Aktuelle Veranstaltungen

Der dänische Pflanzenphysiologe Tonni Grube Andersen gehört zu den diesjährigen Preisträgern des Sofja Kovalevskaja-Preises der Alexander von Humboldt-Stiftung. Mit dem dem Preisgeld von 1,65 Mio. Euro baut er am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln eine eigene Arbeitsgruppe auf. Andersen interessiert sich insbesondere dafür, wie Pflanzen unterirdisch mit ihren sie umgebenden Wurzelmikroben interagieren. Tonni Andersen wechselte 2014 als Postdoc mit einem Marie-Curie-Stipendium an die Universität von Lausanne. Im Interview erläutert er, wieso ihn die Pflanzenwurzel so fasziniert und wie er der Kommunikation mit den mikrobiellen Untermietern auf den Grund gehen will.

The Danish plant physiologist Tonni Grube Andersen is one of this year's winners of the Sofja Kovalevskaja Award of the Alexander von Humboldt Foundation. With the award money of 1.65 million euros, he is setting up his own research group at the Max Planck Institute for Plant Breeding Research in Cologne. Andersen is particularly interested in how plants interact underground with their surrounding root microbes. Tonni Andersen moved to the University of Lausanne in 2014 as a postdoctoral fellow with a Marie Curie fellowship. In an interview, he explains why he is so intrigued by the plant root and how he wants to get to the bottom of its communication with the microbial roommates.

Es ist ein weiterer Erfolg für den Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant: In der vorkommerziellen Lignocellulose-Bioraffinerie im bayrischen Straubing hat das Unternehmen jetzt rund 30 Tonnen des auch als Chinaschilf oder Elefantengras bekannten Miscanthus-Grases enzymatisch zu Lignocellulose-Zuckern und -Ethanol verarbeitet. Der Testlauf war Teil des EU-geförderten Projekts „GRACE“ (GRowing Advanced industrial Crops on marginal lands for biorEfineries).

Meilenstein für die Bioraffinerie

Clariant hat damit zum einen die industrietauglichkeit seiner Sunliquid-Technologie demonstriert. Weil der enzymatische Prozess Lignocellulose-Zucker als Zwischenprodukte auf dem Weg zum Ethanol erzeugt, könnten diese künftig auch als biobasierte Ausgangsstoffe für Chemikalien genutzt werden. „Die Tests haben einmal mehr die Flexibilität und Effizienz der Sunliquid-Technologie im Hinblick auf verschiedene lignocellulosische Rohstoffe gezeigt", freut sich Markus Rarbach, Leiter der Business Line Biofuels and Derivatives bei Clariant. Die durchgeführten Tests bezeichnete er als „wichtigen Meilenstein für Clariant“.

Miscanthus als Dauerkulturpflanze

Zum anderen hat das Unternehmen gezeigt, dass sich Chinaschilf tatsächlich als Energiepflanze und biobasierte Quelle für chemische Grundstoffe eignet. Das ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil Chinaschilf eine recht anspruchslose Pflanze ist, die selbst auf kontaminierten und aufgegebenen Böden wächst. Für Landwirte ist attraktiv, dass es sich um eine Dauerkultur handelt, die eine Lebenserwartung von 15 bis 20 Jahren hat und hohe Hektarerträge liefert. Ökologisch wie ökonomisch vorteilhaft ist zudem, dass die Pflanzen nicht jährlich gedüngt oder mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden müssen. Mithilfe der auf rohstoffspezifischen Enzymen basierenden Clariant-Technologie könne nun das volle Potenzial des Chinaschilfs erschlossen werden, so Clariant.

Biobasierte Wertschöpfungskette

„Als Leiter des Anwendungsbeispiels Bioethanol innerhalb des EU-geförderten GRACE-Projekts sind wir mit den Testergebnissen zufrieden“, resümiert auch Stjepan Nikolić, operativer Leiter für Raffinerie und Marketing bei INA. „Die Ergebnisse setzen einen wichtigen Impuls zur Weiterentwicklung einer biobasierten Wertschöpfungskette und einer bioökonomischen Kreislaufwirtschaft unter kommerziellen Bedingungen.“ Das kroatische Öl- und Gasunternehmen INA hatte die Miscanthus-Pflanzen in Kroatien angebaut und für das Projekt zur Verfügung gestellt.

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It is another success for the Swiss specialty chemicals group Clariant: In the pre-commercial lignocellulose biorefinery in Straubing, Bavaria, the company has now enzymatically processed around 30 metric tons of Miscanthus grass, also known as maiden silvergrass or elephant grass, into lignocellulose sugars and ethanol. The test run was part of the EU-funded project "GRACE" (GRowing Advanced industrial Crops on marginal lands for biorEfineries).

Milestone for the biorefinery

Clariant has thus demonstrated the industrial suitability of its Sunliquid technology. Because the enzymatic process produces lignocellulose sugar as an intermediate product on the way to ethanol, it could also be used in the future as a biobased starting material for chemicals. "Once again, this showed the flexibility and efficiency of the sunliquid technology platform when it comes to different lignocellulosic feedstock," says Markus Rarbach, head of the Biofuels and Derivatives business line at Clariant. He described the tests carried out as an "important milestone for Clariant".

Miscanthus as a permanent crop

On the other hand, the company has shown that maiden silvergrass is indeed suitable as an energy plant and bio-based source of chemical feedstocks. This is particularly important because silvergrass is a fairly undemanding plant that grows even on contaminated and abandoned soils. What is attractive for farmers is that it is a permanent crop with a life expectancy of 15 to 20 years and high yields per hectare. Another ecological and economic advantage is that the plants do not have to be fertilized or treated with pesticides every year. Clariant believes that the company's technology, which is based on feedstock-specific enzymes, can now unlock the full potential of silvergrass.

Biobased value chain

"As the bioethanol demonstration case leader of the EU-funded GRACE project, we are satisfied with the testing results," sums up Stjepan Nikolić, operational head of refinery and marketing at INA. "These results are a push towards further development of a bio-based value chain and a circular bio-economy for further commercial conditions". The Croatian oil and gas company INA cultivated the Miscanthus plants in Croatia and made them available for the project.

bl/um

Die genauen Details des Insektensterbens in Deutschland sind strittig und Teil eines neuen Monitoring-Programmes, doch belegt ist: Mehr als 3.000 einheimische Insektenarten haben in den vergangenen Jahrzehnten eine deutliche Verringerung ihrer Bestandsgrößen zu verzeichnen. Eine Studie im Fachjournal „PLoS One“ sprach 2017 von einem Verlust der Biomasse bei Fluginsekten von mehr als 75% innerhalb von 27 Jahren. Mit einem jetzt verabschiedeten „Aktionsprogramm Insektenschutz“ will die Bundesregierung dem Insektenschwund entgegenwirken.

Pro Jahr 100 Mio. Euro für den Insektenschutz

Wohl in Anlehnung an die vor wenigen Jahren erfolgte Bankenrettung formulierte Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner: „Die Biene ist systemrelevant.“ Damit vollzieht sie einen Schulterschluss mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die ihrerseits resümierte: „Wir haben ein starkes, wirksames Aktionsprogramm beschlossen. Das Insektensterben ist dramatisch.“ Rund 100 Mio. Euro pro Jahr investiert der Bund künftig zusätzlich in den Schutz von Insekten, insbesondere in Agrarlandschaften, darunter 25 Mio. Euro für Insektenforschung und -monitoring.

Glyphosat-Verbot ab 2023

Doch Geld ist nur ein Teil des Aktionsprogramms. Es sieht weiterhin vor, Lebensräume wie Streuobstwiesen und artenreiches Grünland, aber auch Saum- und Randbiotope besser zu schützen und wiederherzustellen. Zu letzteren zählen beispielsweise Randstreifen von Wegen und Hecken am Wegesrand – auf dem Land, aber auch in der Stadt. Vor allem in der Stadt sollen künftig insektenfreundliche Lichtquellen zum Einsatz kommen und so den „Staubsaugereffekt“ vermeiden, infolgedessen zahlreiche Tiere, die vom Licht angezogen werden, schließlich erschöpft sterben oder gefressen werden.

Weiter beschränkt wird außerdem der Einsatz von Insektiziden und anderen Schadstoffen im Lebensraum der Insekten. Das beinhaltet deutlich strengere Regeln für das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ab 2020 in der Landwirtschaft, aber auch in privaten Gärten und auf öffentlichen Grünflächen sowie dessen vollständiges Verbot nach 2023. Festgeschrieben werden sollen die Maßnahmen des Aktionsprogramms in einem geplanten Insektenschutzgesetz.

Unterstützung engagierte Bürger und Organisationen

Darüber hinaus sieht das Aktionsprogramm noch einen weiteren Baustein vor: die Bürgerbeteiligung. Gefördert werden soll demnach das Engagement für Insekten in allen Bereichen der Gesellschaft. Bereits die Ausarbeitung des Aktionsprogramms hatte unter anderem einen Online-Dialog beinhaltet, über den Bürger und Organisationen Maßnahmenvorschläge einreichen konnten. Einige daraus sind in das jetzt verabschiedete Programm eingeflossen.

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The exact details of insect decline in Germany are controversial and part of a new monitoring programme, but it has been proven that more than 3,000 native insect species have experienced a significant reduction in their population sizes in recent decades. A study in the specialist journal "PLoS One" in 2017 spoke of a loss of biomass in flying insects of more than 75% within 27 years. The German government has now adopted an "Insect Protection Action Program" to counteract the loss of insects.

100 million euros per year for insect protection

Probably following the example of the bank rescue a few years ago, Federal Agriculture Minister Julia Klöckner phrased: "The bee is of systemic importance". She is thus closing ranks with Federal Environment Minister Svenja Schulze, who herself summed up: "Insects provide services we urgently need to survive. Insect decline has taken on dramatic levels, and there are several causes for this development. However, if we take the right measures in various areas we will be able to reverse the trend. We can stop insect decline". In the future, the federal government will invest an additional 100 million euros per year in the protection of insects, especially in agricultural landscapes, including 25 million euros for insect research and monitoring.

Glyphosate ban in 2023

But money is only part of the action programme. It also provides for better protection and restoration of habitats such as meadow orchards and species-rich grassland, as well as edge habitats. The latter include, for example, hedges along roadsides - in the countryside, but also in the city. In the future, insect-friendly light sources will be used especially in urban areas. 

The use of insecticides and other pollutants in insect habitats will also be further restricted. This includes much stricter rules for the pesticide glyphosate from 2020 in agriculture, but also in private gardens and on public green areas, as well as its complete ban after 2023. The measures of the action program are to be laid down in a planned insect protection law.

Support for committed citizens and organisations

In addition, the action programme provides for a further building block: citizen participation. The aim is to promote the civic engagement for insects in all areas of society. The preparation of the action program had already included an online dialogue through which citizens and organisations could submit proposals for measures. Some of these have been incorporated into the program that has now been adopted.

bl/um

Er ist ein imposantes Beispiel dafür, was der neue Holz-Forschungscampus der Technischen Universität Kaiserslautern künftig leisten soll: Dort wurde am 5. September der zwölf Meter durchmessende Holzpavillon eingeweiht, der künftig den Eingang des Forschungscampus markiert. 100 Quadratmeter überspannt die Pavillonkuppel. Wie alle anderen Teile des Bauwerks besteht sie aus Abfallholz und kommt komplett ohne Metall-Komponenten aus.

Aus Schnittabfällen zusammengepuzzelt

Das Holz stammt dabei aus Schnittabfällen der Brettsperrholzproduktion. Um diese Abfallstücke optimal zusammenzupuzzeln, setzten die Forscher um Architekt und Juniorprofessor Christoph Robeller eine spezielle Software ein. Sie berechnete, aus welchen Stücken sich die komplexen Gebäudeteile am besten zusammensetzen lassen. Dabei berücksichtigt das Programm verschiedene Faktoren wie etwa Statik, Geometrie und Fügung, die letztlich für die Stabilität eines Bauwerkes entscheidend sind. Eine Fräsmaschine setzte die Vorgaben dann um.

Sie bringen Wasser in die Wüste: Große Plantagen können das Mikroklima so beeinflussen, dass mehr Niederschläge fallen. So tragen die Anpflanzungen dazu bei, die Wüstenbildung zu verringern und entfernen außerdem Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Die genauen Mechanismen hinter der Regenbildung haben jetzt Wissenschaftler der Universität Hohenheim analysiert und mit Hilfe eines Supercomputers auch bis auf die regionale Ebene hinab simuliert, wo auf der Erde neue Plantagen besonders wirkungsvoll angelegt werden könnten.

Große Anpflanzungen erzeugen Hitzetiefs

„Großflächige Plantagen, zum Beispiel aus Jojoba-Pflanzen, erhöhen deutlich den Anteil an Sonnenenergie, der von der Erdoberfläche absorbiert wird“, erklärt der Erdsystemwissenschaftler Oliver Branch von der Universität Hohenheim. „Die Pflanzen geben die Energie dann größtenteils in Form von Wärme an die Umgebungsluft ab.“ Über der Plantage entstehe so ein warmes Gebiet mit niedrigem Luftdruck, ein sogenanntes Hitzetief. „Die Druckdifferenzen in der Umgebung der Plantagen erzeugen Auftriebsgebiete, die zur Bildung von Wolken und Niederschlag führen können“, erläutert Branch weiter.

Regionale Faktoren sind entscheidend

Wichtige Einflussgrößen sind der im Fachjournal „PNAS“ veröffentlichten Studie zufolge neben der Jahreszeit auch regionale Gegebenheiten, beispielsweise die Windgeschwindigkeiten und die Bodenbeschaffenheit. Mit Hilfe des Cray Supercomputers konnten die Wissenschaftler simulieren, wo auf der Erde die Gegebenheiten für die Regenbildung besonders günstig sind. Dazu zählen die Arabische Halbinsel, Namibia und die Sahara. „Jede Wüste ist unterschiedlich“, begründet Branch. „Während eine Plantage von 100 km mal 100 km in Oman einen großen Unterschied machen und Wolken produzieren würde, können wir diesen Effekt beispielsweise für Israel ausschließen.“

Jojoba-Sträucher sind optimal geeignet

Die Forscher empfehlen für den Anbau Jojoba-Sträucher: „Da Jojoba eine anspruchslose Pflanze ist, kann sie auch in Wüstenregionen gut gedeihen“, erläutert Branch. „Sie benötigt nur wenig Wasser, und dieses muss auch keine Trinkwasserqualität haben.“ Zudem verträgt Jojoba Hitze problemlos und transpiriert nur wenig, wodurch der Hitzetief-Effekt besonders groß ausfällt. Nicht zuletzt binden die neuen Anpflanzungen Kohlendioxid. „So können die Plantagen die Auswirkungen der Klimakrise eindämmen, während sie gleichzeitig seinem weiteren Fortschreiten entgegenwirken“, resümiert Branch.

Wirtschaftlicher Nutzen für die Bevölkerung

Zu guter letzt sind Jojoba-Plantagen für die einheimische Bevölkerung auch wirtschaftlich interessant: „Aus Jojoba lässt sich beispielsweise ein hochwertiges, auf dem Markt stark nachgefragtes Öl herstellen“, weiß Branch. Darüber hinaus könnte die Biomasse als nachwachsender Rohstoff in der Energiegewinnung genutzt werden.

bl

They bring water into the desert: large plantations can influence the microclimate to such an extent that more rain falls. They help reduce desertification and remove carbon dioxide from the atmosphere. Scientists at the University of Hohenheim have now analyzed the exact mechanisms behind rain formation and, with the help of a supercomputer, have simulated it down to the regional level, where new crops could make the greatest difference.

Large plantations generate heat lows

"Large plantations, for example from jojoba plants, significantly increase the amount of solar energy that is absorbed by the earth's surface," explains earth system scientist Oliver Branch from the University of Hohenheim. "The plants then release most of the energy into the surrounding air in the form of heat." This creates a warm area with low air pressure, a so-called thermal low, above the plantation. "The pressure differences in the vicinity of the plantations create upwelling areas that can lead to the formation of clouds and rainfall," continues Branch.

Regional factors are crucial

According to the study published in the specialist journal "PNAS", important influencing factors are not only the season but also regional conditions, such as wind speeds and soil conditions. With the help of the Cray Supercomputer, the scientists were able to simulate where on earth the conditions for rain formation are particularly favorable. These include the Arabian Peninsula, Namibia and the Sahara. "Every desert is different," explains Branch. "While a plantation of 100 km by 100 km in Oman would make a big difference and produce clouds, we can rule out this effect in Israel, for example."

Jojoba bushes are ideally suited

The researchers recommend jojoba bushes for cultivation: "Since jojoba is a sturdy plant, it can also thrive in desert regions," explains Branch. "It requires very little water, which does not even have to be of drinking water quality. In addition, jojoba easily tolerates heat and perspires very little, making the thermal low effect particularly pronounced. Last but not least, the new crops bind carbon dioxide. "In this way, the plantations can contain the effects of the climate crisis while at the same time counteracting its further progression," sums up Branch.

Economic benefits for the population

Last but not least, jojoba crops are also economically interesting for the local population: "Jojoba, for example, can be used to produce a high-quality oil that is in high demand on the market," Branch says. In addition, the biomass could be used as a renewable raw material for energy production.

bl/um

Die Fachkonferenz INSECTA wächst weiter. Mehr als 270 Teilnehmer aus 40 verschiedenen Ländern trafen sich am 5. und 6. September in Potsdam, um über Mehl- und Buffalowürmer, Grillen, Heuschrecken und Artgenossen zu sprechen. Die Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft treffen sich jährlich, um über die aktuellsten technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, ökologischen und ethischen Entwicklungen bei der Produktion und Nutzung von Insekten als Futter- und Lebensmittel sowie für den Non-Food-Bereich zu diskutieren.

Diesmal im Fokus: die Aufzucht und Haltung von Insekten, regulatorische Hürden sowie Aspekte wie Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die INSECTA wird seit 2015 vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) gemeinsam mit Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg e.V. in wechselnden deutschen Städten organisiert.

Die Insektenindustrie wächst

Als Proteinquelle der Zukunft sind die Insekten zum Hoffnungsträger avanciert. „Der Hype um die Nutzung von Insekten hat um 2015 herum begonnen und seitdem nicht mehr aufgehört“, sagte der niederländische Forscher Arnold van Huis. Große Unternehmen wie Hermetia aus Deutschland, Proti-Farm aus den Niederlanden oder das französische Ynsect sind auf Wachstumskurs. Außerdem seien rund 270 neue Start-ups in den letzten Jahren weltweit entstanden. Sie wollen mit Insektenburgern, Energieriegeln und proteinreicher Pasta den Markt erobern.

Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht: Laut Van Huis soll die Insektenindustrie bis 2030 auf 8 Mrd. US-Dollar anwachsen und dazu beitragen, den Fleischkonsum und somit CO2-Emissionen und Landverbrauch zu reduzieren sowie eine proteinreiche Ernährung auch in ärmeren Ländern zu ermöglichen. Auch den heimischen Speiseplan können sie, so van Huis, bereichern: „Insekten enthalten mehr Antioxidantien als Orangensaft oder Olivenöl und Chitin, was das Immunsystem stärkt“, so der Insektenforscher.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Futtermittelindustrie. Hier könnten zum Beispiel die Insektenlarven der Schwarzen Soldatenfliege dazu beitragen, die umweltschädlichen Soja-Importe – von denen Europa derzeit noch rund 30 Millionen Tonnen bezieht – langfristig zu ersetzen. Ein Vorreiter in diesem Gebiet ist Katz Biotech. Das mittelständische Unternehmen konzentrierte sich lange vor allem auf Wespen und Fliegen für die biologische Schädlingsbekämpfung – seit einigen Jahren gibt es auch eine Zuchtanlage für die Soldatenfliege. Und die insgesamt rund 300 Tonnen Larven-Futtermehl, die Katz Biotech derzeit produziert, finden offenbar reißenden Absatz.

Unsicherheitsfaktor Gesetzgebung

Eine Herausforderung für den Sektor sind die regulatorischen Hürden und vor allem die Langsamkeit, mit der die notwendige Gesetze vorangetrieben werden. Dabei wird eine eindeutige Rechtsprechung für viele Investoren als Grundvoraussetzung für weitere Investitionen genannt.

Insekten als Bestandteil der menschlichen Nahrung tauchen erstmals in der EU Rechtsvorschrift über neuartige Lebensmittel (EU) 2015/2283 auf. Seit dem 1. Januar 2018 gelten sie als neuartige Lebensmittel und brauchen eine Zulassung. Damit die neue Verordnung nicht zu einem zwischenzeitlichen Verbot von Erzeugnissen führt, gilt nun eine Übergangsfrist von zwei Jahren für alle Produkte, die nach dem alten Recht von 1997 nicht als neuartig gelten. Bis Anfang 2019 sollten alle Anträge eingereicht werden; der Antrag für die Zulassung von Mehlwürmern liegt schon seit März 2018 bei der Europäischen Kommission – beziehungsweise bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) – eine Entscheidung wird demnächst und spätestens Anfang 2020 erwartet.

Auch im Futtermittelbereich geht es langsam voran. Bisher sind Insekten nur als Futter für Heimtiere und für Fische zugelassen – für Kühe, Schweine oder Geflügel gibt es noch keine Genehmigung. Eine politische Herausforderung hierbei ist, dass es zwar einen europäischen Dachverband gibt – die International Platform of Insects for Food and Feed (IPIFF) –, aber nicht in jedem europäischen Land einen Landesverband, der die Interessen der Unternehmen vertritt und vorantreibt. Laut Nicolas Carbonelle von Bird & Bird, der in Brüssel die Rechtslage seit Jahren beobachtet, ist die Situation „weit davon entfernt, einfach zu sein“, obwohl sich „in den letzten zwei Jahren viel getan hat.“

Knackpunkt Wirtschaftlichkeit

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Wirtschaftlichkeit. Während es schon einige Studien zu den Nachhaltigkeits- und Gesundheitsvorteilen gibt, wird der wirtschaftliche Erfolg auch davon abhängen, ob die Insektenprodukte beim Konsumenten ankommen und ob sich der Markt für Tierfutter erschließen lässt. Hier gilt es noch einige Hürden zu überwinden: durch steigende Produktion könnten Preise reduziert werden und die Wettbewerbsfähigkeit steigen – dazu bedarf es aber an Investitionen und Rechtssicherheit. Die Aufzucht von Insekten ist umweltfreundlich und ökonomisch sinnvoll, wenn Abfälle, also zum Beispiel Nebenprodukte aus Lieferketten für Getreide, Obst, Gemüse sowie lokalen Lebensmittelverarbeiten verfüttert werden können. Bisher ist dies noch nicht erlaubt – hier wird eine Entscheidung ab Anfang 2020 erwartet.

Wenn sich die INSECTA-Experten 2020 wieder zusammenfinden, werden auf europäischer Ebene viele Weichen neu gestellt sein. Bleibt abzuwarten, ob der Sektor sein dynamisches Wachstum fortsetzen kann – an Gesprächsstoff wird es den Experten jedenfalls nicht mangeln.

lg

Jubel bei Amira Oraby, Fredy-Wsbaldo Baron-Nunez und Thomas Galonska: Gemeinsam mit ihrer Mentorin Susanne Zibek haben die Studierenden des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart das Finale der "Global Biobased Businessplan Competition" (G-BiB) gewonnen. Der Plan, aus nachwachsenden Rohstoffen fermentativ zwei Biotenside zu erzeugen, die es auf dem europäischen Markt noch nicht gibt, überzeugte die Jury. Im kommenden Jahr schon wollen die Gewinner ihr Unternehmen „EBS – Engineering Biosurfactants“ gründen und den Businessplan Realität werden lassen.

Maßgeschneiderte Biotenside

Anfangs soll sich das junge Unternehmen an die hochpreisige Kosmetikbranche richten, doch die Pläne reichen schon weiter: Mittelfristig möchten die Sieger des Businessplan-Wettbewerbs den gesamten Tensidmarkt ansprechen und Tenside anbieten, die auf die Bedürfnisse der Kunden maßgeschneidert werden. Die Siegerbelohnung aus dem G-BiB-Wettbewerb sichert dem Team dafür gute Startbedingungen: Neben einem Sparring-Tag beim High-Tech Gründerfonds, einem wichtigen Pre-Seed-Investor, erhalten die angehenden Jungunternehmer 7.500 Euro Preisgeld.

Bis zu 500 Teilnehmer werden auf dem „Europäischen Forum für industrielle Biotechnologie und Bioökonomie“ (EFIB) in Brüssel erwartet. Anfang Oktober wird es sich hier zwei Tage lang um innovative Ansätze für eine biobasierte Wirtschaft drehen. Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft – darunter auch zahlreiche deutsche Bioökonomie-Experten – ­wollen darüber diskutieren, wie die Industrie künftig nachhaltiger gestaltet werden kann.

Welche Alternativen gibt es für Plastik? Wie sieht eine Ernährung ohne Fleisch aus bzw. welches Potenzial bieten Ansätze, die alternative Proteinquellen wie Insekten oder Algen nutzen oder gänzlich mit neuen Technologien wie der synthetischen Biologie arbeiten. Bei der Konferenz werden viele internationale Gäste erwartet. Zu den mehr als 80 Sprechern im Programm gehört auch Joseph Zhou, Investmentmanager beim Agtech-Investor BitsxBites aus China. „In China müssen wir uns mit Lösungen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung befassen, die effizientere und gesündere Wege zur Ernährung unserer wachsenden Bevölkerung eröffnen“, betont Zhou. Zugleich betont er die Notwendigkeit, sich über nachhaltige Verpackungsmaterialien in einem Post-Plastik-Zeitalter Gedanken zu machen. „Daher gehen wir auf die EFIB-Konferenz, um uns hier mit Bioökonomieexperten über alternative Materialien und Geschäftsmodelle auszutauschen.“

Die Ernährung der Zukunft

Ebenfalls vor Ort sind zahlreiche Unternehmen, Start-ups und Wissenschaftler, die sich dem Thema Nahrungs- und Futtermittelinnovationen widmen. Ob Insekten, Algen oder Pflanzen als Nahrungs- oder Futtermittelressource, ob synthetische Biologie oder andere zellbasierte Strategien – bei der EFIB Konferenz werden viele unterschiedliche Beispiele für nachhaltige Lebensmittelinnovationen vorgestellt. Große Firmen wie Evonik kommen ebenso zu Wort wie junge Unternehmen, darunter die Algen-Biotechfirma Phytolinc aus Köln. Das Team um Arne Maercker wird ihre Gin-Marke Algenfels präsentieren. Bei der Evening Reception dürfen die Konferenzteilnehmer den Algen-Gin verkosten. Ebenfalls vor Ort wird das

Berliner Team von LegendairyFoods sein, die mit Biotech-Verfahren an veganer Milch arbeiten. Auch Insektenbasierte-Ansätze für die Tierernährung – etwas von der Baruther Firma Hermetia oder dem Start-up MadebyMade aus Sachsen – werden in Brüssel diskutiert.

Darüber hinaus werden der Startlife-Inkubator an der Universität Wageningen, der in Berlin ansässige ProVeg International-Inkubator und die Rabobank zu den Referenten gehören, um neue Markttrends und das aktuelle regulatorische Umfeld der Lebensmittelinnovation in den USA und Europa zu diskutieren.

Innovative Materialien und Prozesse

Das weitere Konferenzprogramm umfasst aber auch Sessions, die das Thema Bioplastik sowie das Potenzial von Synthetischer Biologie auf der Agenda haben. CO2 als Rohstoff wird ebenfalls diskutiert. Zu den Vortragenden zählt unter anderem Jürgen Eck der Zwingenberger BRAIN AG. Er wird Ergebnisse aus der vom Bundesforschungsministerium geförderten Allianz ZeroCarbFP vorstellen. Hier arbeitet das Unternehmen mit der Südzucker AG daran, um Bernsteinsäure ausschließlich auf Basis von CO2 und Wasserstoff herzustellen. „Bernsteinsäure findet viele Anwendungen als Baustein in der Synthese von Alkoholen, Lösungsmitteln, Pigmenten und vollständig biologisch abbaubaren Kunststoffen, die Anwendungen im geschlossenen Kreislauf ermöglichen. Im Rahmen der Allianz haben wir Technologien zur Nutzung alternativer Rohstoffe etabliert, die verschiedene C-Quellen wie Rohglycerin, Altspeiseöl, Prozesswasser, CO2 oder Lebensmittelabfälle nutzen“, berichtet Eck.

Viel Aufmerksamkeit werden auch Start-ups erhalten: Insgesamt 30 Teams können sich im Start-up Village präsentieren. Mit dabei sind die drei Finalisten der „Global Biobased Businessplan Competition“ (G-BiB) inklusive dem frisch gekürten Gewinnerteam aus Stuttgart.

Nachhaltige Mode

Angesichts der schnellebigen Modetrends und der enormen Umweltbelastung der damit verbundenen textilen Herstellungsprozesse entwickelt sich allmählich ein Trend hin zu nachhaltiger Mode aus innovativen Materialien und schonenden Verarbeitunsprozessen. Große Textilunternehmen wie Aquafil und Inditex sowie innovative Start-ups präsentieren auf der EFIB ihre Visionen für den hochdynamischen Sektor. Nachhaltige Produktbeispiele, von Schuhen aus Algen über Jacken aus Pilz bis hin zur Handtasche aus Apfelleder, werden in der Ausstellung des Innovationsbereich Mode präsentiert. Das Wiener Textillabor, NEEM oder ScobyTec zeigen, dass Biotechnologie und Bioverfahrenstechnik längst im Modesektor angekommen sind.

 sw/ih

Es ist bislang nur eine Nominierung, doch auch diese ist bereits eine Auszeichnung: Die drei Chemiker Walter Leitner, Christoph Gürtler und Berit Stange haben es ins Finale des Deutschen Zukunftspreises 2019 geschafft. Anlass ist ihr Forschungserfolg, der einen wichtigen Baustein für eine künftige Kohlenstoffkreislaufwirtschaft darstellt: Die drei Wissenschaftler haben einen Prozess entwickelt, mit dem aus dem Treibhausgas Kohlenstoffdioxid Polyole hergestellt werden können, die ihrerseits Ausgangsmaterial für die Kunststoffgruppe Polyurethan sind. Bislang werden Polyole primär aus Erdöl erzeugt.

Pilotanlage erzeugt 5000 Tonnen Polyol pro Jahr

„Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, CO2 als Rohstoff zu nutzen und damit den CO2-Fußabdruck der chemischen Industrie zu reduzieren“, erläutert Walter Leitner. Leitner ist Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion und Professor der RWTH Aachen, Christoph Gürtler leitet den Bereich Neue Verfahren und Produkte bei Covestro, und Berit Stange ist dort Leiterin Kreislaufwirtschaft Polyurethane. Mit dem gemeinsam erdachten Verfahren kann Covestro in einer Pilotanlage 5.000 Tonnen Polyol pro Jahr erzeugen. Der jährliche Bedarf in der Polyurethanherstellung liegt bei einigen Millionen Tonnen.

So far, they have only been nominated, but this in itself is already a distinction: the three chemists Walter Leitner, Christoph Gürtler and Berit Stange have made it to the final of the German Future Prize 2019. Their research success is an important building block for a future carbon cycle economy: The three scientists have developed a process with which polyols can be produced from the greenhouse gas carbon dioxide, which in turn are the starting material for the polyurethane plastics group. So far, polyols have been produced primarily from crude oil.

Pilot plant produces 5000 metric tons of polyol per year

"We have shown that it is possible to use CO2 as a raw material and thus reduce the CO2 footprint of the chemical industry," explains Walter Leitner. Leitner is Director at the Max Planck Institute for Chemical Energy Conversion and Professor at RWTH Aachen University, Christoph Gürtler is Head of New Processes and Products at Covestro, and Berit Stange is Head of the Covestro Polyurethane Environmental Services Division. The jointly developed process will enable Covestro to produce 5,000 metric tons of polyol per year in a pilot plant. Each year, several million metric tons of polyol are required in polyurethane production.

Ein Drittel der Landesfläche Deutschlands ist von Wald bedeckt, EU-weit sind es sogar mehr als 40%. Echte Urwälder gibt es europaweit nur noch sehr wenige, selbst „naturbelassen“ sind in Deutschland lediglich rund 1% der Waldfläche. Dabei sind Wälder wichtige Orte der Artenvielfalt und binden das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid. Dass die Nutzung von Wäldern nachhaltig erfolgen kann – und das nicht nur um Holz zu gewinnen – haben inzwischen zahlreiche Projekte demonstriert. Sechs erfolgreiche Fallbeispiele aus biogeografisch unterschiedlichen Regionen Europas werden seit November 2017 im EU-Forschungsprojekt „InnoForESt“ für drei Jahre wissenschaftlich begleitet, um sie zu optimieren oder auszudehnen.

Stark praxisorientiert

Weil es sich um eine „Innovation Action“ handelt, ist das mit rund 4 Mio. Euro geförderte Projekt stark praxisorientiert: „Wissenschaft unterstützt Praxisakteure bei Innovationen“, fasst Projektkoordinator Carsten Mann von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zusammen. „Wir schauen uns gute Beispiele an, wie die Ökosystemleistungen des Waldes besser gefördert werden können.“ Im Blick haben die Forscher dabei das ganze Spektrum von der CO2-Bindung und dem damit verbundenen Klimaschutz bis zur Gesundheitsförderung durch den Erholungswert. „Anders als Holz gibt es dafür keine monetären Werte“, erläutert Mann, „deshalb werden sie bei Management-Entscheidungen oft nicht gleichwertig berücksichtigt.“

Am Beispiel des Projektes „Waldaktie“ in Mecklenburg-Vorpommern schildert der Projektleiter die Arbeit des Konsortiums aus 16 Hauptpartnern. Die Idee dahinter ist schnell erklärt: Touristen kompensieren die CO2-Emissionen ihrer Reise durch eine freiwillige Abgabe, mit der dann ein Klimaschutzwald in der Region aufgeforstet und gepflegt wird. „Initiatoren waren Mitarbeiter aus dem Umweltministerium, dem Tourismusbüro und der Forstverwaltung“, erzählt Mann und verweist auf ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Waldinnovationen: die Vernetzung unterschiedlicher Akteure. Das Projekt sei regional bereits sehr erfolgreich und inzwischen sind bereits 19 Klimawälder in allen Landesteilen entstanden. Dabei entsprechen zehn Euro einer „Waldaktie“ bzw. fünf Quadratmetern Klimaschutzwald.