Digitale Landwirtschaft: IT für Acker und Stall

Digitale Landwirtschaft: IT für Acker und Stall

Der digitale Wandel ist auch in der Landwirtschaft in vollem Gange. Satelliten und Sensoren liefern relevante Daten aus Stall, Weide und Acker. Smarte Hard- und Software wird zum unverzichtbaren Helfer für effiziente und ressourcenschonende Betriebsabläufe. Dieses Dossier beleuchtet, wie sich die Agrarbranche auf die Digitalisierung einstellt.

Satellitengestützte Informationen erlauben einen präzisen Ackerbau.
Digitale Landwirtschaft erlaubt präzisen Anbau und Ernte auf dem Getreidefeld.

Wie in allen anderen Wirtschaftsbranchen verändert die Digitalisierung auch die Landwirtschaft und die Agrarindustrie grundlegend. Informationstechnik ist aus dem Alltag der Bauern nicht mehr wegzudenken. Digitale Anwendungen helfen beim Pflanzenschutz, bei der Tierhaltung und der Wettervorhersage. Für die Präzisionslandwirtschaft sind Landmaschinen mit intelligenten Technologien bestückt und kommunizieren untereinander. Automatisierte Arbeitsprozesse sind auf dem Feld und im Hof angekommen. Die digitale Landwirtschaft birgt das Potenzial, Agrarbetriebe ressourcenschonender und effizienter zu gestalten.

Was ist digitale Landwirtschaft?

Bei der Digitalisierung werden analoge Daten in digitale Daten umgewandelt und gespeichert. Mit „digitaler Landwirtschaft“ oder „Digitalisierung von Betrieben“ ist die zunehmende Verwendung digitaler Technologien oder darauf aufbauender Anwendersysteme in der Agrarwirtschaft oder im Betrieb gemeint.

Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft

Digitale Technologien helfen, Prozesse in der Außen- und Innenwirtschaft zu optimieren, also auf Feld und Weiden genauso wie im Stall. So kann die Steuerung von landwirtschaftlichen Maschinen mit der neusten Sensor- und Messtechnik kombiniert werden, um den Wasser- und Nährstoffbedarf der Feldfrüchte zu ermitteln. Werden die aktuellen Satelliten- und Wetterdaten berücksichtigt, können Pflanzen bedarfsgerecht bewässert oder gedüngt werden. Dadurch wird die Effizienz gesteigert, der Eintrag überschüssiger Nährstoffe in die Umwelt minimiert und die Kosten für Betriebsstoffe wie Dünger, Pflanzenschutzmittel und Saatgut gesenkt. Um der zunehmenden Bodenverdichtung durch große Maschinen entgegenzuwirken, eignen sich kleine, autonom betriebene und GPS-gesteuerte Fahrzeuge oder Drohnen. Sie können Material wie beispielsweise Pflanzenschutzmittel dosiert ausbringen. Die Sensor- und Messtechnik hilft auch im Stall durch Aktivitätsmessung, bedarfsgerechte Fütterung, bei Melken, bei der Überwachung des Gesundheitszustands und bei der Identifizierung von einzelnen Tieren. Durch die Vernetzung von Geräten untereinander und die automatische Weitergabe von Daten mittels M2M-Kommunikation (machine to machine communication) werden Prozessabläufe besser aufeinander abgestimmt. Verwaltet und kontrolliert werden die Abläufe weiterhin vom Landwirt. Den reibungslosen Verlauf unterstützen Gerätehersteller und Dienstleistungsunternehmen.

Von der traditionellen zur digitalen Landwirtschaft

Die Menschen betreiben in Mitteleuropa seit dem Beginn der Jungsteinzeit vor rund 7500 Jahren Ackerbau und Viehhaltung. Wichtige technische Erfindungen wie Rad und Wagen oder der Pflug haben mit dem Einsatz von Zugtieren die traditionelle Landwirtschaft erleichtert. Ab dem 18. Jahrhundert hat die Industrialisierung die Landwirtschaft grundlegend verändert: Dampfmaschinen, Elektrizität, Automatisierungen und synthetischer Dünger haben eine ertragreiche Bewirtschaftung großer Flächen und einen schnellen Transport der Produkte über weite Distanzen erlaubt.

Die ersten beiden Industrialisierungsschritte in historischer Zeit werden heute als Landwirtschaft 1.0 und 2.0 bezeichnet. Mit dem Aufkommen der Computer und der Digitalisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Landwirtschaft erneut stark gewandelt (Landwirtschaft 3.0). Durch die stete Weiterentwicklung der Informationstechnologie (IT) und der zunehmenden Vernetzung ist inzwischen eine weitere Stufe der Digitalisierung erreicht worden: die Landwirtschaft 4.0.

Landwirtschaft und die wirtschaftliche Bedeutung der Digitalisierung

Laut einer Studie des IT-Branchenverbandes BITKOM mit dem Titel „Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland“ von 2014 soll das Wertschöpfungspotenzial in der Landwirtschaft bis 2025 um knapp 3 Mrd. Euro steigen. Dies vor allem durch den Einsatz mobiler Geräte und der Vernetzung der Landmaschinen. Verglichen mit den Branchen Chemie, Maschinen- und Anlagenbau, sowie elektrische Ausrüstung, bei denen bis 2025 eine Wertschöpfung um 30% erwartet wird, liegt die Erwartung für die deutsche Landwirtschaft bei 15%. Digitale Lösungen verwendet bereits jeder zweite Landwirt in seinem Betrieb. Eine repräsentative Umfrage der Studie ergab, dass heute bereits 20% der Betriebe vernetzte digitale Technologien nutze, bei Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitern sogar über 30% der Betriebe.

Die neuen Technologien ermöglichen Materialeinsparungen. Die vom EU-Parlament in Auftrag gegeben Studie „Precision Agriculture and the Future of Farming in Europe“ von Dezember 2016 kommt zu dem Schluss, dass mit der Digitalisierung auf 80% der Herbizide und 10% Dieselkraftstoffe beim Ackerbau verzichtet werden können. Nitratrückstände im Boden könnten um die Hälfte und der Bodenabtrag gar um das 17fache reduziert werden.

Der digitale Bauernhof in der Praxis

Generell ist die Akzeptanz gegenüber den technischen Neuerungen im Agrarsektor sehr hoch. Digitale Landwirtschaft ist in vielen Betrieben heute schon Realität. Immer mehr Firmen und Konzerne der Agrarindustrie setzen auf  Informationstechnik und Software-Lösungen als Teil ihrer Geschäftsaktivitäten .

Digitale Technologien auf dem Feld

Auf dem Feld ist mit der Sensor- und Messtechnik eine genau dosierte Ausbringung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln möglich. So misst ein Sensor beispielsweise die Knollendicke von Kartoffeln. Durch die anschließend genau berechnete Menge kann der Landwirt bis zu 20% an Pflanzenschutzmittel einsparen. Satellitenfernerkundungssysteme des Copernicus-Programms sammeln Daten: Der Satellit Sentinel-1 erfasst Pflanzenstrukturen und Bodenbewegungen, Sentinel-2 erhebt Daten zur Landbedeckung und Landnutzung. Auch diese können zur Bestimmung des Blattflächenindexes verwendet werden. Die Kunden erhalten dann via Webportal die Angaben zum optimalen Düngermanagement.

Die Firma Yara bietet eine andere Variante für die optimale Düngerzufuhr an: Die Smartphone-App zur bedarfsgerechten Stickstoffdüngung, wie sie bei Raps besonders wichtig ist, verwendet Bilderkennungssoftware. Der Landwirt schickt Fotos der Ackerpflanzen zu einem Firmenserver. Dort werden sie innert Minuten ausgewertet und liefern Informationen über den benötigten Düngemittelbedarf. Beliebt sind auch die Regenradar-Apps für Landwirte wie sie von Bayer CropScience oder Syngenta angeboten werden. Rund 90% der Ernteverluste bei Getreide sind laut IBM Research auf Wettereinflüsse zurückzuführen. Durch die Kombination von Wettervorhersagen und Präzisionslandwirtschaft ließen sich die Einbußen um 25% reduzieren (mehr dazu auf der Seite von Bayer: digitalfarming.de)

Software unterstützt den Landwirt auch dabei, rechtliche Vorgaben einzuhalten. So behält er einfacher den Überblick, wie oft welche Feldfrucht beispielsweise bereits mit Fungiziden behandelt wurde und ob ein erneutes Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln noch zulässig ist oder nicht. Die Applikation von Pflanzenschutz- und Düngemitteln kann sowohl mit entsprechend ausgerüsteten Traktoren, als auch mit kleinen autonomen Robotern oder mithilfe von Drohnen erfolgen. Mit Infrarot- und Farbkamera ausgestattete Drohnen können zudem Tiere wie Rehkitze während der Mahd aufspüren, sodass sie gerettet werden können.

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Einsatz von Robotern und Sensoren im Stall

In der Tierhaltung sorgen Futter- und Weideroboter für eine automatische Fütterung. Tiere sind markiert und können individuell, digital erfasst werden. Das Start-up fodjan hat dafür eine cloudbasierte App für die optimale Fütterung von Milchvieh entwickelt. Klimaführungssysteme in Ställen verbessern die Luft und die Temperatur. Vor allem in der Geflügel- und Schweinehaltung werden sie gerne eingesetzt. In Milchbetrieben überprüft ein Melkroboter nicht nur die Milchmenge genau und individuell, sondern kann auch Parameter zur Tiergesundheit kontrollieren: Wird die individuell erwartete Milchmenge der einzelnen Kuh um mehr als 25% unterschritten, steht für das Tier ein Gesundheits-Check an. Beim Melken kann auch die Leitfähigkeit der Milch gemessen werden. Veränderte Werte sind ein möglicher Hinweis auf Euterkrankheiten. Auch die automatische Analyse von Milchinhaltsstoffen gibt Auskunft über den Gesundheitszustand und ermöglicht eine frühzeitige Behandlung. Der Einsatz der Sensor- und Messtechnik dient dem Tierwohl, minimiert Behandlungskosten und steigert die Wirtschaftlichkeit des Betriebs: Die Messung der Aktivität lässt den Landwirt auch die Brunst frühzeitig erkennen und er kann die Besamung zeitlich genau abstimmen. Ein Sensor am Schwanz überwacht die Agilität und meldet, wann eine Geburt kurz bevor steht. Ein Sensor-Halsband misst die Wiederkäutätigkeit als Indikator für die Vitalität der Kuh. 

Automatisierung und M2M-Kommunikation

Autonomes Fahren ist in der Landwirtschaft heute bereits weit verbreitet. Über 75% der in Deutschland verkauften Großtraktoren verfügt über automatische Lenksysteme. Mit ihnen kann der Landwirt die Felder zentimetergenau bearbeiten. Die Weiterentwicklung von Landmaschinen wird maßgeblich durch das Know-how von Softwarefirmen bestimmt. Die deutsche Firma Fendt hat eine Teach-and-Playback-Technik entwickelt: Ein Bauer fährt in seinen Obstplantagen die Wege und bringt Pflanzenschutzmittel aus. Nutzt er die Fendt-Xpert-Systeme von Probotiq, so merkt sich die Lernfunktion derweil alle Aktionen des Fahrzeugs und des Spritzgeräts. Sollen die Bäume später ein zweites Mal gespritzt werden, so fährt das Gerät automatisch die gleiche Route nach der digital hinterlegten Karte ab und führt selbständig die zuvor „erlernten“ Arbeiten durch (mehr dazu im Artikel Smart Farming und intelligente Traktoren).

Der deutsche Konzern Baywa mit Gründungssitz in München ist heute international aktiv im Bereich Agrar, Energie und Bau. Baywa bietet beispielsweise programmierbare Drohnen an, die auf Maisfeldern gezielt Eier von Schlupfwespen zur biologischen Bekämpfung von Maisschädlingen ausbringen. Die Drohen werden vom Landwirt gestartet und gelandet, der Flug und die Applikation der Schlupfwespeneier erfolgt automatisch nach vorheriger Programmierung. So können die Landwirte das flächendeckende Spritzen von Insektiziden reduzieren oder gar vermeiden.

Der Landmaschinenhersteller CLAAS und die Deutsche Telekom haben gemeinsam die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) im Projekt Landwirtschaft 4.0 weiterentwickelt. Dabei geht es um die Vernetzung von Erntemaschinen und die vollständige digitale Erfassung des gesamten Ernteprozesses. Mittels Sensor- und Mobilfunktechnik im Sekundentakt Daten erhoben und informieren den Fahrer in Echtzeit über den Entestand. Je nach Füllmenge sendet der Mähdrescher automatisch ein Signal über das LTE-Netz an den Traktor mit dem Überladewagen, sodass beide Maschinen dann rechtzeitig zur Entleerung bereitstehen. Ein wichtiger Trend geht dahin, Kommunikationsarchitekturen aufzubauen, die Daten von Maschinen und Geräten verschiedener Hersteller übergreifend integrieren können.

Eine Weiterentwicklung der Automatisierung und M2M-Kommunikation kann auch die Optimierung der Wertschöpfungskette vor- und nach der landwirtschaftlichen Produktion betreffen wie die Anlieferung von Betriebsstoffen, die Lagerverwaltung und den Abtransport Produkten.

Beispiele aus der Praxis auf bioökonomie.de

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Forschung und Entwicklung

Rund 180 Mio. Euro im Jahr werden laut BITKOM-Studie in die Forschung und Entwicklung (F&E) der Landwirtschaft investiert. Die Innovationsprojekte sind meistbranchenübergreifend und interdisziplinär angelegt. Die F&E zur digitalen Landwirtschaft erfolgt einerseits durch öffentlich geförderte Projekte der Länder und des Bundes, die in der Förderdatenbank zu finden sind. Hiervon profitieren insbesondere Bildungseinrichtungen und Start-ups. Andererseits investiert die Industrie selbst in F&E zur digitalen Landwirtschaft. Die Landtechnik-Betriebe erweitern ihr Spektrum digitaler Anwendungen laufend weiter. Softwareanbieter erarbeiten mit Firmen, Verbänden oder Unternehmen individuelle Lösungen.

Förderinitiativen des Bundes

Die Bundesregierung fördert den digitalen Wandel und gestaltet ihn mit – dies nicht nur bezogen auf die Landwirtschaft, sondern generell und branchenübergreifend. Die Hauptverantwortung liegt dafür beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Sie sind zuständig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur und fördern Neugründungen und vereinfachen den Markteinstieg von Start-ups. Das BMWi publizierte 2015 eine Broschüre mit dem Titel „Industrie 4.0 und digitale Wirtschaft“. Zuletzt präsentierte sich das vom BMWi finanzierte Konsortium "Smart Farming" auf der Hannover Messe 2017 (hier Nachricht lesen).

Ergänzend unterstützen das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den digitalen Wandel. So veröffentlichte das BMEL 2015 die „Richtlinie über die Förderung von Innovationen in der Agrartechnik zur Steigerung der Ressourceneffizienz (Big Data in der Landwirtschaft)“ und förderte 31 Projekte mit rund 29 Mio. Euro. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) begutachtete die Projekte und begleitete die Durchführung. 2016 brachte das BMEL die Broschüre „Landwirtschaft verstehen – Chancen der Digitalisierung“ heraus. 2017 können im Rahmen des „Bundesprogramms Ländliche Entwicklung“ (BULE) mit dem Modell- und Demonstrationsvorhaben "Land.Digital" Projektanträge eingereicht werden, die konkrete Probleme in ländlichen Regionen mit Hilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien lösen.

Die Digitalisierung der Landwirtschaft spielt aber auch im Strategieprozess „Agrarsysteme der Zukunft“ eine Rolle, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2014 gestartet hat. Als Ergebnis eines offenen Wettbewerbs der Visionen, eines Kreativworkshops sowie unter Beteiligung eines Expertenbeirats wurden hier in den vergangenen Jahren Eckpfeiler einer künftigen Fördermaßnahme erarbeitet. Gefragt ist eine langfristig ausgelegte Agrarforschung, die thematische Grenzen überschreitet und eine neue Qualität der Zusammenarbeit fördert. Auf diese Weise soll eine Vernetzung möglichst vielfältiger Forschungsansätze mit Relevanz für die Agrarproduktion erreicht werden. Modernen Hightech-Schlüsseltechnologien und IT-Technik wird hier eine treibende Rolle zugewiesen. Im Sommer 2016 wurde eine Fördermaßnahme zu Agrarsystemen der Zukunft durch das BMBF veröffentlicht.

Forschungsaktivitäten in Wissenschaft und Wirtschaft 

Das Verbundprojekt "SpaceDataMilking", gefördert vom BMEL, wird von der Schneider Elektronik GmbH & Co. KG koordiniert. Hier wird ein Farm-Managementsystems entwickelt, das landwirtschaftliche Betriebe durch gezielte Verknüpfung von Daten unterstützt. Integriert ist die Erarbeitung neuer Verfahren zur Ortung von Tieren, Anlagen und Akteuren im Stall. Das GFZ Helmholtz-Zentrum Potsdam koordiniert das ebenfalls vom BMEL unterstützte Verbundprojekt AgriFusion. Dabei sollen Daten aus der Fernerkundung oder digitale Geländemodelle mit vorhandenen Bodendaten verknüpft und gemeinsam nutzbar gemacht werden. Das 2012 gegründete Berliner Start-up Trecker.com arbeitet mit Unterstützung öffentlicher Gelder ebenso wie das 30 Agrarunternehmen getragene 365FarmNet an herstellerübergreifenden Softwarelösungen zur Betriebsoptimierung in der Landwirtschaft. Beide Lösungen sind Cloud- und GPS-basiert. Trecker.com hat sich auf Komplettpakete spezialisiert, während 365FarmNet ein Software-Baukasten-System offeriert. Konzerne wie Bayer oder Yara stellen nicht nur Düngemittel her, sondern entwickeln fortlaufend passende digitale Anwendungen wie sie bestmöglich eingesetzt werden können. Der deutsche Softwarehersteller SAP bietet verschiedene IT-Lösungen für die Landwirtschaft an inklusive der vorgelagerten Prozesse wie Anlieferung/Logistik oder Unternehmensplanung und entwickelt diese mit den einzelnen Kunden weiter. Der Landmaschinenspezialist CLAAS wird im Herbst 2017 im niedersächsischen Dissen ein Elektronikentwicklungszentrum beziehen, in dem sich mehr als 150 Mitarbeiter um Themen wie Automatisierung, übergreifende Fahrzeugarchitekturen und Lösungen für eine vernetzte Landwirtschaft kümmern werden.

Beispiele aus der Forschung auf bioökonomie.de

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Vom Potenzial der digitalen Landwirtschaft

Eine digitalisierte Landwirtschaft bietet Lösungsansätze für globale Fragen und viele Vorteile für die Unternehmer. Die Zusammenführung von Wetter- und Maschinendaten ermöglicht hochpräzise Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Nährstoffversorgung und Ernteverfahren. Landwirtschaftliche Betriebe, Lohnunternehmen und Maschinenringe können somit die Anbauverfahren verfeinern. Die Tierhaltung wird erleichtert und durch zunehmende Berücksichtigung des Tierwohls und der Nachhaltigkeit verbessert.

Die Digitalisierung ist vorteilhaft für die Betriebsführung: Sie erleichtert die Administration durch Buchhaltungsprogramme, Textverarbeitungs- und Texterkennungsprogramme sowie durch die Datenspeicherung in der Cloud. Das Management von Prozessen und Maschinen, die Arbeitsplanung, Dokumentation und Datensammlung sowie deren Auswertung werden damit einfacher. Die Datensammlung und -auswertung dient auch der Serviceverbesserung und Weiterentwicklung der Technologien: Landtechnikhersteller und Landwirtschaftsberater, Maschinenringe und Lohnunternehmen können ihren Service noch individueller gestalten.

Die Weiterleitung von Daten an Gerätehersteller ermöglicht auf einzelne Betriebe maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln und Fehler im Herstellungsprozess der Landtechnik schneller zu beheben. Unternehmen können sich durch Nachweise und die Dokumentation von Abläufen besser rechtlich absichern. Neben vielen ökologischen und wirtschaftlichen Vorteilen ermöglicht die Digitalisierung den Landwirten auch eine bessere Lebensqualität: Da sie vieles steuern können, ohne vor Ort sein zu müssen, haben sich die Arbeitszeiten vorteilhaft entwickelt und auch Urlaub ist Landwirten inzwischen möglich. Dank der Automatisierung und Einsparung von Betriebsmitteln können die Kosten für Produkte und Dienstleistungen gesenkt werden. Das lückenlose Erfassen aller Arbeitsprozesse entlang der Lebensmittelkette ermöglicht eine bessere Qualitätskontrolle und kommt so dem Verbraucherschutz zugute.

Die Landwirtschaft wird sich – auch zukünftig – durch den Umschlag großer Warenmengen auszeichnen. Mit der Vernetzung digitaler Technologien wird die Logistik verbessert, dadurch der Verkehr und der CO2-Ausstoß reduziert und die Umweltbelastung weniger belastet. Die digitalen Anwendungen erhöhen laut BMEL die Chancen auf eine sichere Lagerung und Verteilung von Lebensmitteln auch in Krisenzeiten.

Herausforderungen: Datenschutz und Datenverfügbarkeit

Trotz aller Vorteile, gibt es auch Skepsis gegenüber den neuen technologischen Entwicklungen. Die Verwaltung enormer Datenmengen (Big Data) bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Die herkömmlichen Speicher- und Auswertungsverfahren sich nicht (mehr) geeignet um die zukünftig noch rasanter wachsende Datenmenge sicher zu verwalten.

Auch die große Datenvielfalt, die Datenverfügbarkeit und -qualität verlangen nach neuen technischen Lösungen. Die Datenverfügbarkeit ist derzeit nicht immer gewährleistet, da einige Dienste wie der Deutsche Wetterdienst ihre hochaufgelösten Daten nur eingeschränkt kostenfrei zur Verfügung stellen. Dem Problem der eingeschränkten Datenverfügbarkeit versucht die Politik mit öffentlichen Plattformen zu begegnen. Daten aus öffentlich geförderten Projekten sollen später auch öffentlich zugänglich sein. Beispielsweise werden mit öffentlichen Mitteln erzeugte Geodaten zunehmend auf dem Portal GDI-BMEL kostenfrei zur Verfügung gestellt und das Land Rheinland-Pfalz bietet kostenlose Landwirtschaftsmodelle und Beratungshilfen an.

Hinzu kommt, dass der Netzzugang mit hoher Bandbreite noch nicht flächendeckend vorhanden ist. Insbesondere ländliche Regionen sind noch nicht abgedeckt. Ein Netzzugang mit großer Bandbreite und hohem Datenvolumen ist aber Voraussetzung für nahtlose Prozessabläufe, bei denen auch die Echtzeitübertragung entscheidend ist. Entsprechend können einige bereits bestehende Serviceangebote nicht überall genutzt werden. Der Netzausbau wird deshalb von der Bunderegierung gefördert. Die Verbesserung der digitalen Infrastruktur erfolgt durch das BMVI, seit 2008 beteiligt sich auch das BMEL mit der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK), um ländliche Regionen besser zu versorgen.

Die Datensicherheit im Zusammenhang mit Big Data sorgt für zahlreiche Diskussionen. Unternehmen und Forschung haben großes Interesse, erhobene Daten vollumfänglich zu nutzen. Daraus ergibt sich ein zunehmender Konflikt mit dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Auch fürchten Landwirte die zunehmende Abhängigkeit von Drittanbietern für Softwarelösungen. Einige haben Angst vor einem „gläsernen Betrieb“, wo sämtliche Prozessabläufe extern einsehbar sind. Hier könnten Verträge zwischen Landwirten und Maschinenherstellen die Datensicherheit und -hoheit regeln. Auch Verbraucherschützer stehen der Datenerhebung durchaus kritisch gegenüber. 

Die Wissenschaftlichen Dienste haben 2016 den Sachstand zur „Digitalisierung in der Landwirtschaft“ für den Deutschen Bundestag ermittelt. Darin stellen sie fest, dass das tatsächliche Einsparungspotenzial durch die Landwirtschaft 4.0 bislang nicht ausreichend untersucht wurde. Es fehle derzeit noch an umfassenden Studien mit belastbaren Zahlen. Viele Studien konzentrierten sich auf Einzellösungen in speziellen Bereichen. Das Zusammenspiel von Industrie, Informationsdiensten und Landwirtschaft sei unzureichend untersucht.

Die Innovationsinitiative Landwirtschaft 4.0 des Leibniz-Forschungsverbunds „Nachhaltige Lebensmittelproduktion & gesunde Ernährung“ stimmt in der Kritik überein und erarbeitet in fachübergreifenden Teams wissenschaftliche Grundlagen für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Die verbesserte Vernetzung von Informationen solle zur Realisierung einer transparenten, nachhaltigen, umwelt-, tier- und verbrauchergerechten Produktion von Nahrungsmitteln und biobasierten Rohstoffen führen. Nach Einschätzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums können Forschungszentren auch als Kompetenzzentren für die Digitalisierung fungieren.

Ähnlich wie in anderen Branchen wird der Wegfall von Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung und Automatisierung der Landwirtschaft befürchtet. Wissenschaftler vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim fanden heraus, dass in Deutschland heute 42% der Beschäftigten eine Arbeit ausüben, die in etwa 20 Jahren digitalisiert oder automatisiert werden könnte. Dem gegenüber stehen neue Beschäftigungsfelder, die erst mit der Digitalisierung geschaffen werden wie die Studie „Business opportunities in Precision Farming“ des Beratungsunternehmens Roland Berger bestätigt. Wichtig sei es dabei auch an die Übergänge in der Wertschöpfungskette vor und nach der landwirtschaftlichen Produktion zu denken. Andere Berufsfelder bleiben erhalten, ändern sich aber inhaltlich. Die Berufsausbildung sei anzupassen und die Fähigkeit, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, werde eine Schlüsselqualifikation, heißt es im Artikel „Unterwegs auf digitalem Feld“ aus einer Fachzeitschrift des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft der BLE. Der Einfluss der Digitalisierung auf unterschiedliche Betriebsgrößen ist unklar. Einerseits können vor allem kleinere Betriebe durch überbetriebliche Lösungen und die Automatisierung profitieren, andererseits besteht die Befürchtung, dass die Schere zwischen Klein- und Großunternehmen weiter auseinandergeht.

Perspektiven

Durch die Entwicklung von neuen Geräten und Technologien müssen bestehende Prozessabläufe überdacht und umgestaltet werden. Dabei sind Landwirte und kleine, innovative Firmen, die Teilkomponenten herstellen, in die Entwicklung einzubeziehen. Der Einsatz von M2M-Technologie bei Landmaschinen und mehreren kleinen auch autonom gesteuerten Landmaschinen wird sich voraussichtlich weiter etablieren. Maschinen und Geräte sollen auch zukünftig mit verschiedenen digitalen Dienstleistungsangeboten kombinierbar sein. Das setzt eine entsprechende Kompatibilität und einfache Datenübertragung zwischen verschiedenen Endgeräten und der Cloud voraus.

Der Datenaustausch von Landwirten, Lohnunternehmen und Maschinenringen wird mit öffentlich geförderten Projekten wie der MapApps vorangetrieben. Zur Schaffung einer gemeinsamen Plattform von bisherigen Datenbeständen aus Wissenschaft und Wirtschaft sollen Behördendaten aus der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Abläufen mit denen aus der Landwirtschaft zu verknüpfen werden. Dabei gelte es laut BMEL Lösungen für die Datenhoheit und -sicherheit zu finden. Um die Datenflut zu reduzieren, könnten „intelligente Sensoren“ entwickelt und eingesetzt werden, die bereits prozessrelevante Daten von unwichtigen filtern.

Weitere Anwendungen wie Augmented Reality („erweiterte Realitätswahrnehmung“) zu digitalen Sichtbarmachung verschiedener Schichten eines Ackers oder der Einsatz von Google-Brillen sind auch im Bereich Landwirtschaft nicht ausgeschlossen.

Die Förderung der Kommunikation zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft ist ein besonderes Anliegen der Regierung. Sowohl das BMBF als auch BMEL engagiert sich für den Austausch über Plattformen und Konferenzen. So fand im September 2016 die erste Konferenz „Digitalisierung in der Landwirtschaft: Chancen und Risiken“ unter der Schirmherrschaft des BMEL in Dresden statt. Das BMBF hat 2014 den Strategieprozess Agrarsysteme der Zukunft initiiert, um maßgschneiderte Fördermaßnahmen für die Zukunft der Landwirtschaft zu entwickeln.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft richten sich nach nationalen und internationalen Vorgaben, auch aus anderen Branchen. Dokumentationsauflagen werden beispielsweise durch gesetzliche Auflagen wie die EU-Cross-Complience und Lebensmittelsicherheit vorgegeben. Datenschutz und andere rechtliche Grundlagen wie die Luftverkehrsregelungen für den Einsatz von Drohnen sind zu beachten. Das deutsche Recht ist der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) anzupassen, die ab Frühling 2018 direkt und unmittelbar für alle EU-Mitgliedstaaten gelten wird.

Die Standards für Funk- und Kabelverbindungen sind kontinuierlich anzupassen. Eine dezentrale Infrastruktur könnte Aufgaben wie Speicherdienste, Delegieren und Ordnen von Daten übernehmen. Die Datensicherheit kann durch rechtliche Rahmenbedingungen und durch neue Softwarelösungen erhöht werden.

Wie sich die Landwirtschaft zukünftig entwickelt, hängt zudem noch von weiteren Faktoren ab. Die Erzeugung preiswerter Lebensmittel muss sich den wandelnden Wünschen der Verbraucher anpassen. Biologische, klimatische, soziale und ökologische Faktoren nehmen Einfluss und sind bei der Strategieplanung zu berücksichtigen. Eine Anpassung an biologische und klimatische Veränderungen muss auch durch Züchtung und Auswahl geeigneter Pflanzen- und Tiersorten erfolgen. Auch hier wird mit modernsten Methoden unter Einsatz digitaler Techniken gearbeitet wie beispielsweise beim „Smart Breeding“.

Redaktion: Britta Pollmann