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Mikroalgen sind längst ein wichtiges Forschungsfeld und ein Hoffnungsträger für die Bioökonomie. Nicht nur die Hersteller von Lebens- und Futtermitteln setzen auf sie. Auch für die Herstellung von Biosprit und neuen Kunststoffen gewinnen Mikroalgen zunehmend an Bedeutung. Die Mikroalgenproduktion anzukurbeln ist daher auch das Ziel eines internationalen Projektes, an dem Jülicher Forscher seit einiger Zeit tüfteln. Wissenschaftler der Universität Konstanz wollen Mikroalgen nun ganz konkret für die Herstellung von Basischemikalien fit machen. Dafür soll ein neuartiges Bioraffinerie-Verfahren zur Erzeugung wichtiger Plattformchemikalien etabliert werden. Das Projekt unter der Leitung von Stefan Mecking wird im Rahmen der Technologie-Initiative „Bioraffinerien“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren mit insgesamt 917.000 Euro gefördert.

Algengewinnung vereinfachen 

Eine Herausforderung bei der bisherigen Mikroalgenproduktion sind noch immer die Anzucht und Aufbereitung der Algen. Insbesondere die Extraktion relevanter Stoffe, die für die weitere chemische Umwandlung und die Industrie wichtig sind, ist derzeit noch problematisch. Die Konstanzer Wissenschaftler wollen diese Probleme nun lösen und damit die Mikroalgenproduktion effektiver machen. „Wir möchten die Gewinnung vereinfachen, indem wir den Extraktionsschritt mit den nachfolgenden chemischen Umsetzungen, mit denen man die eigentlichen Zielprodukte herstellt, möglichst weit integrieren“, erklärt Mecking.

Algenlipide effizient extrahieren

Um die Effektivität der Algenproduktion zu steigern, plant das Team um Mecking, die Mikroalgen mithilfe von Kohlendioxid in einem einfachen und umweltfreundlichen Verfahren zu extrahieren. „Mit diesem Lösungsmittel – wie es beispielsweise auch beim Entkoffeinieren von Kaffee verwendet wird – kann man bekanntermaßen effizient die gewünschten Lipide aus den Algen extrahieren“, erläutert der Chemiker. Die Herausforderung dabei wird sein, auch die nachfolgenden katalytischen Schritte direkt in diesem Lösungsmittel durchführen zu können.

Das Konzept des integrierten Bioraffinerie-Verfahrens soll in den kommenden drei Jahren im Labormaßstab demonstriert werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abfolge der ausgewählten katalytischen Reaktionen im integrativen Verfahren auch gelingt. Nur so könnte die ganze Bandbreite der aktuell verwerteten chemischen Grundbausteine auch hergestellt werden. Sollte sich das Bioraffinerie-Konzept von Meckings Team bewähren, wäre ein entscheidender Schritt auf dem Weg in die industrielle Anwendung geschafft.

bb

Sie sind hauchdünn, aber ultrastark: Spinnenfäden. Die Kombination von Reißfestigkeit und Dehnbarkeit macht Spinnenseide zu einer der belastbarsten Fasern der Natur und enorm attraktiv für die Industrie. Doch auch die Medizin schätzt die Fasern längst wegen ihrer antibakteriellen Wirkung. Der Firma AMSilk ist es vor Jahren gelungen, Spinnenseidenproteine biotechnologisch herzustellen und zu Fasern zu verarbeiten. Die Hightech-Faser kommt dem natürlichen Vorbild sehr nahe und wird bereits im Flugzeugbau eingesetzt, aber auch zur Herstellung von Brustimplantaten genutzt.

Neue Einblicke in die molekulare Struktur

Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg liefern nun neue Einblicke in die molekulare Struktur der natürlichen Spinnenfasern, die zur Festigkeit beitragen. Im Fachjournal „Nature Communications“ präsentiert das Team um Hannes Neuweiler neue Details zum Aufbau der Spinnenfäden. Im Rahmen der Studie hatten die Materialforscher in der molekularen Struktur nach den Gründen für die einzigartige Kombination von Reißfestigkeit und Dehnbarkeit gesucht.

In zwei Schritten zur Dehnbarkeit

Im Fokus ihrer Untersuchung standen Proteinbausteine der Raubspinne Euprosthenops australis. „Spinnenfasern bestehen aus Proteinbausteinen, sogenannten Spidroinen, die die Spinne in ihrer Spinndrüse zu einem Seidenfaden zusammensetzt“, beschreibt Neuweiler den Aufbau der Fäden. Im Rahmen der Studie tauschten die Forscher einzelne Bestandteile der Proteinbausteine aus und modifizierten das Protein mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen. Damit wurde sichtbar, dass die jeweiligen Enden der Bausteine, die sogenannten N- und C-terminalen Domänen, sich in zwei getrennten Schritten aufbauen. „Während der erste Schritt die Zusammenlagerung beinhaltet, stellt der zweite Schritt die Faltung einer äußeren, labilen Helix-Struktur der Domäne dar“, so Neuweiler.

C-terminale-Domäne sorgt für feste Spinnenfaser

Neuweiler und sein Team hatten hierbei die C-terminale Domäne genauer untersucht und festgestellt, dass zwei Proteinbausteine jeweils mithilfe einer verschlungenen Struktur wie mit einer molekularen Klammer verknüpft sind. Die Würzburger konnten damit erstmals zeigen, dass die C-terminale Domäne für die Dehnbarkeit der Spinnenfaser mitverantwortlich ist. „Wenn die C-terminale Domäne zur Flexibilität des Fadens beiträgt, ließen sich in der Materialforschung die mechanischen Eigenschaften des Fadens durch molekulare Veränderungen in der C-terminalen Domäne steuern“, sagt Neuweiler. 

bb

Pflanzen haben im Tierreich viele Fressfeinde, gegen die sie sich verteidigen müssen, und auch Mikroorganismen fordern ihre Abwehr. Gegen viele dieser Angriffe haben Pflanzen Verteidigungsmechanismen entwickelt, doch es würde zu viele Ressourcen binden, wären all diese Mechanismen permanent aktiv. Einen Fall von geschicktem Ressourcenmanagement bei Mais, Weizen und wohl auch anderen Pflanzenarten haben Ökologen des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und der Universität Bern untersucht.

Gift gegen Raupen oder Schutz vor Blattläusen

Wie sie im Fachjournal „Science Advances“ berichten, fungiert das sekundäre Pflanzenmetabolit Benzoxazinoid in Maispflanzen als Multifunktionswaffe: Das Molekül kann eine Reaktionskette in Gang setzen, die die Leitgefäße der Pflanze abdichtet und so Blattläusen das Saugen erschwert. Es kann aber auch selbst als Gift wirken, das Raupenfraß verhindert. Ein Enzym fungiert mittels Methylierung als Schalter und entscheidet so darüber, welchen der beiden Wirkmechanismen Benzoxazinoid ausübt.

Die Forschungsgruppe hatte diesen Schalter gentechnisch in Weizen übertragen und so eingestellt, dass er nur noch als Anti-Raupenfraß wirkte. Tatsächlich waren die betroffenen Pflanzen daraufhin besonders anfällig für Blattläuse. Überraschend war für die Forscher hingegen, dass die Anfälligkeit für Pilzerkrankungen nicht anstieg. Denn die Pilzresistenz des Weizens hängt davon ab, den Zucker Kallose anzuhäufen – dieser Prozess ist jedoch an die Anti-Blattlausfunktion von Benzoxazinoid gekoppelt und war somit eigentlich abgeschaltet.

Evolutionär junger Mechanismus

Bemerkenswert ist auch, was die Forscher über die molekularen Zusammenhänge herausfanden. So nutzen Mais und Weizen zwar den gleichen Weg, um Benzoxazinoid herzustellen, und verwenden es auch für dieselben beiden Abwehrmechanismen. Das Enzym, das als Schalter zwischen diesen Alternativen fungiert, ist jedoch unterschiedlich. Beide Pflanzenarten müssen also unabhängig voneinander im Zuge der Evolution zu ähnlichen Abwehrlösungen gelangt sein. „Dies deutet einerseits darauf hin, dass die Fähigkeit, Benzoxazinoide für verschiedene Funktionen zu nutzen, relativ jung ist“, erläutert Matthias Erb von der Universität Bern. „Andererseits scheint die Fähigkeit, die Abwehr spezifisch an verschiedene Fraßfeinde anzupassen, für Pflanzen von großer Bedeutung zu sein.“

In weiteren Schritten wollen die Forscher nun klären, wie Benzoxazinoide weitere Abwehrmechanismen steuern – und vor allem, weshalb Pflanzen überhaupt ein Gift verwenden, um Abwehrmechanismen zu regulieren, was eigentlich die Aufgabe von Pflanzenhormonen wäre.

bl

Plants have many enemies and predators against which they have to defend themselves. Therefore, they have developed defense mechanisms against many different types of attack. However, it would bind far too many resources if all these mechanisms were permanently active. Ecologists from the Max Planck Institute for Chemical Ecology and the University of Bern have now investigated such a case of resource management in maize, wheat and other plant species.

Poisoning caterpillars or protecting against aphids

According to the report in the journal "Science Advances", the secondary plant metabolite benzoxazinoid acts as a multifunctional weapon in maize plants: the molecule can initiate a chain reaction that seals the plant's vessels and thus deters aphids. However, benzoxazinoid can also act as a poison in and of itself, thereby preventing caterpillar damage. Methylation of a specific enzyme acts as a switch and thus decides which of the two mechanisms of action benzoxazinoid will come into effect.

The research group had genetically engineered this switch into wheat and adjusted it so that it only worked as an anti-caterpillar mechanism. As a result, the affected plants were particularly susceptible to aphids. However, the researchers were surprised that the susceptibility to fungal diseases did not increase. The fungus resistance of wheat depends on the accumulation of the sugar callose. However, this process is coupled to the anti-aphid function of benzoxazinoid and was therefore supposedly switched off.

A relatively new mechanism

Similarly remarkable, maize and wheat use the same way to produce benzoxazinoids and also use it for the same defence mechanisms. However, the enzyme that acts as a switch between these alternatives is different in both plants. Thus, both plant species must have developed similar defence solutions independently of each other during evolution. "On one hand, this may be evidence that the ability to use benzoxazinoids for different functions has evolved relatively recently," explains Matthias Erb from the University of Bern. "On the other hand, it highlights the importance of the ability to adapt defense responses specifically to different to different herbivores."

In the near future the researchers aim to clarify how benzoxazinoids control further defense mechanisms - and above all, why plants use a poison as a defense mechanism, when this would usually be the job of plant hormones.

bl/jmr

 

Nüsse haben in der Weihnachtszeit eine lange Tradition. Ob Walnuss oder Haselnuss und egal ob gemahlen oder als ganze Frucht – sie dürfen in der Weihnachtsbäckerei nicht fehlen. Die Schalenfrüchte sind zwar oft schwer zu knacken, aber lecker und dekorativ. Weit vor der Zeit der glitzernden Weihnachtskugeln zierten Nüsse und Äpfel den Tannenbaum zum Fest. Heute werden sie wegen ihrer vielen gesunden Nährstoffe sowie ihrer langen Haltbarkeit geschätzt und meist zu Lebensmitteln verarbeitet. Forscher sind jedoch überzeugt, dass ihr Potenzial weitaus größer ist. 

Bioökonomisches Potenzial der Walnuss ausloten

Im Rahmen des EU-Projektes „AlpBioEco“ steht daher die Walnuss als pflanzlicher Rohstoff im Fokus der Untersuchung. Unter der Leitung von Christian Gerhards wollen Forscher und Studenten der Hochschule Albstadt-Sigmaringen in Baden-Württemberg mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)-Regionalverband Bodensee-Oberschwaben erforschen, inwiefern aus Walnüssen neue Produkte für die Bioökonomie hergestellt werden können.

Inhaltsstoffe von Nussschalen und Blättern analysieren 

Dafür nimmt das Team nicht nur die Frucht selbst, sondern auch die Blätter des Walnussbaumes sowie die harten Fruchtschalen genauer ins Visier. Sie wollen deren Inhaltsstoffe analysieren und neue Anwendungsmöglichkeiten für Lebensmittel und Kosmetik erschließen. Aber auch andere Einsatzmöglichkeiten sind möglich: „Lassen wir uns überraschen: Vielleicht stellen wir künftig aus Walnussblättern biologische Pflanzenschutzmittel her, aus Nussschalen Verpackungsmaterialien oder aus grünen Nüssen Aromastoffe“, so Projektleiter Gerhards.

Auch Äpfel und Kräuter im Visier

An dem Projekt, das im April 2018 gestartet ist und drei Jahrer dauert, sind neben der Hochschule zwölf weitere Partner beteiligt. Es wird von der EU durch das „Interreg Alpine Space Programm“ mitfinanziert. Im Projekt werden neben Walnüssen auch Äpfel und Kräuter auf ihr bioökonomisches Potenzial untersucht. 

bb

Nuts have a long Christmas tradition. Walnuts and hazelnuts, either ground up or whole, are part of every Christmas bakery. The nuts are often difficult to crack, but delicious and decorative. Hence, long before the glittering baubles, nuts and apples adorned the Christmas tree. Today, they are valued for their many healthy nutrients and long shelf life and are mostly processed into food. However, researchers are convinced that their potential for biobased products is even greater.

Exploring the bio-potential of walnuts

As part of the EU "AlpBioEco" project, the focus of the current study is on walnuts as a biobased feedstock. Under the direction of Christian Gerhards, researchers and students from the Albstadt-Sigmaringen University of Applied Sciences in Baden-Württemberg and the Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)-Regionalverband Bodensee-Oberschwaben are investigating to what extent walnuts can be used to produce new products for the bioeconomy.

Analysing the ingredients of nut shells and leaves

The team not only takes a closer look at the fruit itself, but also at the leaves of the walnut tree and the hard fruit peels. Their aim is to analyse these ingredients and develop new applications for food and cosmetics. But other applications are also possible: "Let's wait and see: Maybe in the near future we will produce biological crop protection products from walnut leaves, packaging materials from nut shells or flavourings from green nuts," says project manager Gerhards.

Apples and herbs also in our sights

The project, which started in April 2018 and will take at least three years, involves twelve other partners in addition to the university. It is co-financed by the EU via the "Interreg Alpine Space Programme". In addition to walnuts, the project also investigates the bioeconomy potential of apples and herbs.

bb/jmr

Pflanzen nehmen über sogenannte Atmungsporen Kohlendioxid aus der Luft auf und wandeln es mittels Sonnenlicht zu Sauerstoff und Kohlenhydraten um - das ist das Prinzip der Photosynthese. Doch bei diesem Austausch verlieren die Pflanzen Wasser und bei Dürre und Hitze kann das schnell problematisch werden. Graspflanzen, zu denen auch die wichtigsten Kulturpflanzen Reis, Mais und Weizen gehören, betreiben diesen Stoffaustausch besonders effizient: Ihre Atmungsporen schließen sich sehr schnell, sodass die Pflanzen kaum Wasser verlieren. Gerade mit Blick auf den Klimawandel mitsamt steigenden Temperaturen und anhaltender Trockenheit sind diese Eigenschaften für Pflanzen von großem Vorteil. Am COS der Universität Heidelberg untersucht der Schweizer Michael Raissig derzeit, was die Atmungsporen der Gräser so effizient macht und wie diese Eigenschaften auf andere Kulturpflanzen übertragen werden könnten. 

Plastik hat inzwischen ein ziemlich schlechtes Image, denn es wird aus Erdöl hergestellt und vermüllt die Umwelt. Außerdem setzt es beim Abbau große Mengen CO2 frei und trägt so erheblich zur globalen Erwärmung bei. Biobasiertes Plastik – kurz Bioplastik – wird hingegen oftmals als nachhaltiger Gegenentwurf mit einer neutralen Klimabilanz angepriesen. Bonner Forscher haben diesen Aspekt genauer untersucht und dabei verschiedene Szenarien durchgespielt. Das Fazit: Die vermehrte Herstellung von Bioplastik kann sich ebenfalls negativ auf den Klimawandel auswirken. Ihre Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachjournal „Environmental Research Letters“ veröffentlicht.

Wälder werden zu Äckern und setzen CO2 frei

Laut Neus Escobar vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn wird die Erzeugung großer Mengen Bioplastik die Landnutzung verändern. „Global gesehen könnten dadurch zum Beispiel vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt werden. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr, schon allein aufgrund ihrer größeren Biomasse“, so die Forscherin. Die möglichen Folgen haben Escobar und ihre Kollegen an einem erweiterten Computermodell simuliert. Das Modell basiert auf einer Datenbank, die die gesamte Weltwirtschaft abbildet, und wurde bereits genutzt, um den Zusammenhang zwischen der steigenden Nachfrage nach Biosprit und Waldrodungen zu untersuchen.

Herkömmliches Plastik besteuern oder Bioplastik subventionieren?

Bei ihren Berechnungen gingen die Bonner Forscher davon aus, dass die Herstellung von Bioplastik bei den wichtigsten Produzenten – Europa, China, Brasilien und den USA – auf fünf Prozent steigen wird. Um die Auswirkungen auf den Markt und die Umwelt zu analysieren, spielten sie mithilfe des Computermodells zwei verschiedene Szenarien durch: Entweder wurden konventionelle Kunststoffe besteuert und somit teurer oder Bioplastik wurde subventioniert und damit günstiger. Am deutlichsten waren die Auswirkungen für das Steuer-Szenario: Aufgrund der sinkenden Nachfrage nach herkömmlichem Plastik, wurden pro Jahr 0,08% weniger Klimagase ausgestoßen. Allerdings stieg dadurch die landwirtschaftlich genutzte Fläche, um Rohmaterial für die Bioplastik anzubauen, wodurch die Waldfläche um 0,17% abnahm. Aufgrund der Umwandlung von Wald- zu Ackerflächen gelangten enorme Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Den Forschern zufolge ist das zwar ein einmaliger Effekt, „dennoch dauert es nach unseren Berechnungen mehr als 20 Jahre, bis er durch die erzielten Einsparungen wettgemacht wird“, erläutert Escobar. Eine Subvention von Bioplastik hätte bezüglich der 20-jährigen Kompensationszeit und der Kosten für die Klimagas-Reduktion ganz ähnliche Folgen.

Nur Bioplastik aus pflanzlichem Abfall ist wirklich nachhaltig

Das Fazit der Forscher: „Eine vermehrte Verwendung von Bioplastik aus Nutzpflanzen scheint also keine effiziente Strategie zu sein, das Klima zu schonen.“ Würde Bioplastik hingegen aus pflanzlichen Abfällen hergestellt, wäre die Klimabilanz deutlich positiver. Deshalb empfehlen Escobar und Kollegen, entsprechende Forschungsarbeiten auf „Bioplastik der zweiten Generation“ zu fokussieren.

Gleichzeitig warnen sie davor, dass Bioplastik keineswegs das „Plastikmüllproblem“ lösen wird, da Biokunststoffe oft genauso schwer abbaubar sind wie ihre erdölbasierten Pendants. Einen Vorteil hat Bioplastik zweifellos: Fossile Brennstoffe werden damit geschont. Zum Schutz der Umwelt empfehlen die Bonner Wissenschaftler jedoch einen materialsparenden Umgang mit Plastik und ein möglichst vollständiges Recycling.

jmr

As useful as it may be, plastic has become a household-synonym for "environmental pollution": It is based on fossil fuels and releases large amounts of CO2 when broken down, thereby contributing significantly to global warming. Biobased plastics - or bioplastics for short - are often advertised as a sustainable alternative with a neutral carbon footprint. Researchers in Bonn have  analysed the underlying manufacturing processes and materials and warn that the increased production of bioplastics could have in fact negative consequences regarding climate change. They published their results in the journal "Environmental Research Letters".

Forests are turned into fields and release massive quantities of CO2

According to Neus Escobar of the Institute of Food and Resource Economics at the University of Bonn, the production of large quantities of bioplastics would change land use globally. "This could potentially lead to an increase in the conversion of forest areas to arable land. However, forests absorb considerably more CO2 than maize or sugar cane annually, if only because of their larger biomass," said the researcher. Escobar and her colleagues simulated the possible consequences by using an extended computer model. The model is based on a database that maps the entire world economy and has previously been used to investigate the relationship between the increasing demand for biofuel and deforestation.

Tax conventional plastics or subsidize bioplastics?

For their calculations, the Bonn-based researchers assumed that the amount of bioplastics produced by the most important economies - Europe, China, Brazil and the USA - will increase to five percent. In order to analyse the effects on the market and the environment, they used the computer model to simulate two different scenarios: Either conventional plastics were taxed and thus more expensive, or bioplastics were subsidised and thus cheaper. The effects for the tax scenario were most striking: Due to the decreasing demand for conventional plastics, 0.08% less greenhouse gases were emitted per year. At the same time, the agricultural area increased, while the forest area decreased by 0.17%. Plus, the conversion of forest to arable land released enormous quantities of greenhouse gases into the atmosphere. Although, according to the researchers, this would be a one-off effect, "Nevertheless, according to our calculations, it will take more than 20 years for it to be offset by the savings achieved by fossil substitution," Escobar explains. A subsidy for bioplastics in turn would have very similar consequences with regard to the 20-year compensation period.

Bioplastics made from plant waste are the only truly sustainable alternative

The researchers' conclusion: "Consuming bioplastics from food crops in greater amounts does not seem to be an efficient strategy to protect the climate". If, on the other hand, bioplastics were produced from plant waste or crop residues, the carbon footprint would be much more positive. Escobar and her colleagues therefore recommend research projects to focus on "second generation bioplastics".

In addition they highlight that bioplastics do not solve the "plastic waste problem" because bioplastics are often just as difficult to degrade as their petroleum-based counterparts. However, bioplastics and biomaterials have one clear advantage: they help to reduce the fossil fuel dependency. Nonetheless, in order to protect the environment, the scientists recommend that plastics in general be used sparingly and recycled as much as possible.

jmr

Nylonstrümpfe sind wohl das bekannteste Beispiel für den Einsatz von Nylonfasern im Alltag – nicht zuletzt, weil der Kunststoff hier namensgebend ist. Doch das Polymer ist allgegenwärtig: Regenschirme werden aus Nylon gefertigt, genauso wie Kochlöffel oder Spachtel. Wie viele andere Kunststoffe auch besteht Nylon aus Chemikalien, die teils hochgiftig sind. Dazu gehört sein Grundstoff Adiponitril, der aus der giftigen Blausäure hergestellt wird. Auch wenn sich das Herstellungsverfahren über die Jahre bewährt hat und hohen Sicherheitsstandards unterliegt, so bleibt doch das Risiko einer Vergiftung für den Menschen beim Umgang mit der gefährlichen Substanz.

Enzym statt Blausäure für Herstellung von Nylongrundstoff

Ein Forscherteam um Harald Gröger und Tobias Betke von der Universität Bielefeld hat nun ein umweltschonendes Verfahren zur Herstellung von Adiponitril entwickelt. Wie die Chemiker im Fachjournal „Nature Communications" berichten, kommt bei ihrer Methode statt Blausäure ein Enzym zum Einsatz, das als natürlicher Katalysator die Nylonproduktion bereits in der Anfangsphase sicherer und nachhaltiger macht. „Wenn schon bei den Grundstoffen der Produktion auf giftiges Material verzichtet wird, kommt ein Risiko gar nicht erst auf“, ist Gröger überzeugt.

Schnell, ergiebig und energiesparend

Der Studie zufolge kann das Enzym namens Aldoximdehydratase in gut zugänglicher Weise durch Fermentation hergestellt werden und erlaubt damit eine umweltschonende und schnelle Herstellung von Adiponitril. „Das Verfahren hat eine hohe Raum-Zeit-Ausbeute, was bedeutet, dass es nicht nur schnell, sondern auch sehr ergiebig ist“, sagt Gröger und ergänzt: „Die Reaktion braucht zudem wenig Energie. Sie verläuft bei Raumtemperatur im Wasser.“

Zwischenschritt für sichere Herstellung von Nylonvorstufen

Gröger ist überzeugt, dass die neue Methode dazu beiträgt, den Einsatz erdölbasierter Stoffe zu reduzieren und die Rohstoffversorgung so auf breiter Basis nachhaltiger zu machen. Darüber hinaus könnte das neue Adiponitrilherstellungsverfahren der Bielefelder auch in andere Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien integriert werden. Gröger verweist hier auf die von Evonik und Siemens kürzlich vorgestellte Methode, mit der sich Kohlendioxid mit Sonnenenergie zu 1-Hexanol umwandeln lässt, aus dem wiederum Adiponitril als eine Vorstufe von Nylon gewonnen werden kann.

Die Arbeit des Bielefelder Teams wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Programm „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren – Biotechnologie 2020+“ in den vergangenen fünf Jahren mit rund 1 Mio. Euro gefördert. 

bb

Jasminpflanzen sind vor allem für ihre strahlend weißen Blüten und ihren frühsommerlichen, frischen Duft bekannt. Dieser Duft basiert auf dem Phytohormon Jasmonsäure. Das Pflanzenhormon trägt seinen Namen, weil es zuerst bei der Jasminpflanze entdeckt wurde, tatsächlich aber auch von anderen Pflanzen produziert wird, wenn diese von Insekten angefressen oder mechanisch verletzt werden. Die Säure verursacht dann eine Abwehrreaktion zum Schutz der Pflanze und wird von manchen Arten sogar über die Luft weitergegeben, sodass auch Nachbarpflanzen vor Angreifern gewarnt werden. Nun haben Würzburger Forscher eine weitere Funktion des wichtigen Pflanzenhormons entdeckt: Die Jasmonsäure ist auch Teil der Regulation von Blattporen.

Auch Ackerschmalwand verwendet Jasmonsäure-Signalweg

Blattporen, auch Atmungsporen oder Stomata genannt, sind die Schleusen, an denen die für die Photosynthese essenzielle Aufnahme von Kohlendioxid stattfindet. In der Regel befinden sich die Stomata an den Pflanzenblättern und werden jeweils von zwei Schließzellen gebildet. Das Pflanzenhormon Abscisinsäure (ABA) ist ein Schlüsselsignal, das zum Schließen der Stomata führt. Besonders bei Trockenheit ist es wichtig, dass die Stomata geschlossen werden, da die Pflanzen sonst zu viel Wasser verlieren.

Wie Pflanzenbiologen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) in der Fachzeitschrift „Developmental Cell“ berichten, reicht auch eine mechanische Verletzung der Blätter aus und die Blattporen schließen sich schnell  – und zwar nicht nur beim verwundeten Blatt, sondern auch bei den benachbarten Blättern. „Dieser bislang nicht beobachtete Effekt legte nahe, dass in den Schließzellen der Jasmonsäure-Signalweg aktiviert wird“, erklärt der Leiter der Studie, Dirk Becker. Mithilfe eines Sensor, mit dem sich der Jasmonsäure-Signalweg in lebenden Zellen verfolgen lässt, konnten die Würzburger zusammen mit französischen Pflanzenbiologen diesen Effekt an der Modellpflanze Ackerschmalwand beobachten.

Zwei Hormone, eine Funktion: schließen der Stomata

Um den molekularen Mechanismus zu entschlüsseln, untersuchten die Pflanzenphysiologen anschließend Arabidopsis-Mutanten, die nicht auf Jasmonsäure reagieren. Das Ergebnis: Der Kaliumkanal GORK hat eine zentrale Bedeutung für das Schließen der Stomata. In Kooperation mit Münsteraner und Münchner Forschern konnte zudem eine Calcium-abhängige Proteinkinase identifiziert werden, welche die Aktivität des GORK-Kaliumkanals reguliert. Das Forscherteam identifizierte zusätzlich einen Hemmstoff des Jasmonsäure-Signals in Schließzellen. Diese Protein-Phosphatase ABI2 wirkt der Kinase-vermittelten Kanalaktivierung entgegen.

„Interessanterweise ist ABI2 der Ko-Rezeptor für das pflanzliche Trockenhormon ABA. Das deutet darauf hin, dass sich die beiden Pflanzenhormone Jasmonsäure und Abscisinsäure hier überlagern“, erklärt Becker. Allerdings wisse man noch nicht, wie die Jasmonsäure den Signalweg der Abscisinsäure beeinflusst. Darum will das JMU-Team nun untersuchen, ob Jasmonsäure die Abscisinsäure-Biosynthese auslöst oder ob sie auf einer anderen Ebene eingreift.

jmr

Jasmine plants are known and loved for their bright white flowers and their fresh scent. This fragrance is based on the phytohormone jasmonic acid. The plant hormone bears its name because it was first discovered in the jasmine plant, but is also produced by other plants when they are eaten by insects or injured mechanically. The acid then causes a defensive reaction to protect the plant. Some species even transmit this acid signal via the air, in order to warn neighbouring plants. Researchers from Würzburg have now discovered another function of the important plant hormone: jasmonic acid is also part of the regulation of the leaf pores.

Even Arabidopsis uses the jasmonic acid signaling pathway

Leaf pores, also known as respiratory pores or stomata, are the "floodgates" and control unit for the absorption of carbon dioxide, which is essential for photosynthesis. These stomata are generally located on the plant leaves and are formed by two guard cells. The plant hormone abscisic acid (ABA) is a key signal that leads to the closure of the stomata. It is important that the stomata are closed, especially during dry periods, otherwise the plants lose too much water.

As plant biologists at the Julius Maximilian University of Würzburg (JMU) now report in the journal "Developmental Cell", mechanical damage to the leaves causes the leaf pores to close quickly - interestingly, not only for the wounded leaf, but also the neighbouring leaves. "This observation was not reported before and suggested to us that the jasmonate signaling pathway might have been turned-on in the guard cells," explains Dirk Becker, head of the study. Using a sensor with which the jasmonic acid signalling pathway can be tracked in living cells, the Würzburg researchers and French plant biologists were able to observe this effect for the model plant Arabidopsis.

Two hormones, one function: close the stomata

In order to decipher the underlying molecular mechanism, the plant physiologists subsequently investigated Arabidopsis mutants that do not react to jasmonic acid. The result: The potassium channel GORK is key for the closure of the stomata. In cooperation with researchers from Münster and Munich, it was also possible to identify a calcium-dependent protein kinase that regulates the activity of the GORK potassium channel. Moreover, the research team identified an inhibitor of the jasmonic acid signal in closing cells. This protein phosphatase ABI2 counteracts kinase-mediated channel activation.

"Interestingly, ABI2 is the co-receptor for the plant drought hormone ABA. This is indicating molecular crosstalk between the two phytohormones jasmonic acid and abscisic acid," explains Becker. However, it is not yet known how jasmonic acid influences the signalling pathway of abscisic acid. That is why the JMU team is now investigating whether jasmonic acid triggers abscisic acid biosynthesis or whether it intervenes on a different level.

jmr

Polyesterfasern werden sehr vielseitig eingesetzt. Aus ihnen entstehen Textilien und Vliesstoffe, aber auch PET-Flaschen und Lacke. Die Polymere hierfür werden bisher erdölbasiert hergestellt. Polyester aus nachwachsenden Rohstoffen zu generieren, stellt Materialforscher hingegen noch immer vor große Herausforderungen. Der Grund: Naturprodukte wie Pflanzenöle bringen Probleme mit, die eine Umwandlung erschweren. In der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ stellt Stefan Mecking von der Universität Konstanz nun ein neues Katalyse-Konzept vor, das diese Hürden meistern kann.

Effektive Gewinnung von Kunststoffmolekülen aus Pflanzenöl

In der Studie präsentieren Mecking und sein Kollege Ye Liu einen Weg, wie Polyester aus pflanzlichen Fetten und Ölen gewonnen werden kann. Das von den Konstanzer Chemikern entwickelte Verfahren wurde anhand von Undecenol erprobt, einer organischen Verbindung, die aus Rizinusöl gewonnen wird und ein wichtiges Molekül für die Kunststoffherstellung ist. „Unsere Idee war es, viele von diesen Molekülen zu einem großen Molekül, einem Kunststoffmolekül, zu verknüpfen. Das Ganze wollten wir effektiv, sozusagen ‚in einem Schuss‘, durchführen“, erklärt Stefan Mecking den Ansatz des Projektes.

Solche großen, langkettigen Verbindungen werden benötigt, um das Material gezielt mit bestimmten Eigenschaften auszustatten. Das Problem: Das Molekül Undecenol besitzt an einem Ende eine Alkoholgruppe und am anderen Ende eine Doppelbindung. Um langkettige Moleküle für Kunststoffe herzustellen, müssen diese Enden zu sogenannten Estergruppen verknüpft werden. Hierfür sind geeignete Katalysatoren enorm wichtig. „Diese sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Reaktion, die zu den gewünschten, langkettigen Molekülen führt, äußerst effektiv und ohne jede Abweichung verlaufen muss“, erläutert Mecking.

Neuer Katalysator überzeugt 

Mithilfe eines solchen Katalysators ist es den Chemikern gelungen, Polyester ohne Verluste und effektiv aus Rizinusöl herzustellen. Dafür nutzten sie als katalytische Reaktion zur Erzeugung der Estergruppen die Carbonylierung – also das Einfügen von Kohlenstoffgruppen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Katalysatoren definierten die Forscher auch Schritte, um den Schmelzpunkt der Produkte einzustellen. „Vom Verständnis, das wir hier erlangt haben, wüssten wir jetzt auch, auf welche Weise wir für andere, langkettige Substrate mit dem Schmelzpunkt umgehen können“, so Mecking. Das von ihnen entwickelte Konzept zur Gewinnung von Polyester ist demnach auch für andere nachwachsende Rohstoffe geeignet, um biobasierte Kunststoffe herzustellen.

bb

Geht es nach Andrea Kruse, so hätte jeder Landwirt seine eigene Bioraffinerie auf dem Hof. Anfallende Reststoffe wie Gras, Stroh oder Holz würden gleich vor Ort in einer Minianlage in ihre Bestandteile zerlegt und in neue Produkte wie Plattformchemikalien umgewandelt. Die Idee der Hohenheimer Chemikerin ist keinesfalls Utopie. Auf dem Gelände der Versuchsstation der Universität Hohenheim am Unteren Lindenhof wurde eine solche On-Farm-Anlage Ende Oktober eingeweiht. „Wie brauchen noch etwa drei Jahre bis alle Kinderkrankheiten auskuriert sind. Im optimalen Fall haben wir nach vier Jahren eine Demoanlage“, berichtet die Forscherin voller Stolz. Seit 2012 ist die gebürtige Braunschweigerin Professorin an der Universität Hohenheim und leitet die Studiengänge „Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie“.

Kruses Vision einer Bioraffinerie auf dem Bauernhof brauchte viele Jahre, um Gestalt anzunehmen - ebenso ihre Entscheidung, Chemie zu studieren. Als Tochter einer Chemielaborantin und eines technischen Chemikers wollte sie anfangs keinesfalls in die Fußstapfen der Eltern treten. „Ich wollte nicht das machen, was mein Vater macht. Es ist aber dann doch erschreckend ähnlich geworden“, gibt Kruse schmunzelnd zu.

Frühe Begeisterung für Natur- und Ingenieurswissenschaften

Ihre Begeisterung für die Natur- und Ingenieurswissenschaften ließ sie bis zum Abitur zwischen Physik und Chemie schwanken. Der geschickte Schachzug eines Lehrers, der Kruse in beiden Fächern unterrichtete, stellte schließlich die Weichen bei der Berufswahl. „Ich stand damals in beiden Fächern gleich, und er hat mir in Chemie die schlechtere Note gegeben. Er war der Meinung, dass ich mich in Chemie noch ein bisschen anstrengen kann. Das war ganz schön raffiniert.“

Von 1984 bis 1991 studierte Kruse an der Universität Heidelberg Chemie, wo sie anschließend auch promovierte. Den praktischen Teil der Doktorarbeit absolvierte sie jedoch am Forschungszentrum (FZ) Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Am FZ wurden dann sowohl der Grundstein für ihre Forschungsarbeit zur Biomasse gelegt als auch die Weichen in Richtung chemische Verfahrenstechnik gestellt. „Ich wollte immer etwas machen, was man hinterher auch anwenden kann und das nützlich ist“, erinnert sich Kruse. Im Zusammenhang mit der Erzeugung von Wasserstoff untersuchte sie damals unter anderem Gärstoffe wie Trester, die bei der Bierherstellung anfallen. In dem Chemiker Herbert Vogel fand die Doktorandin einen Mentor, der ihre „Ingenieursseite“ belebte und so ihre Karriere maßgeblich prägte.

Anwendungsorientierte Forschung zur Biomasse

So war es naheliegend, dass Kruse nach ihrer erfolgreichen Doktorarbeit 1994 zunächst am Forschungszentrum blieb, um als Nachwuchsgruppenleiterin und spätere Gruppenleiterin ihre anwendungsorientierte Forschung zur Biomasse voranzutreiben. „Wir wollten schon damals Biomassen umwandeln. Aber wir wussten auch, dass sie unterschiedlich sind. Deshalb mussten wir wissen, wie sich die verschiedenen Komponenten der Biomasse auswirken.“

Babybrei als Modellbiomasse etabliert

Kruse wollte den Prozess der Biomasseumwandlung verstehen, um ihn optimieren zu können. Dafür musste sie zunächst eine Modellbiomasse finden, die sich als Referenz für ihre Forschung eignen würde. Das war leichter gesagt als getan: „Ich brauchte eine Biomasse, die immer die gleiche Zusammensetzung hat. Im Supermarkt habe ich dann einen Babybrei gefunden - Kartoffel-Karotte-Geschmack. Der zeigte von Charge zu Charge keine Veränderung in der Zusammensetzung“, berichtet Kruse. Dass sie als Akademikerin mit Babybrei forschte, sorgte vor allem bei den männlichen Kollegen anfangs für Lästerei. Doch der Erfolg gab ihr recht. „Ich habe den Babybrei immer als Referenz benutzt und andere Biomassen damit verglichen, um die unterschiedliche Zusammensetzung einordnen zu können. So fand ich heraus, dass die Salze in der Biomasse einen großen Einfluss auf die Wasserstoffbildung haben“, erklärt Kruse.

Basischemikalien aus pflanzlicher Biomasse

Zu wissen, welche Komponenten bei der Biomasse zusammenspielen und welchen Einfluss sie haben – das ist ein Erfahrungsschatz, von dem die Hohenheimer Professorin auch bei der Umsetzung ihrer Vision einer Mini-Bioraffinerie profitiert. Seit ihrem Wechsel 2012 an die Universität Hohenheim widmet sie sich dem, was sie immer machen wollte: der Entwicklung neuer technischer Verfahren zur praktischen Biomassenutzung. Nunmehr sind es die beliebte Salatpflanze Chicorée und das in China beheimatete Schilfgras Miscanthus, die Kruse als pflanzliche Ausgangsstoffe nutzt, um daraus neue Basischemikalien wie Hydroxymethylfurfural (HMF), Phenole oder Furfurale herzustellen. HMF kann beispielsweise zur Herstellung von Plastikflaschen, Nylonstrümpfen oder Autositzen genutzt werden. Kruses Wunsch: „Ich möchte diese Verfahren in der Anwendung sehen.“ Zum Teil ist dieser Wunsch bereits in Erfüllung gegangen: HMF wird von der Schweizer AVA- Biochem GmbH in geringen Mengen hergestellt.

Bioraffinerien nach dem Lego-Prinzip bauen

Kruses Vision einer On-Farm-Bioraffinerie bekam jedoch erst in Hohenheim den nötigen Impuls für die Umsetzung. Dort ließ sie sich von den Agrartechnikern und deren Prinzip, Landmaschinen zu bauen, inspirieren: „Wenn man sich eine Landmaschine anschaut, egal ob Mähdrescher oder Rübenroder: Das Innenleben ist immer gleich, nur die Aufbauten sind verschieden. Auf diese Weise können auch Bioraffinerien wie beim Lego angepasst und diese Legosteine in größeren Mengen produziert werden“, so Kruse.

Die On-Farm-Anlage besteht demnach aus mehreren Modulen. Einige davon sind wie Legosteine austauschbar, andere sind immer gleich, wie der Motor einer Landmaschine. Eine Großproduktion der Module würde die Anlage für Landwirte bezahlbar machen und so für landwirtschaftliche Betriebe eine neue Einnahmequelle auftun. „Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass es in der Praxis ankommt. Die Reaktionen der Landwirte sind überwiegend positiv.“ Mit dem Bioraffinerie-Technikum will Kruse beweisen, dass diese Anlage nicht nur eine, sondern gleich mehrerer Plattformchemikalien aus Biomasse gewinnen kann. Gegenwärtig testet die Chemikerin, inwiefern Altbackwaren und Weidegras als Ausgangsstoff für neue Plattformchemikalien geeignet sind.

Autorin: Beatrix Boldt

If it were up to Andrea Kruse, every farmer would have his own biorefinery. Waste materials such as grass, straw or wood would be broken down into their components in a mini plant and converted into new products such as platform chemicals. The idea of the Hohenheim chemist is by no means utopian. Such an on-farm plant was inaugurated at the end of October on the site of the experimental station at the University of Hohenheim on Unteren Lindenhof. "We still need about three years before all teething troubles are resolved. In the best case, we will have a demonstration plant after four years," the researcher proudly reports. Born in Braunschweig, she has been a professor at the University of Hohenheim since 2012 and heads the "Renewable Resources and Bioenergy" degree courses.

Kruse's vision of a biorefinery on a farm took many years to take shape, as did her decision to study chemistry. As the daughter of a chemical laboratory assistant and a technical chemist, she did not initially want to follow in her parents' footsteps. "I didn't want to do what my father does. But then it became terribly similar," Kruse admits with a smile.

Early enthusiasm for natural and engineering sciences

Her enthusiasm for the natural and engineering sciences led her to waver between physics and chemistry until she graduated from high school. The skilful move of a teacher who taught Kruse both subjects finally set the course for her career choice. "I was on the same level in both subjects at the time, and he gave me the worse grade in chemistry. He was of the opinion that I could still make a little effort in chemistry. That was pretty clever."

From 1984 to 1991, Kruse studied chemistry at the University of Heidelberg, where she subsequently earned her doctorate. She completed the practical part of her doctoral thesis at the Karlsruhe Research Centre (FZ), which is now the Karlsruhe Institute of Technology (KIT). The foundation stone for her research work on biomass was laid at the FZ and the path was set towards chemical process engineering. "I always wanted to do something that could be applied later on and that would be useful," recalls Kruse. In connection with the production of hydrogen, she investigated fermentation materials such as pomace, which are produced during the production of beer. In the chemist Herbert Vogel, the doctoral student found a mentor who stimulated her "engineering side" and thus had a decisive influence on her career.

Application-oriented research on biomass

After her successful doctoral thesis in 1994, Kruse initially stayed at the research centre in order to advance her application-oriented research on biomass as a junior research group leader and later group leader. "Even then, we wanted to convert biomass. But we also knew that one is not like the other. Therefore, we needed to know how the different components of the biomass affect each other".

Baby porridge established as model biomass

Kruse wanted to understand the process of biomass conversion in order to be able to optimise it. She first had to find a model biomass that would be suitable as a reference for her research. That was easier said than done: "I needed a biomass that always had the same composition. In the supermarket, I found a baby porridge - with potato-carrot taste. It showed no change in composition from batch to batch," reports Kruse. The fact that she researched baby porridge as an academic initially caused her colleagues to make fun of her, especially her male peers. But her success proved her right. "I always used baby porridge as a reference and compared other biomasses with it in order to be able to classify the different composition. I found out that the salts in the biomass have a major influence on hydrogen formation," explains Kruse.

Basic chemicals from plant biomass

Knowing which components interact in biomass and what influence they have is a wealth of experience from which the Hohenheim professor also benefits in the implementation of her vision of a mini-biorefinery. Since moving to the University of Hohenheim in 2012, she has been focusing on what she always wanted to do: the development of new technical processes for the practical use of biomass. Kruse now uses the popular salad plant chicory and the Chinese reed grass Miscanthus as plant raw materials to produce new basic chemicals such as hydroxymethylfurfural (HMF), phenols or furfurals. HMF can be used, for example, to make plastic bottles, nylon stockings or car seats. Kruse's dream: "I want to see these processes in action." In part, this wish has already been fulfilled: HMF is produced in small quantities by the Swiss company AVA-Biochem GmbH.

Building biorefineries with the Lego principle

However, Kruse's vision of an on-farm biorefinery only received the necessary impulse for its implementation in Hohenheim. There, she was inspired by the agricultural engineers and their principle of building agricultural machinery: "If you look at an agricultural machine, whether combine harvester or beet harvester, the inner workings are always the same, only the superstructures are different. In this way, biorefineries can be adapted, just like Lego, and these Lego bricks can be produced in larger quantities," says Kruse.

The on-farm plant therefore consists of several modules. Some of them are exchangeable like Lego bricks, others are always the same like the engine of an agricultural machine. A large-scale production of the modules would make the plant affordable for farmers and thus open up a new source of income for farms. "I have absolutely no doubt that it will in fact be implemented. The reactions of farmers are mostly positive."

Kruse wants to use the biorefinery pilot facility to prove that this plant can produce not only one but several platform chemicals from biomass. The chemist is currently testing to what extent used bakery products and pasture grass are suitable as starting materials for new platform chemicals.

Author: Beatrix Boldt

Schiffsrümpfe und Zähne haben auf den ersten Blick nichts gemeinsam. Doch beide sind von sogenannten Biofilmen umgeben. Das sind schleimige Beläge von Mikroorganismen, die sich auf fast allen Gegenständen oder Geweben ablagern können. Dabei sind sie nicht nur Untermieter oder blinde Passagiere, sondern können bei Schiffen für erhebliche ökonomische Belastungen sorgen, beispielsweise durch höhere Treibstoffkosten, und als Beläge auf Zähnen zu Karies und Parodontitis führen. Deshalb suchen Wissenschaftler weltweit nach Wegen, solche Mikrobenbeläge zu verhindern oder zu minimieren. Ein Forscherteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat nun gemeinsam mit Wissenschaftlern aus den USA und Chile untersucht, wie sich Biofilme mit Nährstoffen versorgen. Die Nährstoffversorgung zu unterbrechen, wäre ein vielversprechender Lösungsansatz, um unerwünschte Biofilme zu bekämpfen. 

Mikroben stimmen ihre Bewegungen ab

Physiker vom Institut für Theoretische Physik II der HHU, aus Stanford und Argonne in den USA sowie Santiago de Chile haben daher analysiert, welche Bewegungsstrategien die einzelnen Bakterien ausführen müssen, um eine Nährstoffversorgung zu ermöglichen. Wie die Forschenden im Fachjournal „Physical Review Letters“ berichten, haben sie dafür eine umfangreiche mikro-hydrodynamische Theorie entwickelt und diese für verschiedene Bewegungstypen analysiert. Das Ergebnis: „Führen alle Bakterien die gleichen Bewegungen aus, führt das zum Stillstand des Wasserflusses und damit zu ihrem sicheren Hungertod", so Hartmut Löwen, Physiker an der HHU. Sind die Bewegungen hingegen ungleichmäßig, erzeugt das eine weitreichende und zum Biofilm hingerichtete Strömung, die die Nährstoffe heranträgt.

Bewegungsmuster hat hohes Anwendungspotenzial

Je nach dem, wie sich die Mikroorganismen bewegen, entstehen bestimmte Muster auf den Biofilmen, durch die der Nährstoffzufluss gesteuert werden kann. Dieses über die Nährstoffversorgung entscheidende Flussfeld ist normalerweise jedoch nicht direkt sichtbar. „Deswegen wollten wir es durch unsere Rechnungen sichtbar machen. Wir stießen dabei auf ein allgemeines Prinzip, welches ein hohes Anwendungspotential besitzt“, so Löwen. Denn diese Muster basieren auf einem einfachen Baukastenprinzip, das auch genutzt werden kann, um den Nährstoffzufluss zu verändern. Fazit: Durch eine gezielte Störung dieses Zuflusses könnte der Biofilm ohne Gift zerstört werden. Gleichzeitig könnten erwünschte Beläge so besser mit Nährstoffen versorgt werden.

Der Clou: Dieses Prinzip ist nicht auf Bakterien beschränkt, sondern gilt auch für Mikroroboter oder „künstliche Schwimmer“, also Partikel, die helfen, beispielsweise Medikamente im menschlichen Körper zum gewünschten Zielort zu transportieren.

jmr

Extreme Witterungen können Pflanzen stark zusetzen. Um den Fortbestand einer Art gegen solche Eventualitäten zu schützen, haben die Samenkörner der meisten Pflanzen bestimmte Überlebensmechanismen entwickelt. Wenige Arten – insbesondere Ackerwildkräuter – besitzen sogar Samen, die Jahrzehnte im Boden ausharren und danach noch keimen können. Was Hobbygärtner und Landwirte ärgert, freut Ökologen. Für sie bilden diese Samen eine „verborgene Vielfalt“. Ökologen um Peter Poschlod von der Universität Regensburg berichten nun im Fachjournal „Biological Conservation“, dass diese Vielfalt in Teichsedimenten weit größer ist als bislang angenommen.

22 gefährdete Arten in hoher Zahl gefunden

Innerhalb von 26 Jahren hat Poschlod mit seinen Arbeitsgruppen, zeitweise an den Universitäten Hohenheim und Marburg, Sedimente von 108 Fischteichen in Bayern und Baden-Württemberg untersucht. In sechs bis zehn Litern Sediment je Teich zählten die Forscher insgesamt 540.000 Keimlinge. 300.000 davon gehörten zu 49 typischen Schlammbodenarten, darunter 22 Arten, die regional oder national als gefährdet gelten. In allen bis auf einen Teich wiesen die Ökologen mindestens eine gefährdete Art nach, und das mit bis zu 3.000 Samenkörnern je Liter Sediment. Erstaunlich an den Ergebnissen ist außerdem, dass viele dieser Arten in den jeweiligen Untersuchungsgebieten als verschollen oder ausgestorben galten.

Samenbank im Boden zur Renaturierung nutzen

Anhand historischer Daten und unpublizierter Ergebnisse weiterer Analysen von Sedimenten aus Donau und Rhein konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Samen von Schlammbodenarten in überstauten Sedimenten mehr als 100 Jahre überleben können. Auf diesem Weg können regional ausgestorbene Arten wieder an ihre einstigen Standorte zurückkehren. Auch bei Renaturierungsmaßnahmen sollte dieser „verborgenen Vielfalt“ mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, fordern die Ökologen um Poschlod. Sie sind überzeugt: Solange gefährdete Arten in der Samenbank im Boden vorkommen, kann deren Potenzial noch genutzt werden.

bl

Bioabfall ist kein gewöhnlicher Müll. Es ist ein kostbarer Rohstoff, der über die Kaskadennutzung in Biogasanlagen zu Biogas vergoren wird und entweder zur Energieerzeugung oder als Kompost in der Landwirtschaft genutzt werden kann. Seit Januar 2015 ist es in Deutschland daher Pflicht, Bioabfälle getrennt von Restmüll zu entsorgen. Etwa elf Millionen Tonnen Kaffeesatz, Obst- und Gemüsereste oder Backwaren landen so jährlich in der Biotonne. Doch viele Menschen lehnen die Biomülleimer in der Küche noch ab, weil sie Schimmel und fauligen Geruch abstoßend finden.

Hürden beim Sammeln von Biomüll abbauen

Hier setzt das Projekt „wastePad“ der TerFirmo GbR an: Mit ihren Wastepads wollen die Entwickler um Christian Gentemann die Handhabung des Bioabfalls verbessern, damit die vorhandenen Hürden beim Sammeln von Biomüll abbauen und zu einer flächendeckenden Bioabfallsammlung beitragen. Mit der Unterstützung des Innovationsnetzwerkes Upcycling & Stoffliche Nutzung (INUS) konnte das in Söhlde bei Hildesheim ansässige Unternehmen ihre Idee eines flüssigkeitaufsaugenden Pads, sogenannte Wastepads, für den Haus- und Biomülleimer verwirklichen.

Biowindel zu 100% kompostierbar

„Die Basis der Wastepads sind Strohpellets. Sie können das Vier- bis Fünffache des Eigengewichtes an Wasser aufnehmen“, erklärt Christian Gentemann. „Dazu kommt ein pflanzliches Additiv. Hier verwenden wir vor allem natürliche Zusätze, unter anderem aus Eukalyptus- und Zitronengrastee. Mit dem im Projekt entwickelten Rezepturen wird das Wachstum von Bakterien und Pilzen gehemmt, die Lagerdauer des Abfalls erhöht und der Geruch neutralisiert.“ Die Pads sind demnach saugstark wie eine Windel und wirken durch die Teezusätze auch antibakteriell. Obendrein ist die „Biowindel“ für die Biotonne zu 100% kompostierbar.

Bakterien- und Schimmelbildung deutlich reduziert

Denn auch die Hülle besteht aus natürlichem Material. Die Entwickler verwenden dafür bislang ausschließlich schwarz bedrucktes, rußhaltiges Zeitungspapier und keine bunten Illustrierten, die kupferhaltige Farben enthalten können. Verklebt wird die Hülle mit gewöhnlichem Stärkekleister, der in Wasser angerührt wird. Um die volle Wirkung zu entfalten, sollte das Wastepad auf den Boden des Biomülleimers gelegt werden, wo sich die Flüssigkeit ansammelt, rät Gentemann. Durch die Nässe löst sich das Zeitungspapier auf, so dass die Strohpellets offen liegen und die sogenannten Sickersäfte aufsaugen können. Kommen die Pellets mit der Feuchtigkeit in Kontakt, werden auch die pflanzlichen Zusätze aktiv. „Durch den Kontakt mit Flüssigkeit werden die ätherischen Öle der Additive freigesetzt und diese Dämpfe verbreiten den Geruch. Damit schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn die Dämpfe der pflanzlichen Zusätze wirken auch gegen Pilze“. 

Energiegehalt des Biomülls verbessert

Die Funktionalität der Wastepads wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule Hannover in mehreren Laborversuchen bereits bestätigt. In den Tests wurde gewöhnlicher Bioabfall in einer Papiertüte fünf Tage bei 25 Grad Celsius in einem Inkubator, entweder mit oder ohne Wastepad, aufbewahrt. „Die Sickersäfte haben wir dann bis zu zehn Mal verdünnt und sie auf Nährböden ausgestrichen. Anhand später entstandener Bakterien- und Pilzkolonien haben wir die sogenannten koloniebildenden Einheiten berechnet“, erklärt Gentemann.  Das Ergebnis: Mithilfe des Wastepads wurde das Bakterienwachstum um bis zu 80% und das Pilzwachstum um bis zu 50% verringert. Auch die Sickersaftbildung sank um bis zu 70%. Das Wastepad hat aber noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: Der Energiegehalt des Biomülls steigt, wodurch der Abfall auch bestens für Vergärungsanlagen geeignet ist.

Wastepads für die Gastronomie anpassen

Bisher wird das Wastepad noch in der hauseigenen TerFirmo-Manufaktur mit einer Handhebelpresse gefertigt. „Unser Prototyp ist mit einer Größe von etwa 12 x 8 cm für einen normalen Hausmülleimer mit acht bis zehn Litern konzipiert. Unser kurzfristiges Ziel ist es, mit einem starken Partner aus dem Handel den Absatz zu Privathaushalten aufzubauen und darauf in den Gastronomiebereich einzusteigen. Dafür wollen wir mittels Upscaling das Wastepad für größere Gastro-Abfallsammler anpassen“, erklärt Christian Gentemann.

Das INUS-Netzwerk wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und von der abc GmbH koordiniert. Die 15 Partner im Projektverbund unterstützen produzierende Betriebe bei der gewinnbringenden Verwertung und Aufwertung von Produktionsausschüssen ­– von der Bestandsaufnahme bis hin zur Inbetriebnahme sowie Produkterzeugung. Bisher konnte INUS mehr als 5,8  Mio. Euro für Investitionen in Upcycling-Ideen meist mittelständischer Unternehmen initiieren. Das TerFirmo-Team wurde mit mehr als 117.000 Euro bei der Entwicklung und Markteinführung eines Prototyps unterstützt.

bb

Kreuzfahrten sind beliebter denn je. Seit 2009 ist die Zahl der Schiffsreisenden weltweit kontinuierlich gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben allein 2018 28 Millionen Menschen weltweit ihren Urlaub an Bord solcher Ozeanriesen verbracht. In diesen schwimmenden Kleinstädten fallen dementsprechend, ähnlich wie an Land, erhebliche Mengen organischer Abfälle an. Bisher wurden diese in zulässigen Zonen im Meer entsorgt. Im BINE-Projekt „Schiffsabfälle verwerten statt verklappen“ haben sich Forscher und Reedereien zusammengetan und ein neues Entsorgungskonzept entwickelt, das die energetische Nutzung von organischen Schiffsabfällen und Klärschlamm möglich macht. Modellregion ist dabei die Ostsee.

Organische Schiffsabfälle umweltfreundlich entsorgen 

Essenreste und Klärschlamm für die Energieerzeugung zu nutzen, ist auf Grund der hohen Anforderungen an die Entsorgung noch sehr unrentabel. Bisher werden an Bord Speisereste und Abwasser in der Regel getrennt. Die Essensreste werden dann meist zerkleinert, in Vakuumtanks gesammelt und anschließend in den zulässigen Zonen in die Meere gekippt. Eine andere, aber teurere Alternative ist die Entwässerung und Trocknung von Speiseresten und Klärschlamm zu Biomüllpulver. Das Verfahren ist jedoch energiezehrend. Außerdem entstehen bei der Trocknung unangenehme Gerüche. Im BINE-Projekt haben die Forscher daher untersucht, wie die riesigen Abfall- und Abwassermengen der Kreuzfahrtschiffe energetisch effizient und entsprechend der EU-Hygienevorgaben verwertet werden können.

Anaerobe Vergärung statt aufwendige Trocknung 

Das neue Konzept zur Behandlung der Bioabfälle sieht nun statt einer energieaufwendigen Trocknung des Biomülls an Bord eine anaerobe Vergärung in einer Biogasanlage im Hafen vor. Dafür werden der flüssige und feste organische Schiffsmüll an Bord gesammelt und einer anaeroben Versauerung unterzogen. Bei diesem Verfahren wird zeitweise die Gasentstehung blockiert, dies führt zur Verflüssigung. In dieser Form kann das Substrat in konventionellen Biogasanlagen in den Häfen verarbeitet werden, wo der Gärrest dann verkohlt wird.

Neue Einnahmequelle für Reedereien 

Für neue im Bau befindliche Kreuzfahrtschiffe haben die Forscher bereits die Abwasserbehandlungsanlage an Bord mit einer Anaerobstufe für eine gemeinsame Verwertung von Abwasserschlamm und Speiseresten ergänzt. Mithilfe der Anlage werden der Überschussschlamm an Bord reduziert, Abwassergrenzwerte eingehalten und weniger Speisereste im Meer entsorgt. Die Entwickler sind überzeugt, dass das neue Verfahren eine umweltfreundliche und zugleich wirtschaftliche Alternative zum bisher teuren Trocknungsprozess darstellt. Es bietet den Reedereien nicht nur eine neue Einnahmequelle, sondern auch die Möglichkeit, Kosten zu senken. 

Das Verfahren wird vom Innovations- und Bildungszentrum Hohen Luckow e.V. im Rahmen des Netzwerkes „Biogas Maritim – Biogastechnologien zur energetischen Verwertung maritimer Abfälle“ vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern (LALLF) durchgeführt.

bb