Gerste zählt zu den wichtigsten Nutzpflanzen weltweit und dient der Ernährung von Mensch und Tier. Doch Pilzkrankheiten führen immer wieder zu gravierenden Ernteausfällen. Neben Schaderregern wie dem echten Mehltaupilz, der Ähren und Blätter befällt, sind Wurzelerkrankungen, ausgelöst durch sogenannte Fusarienpilzen, eine große Bedrohung der heutigen Pflanzenproduktion, wie der Gießener Phytopathologe Karl-Heinz Kogel weiß. „Fusarienpilze sind aus landwirtschaftlicher Sicht äußerst problematisch, weil sie Mykotoxine bilden, also giftige Stoffe, die über die Ähren ins Mehl und somit in die Lebensmittel gelangen“. Ein wirksames Pflanzenschutzmittel gegen die Erreger an Ähren und Wurzel gibt es bisher nicht. Auch die konventionelle Züchtung von neuen pilzresistenter Gerstenarten brachte noch nicht den erhofften Durchbruch.
Wurzelkrankheiten lange vernachlässigt
Während Blattkrankheiten wie der Mehltau wissenschaftlich intensiv erforscht sind, ist über Wurzelerkrankungen bisher wenig bekannt. „Die Pflanzenwurzel wurde seit ewigen Zeiten in der Forschung vernachlässigt“, betont Kogel. Im Verbundprojekt „CEREAL-ROOTS“ wollten Forscher um den Molekularbiologen von der Justus-Liebig-Universität Gießen diese Wissenslücke schließen und haben daher nach den genetischen Ursachen der durch Fusarium graminearum ausgelösten Wurzelkrankheit geforscht.
Suche nach krankheitsrelevanten Genen
Das Verbundprojekt, an dem auch die Universitäten Kiel und Erlangen sowie die Josef Breun Saatgut GmbH und die Nordsaat Saatzucht GmbH beteiligt waren, wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2011 bis 2014 mit insgesamt rund 1,4 Mio. Euro unterstützt. „Ziel war es, Gene zu finden, die in Bezug auf Wurzelkrankheiten für das pflanzliche Immunsystem relevant sind“, erklärt Kogel. Um entsprechende Stellen im Erbgut der Gerste aufzuspüren, war zunächst zu klären, wie die Wurzelkrankheit entsteht. Außerdem mussten Resistenzmechanismen identifiziert werden, die erklären, wie das Immunsystem der Pflanze Schädlinge wie Würmer oder mikrobielle Erreger wie Pilze abwehren kann.
MORC-Gene im Visier
Dafür haben sich die Forscher eine bestimmte Genfamilie genauer angeschaut. „Das waren etwa fünf sehr ähnliche Gene, sogenannte MORC-Gene, von denen man wusste, dass sie eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krankheiten sowohl bei Mensch, Tier und Pflanze spielen.“ Die Wissenschaftler mussten zunächst zeigen, dass die MORC-Gene auch bei Gerste tatsächlich eine Rolle beim Krankheitsverlauf spielen. Infolge mehrerer Tests, bei denen jedes der 5 MORC-Gene aktiviert oder ausgeschaltet, verstärkt oder abgeschwächt wurde, offnenbarte sich der Einfluss jedes einzelnen Kandidaten auf die Krankheitsentwicklung. So konnte das MORC-Gen mit dem stärksten Effekt auf die Krankheitsentwicklung schließlich identifiziert werden.
„Wir konnten Gene identifizieren, die tatsächlich eine Rolle bei den Krankheiten spielen. Und wir konnten sie näher charakterisieren und so verändern, dass die Pflanzen gegen bestimmt Schaderreger resistenter wurden“, berichtet Kogel. Das Gen namens MORC-6 zeigte bei der Infektion bei Fusarium graminearum den größten Effekt. „Dieses Gen kodiert ein Enzym namens MORC ATPase, die in epigenetischen Prozessen eine Rolle spielt. Es verändert Chromatin und damit die Genaktivitäten und beeinflusst so auch das Immunsystem“. Mit der Charakterisierung der Gersten-Genfamilie war das Projektziel von „CEREAL-ROOTS “ erreicht. Mit der Identifizierung der für die Wurzelkrankheit relevanten Gene haben die Forscher einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Züchtung neuer resistenter Gerstensorten geschafft.
Mit CRISPR zu neuen resistenten Gerstensorten
Der eigentliche Durchbruch kam jedoch etwas später. Hier kam den Gießener Molekularbiologen der wissenschaftliche Fortschritt zu Hilfe: die Entdeckung der Genomschere. „Erst mit CRISPR-Cas9 war es möglich, alle MORC-Gene ganz gezielt und vollständig auszuschalten, sodass die Rolle dieser Gene bei der Krankheitsentwicklung nun bekannt ist. Mithilfe des molekularen Präzisionswerkzeuges konnten die Forscher resistentere Gerstesorten kreieren. Auch gegen den Gersten-Mehltau hat das Team um Karl-Heinz Kogel inzwischen eine widerstandfähige Variante parat.
Von einem Einsatz in der Landwirtschaft sind die pilzresistenten Gerstenarten noch weit entfernt. „Wir werden die molekularen Mechanismen weiter untersuchen und testen, was die Gene in der Zelle bewirken. Und wir werden noch eine Reihe von Krankheiten testen, die für die europäische Landwirtschaft relevant sind“, erklärt Kogel. Perspektivisch hoffen die Forscher, dass Pflanzenzüchter und Landwirte von ihrer Arbeit profitieren werden. Noch ist allerdings strittig, ob Pflanzen, die mit dem modernen Genome-Editing-Verfahren verbessert wurden, als gentechnisch veränderte Pflanzen deklariert werden. Mit dem Einsatz der pilzresistenten Gerstensorten könnte nicht nur die Nahrungsmittelsicherheit verbessert werden, da weniger Pilzgifte in Futter- und Lebensmittel gelangen. Auch der Einsatz von Pestiziden ließe sich reduzieren.
Autorin: Beatrix Boldt