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Laktobazillen haben viele Talente: Sie sind gesundheitsfördernd, wirken antibakteriell und desinfizierend. Die zur Gattung der Milchsäure-Bakterien gehörenden Mikroorganismen sind zudem für die Herstellung von Lebensmitteln und Bier unverzichtbar. Auch sind sie ein bedeutender Kandidat für die Entwicklung biobasierter und biologisch abbaubarer Materialen. Aufgrund ihrer Bedeutung für Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hat die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) die Laktobazillen nun zur Mikrobe des Jahres 2018 gewählt.
Gut für Körper und Seele
Schon am Tag der Geburt, beim Passieren des Geburtskanals, sorgen Laktobazillen dafür, dass Neugeborene vor Krankheitserregern geschützt sind. Es gibt Hinweise, dass sie auch Allergien und Autoimmunkrankheiten wie Diabetes oder Morbus Crohn positiv beeinflussen können. Außerdem sind sie ein fester Bestandteil der menschlichen Darmflora. Mithilfe bestimmter Enzyme machen Laktobazillen für den Menschen unverdauliche Kohlenhydrate nutzbar. Laktobazillen sind zudem wichtig für die Funktion der Darmschleimhaut, um die Nährstoffe vom Darm ins Blut zu transportiert und das Immunsystem zu stärken. Bestimmte Lactobacillus-Stämme in Mäusen sollen sogar ängstliches und depressives Verhalten verringern können, wie neuste Studien zeigen.
Kandidat für biobasierte Materialien
Die unsichtbaren Winzlinge sind aber nicht nur gesundheitsfördernd. Aufgrund ihrer antibakteriellen und desinfizierenden Wirkung sind Laktobazillen auch in Kosmetikartikeln wie Seifen, Cremes oder Haushaltsreinigern und Spülmitteln enthalten. In der Biotechnologie werden die Mikroben außerdem genutzt, um Milchsäure im industriellen Maßstab für die Lebensmittelproduktion herzustellen. Als Lebensmittelzusatzstoff E 270 erhöht Milchsäure zudem die Haltbarkeit von Back- und Süßwaren sowie Limonaden.
Und es gibt noch eine weitere Anwednugsmöglichkeit: Durch die Verknüpfung mehrerer Milchsäure-Moleküle entstehen Milchsäure-Ketten, sogenannten Polylactide, aus denen biobasierte und biologisch abbaubare Materialien hergestellt und zum 3D-Druck genutzt werden können. Medizintechniker verwenden Polylactide außerdem für Nähte und Implantate, die sich nach einiger Zeit im Körper auflösen.
bb
In der Tierwelt sind spitze Stacheln und scharfe Zähne als Verteidigungsmechanismen weit verbreitet. Doch auch Pflanzen wehren sich gegen Fressfeinde mit stacheligen Haaren. Wie Botaniker der Universität Bonn nun herausfanden, lagern wesentlich mehr Pflanzen das besonders harte und stabile Calciumphosphat zur Abwehr in ihre Haare ein, als zuvor gedacht.
Neue Details einer alten Modellpflanze
Mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen konnten die Forscher zeigen, dass die Stacheln der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) beispielsweise Blattläuse abwehren. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachjournal „Planta“ veröffentlicht. Die Ackerschmalwand gilt in der Landwirtschaft zwar als Unkraut, ist zugleich aber eine äußerst beliebte Modellpflanze der Pflanzengenetiker. „Sie ist mit Sicherheit die am besten untersuchte Pflanze überhaupt“, sagt Maximilian Weigend vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn. „Umso überraschender ist es, dass das Calciumphosphat in den Spitzen der Arabidopsis-Haare erst jetzt entdeckt wurde.“
„Zähne“ bei Pflanzen weiter verbreitet als gedacht
Calciumphosphat ist auch Hauptbestandteil von Zähnen und Knochen und aufgrund seiner Härte, ähnlich wie Silikat, dem weit verbreiteten Kalk hoch überlegen. Weigend und seine Forscherkollegen entdeckten die erstaunliche große Verbreitung der zahnartigen Substanz nun mithilfe der Elektronenmikroskopie und dem Raman-Spektroskop. Bereits zuvor hatten Botaniker um Hans-Jürgen Ensikat solche „Verteidigungszähne“ an Blumennesselgewächsen (Losaceae) bemerkt. Daraufhin weiteten die Wissenschaftler vom Nees-Institut ihre Forschung auf andere Pflanzenordnungen aus und wurden bei mehreren Dutzend Pflanzenarten verschiedenster Verwandtschaftskreise fündig; unter anderem auch bei den Kreuzblütlerartigen (Brassicales), zu denen auch die Ackerschmalwand gehört.
Besonders harte Haarspitzen
„Von vielen Pflanzen war bekannt, dass sie in ihren Haaren glasartiges Silikat oder Kalk zur Versteifung einlagern“, berichtet Weigends Mitarbeiter Adeel Mustafa. „Es war nun sehr überraschend zu sehen, dass auch viele Arten das besonders harte Calciumphosphat nutzen und dass dies bis vor Kurzem übersehen wurde.“ Bei Arabidopsis ist das besonders harte, zahnartige Kalziumphosphat nur in den Spitzen der Härchen eingelagert. „Das Biomineral scheint genau dort abgelagert zu werden, wo es zu einer besonders großen mechanischen Beanspruchung kommt“, erklärt Weigend. So wehrt sich die Ackerschmalwand mit ihren harten Haarspitzen vor allem gegen Kleinstinsekten, wie Blattläuse.
Elektronenmikroskopische Aufnahmen der Wissenschaftler zeigen, dass der Parcour aus gehärteten Haaren und Dornen in der Tat ein unüberwindliches Hindernis für die Schädlinge darstellt. „Es handelt sich also um kleinskalierte Abwehrwaffen, die zahlreiche Insekten von einer Schädigung der Pflanze abhalten“, sagt Weigend.
Genetische Grundlage der Abwehrzähne
Laut Mustafa sei es demnach eigentlich erstaunlich, dass nicht noch mehr Gewächse das Biomineral Calciumphosphat nutzen. Denn die Fähigkeit, die Härchen mit Calciumphosphat zu verstärken, scheint im genetischen Bauplan festgelegt. „Die Entschlüsselung der genetischen Basis der Ausbildung dieser Waffen wäre der notwendige nächste Schritt – dann könnte man solche sich selbst verteidigenden Pflanzen auch als Vorbilder für die Zucht insektenresistenterer Kulturarten nutzen“, so Weigend.
jmr
Sharp teeth and spiky stings are a common defense mechanism across the animal kingdom. However, plants are using thorns and spikes as well, to ward off herbivores and insects. And now botanists of Bonn University found out that the use of calcium phosphate incrustations to strengthen their defences is far more widespread among plants than previously thought.
By way of electron microscopy and Raman-spectroscopy the researchers were able to identify that even thal cress (Arabidopsis thaliana) uses trichomes hardened with an incrustation of this biomineral to defend itself against enemies such as aphids. The results are published in the journal “Planta”.
Hidden secrets of a model organism
Although thal cress is considered a weed in agriculture, it is botany’s favourite model organism. "It is certainly the most well investigated plant of all“, says Maximilian Weigend of the Nees-Institut for Plant Biodiversity of Bonn University. "The more surprising, that calcium phosphate in the tips of the trichomes of Arabidopsis was discovered only now.“
Calcium phosphate is a typical component of teeth and bones. Due to their hardness and strength, silica and calcium phosphate are far superior to calcium carbonate – the most common biomineral overall.
Widespread use of calcium phosphate
Hans-Jürgen Ensikat and his colleagues had previously described such teeth-like structures for the rock nettle family (Losaceae). And subsequently Weigend and his team could demonstrate the presence of calcium phosphate biomineralisation in several plant species, including the Brassicales – the family of thal cress: „It has long been known that many plants use glass-like silica or calcium carbonate to stiffen their trichomes“, reports Adeel Mustafa of the Weigend working group. „The surprising thing was that very hard calcium phosphate is also used by a whole range of species and has yet been overlooked completely until recently.“
Biomineral deposits for maximum mechanical stability
However, thal cress lacks the spectacular spines or stinging hairs like stinging nettles. In Arabidopsis the trichomes are small and comparatively soft – only the tiny tips are incrusted with the particularly hard substance calcium phosphate. „The biomineral is apparently deposited in precisely the place where maximum mechanical stability is required“, explains Weigend. Thal cress uses its hairs to defend itself mostly against small insects such as aphids.
Genetic basis for hardened hairs
„In some way it is surprising that not all plants use calcium phosphate in structural biomineralization,“ concludes Mustafa. Calcium and phosphate are nearly universally present in plants in the form of other chemical compounds, but the use as a biomineral is not universal. The ability to harden hairs with calcium phosphate appears to have a genetic basis. Looking into the future Weigend says: „Unravelling the genetic basis for the productions of these defense weapons would be the next logical step. This would enable us to use these self-defending plants as models for breeding more insect resistant crops.“
jmr
Bei der Suche von Naturstoffen für eine nachhaltige und biobasierte Wirtschaft geraten Moose zunehmend in den Fokus der Forschung. Die eher unscheinbaren Grünlinge faszinieren vor allem als Überlebenskünstler, die sich auch an extreme Umweltbedingungen anpassen können. Ihr Potenzial für die Pharma-, Agrar-, Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie schätzen Experten als vielfältig ein, ist aber noch weitestgehend unerschlossen. Es gibt allerdings erste vielversprechende Erfolge.
Moos-Medikament gegen Stoffwechselkrankheit
Die Greenovation Biotech GmbH hat soeben mit einem moosbasierten Medikament die erste Hürde zur Zulassung eines solch Moos-basierten Arzneimittels genommen. „Wir freuen uns sehr, dass die Phase I-Studie unsere vorklinischen Untersuchungen bestätigt hat“, sagt Geschäftsführer Thomas Frischmuth. Bei dem auf pflanzlichen Zellen basierenden Wirkstoff handelt es sich um ein Therapeutikum zur Behandlung der seltenen Krankheit Morbus Fabry. Bei dieser genetisch bedingten Stoffwechselstörung kommt es unter anderem zu Ablagerungen der Fettsäure Gb3 in Blutgefäßen, was langfristig zu Organversagen führen kann.
Proteine aus genetisch veränderten Mooszellen
Greenovation, einem Portfoliounternehmen des Zukunftsfonds Heilbronn ZFHN, entwickelte dafür ein Verfahren, bei dem genetisch veränderte Mooszellen in Bioreaktoren menschliche Proteine herstellen, die für neue Medikamente genutzt werden können. Dieses Medikament wurde in Kliniken in Mainz und Ungarn als Einmaldosis an sechs Patienten getestet und dessen Wirkung 28 Tage beobachtet. Das Ergebnis: Bei allen Probanden wurde eine Reduktion des Fettsäure-Wertes Gb3 im Urin gemessen, was den Entwicklern zufolge für eine „gute Wirksamkeit des Medikaments“ spricht.
Moosfabriken sind sicher und kostengünstig
Der Einsatz von Moosen als Arzneifabriken hat gegenüber Produktionssystemen, die auf tierischen Zellen basieren, gleich mehrere Vorteile: Neben den geringeren Herstellungskosten, sind Verunreinigungen durch tierische Produkte oder Krankheitserreger, die dem Menschen schaden können, ausgeschlossen. Auch brauchen Moose zum Wachsen keine Antibiotika, welche Resistenzen hervorrufen könnten.
Frischmuth zufolge geht es nun mit „Hochdruck“ an die Vorbereitung der kombinierten Studien-Phasen II/III. Bei diesem klinischen Test soll das Moos-Medikament an 60 Patienten mit dem Fabry Syndrom untersucht werden. Spätestens Anfang des kommenden Jahrzehnts will das Greenovation-Team das pflanzenbasierte Arzneimittel in Europa auf den Markt bringen.
bb
Die große Hungersnot in Irland im 19. Jahrhundert wurde durch den Ausfall mehrere Kartoffelernten ausgelöst. Der Ausfall wiederum entstand durch den sogenannten Eipilz. Dieser Erreger produziert das Toxin Cytolysin, welches die Kartoffelfäule bewirkt. Um Pflanzen vor diesen Krankheitserregern zu schützen, werden in der Landwirtschaft bisher Fungizide eingesetzt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Tübingen hat nun die Wirkungsweise von Cytolysin entschlüsselt.
Giftig für Kartoffeln, nicht aber für Getreide
„Dieser Krankheitserreger produziert mit dem giftigen Cytolysin ein regelrechtes Killertoxin. Ziel des Erregers ist es, Pflanzenzellen zu töten, um sich anschließend von totem Gewebe ernähren zu können“, erklärt die Tübinger Molekularbiologin Isabell Albert. Das Besondere: Das Toxin schadet nicht allen Nutzpflanzen. Bei Kartoffeln beispielsweise kann das Gift ganze Ernten vernichten, während der Erreger Pflanzenzellen von Getreidearten nichts anhaben kann. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Berkeley, Bordeaux, Göttingen, dem slowenischen Ljubljana, dem belgischen Lüttich und Wako in Japan hat das Team um Albert untersucht, warum Cytolysin bei Pflanzen so unterschiedlich wirkt.
Länge der Molekülkette bestimmt Toxin-Empfindlichkeit
Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“ berichten, hängt die Empfindlichkeit von einem Rezeptor der Pflanzenzelle ab, der sich bei verschiedenen Pflanzengruppen deutlich unterscheidet. Bei diesem Rezeptor handelt es sich jeweils um eine Molekülkette aus Kohlenhydraten und Fetten. Doch während Pflanzen wie Kartoffeln oder Tomaten nur über eine kurze Molekülkette verfügen, ist diese bei Getreidepflanzen deutlich länger. „Dieser längere Rezeptor führt offensichtlich dazu, dass das Cytolysin bei Weizen oder Gerste zwar andocken kann, aber nicht an die Membran der Pflanzenzellen herankommt und so auch seine tödliche Wirkung nicht entfalten kann“, berichtete Albert. Die Länge der Molekülkette ist demnach entscheidend, ob das Toxin bis zu den Pflanzenzellen vordringen kann. Das Wissen um die Wirkungsweise dieses Rezeptors eröffnet ganz neue Wege, um Nutzpflanzen künftig besser vor Krankheitserregern zu schützen.
Basis für Entwicklung natürlicher Herbizide
„Zu den Pflanzen, die aufgrund ihres Rezeptors empfindlich auf Cytolysin reagieren, gehören auch viele Unkräuter“, sagt der Leiter der Studie, Thorsten Nürnberger. So könnte auf der Basis eines mikrobiellen Giftstoffs ein natürliches Herbizid entwickelt werden, das den Forschern zufolge sehr selektiv wirkt und umweltfreundlicher als herkömmliche Total-Herbizide wie Glyphosat ist. Auch neue biologische Pflanzenschutzmittel, die mithilfe spezieller Zuckermolekülen das giftige Cytolysin blockieren und so das Andocken an die Pflanzenzellen verhindern, wären vorstellbar, um künftig Nutzpflanzen vor tödlichen Pflanzenkrankheiten zu bewahren.
bb
Während in der Verpackungsindustrie nachwachsende Rohstoffe immer häufiger zum Einsatz kommen, ist die Elektronikindustrie von solch einem Trend noch weit entfernt. Gehäuse von Kaffeemaschinen, Computern oder Handys bestehen auch weiterhin überwiegend aus erdölbasierten Kunststoffen. Doch das könnte sich bald ändern. Wissenschaftler vom Anwendungszentrum HOFZET des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI und dem Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover IfBB zeigen, dass es auch anders geht. Sie entwickelten für das Gehäuse einer Computermaus einen Werkstoff auf Basis von Poly-L-Milchsäure (PLLA), der zu 83 % aus dem nachwachsenden Rohstoff Zuckerrohr besteht.
Hohe Anforderungen an das Material
Das neuartige Gehäuse wurde direkt vor Ort zu Prototypen im Spritzgießverfahren verarbeitet. Neben einem möglichst hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe sollte das neue Material noch weiteren Anforderungen gerecht werden. So musste der biobasierte Werkstoff die Warmformbeständigkeit gewährleisten, mehrmaliges Auf- und Zuschrauben des Gehäuses für Montage und Reparatur und eine geringe Abnutzung der Scrollradhalterung ermöglichen. Dafür mussten die Forscher innerhalb der Prototypentwicklung die Rezeptur für das Gehäusematerial stetig anpassen, die Oberfläche modifizieren und zugleich die Möglichkeiten für eine automatisierte industrielle Fertigung ausloten und vor Ort umsetzen. Federführend für die Umsetzung der Ansprüche war die Forschernachwuchsgruppe „Systematische Identifizierung sowie praktische Umsetzung von Synergien im Bereich der Biopolymere, Biopolymerfasern und Verbundwerkstoffe“ am IfBB.
Faire Computermaus für mehr faire Elektronik
Hinter der Innovation der Werkstoffforscher stand eine Idee des Vereins Nager IT, in dessen Auftrag das Gehäusematerial entwickelt wurde. Vergleichbar mit Initiativen zur fairen Herstellung von Textilien oder Lebensmitteln wie Kaffee oder Tee engagiert sich der im Bayrischen Bichl ansässige Verein für mehr Fairness und Nachhaltigkeit in der Elektronikbranche. Neben dem auf Zuckerrohr basierenden Gehäuse besteht auch das Scrollrad der „Nager-Maus“ aus heimischen Holz statt aus Plastik.
PLLA-Textur zertifiziert
Das teilkristalline PLLA-Textur der Computermaus ist von der Zertifizierungsgesellschaft DIN CERTCO der TÜV Rheinland Gruppe und des DIN-Instituts bereits zertifiziert.
bb