Innovationspreis für Berliner Biotech-Pionier

Innovationspreis für Berliner Biotech-Pionier

An der TU Berlin hat er mit BMBF-Förderung ein KI-Zukunftslabor für automatisierte Bioprozessentwicklung aufgebaut. Nun erhält Peter Neubauer den mit knapp 2 Mio. US-Dollar dotierten Agilent Thought Leader Award.

Peter Neubauer in seinem Biotech-Labor an der TUB
Peter Neubauer vor dem Gerätepark des KIWI-biolabs an der TU Berlin.

Große Freude am Standort Wedding der Technischen Universität Berlin: Für seine wegweisenden Arbeiten in der automatisierten Bioprozessentwicklung wird Professor Peter Neubauer, Leiter des Fachgebiets Bioverfahrenstechnik, vom US-Labortechnologie-Konzern Agilent mit einem renommierten Preis ausgezeichnet – dem Agilent Thought Leader Award. Der mit 1,9 Mio. US-Dollar dotierte Forschungspreis wird an einflussreiche Vordenker in den Bereichen Biowissenschaften, Diagnostik und chemischer Analyse vergeben. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Biotech-Pioniere wie George Church, Carl June und David R. Liu.

Neben der Bereitstellung hochmoderner Bioanalytik-Instrumente ermöglicht der Preis dem Berliner Biotechnologen, zwei wissenschaftliche Mitarbeitende einzustellen. „Wir sind sehr dankbar und freuen uns, dass der Award von Agilent uns die Möglichkeit gibt, in unserem neuen Bioprozesslabor mit zweidimensionaler Flüssigkeitschromatographie und Massenspektrometrie zu arbeiten. Der Einsatz solch hochmoderner Instrumente ist ein wesentlicher Bestandteil auf unserem Weg hin zu einem höheren Grad an automatisierter Bioprozessentwicklung“, sagt Peter Neubauer.

Mikroorganismen in leistungsfähige Zellfabriken verwandeln

Die industrielle Biotechnologie nutzt Mikroorganismen oder einzelne Biomoleküle wie Enzyme in Bioprozessen als Basis für die industrielle Produktion von Chemikalien, Biopharmazeutika oder Lebensmittelzusatzstoffen. Die Leistungsträger sind insbesondere mikrobielle Zellen als lebende Fabriken, die in geschlossenen Bioreaktoren ein gewünschtes Produkt in großen Mengen herstellen können. Bioprozesse so zu entwickeln, dass eine optimale biotechnologische Herstellung eines Produkts gelingt, ist sehr aufwendig und komplex. Doch Trends wie Automatisierung, Miniaturisierung und Digitalisierung inklusive KI lassen auch in den Biotech-Laboren auf einen enormen Innovationsschub hoffen.

Vorreiter für automatisierte Bioprozesse und Analysetechnik

Peter Neubauer und sein rund 80-köpfiges Team zählen zu den weltweiten Vorreitern auf dem Gebiet der Bioprozessentwicklung. „Während meiner gesamten wissenschaftlichen Laufbahn hat sich unsere Forschung darauf konzentriert, die Entwicklung von Bioprozessen mit analytischen Methoden zu kombinieren, um umfassende Einblicke in die Dynamik der untersuchten biologischen Systeme zu gewinnen“, erzählt Neubauer in einem TUB-Interview. Dieses Wissen sei eine wichtige Basis für die Etablierung robuster funktionierender Prozesse im Pharmabereich, aber auch im Rahmen der Etablierung einer Bioökonomie. Sein Team erforscht zum Beispiel die mikrobielle Herstellung von Biokunststoffen im industriellen Maßstab.

Video: Das Labor der Zukunft – Digitalisierung in der Biotechnologie

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Zukunftslabor für KI-gestützte Bioprozess-Entwicklung

Neubauers Vorzeigeprojekt, das auch in der Preisträgermitteilung von Agilent hervorgehoben wird, ist das Zukunftslabor für KI-gestützte Bioprozess-Entwicklung (KIWI-biolab). Das Gemeinschaftsprojekt von TU Berlin, der Universität Hildesheim und der Universität Greifswald wird seit dem Jahr 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 5 Mio. Euro gefördert.

Das Projekt zielt darauf ab, die Datenanalyse bei der Arbeit mit Mikroorganismen zu automatisieren und Computer zu befähigen, Experimente zu planen und zu optimieren, ohne dass Menschen eingreifen müssen. Selbstlernende robotische Systeme könnten anhand von Datenbankauswertungen und mathematischen Modellen eigenständig die optimalen biotechnologischen Experimente planen und weiterentwickeln. Auf lange Sicht soll das Projekt die Grundlage für eine automatisierte Bioprozessentwicklung legen, um biotechnologische Produktionsprozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Know-how in der Prozessanalyse-Technik

Eine weitere Expertise von Neubauers Team liegt auf der für die Industrie immer wichtigeren Prozessanalysetechnik (Process Analytical Technology – PAT). Denn sie erlaubt es, biotechnologische Produktionsprozesse im Detail zu analysieren, sie möglichst in Echtzeit zu kontrollieren und damit effizienter zu gestalten. Dafür kombiniert Neubauers Team Hardware, Software, Automatisierung, mathematische Modelle und Künstliche Intelligenz, um optimale Bedingungen für nahtlose Arbeitsabläufe in der Prozessanalysetechnik zu finden. „Angesichts unserer jüngsten Fortschritte bei der reibungslosen Abstimmung aller für das Verfahren erforderlichen Geräte, von der umfangreichen Probenvorbereitung bis hin zur Verarbeitung großer Datenmengen, sind wir bereit, den nächsten logischen Schritt in Richtung Integration zu gehen“, sagt Neubauer.

Die Integration von intelligenten Technologien und Automatisierung in PAT-Lösungen sei ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie hin zu optimierten Bioprozessen, die die Sicherheit erhöhen und den Aufwand für manuelle Eingriffe reduzieren, heißt es in der Pressemitteilung. „Mit dem Agilent Thought Leader Award werden Neubauer und sein Team bei ihrer laufenden Forschungsarbeit zum besseren Verständnis und zur Optimierung von Bioprozessen für schwer zu exprimierende Proteine sowie bei der Entwicklung von Scale-up- und Scale-down-Strategien unterstützt.“

Sudharshana Seshadri, Vizepräsidentin von Agilent und Schirmherrin des Preises, gratulierte Neubauer: „Seine wichtige Arbeit wird der Pharmaindustrie helfen, Bioprozesse zu optimieren und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung weltweit zu beschleunigen.“

pg