Deutschland hat ein Recyclingproblem, auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht: Zwar meldete das Umweltbundesamt für 2017 eine Recyclingquote von 99,4%. Allerdings wurde etwas mehr als die Hälfte der 6,15 Mio. Tonnen gesammelter Kunststoffabfälle thermisch recycelt, sprich: in Müllverbrennungsanlagen, Zementwerken oder Kraftwerken zur Wärmeerzeugung genutzt. Die stoffliche Verwertung umfasste nur 2,87 Mio. Tonnen (46,7%). Dabei bewahrt sie rund dreimal so viel der im Kunststoff enthaltenen Energie wie durch dessen Verbrennung thermisch genutzt werden kann. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sind daher hohe stoffliche Verwertungsquoten erstrebenswert.
Doch während auch eine thermische Nutzung immerhin eine Form der Wiederverwertung ist, gibt es auch jene Kunststoffabfälle, die nicht ins Recycling gelangen. 12,6 Mio. Tonnen Kunststoffe hat die deutsche Industrie 2017 verarbeitet, mehr als doppelt so viel also, wie insgesamt wiederverwertet wurden. Der „Plastikatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung kritisiert, dass lediglich 16% des deutschen Plastikmülls tatsächlich für Produkte wiederverwendet wird. Das von der Europäischen Union im Programm „Horizon 2020“ geförderte Forschungsverbundprojekt „P4SB“ (From Plastic waste to Plastic value using Pseudomonas putida Synthetic Biology) will daran etwas ändern.
Einfache Recyclingkunststoffe teurer als Erdölpendants
Zwei Ursachen sieht Projektleiter Lars Blank von der RWTH Aachen als Hauptgründe für die geringe stoffliche Verwertung: „Recycelte Kunststoffe sind meist teurer als das Original aus Erdöl“, berichtet der Forscher, und: „Es gibt einige Plastikfraktionen, die wir noch nicht recycelt bekommen.“ Zwar existieren wenige Ausnahmen wie PET-Flaschen aus PET-Recyclat, bei denen die Abfälle gut vorsortiert und daher gut wiederzuverwerten sind. Und momentan herrscht auch ein Preishoch: „Recyceltes Plastik ist am Markt jetzt teurer als neues, weil die Outdoor-Hersteller für ihre Nachhaltigkeitslabels die Nachfrage treiben“, erzählt Blank. Doch diese Ausnahmen lösen das Problem nicht, deuten für ihn aber den Weg zur Lösung an: „Anstatt des üblichen Downcyclings bei der Wiederverwertung wollen wir die Kunststoffe upcyceln, damit mit ihnen mehr Geld verdient werden kann und auch die Logistik der Abfallsammlung bezahlt werden kann.“ Obendrein wollen die Forscher diesen Weg nicht nur für PET, sondern auch für das bislang schwer wiederzuverwertende Polyurethan (PU) beschreiten.
Methodisch setzt das Projekt auf die Biotechnologie: Im ersten Schritt zerlegen spezielle Enzyme eine bestimmte Kunststofffraktion innerhalb der Plastikabfälle in ihre Monomere, also ihre einzelnen Bausteine. Im zweiten Schritt verwerten ausgewählten Mikroorganismen diese Monomere und erzeugen daraus komplexere – und teurere – Kunststoffe.
Mikroorganismen lösen das Problem der Sortierung
„Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass Hilfsstoffe oder Farben das Recycling nicht stören“, schildert Blank. „Die Mikrobe kann sich aus den Mischmonomeren das heraussuchen, was sie gut findet, und ist dem Rest gegenüber tolerant.“ Denn daran scheitern etablierte Verfahren aus mechanischen und chemischen Schritten: „Diese Flexibilität bei den Substraten schafft der Chemiker nicht, er braucht dafür 99,9% Reinheit der Monomere.“
Die für den PET-Abbau eingesetzten Enzyme, sogenannte Esterasen, haben den Vorteil, dass sie aus einem Organismus stammen, der sich auch bei 70 °C noch wohlfühlt. „Plastik ist teilweise kristallin, in der Form können Enzyme es nicht angreifen“, erläutert Blank. Bei 70 °C allerdings liegt die Glastransitionstemperatur, bei der die Kunststoffe ihre kristalline Struktur verlieren. Weil die Enzyme bei dieser Temperatur noch arbeiten, können sie die gesamte Fraktion in Monomere zerlegen. Damit die Esterasen das mit entsprechender Effizienz tun, haben die P4SB-Partner der Uni Leipzig sie noch etwas optimiert.