebot und Nachfrage entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Markt für bioabbaubare Kunststoffe in Europa und darüber hinaus sein. Das neugegründete Globale Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe wird unter dem Dach des International Centre for Applied Research and Sustainable Technology mit Sitz in Bratislawa (Slowakei) und  Triest (Italien) organisiert und weiterentwickelt. Das Ziel: eine Plattform für Partnerprogramme und Projekte einzurichten, die auch international von Bedeutung sind.

bb