Aktuelle Veranstaltungen

Mit LIFE (L’Instrument Financier pour l’Environnement) hat die Europäische Union 1992 ein Programm ins Leben gerufen, um Innovationen in Umwelt-, Natur- und Klimaschutz zu fördern. Seither wurden EU-weit mehr als 6.000 Projekte finanziell unterstützt, darunter auch Vorhaben aus dem Bereich der Bioökonomie. Für die aktuelle LIFE-Periode, die 2021 begann und bis 2027 dauert, fiel Ende April der Startschuss für die diesjährige Förderrunde. 

Bioökonomie-Projekte können sich im Teilprogramm „Kreislaufwirtschaft und Lebensqualität“ bis September 2025 um eine Förderung bewerben. Ziel dieses Teilprogrammes ist es, den Übergang zu einer schadstofffreien, energieeffizienten und klimaresistenten Kreislaufwirtschaft zu stärken, die die Umwelt schützt und damit auch die Lebensqualität verbessert.

Ressourcenrückgewinnung und Recycling im Fokus

Im Fokus der Förderung stehen innovative Ansätze zur Ressourcenrückgewinnung und zum Recycling. Gesucht werden Ideen, die Lösungen zur Verringerung des Wasserverbrauchs, der Industrie- und Haushaltsabfälle, der Luftverschmutzung und der Lärmbelastung bieten. Im Rahmen der Projektlaufzeit sollten Technologien und Konzepte über den Labormaßstab hinaus gehen und in der Praxis erprobt werden, wobei eine Markteinführung anzustreben ist.

Förderung verschiedenster Akteure

Die Förderung dauert drei bis fünf Jahre und ein Projekt wird in der Regel mit einem einstelligen Millionenbetrag unterstützt. Um eine Finanzierung bewerben können sich öffentliche und private Einrichtungen wie Forschungseinrichtungen, Universitäten, Verbände und Nichtregierungsorganisationen, die ihren Sitz in der EU haben. Projekte, die länderübergreifend agieren, sind ebenfalls erwünscht.

With LIFE (L'Instrument Financier pour l'Environnement), the European Union launched a programme in 1992 to promote innovation in environmental, nature and climate protection. Since then, more than 6,000 projects have received financial support across the EU, including projects in the bioeconomy sector. The starting signal for this year's funding round for the current LIFE period, which began in 2021 and runs until 2027, was given at the end of April.

Bioeconomy projects can apply for funding under the ‘Circular Economy and Quality of Life’ sub-programme until September 2025. The aim of this sub-programme is to strengthen the transition to a pollutant-free, energy-efficient and climate-resilient circular economy that protects the environment and thus also improves quality of life.

Focus on resource recovery and recycling

The funding programme focuses on innovative approaches to resource recovery and recycling. Ideas are sought that offer solutions for reducing water consumption, industrial and household waste, air pollution and noise pollution. During the project period, technologies and concepts should go beyond the laboratory scale and be tested in practice, with the aim of a market launch.

Funding for a wide range of stakeholders

Funding lasts three to five years and a project is usually supported with a single-digit million sum. Public and private institutions such as research institutes, universities, associations and non-governmental organisations based in the EU can apply for funding. Transnational projects are also welcome.

Viele Pflanzen leiden infolge langer Trockenheit zunehmend unter Stress. Davon betroffen sind auch Nutzpflanzen wie der Mais. Die Pflanze verliert bei trockenen Böden buchstäblich die Kraft, auf das Nährstoff- und Wasserreservoir im Unterboden zuzugreifen. Im Projekt RootWayS hat ein Forschungsteam um Projektkoordinatorin Sandra Spielvogel von der Universität Kiel in den vergangenen Jahren nach einer Lösung gesucht, um Maispflanzen vor Trockenstress besser zu schützen.

Der Ansatz: Mithilfe tiefwurzelnder Zwischenfruchtmischungen wollten die Forschenden für den Mais eine Schnellstraße in den Unterboden bauen und damit den Wurzeln Zugang zu Wasser und Nährstoffen verschaffen. Das Vorhaben wurde im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ über die Fördermaßnahme „Pflanzenwurzeln und Bodenökosysteme - Bedeutung der Rhizosphäre für die Bioökonomie (Rhizo4Bio)“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von April 2020 bis März 2024 mit rund 1 Mio. Euro gefördert.

Erprobt wurden Zwischenfruchtmischungen aus Leguminosen (Rot- und Weißklee) mit Gräsern (Rohrschwingel und Deutsches Weidelgras), aus Kreuzblütlern (Ölrettich und Sommerraps) mit Gräsern sowie Leguminosen und Kreuzblütlern – und das jeweils an drei Standorten mit verschiedenen Bodentypen: in Schleswig-Holstein auf einer lehmigen Parabraunerde und einem eher sandigen Braunerde-Podsol, sowie in Niedersachsen auf einem fruchtbareren dunklen Boden.

Mischungen mit Gräsern fördern Nährstoffaufnahme der Maispflanze

Mit den verschiedenen Mischungen wollten die Forschenden erreichen, dass die Tiefwurzler noch tiefer in den Unterboden vordringen und den Maispflanzen den Zugang zum Unterboden ebnen. Bis auf den Ölrettich waren alle Pflanzen winterhart. „Es hat sich schnell gezeigt, dass immer die Mischungen, die Gräser enthielten, also Leguminosen plus Gräser oder Kreuzblütler plus Gräser, am besten funktioniert haben – und das standortunabhängig“, berichtet Sandra Spielvogel.

Vor allem hinsichtlich Nährstoffaufnahme und -recycling überzeugten hier jeweils Mischungen mit Gräsern. „Die Zwischenfruchtmischungen mit den Gräsern haben dafür gesorgt, dass ein signifikanter Anteil der Nährstoffe – speziell Stickstoff, Kalium, Kalzium – aus größeren Tiefen, und zwar von 60 bis 90 cm aufgenommen wurde. Das heißt, man braucht dann weniger Stickstoffdünger, weil der Mais seinen Bedarf zum Teil aus der Zwischenfrucht-Biomasse deckt.“ Die Maispflanze hat sich demnach den Nährstoff, der gewöhnlich als Dünger aufs Feld gebracht werden muss, durch die Wurzelkanäle der Gräser aus tieferen Bodenschichten geholt.

Dass bei der Nährstoffversorgung ausgerechnet Kombinationen mit Gräsern überzeugten, damit hatten die Forschenden allerdings nicht gerechnet. Anders als Leguminosen, die mithilfe von Bakterien Stickstoff aus der Luft binden, der dann den nachfolgenden Pflanzen zur Verfügung steht, bringen Gräser selbst keinen Stickstoff in den Boden. Warum Grasmischungen besser abschnitten, lässt sich gegenwärtig noch nicht sagen. Für Sandra Spielvogel ist das jedenfalls ein neues, interessantes Forschungsthema. Doch eine Vermutung hat die Forscherin: „Wir gehen davon aus, dass das Gras in der Mischung den Boden tiefgründig auflockert, der Mais deshalb besser runter wurzeln und dort den Stickstoff, den die Leguminose in ihrer Wurzel fixiert hat, aufnehmen kann.“

Wasserverfügbarkeit bei nicht winterharten Mischungen am besten 

Neben der Nährstoffversorgung der Maispflanze ging es dem Forschungsteam vor allem darum, mithilfe der Zwischenfrüchte die Wasserverfügbarkeit zu verbessern. In den Feldversuchen überzeugte hier besonders die einzige nicht winterharte Kombination – eine Mischung mit Gräsern und Ölrettich. Dieser „reine Zufallsfund“ wurde Spielvogel zufolge durch Forschungsergebnisse aus dem Projekt CATCHY bestätigt, das sich auf nicht winterharte Mischungen fokussiert hatte.

„Der Vergleich mit Catchy hat gezeigt:  wenn die Zwischenfrucht im Herbst abstirbt, besteht das Risiko, dass zwar Stickstoff verloren geht. Andererseits braucht eine nicht winterharte Zwischenfrucht im Frühjahr kein Wasser mehr und das ist für den Wasserhaushalt besser.“ Der Grund: Die nicht winterharte Frucht stirbt über den Winter ab. Zudem bleibt die tote Pflanzenbiomasse als Mulchdecke auf dem Feld und schützt den Boden vor Verdunstung.

Mit einem sogenannten PlanB für eine biobasierte und nachhaltige Zukunft hatten es sechs Bioökonomie-Start-ups ins diesjährige Finale des Gründerwettbewerbs PlanB Biobasiert.Business.Bayern geschafft. Die Geschäftsideen der Finalisten reichten von innovativen Papieradditiven über myzelbasiertes Textilrecycling bis hin zu Milchalternativen auf Biertreberbasis und Verfahren zur Chemikaliengewinnung. Auf der Veranstaltung Ende April in der Sennebogen Akademie in Straubing kämpften die Teams in einem Pitch vor einer Experten-Jury und 140 geladenen Gästen aus Politik, Forschung und Industrie nun um einen Platz unter den drei Besten.

Platz eins für Papierbeschichtung auf Silica-Basis

Sieger des diesjährigen Wettbewerbs mit einem Preisgeld von 6.000 Euro wurde das Darmstädter Start-up CeraSleeve. Das Team, vertreten durch Nicole Rath und Mathias Stanzel, überzeugte die Jury mit einer nachhaltigen Papierbeschichtung auf Silica-Basis. Dafür wurde ein neues Verfahren entwickelt, das Papier mit einer hauchdünnen Schicht aus Silica – auch als Kieselsäure bekannt – versieht und so mit nassfesten oder wasserabweisenden Eigenschaften ausstattet. Anders als kunststoffbeschichtete Papiere ist das natürliche Material von CeraSleeve damit recycelbar und wiederverwertbar.

Über Platz zwei und 4.000 Euro konnte sich Circular Grain freuen. Das Freisinger Jungunternehmen nutzt Biertreber aus Brauereien zur Herstellung einer nachhaltigen und nährstoffreichen Milchalternative. Das Münchner Start-up Radical Dot überzeugte wiederum mit einer innovativen Recyclingtechnologie zur Gewinnung von Grundchemikalien aus gemischten Kunststoffabfällen und konnte sich so den mit 3.000 Euro dotierten dritten Platz sichern.

Auch die anderen drei Finalisten wurden für ihre biobasierten Geschäftsideen geehrt. Der Publikumsaward ging an MIMBIOSIS. Das Münchner Start-up nutzt eine pilzmyzelbasierte Technologie, um Textilabfälle zu recyceln. Sonderpreise gingen an das Start-up Looppack aus Schweinfurt, das Pilzmyzel zur Herstellung von Dämmstoffen einsetzt, sowie Twogee Biotech aus Martinsried, das eine enzymatische Lösung zur Aufwertung von Biomasserestströmen zu 2G-Zuckern und weiteren Materialien entwickelt.

Neuer Fonds für Start-up-Finanzierung angekündigt

Darüber hinaus sorgte die Ankündigung eines neuen Fonds bei Bayernkapital mit zusätzlichen 600 Mio. Euro Beteiligungskapital für Begeisterung auf der Veranstaltung. Damit ist es PlanB zufolge möglich, Start-ups von der ersten Seed-Finanzierung bis in die Phase leistungsstarker Scale-ups zu begleiten.

Der Start-up-Wettbewerb PlanB Biobasiert.Business.Bayern wird seit 2014 alle zwei Jahre durchgeführt und von der BioCampus Straubing GmbH organisiert und vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert. Außerdem begleiten mehrere Firmen den Wettbewerb als Sponsoren und Unterstützer.

bb

Mit dem Innohof wurde 2021 am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) eine Infrastruktur etabliert, die die Forschung auf dem Feld der nachhaltigen Bioökonomie wissensbasiert und praxisnah fördern soll. Der Bau eines Bioökonomie-Campus in Groß Kreutz ist ein weiterer Schritt, um die biobasierte Kreislaufwirtschaft im Land Brandenburg zu stärken. Am 5. Mai wurde nun der Grundstein für den Leibniz-Innovationshof für nachhaltige Bioökonomie (InnoHof) gelegt.

Praxisnahe Forschung für eine zirkuläre Bioökonomie

„Mit dem neuen Komplex schaffen wir einen einzigartigen Forschungs- und Demonstrationscampus, der es uns ermöglicht, interdisziplinär und praxisnah an den Herausforderungen einer zirkulären Bioökonomie zu arbeiten“, sagte Barbara Sturm, Wissenschaftliche Direktorin des ATB anlässlich des Festaktes.

Wie eng die Anbindung der Forschung an die landwirtschaftliche Praxis ist, zeigt auch der Standort des künftigen ATB-Campus. Dieser entsteht in unmittelbarer Nähe zum landwirtschaftlichen Kooperationspartner, der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung e.V. (LVAT). Daraus ergibt sich ein direkter Draht zu realen praxisbezogenen Fragen, aber auch der Zugang zu Biomasseströmen.

Fertigstellung für August 2026 geplant

Bis August 2026 soll der Komplex fertig sein. Auf dem Gelände entstehen eine Bioraffinerie mit Pflanzenfasertechnikum, Labor-, Büro- und Seminarräume sowie eine Halle für hochwertige Landtechnik und Lagerkapazitäten.

Mit 15 Mio. Euro wird der Bau des neuen Campus in Groß-Kreutz vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) des Landes Brandenburg gefördert. In seiner Festrede verwies Ministerpräsident Dietmar Woidke auf die Bedeutung des Innohofs für das Bundesland. „In Groß Kreutz kommen zukünftig Partner aus Forschung und Praxis zusammen, um gemeinsam an nachhaltigen, praxisnahen Lösungen für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft zu arbeiten, die auch die Veränderungen durch den Klimawandel berücksichtigt.“

Deutsche Bioökonomie-Forschung europaweit sichtbar machen

Martina Brockmeier, Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, ist überzeugt, dass der künftige Campus auch internationale Strahlkraft haben wird. „Der InnoHof wird die deutsche Bioökonomie-Forschungslandschaft maßgeblich bereichern und ihre Sichtbarkeit auf europäischer Ebene auf ein neues Niveau heben.“

bb

Carrageen – das klingt vielleicht exotisch, ist aber für viele Menschen längst Teil ihres Alltags: In Joghurt, Eis oder Zahnpasta sorgt es dafür, dass Konsistenz und Stabilität stimmen. Carrageen ist ein pflanzliches Gelier- und Verdickungsmittel. Es wird in vielen Lebensmitteln als Zusatzstoff E 407 verwendet und ist ohne Mengenbeschränkung zugelassen. Der Stoff stammt aus Rotalgen und besteht aus langen Zuckerketten mit vielen sogenannten Sulfatgruppen. Genau diese Sulfatierung macht Carrageen interessant – und gleichzeitig komplex. Denn je nachdem, wo und wie viele dieser Gruppen sitzen, ändern sich die Eigenschaften der Substanz drastisch. Das bietet enormes Potenzial, war bislang aber schwer gezielt steuerbar.

Neue Variationen eines etablierten Zusatzstoffes

„Ich habe lange in der Industrie mit Biopolymeren aus Rotalgen gearbeitet“, erzählt Volker Sieber, Biotechnologe an der TU München. „Daher fand ich die Idee spannend, Variationen dieser Polymere mit anderen Eigenschaften herzustellen.“ Entstanden ist daraus das Forschungsprojekt BioTrim.

Ziel der Forschenden im Projekt BioTrim war es, eine maßgeschneiderte Sulfatierung zu ermöglichen: Sie wollten gezielt die Struktur und Funktion von Carrageenen verändern und damit den Weg ebnen für neue Anwendungen in der Lebensmittel-, Kosmetik- oder Biotechnologie. Außerdem interessierten sie sich für einen ganz bestimmten Zuckerbaustein, der in Carrageen enthalten ist: 3,6-Anhydro-D-Galaktose, ein vielversprechender Kandidat für biobasierte Chemikalien.

Enzymsuche in Meeresbakterien und in Datenbanken

Das Team suchte gezielt in Proben mit marinen Bakterien nach Enzymen, die Carrageen abbauen können – sogenannte Sulfatasen. „Parallel haben wir in Datenbanken nach ähnlichen Enzymen gesucht, die vielleicht auch das machen, was wir wollen“, erläutert Sieber. Letztlich erwies sich dies als der schnellere Weg. Mithilfe bioinformatischer Methoden identifizierten die Forschenden in den Genomen der Bakterien bestimmte Gencluster, die auf solche Enzyme hinweisen. Die besten Kandidaten produzierten sie anschließend in E. coli, einem Modellbakterium der Biotechnologie, und testeten ihre Wirksamkeit mit einem selbst entwickelten Assay.

Carrageenan – it sounds exotic, but for many people, it’s already a part of everyday life. In yogurt, ice cream, or toothpaste, carrageenan helps ensure the right consistency and stability. The plant-based gelling and thickening agent is commonly used in foods as additive E 407 and is approved without quantity restrictions. The substance comes from red algae and consists of long sugar chains with many so-called sulfate groups. These very sulfations make carrageenan both intriguing and complex. Its properties change drastically depending on how many sulfate groups there are and where they’re located. This holds huge potential, but until now, has been difficult to control in a targeted way.

New variations of an established additive

“I worked for a long time in industry with biopolymers from red algae,” says Volker Sieber, a biotechnologist at the Technical University of Munich. “That’s why I was excited by the idea of producing variations of these polymers with different properties.” The result was the BioTrim research project. 

The goal of the researchers in the BioTrim project was to enable tailored sulfation. The team aimed to deliberately modify the structure and function of carrageenans, paving the way for new applications in the food, cosmetics, and biotechnology sectors. They were also interested in one particular sugar component found in carrageenan: 3,6-anhydro-D-galactose, a promising candidate for bio-based chemicals.

Searching for enzymes in marine bacteria and databases

In samples containing marine bacteria, the researchers specifically searched for enzymes that can break down carrageenan, known as sulfatases. “At the same time, we searched databases for similar enzymes that might do what we needed,” explains Sieber. Ultimately, this turned out to be the faster approach. Using bioinformatics methods, the researchers identified specific gene clusters in bacterial genomes that pointed to these types of enzymes. They then produced the most promising candidates in E. coli, a model bacterium widely used in biotechnology, and tested their effectiveness with a custom-developed assay.

Weltweit werden jedes Jahr rund 4 Mrd. Tonnen Zement zu Beton verarbeitet und verbaut. Dabei wird viel Energie benötigt und große Mengen an Treibhausgasen werden freigesetzt. Deshalb hat ein Forschungsteam der Universität Stuttgart in einer Machbarkeitsstudie Biobeton aus menschlichem Urin getestet: „Das Herstellungsverfahren unseres Biobetons verbraucht erheblich weniger Energie und verursacht weniger Emissionen als die herkömmliche Zementproduktion“, sagt Lucio Blandini, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart. 

Das Projekt SimBioZe (Simultane Biozement- und Düngemittelherstellung aus Abwasser) wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg im Rahmen eines Förderprogramms finanziert und nun um weitere drei Jahre verlängert.

Biobeton durch Biomineralisierung

Die Herstellung des Biobetons basiert auf Biomineralisierung, bei der Bakterien mithilfe chemischer Reaktionen anorganisches Material erzeugen. Dazu wird Sand mit einem bakterienhaltigen Pulver gemischt und in eine Schalung gefüllt. Anschließend wird die Mischung drei Tage mit calciumangereichertem Urin gespült. Die Bakterien bauen den Harnstoff im Urin ab, wodurch Calciumcarbonat-Kristalle entstehen, die das Sandgemisch verfestigen. Das Ergebnis ist ein Festkörper, der chemisch dem natürlichen Kalksandstein ähnelt und in verschiedenen Formen und Größen produziert werden kann. 

Aus Abfall zum Baustoff

Neben dem Einsparen von Emissionen und Energie ist auch die Kreislaufwirtschaft ein erklärtes Ziel des Vorhabens. „Nachhaltig ist unser Ansatz auch, weil wir das Produkt in eine zirkuläre Wertschöpfungskette einbetten“, so Blandini. Beispielsweise in den Abwasserteilstrom an Orten mit hohem Menschenaufkommen, wie einem Flughafen. Gleichzeitig könnten bei einem solchen Prozess sekundäre Wertstoffe aus dem Abwasser rückgewonnen werden, um Düngemittel für die Landwirtschaft zu produzieren.

In der kommenden zweiten Projektphase soll das Herstellungsverfahren optimiert und das Konzept in der Praxis getestet werden und zwar am Stuttgarter Flughafen.

lh

Produkte aus Leder oder Kunstleder sind aus dem Alltag kaum wegzudenken. Doch der Bedarf an nachhaltigen Alternativen, die Ressourcen und Umwelt gleichermaßen schonen, steigt und treibt die Entwicklung voran. Die Bandbreite an Lederalternativen reicht von Ananasfasern über Apfelreste bis hin zu Pilzfäden. Das Darmstädter Start-up Revoltech nutzt Hanfstroh, das als Nebenprodukt bei der Herstellung von Hanf anfällt. Mit einer Förderung über 125.000 Euro durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) konnte das Jungunternehmen seine Lederalternative namens „Lovr“ weiterentwickeln.

Hanfleder wie Papier herstellen

Lovr besteht zu 100 % aus pflanzlichen Reststoffen, ist frei von Erdöl und anderen Chemikalien sowie tierischen Bestandteilen und zudem biologisch abbaubar. Darüber hinaus ist Hanf eine schnell wachsende Pflanze, die regional angebaut wird, kaum Wasser oder Pestizide benötigt und damit zur Verbesserung der Böden beiträgt.

„Neben dem ressourcen- und umweltschonenden Ansatz setzen die drei Gründer von Revoltech größtenteils auf etablierte Fertigungstechnologien aus verschiedenen Branchen, unter anderem aus der Papierherstellung. Das führt zur schnellen Skalierbarkeit der Produktion – mit positiven Effekten für mehr Umweltschutz“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.

Qualität der Lederalternative verbessert

Die Technologie zur Herstellung von Hanfleder hat sich das Darmstädter Start-up bereits 2021 patentieren lassen. „Durch die DBU-Förderung konnten wir die Qualität unserer Lederalternative deutlich steigern – in Farbe, Textur und Veredelung“, berichtet Lukas Schell, Produktionsleiter bei Revoltech. Schell zufolge lässt sich das neue Material nun auch in unterschiedlichen Stärken und mit verschiedenen Oberflächen – etwa geprägt oder geschliffen – herstellen.

Volkswagen als Partner

Aktuell ist das Start-up dabei, das Verfahren für die industrielle Anwendung fit zu machen. Hier konnte Revoltech mit dem Volkswagen-Konzern bereits einen strategisch wichtigen Partner gewinnen. Im Rahmen der Partnerschaft wird das Start-up seine Kunstlederalternative für verschiedene Anwendungen im Fahrzeuginnenraum optimieren. Schell ist jedoch überzeugt, dass das Material für „zahlreiche Einsatzbereiche“ angepasst werden kann.

Mit der Green Startup-Förderung unterstützt die Deutsche Bundestiftung Umwelt junge Gründende bei der Entwicklung innovativer und wirtschaftlich tragfähiger Lösungen für Umwelt, Ökologie und Nachhaltigkeit. 

bb

Immer wieder kommt es auf den Weltmeeren zu Ölhavarien mit gravierenden Folgen für das ganze Ökosystem. Doch auch hier hat die Natur mikrobielle Helfer parat, die eine Ausbreitung des Ölteppichs und damit die Umweltverschmutzung eindämmen können. Dabei handelt es sich um Meeresbakterien, die sich von Erdöl ernähren. Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Bonn hat solch ein Meeresbakterium nun genauer unter die Lupe genommen. Daran beteiligt waren die RWTH Aachen, die HHU Düsseldorf sowie das Forschungszentrum Jülich.

Schon der lateinische Name des Bakteriums Alcanivorax borkumensis deutet an, wozu es fähig ist – nämlich Alkane zu fressen. Dabei handelt es sich um Kohlenwasserstoff-Ketten, die natürlicherweise im Meer vorkommen, aber eben auch in großen Mengen im Erdöl enthalten sind. Diese ölfressenden Mikroorganismen vermehren sich nach Tankerunfällen rasant. Dabei produzieren sie ein Biotensid. Das Molekül klammert sich an die Öltröpfchen und leistet so einen Beitrag zur Bekämpfung der Ölkatastrophe.

Meeresbakterium produziert natürliches Spülmittel

Da sich Wasser und Öl bekanntermaßen nicht mischen lassen, ist das Meeresbakterium auf chemische Hilfe angewiesen, um die begehrten Alkane zu verspeisen. Dafür produziert es den Forschenden zufolge ein natürliches Spülmittel – ein sogenanntes Detergens – das aus der Aminosäure Glycin und einer Zucker-Fettsäure-Verbindung besteht. „Die Moleküle bestehen aus einem wasserlöslichen und einem fettlöslichen Anteil. Die Bakterien setzen sich damit auf der Grenzfläche der Öltröpfchen fest und bilden dort einen Biofilm“, erklärt Biochemiker Peter Dörmann von der Universität Bonn.

Enzym-Trio wirkt als Biokatalysator

Wie das Team in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology berichtet, konnten Aachener Forschende im Genom von A. borkumensis ein Gencluster identifizieren, das an der Herstellung dieses Moleküls beteiligt ist. Waren die Gene dieses Clusters ausgeschaltet, konnten sich die Bakterien nicht mehr so gut an die Öltröpfchen anlagern. Sie nahmen weniger Öl auf und wuchsen deutlich langsamen. Jiaxin Cui, Doktorandin an der Uni Bonn, konnte schließlich den Syntheseweg klären, über den A. borkumensis das Detergens herstellt. Sie fand heraus, dass drei Enzyme an der schrittweisen Biokatalyse des Moleküls beteiligt sind.  

Entwicklung neuer ölfressender Bakterienstämme 

Die Erkenntnisse der Forschenden könnten dazu beitragen, neue Bakterienstämme zu entwickeln, die noch effektiver Ölverschmutzungen bekämpfen können. „Das natürliche Detergens könnte zudem auch für biotechnologische Anwendungen von Interesse sein – etwa für die mikrobielle Herstellung wichtiger chemischer Verbindungen aus Kohlenwasserstoffen“, sagt Dörmann. 

bb

Oil spills occur time and again in the world's oceans with serious consequences for the entire ecosystem. But here, too, nature has microbial helpers at the ready that can contain the spread of the oil slick and thus the environmental pollution. These are marine bacteria that feed on crude oil. A research team led by the University of Bonn has now taken a closer look at such a marine bacterium. RWTH Aachen University, HHU Düsseldorf and the Jülich Research Centre were involved in the study.

The Latin name of the bacterium Alcanivorax borkumensis already indicates what it is capable of - eating alkanes. These are hydrocarbon chains that occur naturally in the sea, but are also contained in large quantities in crude oil. These oil-eating microorganisms multiply rapidly after tanker accidents. In the process, they produce a biosurfactant. The molecule clings to the oil droplets and thus helps to combat the oil spill.

Marine bacterium produces natural detergent

As it is known that water and oil cannot be mixed, the marine bacterium relies on chemical help to consume the coveted alkanes. According to the researchers, it produces a natural detergent which consists of the amino acid glycine and a sugar-fatty acid compound. "The molecules consist of a water-soluble and a fat-soluble part. The bacteria attach themselves to the interface of the oil droplets and form a biofilm there," explains biochemist Peter Dörmann from the University of Bonn.

Enzyme trio acts as a biocatalyst

As the team reports in the journal Nature Chemical Biology, researchers from Aachen were able to identify a gene cluster in the genome of A. borkumensis that is involved in the production of this molecule. When the genes in this cluster were switched off, the bacteria were no longer able to attach to the oil droplets as well. They absorbed less oil and grew much more slowly. Jiaxin Cui, a doctoral student at the University of Bonn, was finally able to clarify the synthesis pathway used by A. borkumensis to produce the detergent. She discovered that three enzymes are involved in the step-by-step biocatalysis of the molecule.

Development of new oil-eating bacterial strains

The researchers' findings could contribute to the development of new bacterial strains that can combat oil spills even more effectively. ‘The natural detergent could also be of interest for biotechnological applications - for example for the microbial production of important chemical compounds from hydrocarbons,’ says Dörmann.

bb

Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze sind Meister der Stoffumwandlung und seit jeher wichtige Werkzeuge der Biotechnologie. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur Materialien produzieren, die von Natur aus biobasiert und biologisch abbaubar sind, sondern auch Proteine, die tierische Eiweiße in Lebensmitteln ersetzen können. Die Herstellung sogenannter bakterieller Proteine – auch Single Cell Protein genannt – steht im Fokus der gleichnamigen Arbeitsgruppe von Monika Konarzycka-Bessler am Aachener Fraunhofer-Institut. Hier sucht das Team in der Umwelt nach neuen Bakterienstämmen, die als Proteinfabriken geeignet sind und als Rohstoffquelle primär Kohlendioxid (CO₂) nutzen.

Microorganisms such as bacteria, yeasts and moulds are masters of material conversion and have always been important tools in biotechnology. Not only can they be used to produce materials that are naturally biobased and biodegradable, but also proteins that can replace animal proteins in food. The production of so-called bacterial proteins - also known as single cell proteins - is the focus of Monika Konarzycka-Bessler's working group of the same name at the Fraunhofer Institute in Aachen. The team is searching the environment for new bacterial strains that are suitable as protein factories and primarily utilise carbon dioxide (CO2) as a source of raw materials.

Viele Materialien werden heute bereits recycelt. Bei Einwegwindeln ist das nicht möglich, weil sie aus einem Verbundmaterial bestehen – konkret aus einer Mischung aus Zellulose und einem sogenannten Superabsorber, der die Flüssigkeit aufnimmt. Forschende am NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut in Reutlingen haben nun eine wesentliche Hürde auf dem Weg zum Windelrecycling genommen.

Enzyme trennen Zellulose und Superabsorber

Im Projekt Encycling gelang es einem Team um Anne Zeck, die Zellulose mithilfe von Enzymen von dem Superabsorber zu trennen. Dieser Superabsorber, bestehend aus dem Natriumsalz der Polyacrylsäure, quillt bei Kontakt mit einer Flüssigkeit auf. „Wenn auf diese Mischung aus Zellulose und Superabsorber eine Flüssigkeit kommt, entsteht daraus eine gelförmige Masse. Eine gute Durchmischung und Behandlung der Masse mit Enzymen wird dadurch unmöglich“, schildert Zeck.

Durch die Zugabe von Kalziumchlorid wurde zunächst die Flüssigkeit aus dem Superabsorber entfernt, wodurch sich die geschredderte Windelmasse gut durchmischen ließ. Gemeinsam mit Enzymen wurde die zerkleinerte und in Wasser getränkte Menge dann mehrerer Tage bei 50 Grad Celsius geschüttelt. Dabei bauten die Enzyme 800 Gramm Zellulose ab und produzierten zugleich Zucker, der aus der wässrigen Phase entfernt werden konnten. Aus ursprünglich 5,8 Kilogramm geschreddertem Windelmaterial blieben am Ende 5 Kilo übrig, die vorwiegend Superabsorber enthalten.

Windelrecycling im Technikumsmaßstab geplant

Nach dem erfolgreichen Abbau von Zellulose im Windelmaterial im Labor ist ein erster Schritt zum Recycling getan. Als Nächstes muss sich das Zellulose-arme Verbundmaterial nun beim chemischen Recycling bewähren. Der Projektpartner, die Firma ARCUS Greencycling, wird das als Nächstes im Technikumsmaßstab testen. Hier wird sich zeigen, ob die in den Windern enthaltenden Rohstoffe wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob auch die zuckerhaltige Flüssigkeit künftig stofflich genutzt werden kann. 

Das Projekt „Encycling“ wurde vom Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg über das Innovationsprogramm Invest BW Green Tech gefördert.

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Traditionell wird Käse aus tierischer Milch hergestellt. Diese Methode ist jedoch ressourcenintensiv und wirft ethische Fragen zur Tierhaltung auf. Vor diesem Hintergrund wächst das Interesse an tierfreien und umweltfreundlichen Alternativen. Neben pflanzlichen Käseersatzprodukten gewinnen fermentativ hergestellte Alternativen zunehmend an Bedeutung. Dabei werden Milchproteine biotechnologisch mithilfe von Mikroorganismen nachgebildet. 

Käse neu gedacht

Ein Berliner Start-up verfolgt diesen Ansatz und ersetzt tierisches Molkenprotein durch ein fermentativ erzeugtes Pilzprotein. Zum Einsatz kommt Aspergillus oryzae, auch Koji genannt – ein in Japan bereits seit langem verwendeter Pilz mit erstaunlichen Eigenschaften. Die Enzyme von Koji können Proteine und Stärken abbauen und so dem Geschmack von Lebensmitteln den Umami-Effekt verleihen.

Diesen Effekt machen sich die Berliner Tüftler zunutze. Durch Mikrofermentation entsteht aus Koji ein funktionales Protein, das dem Milcheiweiß in Struktur und Funktion ähnelt – ideal für die Käseherstellung. So wird die Produktion von verschiedenen Käsesorten, die in Geschmack und Textur dem Original nahekommen, möglich. Völlig ohne tierische Bestandteile und mit deutlich geringerer Umweltbelastung.

Marktreife

In ausgewählten Supermärkten in Deutschland und Österreich ist seit Herbst 2024 eine Frischkäse-Alternative aus Koji-Protein in drei Geschmacksvarianten erhältlich: Natur, Kräuter und Tomate erhältlich, außerdem ein Camembert-Ersatz. Weitere Sorten sind in Planung.