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Wo einst Mülldeponien waren, sind heute vielerorts Brachlandschaften. Auch wenn Pflanzen das Territorium nach und nach zurückerobern: Im Untergrund gärt es teils noch heftig. In den Böden schlummern das Klimagas Methan und kontaminiertes Sickerwasser, dass unkontrolliert entweichen und die Umwelt belasten kann. „Allein in Deutschland gibt es rund 106.000 Altablagerungen. Bei einem Großteil kann man davon ausgehen, dass sie noch immer biologisch aktiv sind“, erklärt Frank Otto von der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum.

Strom und Wärme aus Deponiegas

Diese biologisch aktiven Brachen bergen jedoch auch ein ungeahntes Potenzial, das Frank Otto und sein Team gezielt nutzen wollen. Die Bochumer Forscher entwickelten ein Verfahren, mit dem das methanhaltige Gas aus alten Deponien zur Strom- und Wärmegewinnung verwendet werden kann. Das Prinzip: Mit gezielten Bohrungen wird das Deponiegas abgesaugt und frischer Sauerstoff eingeflößt. „Das organische Material wird dadurch kontrolliert zersetzt – zum Teil durch Sauerstoff-liebende Bakterien, teils durch Bakterien, die ohne Sauerstoff auskommen“, erklärt Otto. Die Sauersoff-liebenden, aeroben Bakterien produzieren dabei CO2 und Wärme, während die anaeroben Bakterien dafür sorgen, dass in der warmen Umgebung Methan entsteht. Bis das Deponiegas endgültig verbraucht ist, könnten so Kleinkraftwerke angetrieben werden.

Kommunen profitieren von neuer Energiequelle

Neben der kontrollierten Zersetzung des Klimagases könnte vor allem die energetische Nutzung für Kommunen ein lukratives Geschäft sein. „Bis zu 25 Jahre dauert es, bis kein reaktionsfähiges, organisches Material mehr vorhanden ist – in jedem dieser maximal 25 Jahre könnten bis zu 250.000 Euro Einnahmen durch den Verkauf von Strom erzielt werden, den man in das Netz einspeist“, erklärt der Geophysiker. Er verweist darauf, dass in seiner Kalkulation die Wärmegewinnung aus Deponiegas noch gar nicht enthalten ist. Otto ist überzeugt, dass sich die Vorab-Investitionen von knapp 1,5 Mio. Euro hinsichtlich des hohen Einnahmepotenzials durchaus rentieren. Bisher durften Kommunen die Ausgasungen aus alten Deponien nur zur Gefahrenabwehr fördern, aber keinen finanziellen Nutzen daraus ziehen. Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2017 ist diese Option nun teilweise möglich.

Müllhalden renaturisieren

Das neue Verfahren ist auch ökologisch vorteilhaft. Nach dem Versiegen der Gasproduktion könnte auf dem Deponiegelände mit dem sogenannten „Urban Mining“ begonnen werden. „Beim sogenannten städtischen Bergbau werden alte Müllhalden noch mal zu ergiebigen Rohstoffminen, aus denen sich wertvolle Ressourcen wie Eisen oder Kupfer und Energierohstoffe gewinnen lassen“, erklärt Otto. Mit der Komplettsanierung des einst belasteten Areals wird dann auch der Weg für die Entstehung neuer grüner Oasen zum Wohnen und Erholen frei.

bb

Enzyme aus der Natur gewinnen und industrietauglich machen, das ist das Spezialgebiet des Biotechnologie-Unternehmens ASA Spezialenzyme GmbH aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel. Die 1991 vom Biotechnologen Arno Cordes gegründete Firma mit 16 Mitarbeitern stellt Enzyme und Bakterienmischkulturen für die Industrie her, die unter anderem in biologischen Reinigern für Gewässer und Klärgruben zum Einsatz kommen. Forschungs- und Entwicklungsprojekte bei ASA Spezialenzyme wurden immer wieder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

In einem Projekt aus der Fördermaßnahme „KMU-innovativ: Biotechnologie“ haben sich die Forscher mit Partnern vom DECHEMA-Forschungsinstitut in Frankfurt am Main darangemacht, das Enzym Chloroperoxidase (CPO) für den Einsatz in chemischen Synthesen in der Industrie fit zu machen.

Vielseitig, aber anfällig

Chloroperoxidasen sind Biokatalysatoren, die andere Moleküle oxidieren. Solche Reaktionsschritte sind in der chemischen Industrie insbesondere in organischen Synthesen gefragt. Zwar gibt es auch andere Enzymklassen mit ähnlichen Fähigkeiten wie zum Beispiel die P450-Monooxygenasen, jedoch benötigen diese oft teure Co-Faktoren. Chloroperoxidasen hingegen nutzen nur Wasserstoffperoxid (H2O2) als Co-Substrat, eine Substanz, die günstig in der Industrie zu haben ist.

Das Enzym Chloroperoxidase stammt in der Natur ursprünglich aus dem Pilz Caldariomyces fumago. Für den industriellen Einsatz ist CPO in seiner natürlichen Form zu anfällig und instabil bei hohen Temperaturen. Deshalb haben die Projektpartner das Enzym durch gezielte Mutagenese der Erbinformation in seiner Struktur verändert, um thermostabilere Enzyme zu generieren. Das BMBF hat das Projekt von 2013 bis 2016 mit knapp 300.000 Euro gefördert.

Enzyme funktionieren in überkritischem Kohlendioxid

Die Suche nach robusteren und funktionstüchtigen Versionen der Chloroperoxidase stellte sich im Projektverlauf als schwierig heraus, berichtet Cordes. „Sehr erfolgreich haben wir die Enzyme aber in überkritischem Kohlendioxid als Reaktionsmedium eingesetzt“, sagt Cordes.

Wenn in der chemischen Industrie flüchtige und in Wasser schwerlösliche Stoffe hergestellt werden, greifen Chemiker meist zu Lösungsmitteln, die toxisch und wenig nachhaltig sind. Überkritisches Kohlendioxid hingegen, ein Zustand, in dem das CO2 gleichzeitig flüssig und gasförmig ist, ist ein ungiftiges Lösungsmittel. Es kann nachhaltig produziert und einfach entsorgt werden. Cordes: „Derzeit arbeiten wir noch daran, unsere neuartige Biokatalyse-Basistechnologie für die Anwendung zu optimieren“. So ist bereits ein Fermentationsverfahren entstanden, das bereits wirtschaftlich eingesetzt werden kann.

Die umweltfreundliche Synthesetechnik dürfte laut Cordes nicht nur für die Erzeugung von Basischemikalien, sondern auch bei Herstellern von Aromastoffen interessant sein.

Autor: Philipp Graf

Noch immer gibt es viele Orte auf der Welt, an denen Menschen ohne Strom leben müssen. Bis vor Kurzem gehörten auch Teile des Senegal dazu - bis Heidi Schiller und ihr Familienunternehmen KAITO Projekt GmbH mit kleinen Solaranlagen buchstäblich Licht in die westafrikanischen Dörfer brachten. Jetzt widmet sie sich einem neuen Projekt vor Ort: SENtypha. Das lokale Schilfrohr (Typha australis) soll als nachwachsender Rohstoff für den Bau Verwendung finden. Dazu müssen nachhaltige Ernte- sowie Verarbeitungsmethoden etabliert werden. Gelingt das Vorhaben, könnten zahlreiche Arbeistplätze und eine eigenständige kleine Industrie geschaffen werden.

There are still many places in the world where people have to live without electricity. Until recently, the Senegal was one of those places – until Heidi Schiller and her family business KAITO Projekt GmbH and their small solar panels literally brought light to the villages in West-Africa. Now Schiller is focusing on a new project at the same location: SENtypha. The goal is to establish the local reed (Typha australis) as a renewable building material. To do so, sustainable harvest- and processing techniques have to be introduced. If the project is successful, numerous jobs and a small, self-sufficient industry could emerge.

Die Zahl ist ernüchternd: 75% der fliegenden Insekten sind in den vergangenen 27 Jahren verschwunden. Die Langzeitstudie eines internationalen Forscherteams lieferte kürzlich erstmals Fakten, die das Insektensterben klar belegen. Dass die Landwirtschaft durch den Einsatz von Pestiziden für den Artenrückgang mitverantwortlich ist, war bisher eher eine naheliegende Vermutung als ein Beweis. Diesen liefern nun Forscher der britischen University of Stirling und vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Im Rahmen ihrer Studie hatte das Team den Einfluss eines speziellen Pflanzenschutzmittels, den Neonicotinoiden, auf Hummelkolonien untersucht. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Pestizide beeinträchtigen Summen

„Wir haben die Wirkung des Pestizids Neonicotinoid auf Hummeln untersucht und herausgefunden, dass es die Vibrationen, und somit auch das Summen, negativ beeinflusst“, sagt Penelope Whitehorn. Die Biologin hatte die Studie an der University of Stirling einst geleitet. Mittlerweile forscht sie am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT.

Um den Einfluss der Pestizide auf Hummelpopulationen zu messen, nahmen die Forscher das prägnante Summen der Insekten ins Visier. Der Grund: Beim Flug erzeugt der Flügelschlag Frequenzen, wodurch die Pollen aus der Blüte herausgeschüttelt werden. Bei dieser sogenannten Vibrationsbestäubung ertönt auch das charakteristische Summen. Das Geräusch ist daher nicht nur signifikant für die Bestäubung von Blüten, sondern auch für das Nektarsammeln, also der Suche nach Nahrung für die Hummeln selbst.

Lernverhalten blockiert

Um Veränderungen im Summen festzustellen, zeichneten die Forscher daher die Geräusche mit einem Mikrofon auf und analysierten im Anschluss das akustische Signal. Das Ergebnis: Bei Hummeln, die permanent durch das Pestizid belastet sind, verringerte sich die Vibration, was wiederum Einfluss auf die Menge der gesammelten Pollen und somit die Nahrung der Fluginsekten hatte. „Hummeln einer Kontrollgruppe, die dem Pestizid nicht ausgesetzt waren, lernten in ihrer Entwicklung nach und nach dazu, wie sie mehr Pollen sammeln und besser Blumen bestäuben können. Die Hummeln, die mit dem Pestizid in Berührung kamen, entwickelten stattdessen ihre Fähigkeiten nicht weiter. Sie sammelten am Ende des Experiments zwischen 47 und 56 Prozent weniger Pollen als die Kontrollgruppe“, berichtet Whitehorn.

Folgen für das Gedächnis der Hummeln befürchtet 

Die Forscher konnten damit beweisen, wie Pestizide das Bestäubungsverhalten und somit die Fähigkeiten ganzer Hummelpopulationen beeinträchtigen können. Doch die Folgen könnten noch gravierender sein. „Wir glauben, dass Pestizide sich auf das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten von Hummeln auswirken. Beides sind wichtige Voraussetzung für komplexe Verhaltensweisen“, sagt Mitautor Vallejo-Marin. Als nächstes will das Team daher den Mechanismus bestimmen, durch den das Pestizid die Hummeln prägt.

bb

Rutschfest und splitterfrei

Grashalme bestehen etwa zur Hälfte aus Cellulose, einem hochbelastbaren Material. Die Cellulose aus den Grashalmen wird in einer Bioraffinerie aufgeschlossen. Dazu werden die Grashalme im warmen Wasserbad gewaschen. Es lösen sich nicht nur Schmutz und Steine von den Grasbüscheln, durch die Wärme werden auch Zucker, Proteine und Aminosäuren aus den Halmen gelöst. Nach der Trocknung werden die Grashalme mit recyceltem Plastik zu einem Kunststoff verschmolzen. Dieser Kunststoff besteht bis zu 75 Prozent aus Gras und wird u. a. zu Terrassendielen verarbeitet.

Nachhaltig und umweltfreundlich

Die hessische Firma Biowert produziert den Kunststoff von der Wiese nach einem Kreislauf-Prinzip. Das Gras kommt von den Bauern im Umkreis. In einer eigenen Biogasanlage erzeugen Bakterien Biogas aus Speiseresten. Im angeschlossenen Blockheizkraftwerk wird mit dem Biogas Strom erzeugt. Der Strom versorgt die Maschinen mit Energie. Auch die Abwärme wird genutzt: für die Trocknung der Halme nach dem Waschgang. Grasbestandteile, die nicht in das Plastik eingearbeitet werden, dienen als Futter für die Bakterien. Die restliche Biomasse aus der Biogasanlage wird als Dünger auf den Feldern verteilt.

Marktreife

Die Terrassendielen aus Agriplast, dem Kunststoff, der aus Wiesengras hergestellt wird, sind bereits seit einigen Jahren auf dem Markt.

 

Non-slip and splinter-free 

Blader of grass consists of about 50 percent cellulose, a highly resilient material. The cellulose from the blades of grass is broken down in a biorefinery. For this purpose, the blades of grass are washed in a warm water bath. The grass is cleaned of dirt and stones and the heat also loosens sugar, proteins and amino acids from the stalks. After drying, the blades of grass are fused with recycled plastic. The resulting biobased plastic consists of up to 75 percent grass and is used, among other things, to make decking boards. 

Sustainable and environmentally friendly

The Hessian company Biowert produces the plastic from the meadow in a sustainable fashion according to the principles of the circular economy. The grass comes from local farmers. In their own biogas plant, bacteria produce biogas from food waste. The biogas is used to generate electricity in the connected block-type thermal power station. The electricity in turn supplies the machines with energy. The waste heat is also used: for drying the stalks after the washing cycle. Grass components that are not incorporated into the plastic serve as feed for the bacteria. The remaining biomass from the biogas plant is distributed as fertilizer on the fields.

Ready for the market 

Agriplast, the plastic made from meadow grass, has been on the market for several years now.

Der Wald dient uns als Rohstoffquelle aber auch als Naherholungsgebiet. Die Bäume filtern Kohlenstoff aus der Luft und schützen mit ihren Wurzeln den Boden vor Erosionen. Wie Wissenschaftler der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) im Fachblatt „Ecology Letters“ nun berichten, arbeiten viele dieser wichtigen Ökosystemfunktionen besser, wenn der Wald aus mehreren verschiedenen Baumarten besteht – also eine hohe Biodiversität aufweist.

Diverse Wälder bieten bessere Ökosystemleistungen

Im Rahmen des europaweiten Forschungsprojektes „FunDivEUROPE“ haben die Wissenschaftler die Bedeutung der Biodiversität für das Funktionieren von Waldökosystemen in sechs Ländern untersucht: in Deutschland, Finnland, Polen, Rumänien, Italien und Spanien. In dortigen Wäldern wurden solche Versuchsflächen ausgewählt, die mindestens ein bis fünf Baumarten aufwiesen. Insgesamt haben die Forscher 26 Funktionen gemessen, die relevant für Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf, das Wachstum und die Widerstandskraft der Bäume sowie die Verjüngung des Waldes sind. Das Ergebnis: In Wäldern mit mehreren Baumarten wachsen die Bäume schneller, speichern mehr Kohlenstoff und sind widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Krankheitserregern. Das Fazit von Sophia Ratcliffe, die die Studie an der Universität Leipzig geleitet hat: „Wenn man Wald-Monokulturen zu diversen Wäldern umwandelt, sollten diese also auch mehr Ökosystemleistungen und Güter für uns Menschen liefern können.“

Hohe Diversität minimiert Schäden durch Klimawandel

Das Zusammenspiel von Biodiversität und hoher Funktionalität des Waldes ist zudem vor allem in jenen Regionen hoch, in denen Wasserknappheit und lange Vegetationsperioden vorherrschen, wie in Süd- und Zentraleuropa. „Durch den Klimawandel werden unsere Sommer trockener und länger. Daher gehen wir davon aus, dass es künftig noch wichtiger wird, Wälder so zu bewirtschaften, dass sie eine hohe Diversität an Baumarten aufweisen“, sagt Christian Wirth, Leiter der Abteilung Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität der Universität Leipzig und geschäftsführender Direktor des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Zusätzlich konnten die Leipziger Forscher in einer weiteren Studie zeigen, dass eine verbesserte Ökosystem-Funktion im Wald nicht auf Kosten einer anderen geht: In einem Wald können mehrere Funktionen gleichzeitig hoch sein.

jmr

Forests are a major resource for raw materials but also as a local recreational area. Trees remove carbon from the air and their roots help prevent soil erosion. In the journal “Ecology Letters” researchers from the Leipzig University and the German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) now report that many of these important functions work better, if the forest contains several different species of trees, i.e., in forests with a higher level of biodiversity.

Forests with many different tree species are more profitable

As part of the European-wide research project “FunDivEUROPE” the researchers investigated the importance of biodiversity for forest functioning in six countries across Europe: Germany, Finland, Poland, Romania, Italy and Spain. Within forested regions, the scientists selected plots that varied in the number of tree species, from one to five species. In total, the researchers measured 26 functions in these plots that are relevant to nutrient and carbon cycles, the growth and resilience of the trees, and forest regeneration. The result: In forests with many tree species, trees grow at a faster rate, store more carbon and are more resistant to pests and diseases than trees in species-poor forests. “Therefore, converting forest monocultures to multi-species forests should generally result in a higher delivery of ecosystem goods and services to humans”, says Sophia Ratcliffe, who has led the study at Leipzig University.

High biodiversity minimises consequences of climate change

Moreover, the correlation between biodiversity and high functionality of a forest appears to be especially close in such areas where water for the trees is scarce and the growing seasons are longer, i.e., in southern and central Europe. “Our summers will be drier and longer as a result of climate change. We therefore presume that, in the future, it will be even more important to manage forests in a way that they have a high diversity of tree species,” says
Christian Wirth, Head of the Department for Systematic Botany and Functional Biodiversity at Leipzig University and Managing Director of the German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv).

Another study by the Leipzig-based researchers also shows that improving one important forest function does not equal minimising another: in the same forest, several functions can be high simultaneously. 

jmr

Alternative Verfahren für Wirkstofftests sollen künftig den Bedarf an Tierversuche in Laboren weiter minimieren. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert seit Jahren diese Entwickung, um Tierversuche überflüssig zu machen. Erste Erfolge zeichnen sich ab: Wurden 2014 noch 3,3 Millionen Tiere für Laborexperimente gezählt, waren es 2015 nur noch 2,7 Millionen, wie eine Statistik des BMEL belegt. Mit dem Tierschutz-Forschungspreis ehrt das BMEL nunmehr zum 38. Mal Innovationen, die dem Tierwohl dienen.

Komplexe Organe auf einem Chip

In diesem Jahr geht die Auszeichnung an Alexander Mosig und sein Team von der Universität Jena. Mit dem auf 25.000 Euro dotierten Preis werden die Forscher für die Entwicklung eines Biochips geehrt, auf dem komplexe Organe wie die Leber abgebildet werden können. Der Chip besteht aus kleinen Flüssigkeitstanks, die an den Kunststoff-Objektträger angeschlossen sind. In seinem Inneren sind schmale Hohlräume durch Zu- und Abflüsse verbunden. Die kleine Tanks und Schläuche sorgen demnach für die richtigen Strömungsbedingungen im Chip-Organ. „Durch ein Mikroflusssystem können wir für eine realitätsnahe Perfusion sorgen, die erst die spezifische Kommunikation zwischen den Zelltypen und die gegenseitige Stabilisierung ermöglicht. Mit Hilfe von Sensoren können wir sogar die Sauerstoffsättigung gezielt regulieren“, sagt Mosig.

Chipversuche haben größere Aussagekraft

Auch wenn der Biochip rein äußerlich kaum Ähnlichkeit mit menschlichen Organen aufweist: In seinen Funktionen kommen die Modelle den Organen sehr nah. Eine Abbildung der Leber auf dem Chip enthält beispielsweise nicht nur alle relevanten Zelltypen, die strukturell auch korrekt angeordnet sind. Diese Zellen erfüllen auch ihre Stoffwechsel- und Gewebefunktionen, und das über mehrere Wochen. „Wir arbeiten hier mit menschlichen Zellen und Gewebemodellen, so dass die Aussagekraft der Versuche viel größer ist als bei Versuchen mit Nagetieren“, sagt Mosig.

Die Gewebemodelle der Jenaer Forscher wurden in der Praxis bereits alternativ zu Tierversuchen eingesetzt. Ein Modell der Leber diente dazu, Entzündungsprozesse des Organs zu untersuchen und Wirkstoffe zu charakterisieren. Die Organchip-Technik floss aber auch in die Entwicklung eines humanen Krebsmodells ein, an dem der Wirkmechanismus einer Antitumor-Substanz aufgeklärt wurde. Mit der Nachbildung einer Blut-Hirn-Schranke auf dem Chip konnte wiederum der Einsatz von Nanotransportern als Wirkstoffträger optimiert werden.

Weitere Organmodelle in der Entwicklung

Mosik und sein Team sind bereits dabei noch weitere Organe auf dem Biochip abzubilden. „Unsere Gruppe arbeitet an Organ-Modellen von Darm, Lunge, Knochen und Niere, um die Technik als Alternative zu Tierversuchen für die Infektionsforschung, die Wirkstofftestung und perspektivisch auch für toxikologische Untersuchungen zu etablieren.“

bb

Viele Tiere sind reine Pflanzenfresser. Doch Pflanzenzellwände und ihre Bestandteile sind sehr schwer zu verdauen. Deshalb haben sich im Laufe der Evolution viele Symbiosen aus Mikroorganismen und Pflanzenfressern zusammengefunden, um gemeinsam den größten Nutzen aus der pflanzlichen Nahrung zu ziehen. Der Distelschildkäfer ist ein besonderes Beispiel dafür. Wie Forscher vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena in der Fachzeitschrift „Cell“ berichten, könnte der Käfer ohne sein symbiotisches Bakterium und dessen Verdauungsenzyme manche Bestandteile der pflanzlichen Zellwände gar nicht aufschließen.

Symbiose-Bakterien gleichen Enzym-Defizit aus

„Der Ausgangspunkt unserer Studie waren histologische Beschreibungen und Zeichnungen der symbiotischen Organe von Schildkäfern, die der deutsche Zoologe Hans-Jürgen Stammer vor mehr als 80 Jahren anfertigte. Dieser außergewöhnlichen Partnerschaft zwischen Käfer und Bakterium, die Stammer als Besonderheit beschrieb, wollten wir mit modernen molekularbiologischen Untersuchungsmethoden auf den Grund gehen“, erklärt Hassan Salem, der Erstautor der Publikation. Laut einer Studie von Stammer aus dem Jahr 1936 sind Schildkäferarten mit ungewöhnlichen Organen ausgestattet: Sie verfügen über sackartige Ausstülpungen am Darm, in denen die Symbiose-Bakterien wohnen. Diese werden von den weiblichen Käfern auf die Nachkommen übertragen. Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass Blattkäfer zwar Bestandteile der pflanzlichen Zellwand wie Zellulose und Pektin abbauen können, allerdings selbst keine Gene für Pektinase-Enzyme enthalten. Die neue Studie zeigt nun, dass dieses Defizit durch die enge Symbiose mit dem Bakterium ausgeglichen wird.

Bakterium mit dem kleinsten Genom außerhalb einer Wirtszelle

Mithilfe von Untersuchungen zur Enzymaktivität konnten die Forscher zeigen, dass Distelschildkäfer ohne Symbionten tatsächlich kein Pektin mehr abbauen konnten, um an die Nährstoffe in den pflanzlichen Zellen zu gelangen. „Diese Käfer hatten deutlich geringere Überlebenschancen“, sagt Roy Kirsch vom MPI für chemische Ökologie. Zudem fanden die Forscher eine weitere Besonderheit heraus: Das Bakterium weist das kleinste Erbgut aller bislang untersuchten Organismen auf, die außerhalb einer Wirtszelle leben. Die genetischen Untersuchungen des Symbiose-Bakteriums ergaben, dass das Gebom auf wenige hundert Gene reduziert ist, und unter diesen aber einige die Produktion und den Transport von Pektinasen regulieren. Insgesamt ist das Genom mit etwa 270.000 Basenpaaren erstaunlich klein. Zum Vergleich: Das Bakterium Escherichia coli, das im Darm vieler Tiere einschließlich des Menschen lebt, hat 4.600.000 Basenpaare, ist also 17-mal so groß.

Klare Arbeitsteilung von Käfer und Symbiont

Die Symbiose zwischen Käfer und Bakterium weist zudem eine sehr klare Arbeitsteilung auf: „Der Käfer besitzt die Gene, die für die Bildung von Enzymen verantwortlich sind, die Zellulose verdauen, während der Symbiont Pektinasen zur Verfügung stellt. Zusammen haben sie alle notwendigen Enzyme, um die pflanzliche Zellwand abbauen zu können. Besonders an dieser Symbiose ist, dass wir erstmals ein spezialisiertes symbiotisches Bakterium beschreiben konnten, dessen primäre oder sogar einzige Aufgabe die Herstellung von Pektin abbauenden Enzymen ist“, fasst Hassan Salem zusammen.  

jmr

Many animals are herbivores. However, the plant cell wall contains cellulose and pectin – both of which are very difficult to digest and require specific enzymes for their break down. Throughout evolution many symbioses between microbes and herbivores have emerged in order to derive the most use out of their vegetable nourishment. The thistle tortoise beetles are an extraordinary example for such a symbiosis. According to a recent study in the journal “Cell” by researchers from the Max Planck Institute for Chemical Ecology, the beetle would not be able to digest the plant cell walls and gain access to the nutrients inside the plant cells without its symbiotic microbes and their enzymes. 

Symbiotic bacteria replace deficient enzymes

„The bedrock of our study were the histological descriptions and drawings of the beetle’s symbiotic organs that were first published by the German zoologist Hans-Jürgen Stammer more than 80 years ago. We wanted to molecularly characterize the extraordinary partnership between a leaf beetle and its symbionts described by Stammer as a rare peculiarity,” first author Hassan Salem explains. According to a study by Stammer in 1936, tortoise beetles are equipped with unusual organs: sac-like reservoirs in the guts of the beetles therein which the symbiotic bacteria reside. Female beetles transfer the symbionts to their offspring. Previous studies had shown that these beetles were able to digest the components of plant cell walls like cellulose and pectin despite their lack of pectinase enzymes. The current study now demonstrates that the missing enzyme is compensated for by the close symbiotic relationship with the bacterium.

The bacteria with the tiniest genome outside a host cell

In fact, by analysing the enzyme activity the researchers were able to show that the beetles were unable to digest pectin in order to gain access to the nutrients in the cell without their symbionts. “As a consequence their chances of survival decreased,” says Roy Kirsch from the MPI for Chemical Ecology. Moreover, the scientists discovered another peculiarity: the bacterium contains the smallest genome ever described for an organism that exists outside a host cell. The genome of the microorganism is reduced to only a few hundred genes, among them some genes that regulate the production and transport of pectinases. Accordingly, the genome is rather tiny, containing only approximately 270.000 base pairs. In comparison, the Escherichia coli bacteria, which live inside the gut of many animals including humans, contain approximately 4.600.000 base pairs, about 17 times as many as the beetle microbe.

Division of labour between beetle and microbes

A clear division of labor characterizes the symbiosis between the beetle and its symbiont: “The beetle host possesses the genes responsible for producing cellulases to digest cellulose, whereas the symbiont provides the pectinases. Together they have the necessary enzymes to break down the plant cell wall. Especially notable is the fact that this is the first description of a specialized bacterial symbiont with a primary or even sole function dedicated to pectin degradation,” Hassan Salem summarizes. 

jmr

Ob ressourcenschonende Herstellungsverfahren oder neuartige Umwelttechnologien: Die Bandbreite grüner Start-ups ist breit aufgestellt und zeigt das Potenzial nachhaltiger Ideen. 170.000 grüne Unternehmen haben sich nach Einschätzung des Borderstep Instituts in den vergangenen acht Jahren in Deutschland gegründet. Vor allem die Start-up-Szene hat die Green Economy für sich entdeckt. Die besten Ideen wurden Mitte November im Rahmen der „Gründerwoche Deutschland“ in Berlin mit dem StartGreen Award ausgezeichnet.

Neun Preisträger in fünf Kategorien

Der vom Borderstep-Institut initiierte StartGreen Award steht unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Mit ihm werden Gründungskonzepte, Start-ups und junge Unternehmen geehrt, die mit innovativen Ideen einen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten. Neben Preisgeldern von insgesamt 50.000 Euro steht auch das Netzwerken der Preisträger innerhalb der Gründer-Commmunity im Fokus der Förderung. In diesem Jahr konnten insgesamt neun Kandidaten in fünf Kategorien punkten. Zuvor hatten sie schon eine Jury aus Gründungs-, Innovations- und Nachhaltigkeitsexperten in einem finalen Pitch überzeugen müssen.

Von Saagutbehandlung bis Virtual Reality

Zu den drei Siegern in der Kategorie „Gründungskonzepte“ zählt das junge Osnabrücker Unternehmen „SeedForward“. Das Team um die beiden Gründer Jacob Paul Bussmann und Jan Ritter erhielt die Trophäe für die Entwicklung einer organisch adaptierbaren Saatgutbeschichtung. In der Sparte „Start-up“ siegte „Hydrogenious“ aus Erlangen mit einer Technologie zur Speicherung von Wasserstoff in Flüssigkeiten. Und in der Kategorie „junges Unternehmen“ überzeugte wiederum „Polysecure“ aus Freiburg. Die Baden-Württemberger entwickleten eine Technologie, mit der schwer recycelbare Stoffe getrennt und sortiert werden können. Darüber hinaus ging der Sonderpreis „Neue Perspektiven“ an das Potsdamer Team „VisionYOU“, dass mit Virtual Reality die Berufsorientierung für Jugendliche attraktiver machen will.

Erstmals Schüler für grüne Ideen ausgezeichnet

Neben Start-ups und jungen Unternehmen wurden erstmals auch drei Schülerfirmen ausgezeichnet, die mit ihren nachhaltigen Gründungen punkteten. Dazu gehören unter anderem die Macher von „öko-E eSG, die sich für die Pflege von Streuobstwiesen wie auch für einen sanften Tourismus in der Region stark machen. Hinter der Förderung steht das Projekt StartGreen@School, dass über die Nationale Klimaschutzinitiative gefördert wird. Es unterstützt nachhaltige Schülerprojekte mit dem Ziel, bereits an Schulen das Bewusststein für grüne Gründungen zu wecken und über diesen Weg langfristig den Treibhausgaseffekt zu reduzieren.

bb

Weizen ist eine der wichtigsten Getreidesorten weltweit und Weizenprodukte wie Brot oder Nudeln sind weitverbreitete Grundnahrungsmittel. Wissenschaftler vom Helmholtz Zentrum München und internationale Kollegen haben jetzt die Genomsequenz von Ziegenaugengras (Aegilops tauschii), einem Vorfahren des Brotweizens, entschlüsselt. Ihre Ergebnisse, die eine Optimierung der Weizenqualität und eine bessere Anpassungsfähigkeit an klimatische Bedingungen ermöglichen, haben die Forscher im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

Entschlüsselte Eigenschaften kommen Kulturweizen zugute

Klimawandel, Überzüchtung und resistente Schädlinge setzen den Weizenerträgen weltweit zu – und das bei einer stetig wachsenden Weltbevölkerung, also auch einem steigenden Bedarf an Weizenmehl. Ein Vorfahre des heutigen Brotweizens, das Ziegenaugengras, könnte wichtige Eigenschaften im Hinblick auf Brotbackqualität und Widerstandsfähigkeit für den modernen Weizen erbringen. „Das nun vollständig entschlüsselte Genom von Aegilops tauschii dient als Referenz für die Analyse der genomischen Veränderungen im Kulturweizen seit dessen Entstehung“, sagt Klaus Mayer, Leiter der Abteilung Genomik und Systembiologie pflanzlicher Genome (PGSB) am Helmholtz Zentrum München und Honorarprofessor am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München. Durch die nun zur Verfügung stehende breite Datenbasis über die genomischen Grundlagen wichtiger Merkmale im Ziegenaugengras, wird eine gezielte Züchtung dieser Eigenschaften im Brotweizen wesentlich erleichtert.

Ein komplexes Genom benötigt komplexe Analysemethoden

Aegilops tauschii besitzt ein diploides Genom, bei dem also der Chromosomensatz in doppelter Ausführung vorliegt. Zudem ist es relativ komplex und schwierig zu entziffern. „Die Entschlüsselung und die vergleichende Analyse mit Brotweizen erforderten spezialisierte Tools und ein besonderes Know-How, das wir hier inzwischen erworben haben“, sagt Manuel Spannagl  vom PGSB. Dazu gehören hochleistungsfähige Software und Rechenleistungen sowie Analysestrategien, die auf die komplexen Getreidegenome angepasst sind. „Mit der nun vollständigen Kenntnis des Genoms haben wir detaillierte Einblicke gewonnen und eine erstaunliche Dynamik gefunden, die auf eine beschleunigte Evolution der Art hinweist“, ergänzt PGSB-Mitarbeiter Sven Twardziok.

jmr

Wheat is one of the most important cereal species worldwide and its products like bread or pasta are common staples of food. Researchers at the Helmholtz Zentrum München and international colleagues have decoded the complex genome sequence of goatgrass (Aegilops tauschii), an ancestor of common wheat. The results, which could drastically improve wheat quality, as well as increase adaptability of modern wheat varieties to climatic conditions, were published in the journal “Nature”.

Cultivated wheat benefits from original qualities

Climate change, overbreeding and ever more resistant pests are endangering the global wheat yield. All this is happening at a time when the global population continues to grow and requires more wheat than ever before. Goatgrass, an ancestor of the modern common wheat could contribute important characteristics with regard to bread-baking quality and resistance to the already cultivated variety. "The now completely decoded genome of Aegilops tauschii serves as a reference for the analysis of the genomic changes in cultivated wheat since its origin," says Klaus Mayer, head of the Plant Genome and Systems Biology Research Unit (PGSB) at the Helmholtz Zentrum München and honorary professor at Technische Universität München School of Life Sciences Weihenstephan. With the high quality genome sequence now available, selective cultivation is significantly simplified now, as the genomic basis of important characteristics is finally accessible.

A complex genome requires specialised tools

Aegilops tauschii is equipped with a complex diploid genome, meaning there are two complete sets of chromosomes, which is not easy to decipher. "The decoding and comparative analysis with common wheat called for specialised tools and special know-how, which we have meanwhile acquired here," reports Manual Spannagl at the PGSB. For instance, these include high performance software and computing as well as analysis strategies that are adapted to the complex cereal genomes. "With the full genome sequence of Aegilops tauschii, we have now acquired detailed insights and found astonishing dynamism that points to accelerated evolution of the species," adds Sven Twardziok, who is also at the PGSB.

jmr

Eine Vielzahl an Satelliten ist im Orbit unterwegs, um Daten und Bilder zu Klima oder Bodenbeschaffenheit zu liefern. Nicht nur für die Landwirtschaft sind die sogenannten Fernerkundungsdaten von immer größerer Bedeutung. Auch zur Analyse der biologischen Vielfalt wie beispielsweise bei Insekten werden Satellitenaufnahmen immer häufiger herangezogen. Auf diese Weise können größere Flächen über einen längeren Zeitraum beobachtet und abgeglichen werden als mit dem klassischen Feldmonitoring. Dieses ist oft zeit- und kostenintensiv. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wollten wissen, ob die Methode der Fernerkundung tatsächlich für die Erfassung aller Arten taugt.

Vergleich von Satelliten- und Feldmonitoringdaten

In der von ihnen im Fachjournal „PLOS ONE“ veröffentlichten Studie hinterfragten die Forscher entsprechende Angaben zu Wildbienen. Sie wollten wissen, inwiefern man Satellitenbilder nutzen kann, um die Diversität der Insektengruppe auch auf Landschaftsebene abzubilden. Dafür wurden Monitoring-Daten für Wildbienen aus den Jahren 2010 bis 2013 von sechs jeweils 16 Quadratkilometer großen Untersuchungsflächen in Mitteldeutschland ausgewertet. Mit den Daten wurden mathematische Modelle validiert. Die Forscher überprüften, inwieweit Texturmerkmale aus Satellitenbildern lokale Diversitätsmuster aus dem Feldmonitoring widerspiegeln. Die Texturmerkmale spiegeln den Grad räumlicher Heterogenität wieder, der eine Schlüsselrolle für die Verbreitung und die Vielfalt von Arten zukommt.

Wenig Variabilität aus Satellitendaten erkennbar

Das Ergebnis: Die Texturen bildeten die Diversität der Bienen nun zu einem geringen Teil ab. Nur drei bis fünf Prozent der Variabilität bei Wildbienen wurde der Studie zufolge durch die Texturmaße aus Satellitenbildern wiedergegeben. Im Vergleich dazu konnten mithilfe der Daten aus dem herkömmlichem Feldmonitoring bis zu 60% der Variabilität erklärt werden. Damit stehen die Ergebnisse im Widerspruch zu früheren Studien: Die Texturmerkmale von  Satellitenbildern hatten zur Artenvielfalt von Vögeln eine deutlich höhere Aussagekraft.

Die Helmholtz-Forscher vermuten, dass mit den Satellitenbildern Heterogenität erfasst wird, die sich aus der räumlichen Anordnung der Landschaftselemente ergibt. Diese Ebene der Heterogenität ist der Studie zufolge für Wildbienen offenbar weniger relevant als die Vielfalt der Zusammensetzung der Pflanzenarten. Die Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass die Fernerkundungsdaten zur Diversitätsbewertung bei Wildbienen unzureichend sind und daher in absehbarer Zukunft auf ein Feldmonitoring nicht verzichtet werden kann.

bb

Mikroben leben oft in Artengemeinschaften. Dabei wird ihr Miteinander von komplexen Wechselbeziehungen und chemischen Signalen geprägt. Jenaer Forscher haben jetzt herausgefunden, wie die etwa zwei Mikrometer großen Stäbchenbakterien Pseudomonas protegens die etwa fünf Mal größeren Grünalgen Chlamydomonas reinhardtii innerhalb weniger Minuten wortwörtlich stilllegen können. Wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten, setzen die Bakterien das Lipopeptid Orfamid A frei, welches die Zellmembran der Algen beeinträchtigt.

Mikrobielle Gemeinschaften verstehen lernen

Die Mikroalgen Chlamydomonas reinhardtii sind etwa zehn Mikrometer groß. Diese Photosynthese-betreibenden Kleinstlebewesen, auch Phytoplankton genannt, besitzen zwei Geißeln, mit denen sie sich fortbewegen. Außerdem tragen zu rund 50% der Fixierung des Treibhausgases Kohlendioxid bei und produzieren quasi als Nebenprodukt Sauerstoff. Die Mikroalgen leben im Süßwasser, in nassen Böden oder den Weltmeeren und bilden eine wichtige Grundlage für die Nahrungsketten, besonders in aquatischen Systemen. Kommen sie jedoch in die Nähe des Bakteriums Pseudomonas protegens, so verlieren sie binnen kürzester Zeit ihre Geißeln, können sich nicht mehr bewegen und auch nicht mehr fortpflanzen.  Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung von Maria Mittag und Severin Sasso von der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Christian Hertweck vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) konnten nun das komplexe Wechselspiel entschlüsseln. „Wir wollen die Mechanismen verstehen lernen, über die mikrobielle Gemeinschaftsstrukturen entstehen und ihre Vielfalt erhalten bleibt“, so Hertweck.

Öffnung der Kalziumkanäle bedingt Geißelverlust

Kommen Pseudomonas-Bakterien in die Nähe der Mirkoalgen, so werden diese von den Bakterien regelrecht eingekesselt.  Bereits wenige Minuten später sind die Algen dann entgeißelt. Die Ursache dafür: Die Bakterien geben das zyklisches Lipopeptid Orfamid A zusammen mit anderen chemischen Verbindungen ab, wie die Jenaer Forscher herausfanden. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Orfamid A auf Kanäle in der Zellmembran der Algen wirkt, was zur Öffnung dieser Kanäle führt. Das führt zu einem Einstrom von Kalziumionen aus der Umgebung in das Zellinnere der Algen,“ erläutert Sasso. Eine rasche Änderung der Konzentration von Kalziumionen ist in der Biologie ein weitverbreitetes Warnsignal, das zahlreiche Stoffwechselwege reguliert und hier das Abfallen der Geißeln zur Folge hat.

Des Weiteren konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Bakterien bei Bedarf die Algen auch als Nährstoffquelle anzapfen können. „Wir haben Hinweise, dass auch weitere Substanzen aus dem Giftcocktail, den die Bakterien freisetzen, dabei eine Rolle spielen“, sagt Maria Mittag. 

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Microbes often live in complex biosystems. Their co-habitation is regulated by a number of chemical signals. Researchers from Jena now identified the mechanism that causes Chlamydomonas reinhardtii, roughly ten micrometer in size, to lose their flagella within minutes of coming close to Pseudomonas protegens bacteria, which are merely two micrometers in size. According to their published results in the journal „Nature Communications“, the authors identified the lipopeptide orfamide A, released by the bacteria, as the culprit disturbing the cell membrane of the algae.

Understanding microbial community structures

The green algae species Chlamydomonas reinhardtii are approximately ten micrometers in size, have two flagella with which they swim around, and are photosynthetic microorganisms (phytoplankton) that contribute about 50% towards fixing the greenhouse gas carbon dioxide and, as a by-product of photosynthesis, they supply the oxygen that is essential for our survival. In addition, microalgae, which are found in fresh water, wet soils or the world’s seas and oceans, represent an important base for food chains, especially in aquatic systems. However, if they come too close to the Pseudomonas protegens bacteria, their fate is sealed: within minutes they lose their flagella, and they can no longer move nor propagate. An interdisciplinary team of researchers headed by Maria Mittag and Severin Sasso at the at Friedrich Schiller University, Jena (FSU), and Christian Hertweck at the Leibniz Institute for Natural Product Research and Infection Biology – Hans Knöll Institute (HKI) investigated this complex interplay: “We want to understand the mechanisms through which the microbial community structures are formed and their diversity maintained,” says Hertweck. 

Opening of calcium channels causes loss of flagella

If both bacteria and algae are in the same vicinity, the bacteria surround the algae – and within 90 seconds the algae will have lost their flagella. Researchers from Jena now identified the underlying mechanism: Orfamide A, a cyclical lipopeptide, which the bacteria release together with other chemical compounds. “Our results indicate that orfamide A affects channels in the cell membrane, which leads to these channels opening,” explains Severin Sasso. “This leads to an influx of calcium ions from the environment into the cell interior of the algae.” A rapid change in the concentration of calcium ions is a common alarm signal for many cell types, which regulates a large number of metabolic pathways.

In addition, the teams were able to show that the bacteria can tap the algae and use them as a nutrient source if they are lacking in nutrients. “We have evidence that other substances from the toxic cocktail released by the bacteria also play a role in this,” says Maria Mittag.

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